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Mein Tagebuch

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Mein Tagebuch
« am: 03 Dezember 2024, 00:44:55 »
Ein Tagebuch definiert sich über meist tägliche Eintragungen persönlicher Erlebnisse und Gedanken. Bei mir wird es bei diesem Eintrag bleiben.

Ich bin männlich, 35 Jahre alt und bin seit ich 12 Jahre alt bin spielsüchtig. Also gute 2/3 meines Lebens verbringe ich mit dieser Sucht. Ich kenne das Leben ohne Sportwetten gar nicht mehr, was mich von Tag zu Tag immer mehr zermürbt. Ich hatte keine schlechte Kindheit und Eltern die zwar nicht reich sind, aber mich unheimlich lieben. Ich bin jeden Tag dankbar solche Eltern zu haben, und hätte es bis diesen Tag ohne sie nicht geschafft.

Wir alle aus diesem Forum kennen die Probleme der Spielsucht und alle negativen Eigenschaften die es mit sich bringt. In meinem Erwachsenen Alter bin ich selbst für meine Taten verantwortlich, auch wenn ich mir im Nachhinein gewünscht hätte das ich nicht als 12 Jähriger unbegrenzt in Wettbuden Tippscheine abgeben darf. Aber das ist einfach passiert, und ich hatte genug Chancen davon loszukommen. Der finanzielle Druck ab dem 20 Lebensjahr in Schulden leben zu müssen, die man versucht mit Gewinnen irgendwie auszugleichen wurde von der Summe immer mehr und mehr. Wir alle wissen wie es ausgeht, sonst wären wir nicht in dieser Situation.

Worauf ich nicht stolz bin ist, dass ich Leute angelogen habe um meine Situation zu verheimlichen, und erbärmlicherweise auch mit Lügen Geld geliehen habe. Ich habe Leute geschadet und damit traurig gemacht, und dazu ebenfalls in unangenehme Lagen gebracht. Meine Depressionen sind durch die Vorwürfe mir selbst gegenüber immer mehr gewachsen und die bösen Geister im Kopf schwirren seit Jahren herum, und ein soziales Leben führe ich nicht mehr. Ich habe einen guten Job den ich bis heute von meinen Problemen ferngehalten habe. Diese ständige Ausreden, Lügen, Flüchten haben mich jetzt aber ans Ende gebracht. Leute wollen ihr Geld, mein Handy und meine Haustür hören nicht auf zu klingeln, auf der Arbeit wird ebenfalls angerufen, die Polizei sucht mich. Der Schuldenberg ist mit 300.000 Euro so groß, dass es unmöglich ist. Kredite bekomme ich nicht mehr. Es ist eine Situation die ich niemanden wünsche. Schuld bin ich aber komplett alleine, und muss als Mann die Konsequenzen dafür tragen.

Ich kann mir schon seit Jahren nicht mehr in den Spiegel schauen, weil der Selbsthass auf mich so groß ist, dass ich vor allem andere Menschen damit schade. Wäre es nur meine Person die schaden davon tragen würde, wäre es ok. Das aber andere Leute wie auch meine Eltern und meine wenigen Freunde darunter leiden halte ich nicht aus. Die Leute sagen oft zu mir dass ich schlau wäre, aber das bin ich nicht. Ich bin ein Schauspieler. Ich bin ein dummer Betrüger. Ich bin ein schlechter Mensch.

Ich habe mein Leben weggeworfen und die Werte gelebt für die ich nie stehen wollte. Der Druck war jetzt nun so groß dass er bei mir platzt. Ich weiß dass es Floskeln gibt wie "es wird alles schon" usw. Für das habe ich aber schon mehrere Ausfahrten verpasst, die letztmögliche schon vor Jahren. Ich kenne dieses Forum schon seit 15 Jahren und habe alles mir immer durchgelesen. Nachts als ich nicht schlafen konnte.

Wieso schreibe ich diesen Beitrag in diesem Glücksspiel Forum? Es sind viele starke Leute hier unterwegs die sich gegen die Glücksspielindustrie versuchen zu wehren, und auch versuchen Menschen zu helfen. Ich möchte euch Mut machen und hoffe dass ihr weiter dagegen kämpft. Ebenfalls möchte ich Menschen die neu auf diese Seite kommen eine letzte Nachricht von mir geben:

Du wirst am Ende alles verlieren. Neben dem Finanziellen verlierst du dein Selbstwertgefühl, den Respekt vor anderen und vor dir selbst, und bist ein schlechter Mensch. Du schadest anderen und vor allem Leute die dich lieben und gern haben. Du verlierst deine sozialen Kontakte und kannst nachts nichts mehr schlafen und kommst nicht aus dem Bett. Deine Lügen werden immer mehr und mehr, da du versuchst nicht als Glücksspielsüchtiger dazuzustehen. Hör auf damit, tu gutes für deine Familie, Freunde und der Welt, auch wenn sie manchmal gemein gegenüber dir sind. Tust du es nicht, wirst du so enden wie ich. Und wenn du denkst es geht nicht mehr tiefer. Es geht immer tiefer. Und den Glauben an Gott habe ich vor Jahren verloren. Du wirst das Spiel verlieren.
« Letzte Änderung: 03 Dezember 2024, 00:50:11 von Edin27 »

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Offline Wolke 7

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Re: Mein Tagebuch
« Antwort #1 am: 03 Dezember 2024, 01:45:40 »
Moin Edin,

wenn es dir jetzt gerade richtig schlecht geht ,dann ruf bitte die Seelsorge an:  dort kannst du auch chatten, musst nicht telefonieren

https://www.telefonseelsorge.de/

oder rufe die 112 an und lasse dich einweisen.  Dort wird dir auch sofort geholfen.

Warst du schon mal bei einer Sucht-und Schuldnerberatung? Pack deine ganzen Unterlagen zusammen mit all deinen Krediten und offenen Rechnungen. Die helfen dir dabei und dann könnt ihr alles besprechen. Wenn du zahlungsunfähig bist ,wird es wahrscheinlich auf eine Privstinsolvenz hinauslaufen. Dann zahlst du 3 Jahre mit Absprache einiges ab,dir bleibt trotzdem monatlich genug zum Leben übrig und nach 3 Jahren bist du Schuldenfrei.

Wenn du dich bei der Caritas meldest ,die können dir mit den Schulden helfen und die helfen dir auch bei einer stationären oder ambulanten Suchttherapie.  Die füllen mit dir auch alles für die Rentenversicherung aus. Mal 6-12 Wochen aus dem Alltag raus.....Einzelgespräche und Gruppengespräche. Der Anfang kostet Überwindung, aber danach wirst du dich so viel besser fühlen. 

Überlege dir das mit der Schulden- und Suchtberatung und  der Privatinsolvenz,das ist dein Start in dein neues Leben ,ohne diesen ständigen Druck ,diese ständige Angst. Und dann klingelt auch nicht mehr das Handy oder die Türklingel.

Mach gleich einen Termin ,suche deine Unterlagen zusammen, egal ob sortiert oder nicht und nimm auch ungeöffnete Briefe mit .

Wage diesen Schritt,für dich ,für deine Eltern ,für deine Freunde.  Sie lieben dich und wollen dich nicht verlieren. 

Es gibt da einen Weg raus,manchmal braucht man mehrere Menschen, die einem ein bisschen auf dem Weg begleiten. 

LG Wolke


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Offline Rubbel

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  • 1.058
Re: Mein Tagebuch
« Antwort #2 am: 03 Dezember 2024, 14:12:30 »
Hallo Edin :)

Hab' gerade mal geschaut: im November hattest Du ja schon mal geschrieben - im BGH-Thread, oder? Was hat sich verändert seitdem?

Zitat
Worauf ich nicht stolz bin ist, dass ich Leute angelogen habe um meine Situation zu verheimlichen, und erbärmlicherweise auch mit Lügen Geld geliehen habe. Ich habe Leute geschadet und damit traurig gemacht, und dazu ebenfalls in unangenehme Lagen gebracht. Meine Depressionen sind durch die Vorwürfe mir selbst gegenüber immer mehr gewachsen und die bösen Geister im Kopf schwirren seit Jahren herum, und ein soziales Leben führe ich nicht mehr. Ich habe einen guten Job den ich bis heute von meinen Problemen ferngehalten habe. Diese ständige Ausreden, Lügen, Flüchten haben mich jetzt aber ans Ende gebracht. Leute wollen ihr Geld, mein Handy und meine Haustür hören nicht auf zu klingeln, auf der Arbeit wird ebenfalls angerufen, die Polizei sucht mich. Der Schuldenberg ist mit 300.000 Euro so groß, dass es unmöglich ist. Kredite bekomme ich nicht mehr. Es ist eine Situation die ich niemanden wünsche. Schuld bin ich aber komplett alleine, und muss als Mann die Konsequenzen dafür tragen.
( :)) ... als Frau genauso - alle übernehmen die Konsequenzen für ihr ihr Tun.)

Ich denke, Du kannst davon ausgehen, dass sehr viele spielsüchtige Menschen sich Stück für Stück durch den Kreislauf von 'Spielen wollen - Kredite von der Bank - Leihgaben durch andere Menschen - Verzweiflungstaten wie z.B. Diebstahl oder Betrug' zu sanieren versucht haben oder es gerade tun.
Jeden Tag, jede Stunde ... und bei niemandem wird das gut gehen. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, hast DU vor ein paar Wochen erfragen wollen, wie Du einen Teil Deiner Verluste - evtl. durch laufende Rückforderungs-Bestrebungen - reduzieren kannst.
WAS tätest Du damit? Bist Du sicher, dass Du das Geld zum Abzahlen verwenden würdest? Naja ... sicher ist sich wohl niemand, der eine Rückerstattung erhält. Das liegt ja in der Natur der Sache. Glücksspielsüchtige sind vertraut mit dem Risiko einerseits und mit Phantasien vom Großgewinn andererseits. Und wenn es nicht 'heute' klappt, dann 'morgen' ... und mit der Zeit kommt die Verzweiflung und die Suche nach Möglichkeiten, wie es weitergehen kann. Den Rest kennen wir entweder teilweise, oder sogar 'ganz'.
Warum sucht Dich die Polizei? Bist Du sicher? - Die hätten doch längst schon gefunden, wenn Sie gewollt hätten?!

ALLES, was Dir zuvor Wolke geschrieben hat, ist richtig! Du kannst ja jetzt, wo eh alles immer schwieriger wird, 'die Hosen runterlassen' und zusehen, dass Du alle, wirklich alle Möglichkeiten nutzt, um Dir Erleichterung zu schaffen. Und das hat Wolke Dir aufgezählt.
Mir fiele zusätzlich ein, wie es wäre, wenn Du Dich zu einer Selbstanzeige durchringen könntest ... ob Dir das noch mal mehr Möglichkeiten bietet.
Durchdenke alles! Das hast Du immer gekonnt (gelernt schon in der Pubertät); und das nutzt Dir gerade JETZT viel, denn jetzt geht es um Dich!! Damit Du wieder Boden unter den Füßen bekommst und Deine Stärken wieder entdeckst.

Zitat
ch kann mir schon seit Jahren nicht mehr in den Spiegel schauen, weil der Selbsthass auf mich so groß ist, dass ich vor allem andere Menschen damit schade. Wäre es nur meine Person die schaden davon tragen würde, wäre es ok. Das aber andere Leute wie auch meine Eltern und meine wenigen Freunde darunter leiden halte ich nicht aus. Die Leute sagen oft zu mir dass ich schlau wäre, aber das bin ich nicht. Ich bin ein Schauspieler. Ich bin ein dummer Betrüger. Ich bin ein schlechter Mensch.

Ich habe mein Leben weggeworfen und die Werte gelebt für die ich nie stehen wollte. Der Druck war jetzt nun so groß dass er bei mir platzt. Ich weiß dass es Floskeln gibt wie "es wird alles schon" usw. Für das habe ich aber schon mehrere Ausfahrten verpasst, die letztmögliche schon vor Jahren. Ich kenne dieses Forum schon seit 15 Jahren und habe alles mir immer durchgelesen. Nachts als ich nicht schlafen konnte.

MOOOMENT! :
Du spielst mehr als 20 Jahre. Das ist lange genug und gipfelt mitttlerweile in Selbstvorwürfen. Du kannst Dich selbst doch aber retten, indem Du was änderst. Indem Du Dir professionelle Hilfe suchst, indem Du alles an Möglichkeiten erforschst und Dir für Dich die geeignetsten aussuchst und evtl. auch kombinierst. Das ist vielleicht ähnlich großer Aufwand wie vorher die Geldbeschaffung; der Unterschied besteht darin, dass Du DIR und ANDEREN gut tust.
Zitat
So erschaffst Du Dir ein neues, anderes Leben!!

(das ist es ja eigentlich, was hinter dem Wunsch eines fixen Gedanken steht, den ein Mensch in großer Verzweiflung mit sich herumträgt)
Tausch Dich mit anderen drüber aus hier, schreib', was Du als erstes für Dich getan hast und welchen 2., 3., 4. Schritt Du gehen wirst. Einverstanden??

Viele Grüße, Rubbel


« Letzte Änderung: 03 Dezember 2024, 14:27:08 von Rubbel »
--Meist ist Geist geil--

 

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