Guten Morgen!
Der Druck wird kommen ... So mancher, der hier von Rückfällen berichtet hat, gibt an, dass alles aus heiterem Himmel kam und er/sie sich wie fremdgesteuert fühlte. Teil 1 ist durchaus korrekt, Teil 2 ist aber selbstbeschiss ... sorry ...
Ein Rückfall bereitet sich immer vor, er bahnt sich an und die Anzeichen bleiben nur unbeachtet, weil wir uns an sie gewöhnt haben und sie etwas Normales zu sein scheinen. Die Sucht möchte auch im Vorfeld der eigentlichen Ausübung befriedigt werden. Wieso sollte ich aus irgendeinem Grund bei etwas gegensteuern, wenn doch mein Belohnungssystem bereits angesprochen und aktiviert wurde?
Der "Genuss" der Suchtausübung steckt immer im sofortigen Erfolg. Dafür braucht es keinen Megajackpot, kein Drücken der Risikoleitern ohne Ende bis zum Anschlag. Die Glücksspielindustrie zeigt uns, wie wir Menschen funktionieren. Drei Symbole für Freispiele? Gut, wir zeigen Dir zwei und das Dritte erscheint auf der 3. bis 5. Walze jeweils eine Position außerhalb des gültigen Bereiches. Die Freispielsymbole sind größer, als das eigentliche Feld, also sind sie sichtbar. "Meine Fresse, was war das knapp ... nur ein Feld runter ..." Was für ein Dreck ... Fastgewinne aktivieren bereits die Nebennieren zur Ausschüttung von Dopamin.
2 €-Spins? Na, dann gebe ich Dir eben 10 Cent Gewinne. Das Gleiche Prinzip ...
Das schnelle Glück, das Elexier des Süchtigen ...
Doch was passiert, wenn wir dem Druck nicht nachgeben? Wenn wir "warten"? Zugegeben, manchmal ist das Verlangen so groß, dass die eiskalte Dusche, das Treppenhaus oder eine Tüte Chiligummibärchen gerade so noch reichen. Doch was ist mit den leichten Verlangen? Was ist mit dem Beginn der Diskussion mit der Sucht? Was ist, wenn ich da abwarte?
Dann passiert oft etwas, was wir eigentlich gar nicht wahrhaben wollen, weil wir da mit unseren Unzulänglichkeiten konfrontiert werden. Ich werde mich beschissen fühlen nach dem Spielen. Ich werde mir wieder wie ein Versager vorkommen. Ich werde wieder meine Liebsten belügen müssen. Mein Sohn kann nicht an der Klassenfahrt teilnehmen ... und und und ...
Was Viele in genau diesen Momenten gar nicht sehen ... sie beschäftigen sich gerade mit dem, was sie wollen und dem, was sie nicht wollen. Sie beschäftigen sich mit ihren Zielen und Werten. Was fehlt, ist die Umkehr der Gedanken. Wenn ich abstinent bleibe, werde ich mich prima fühlen, Ich werde zufrieden mit mir sein, weil ich diesen schweren Part gemeistert habe. Meine Partnerin kann stolz auf mich sein und der Sohn soll sich auf der Klassenfahrt austoben und wertvolle Erfahrungen sammeln. Mich macht das glücklich!
Die Triggergedanken werden kommen ... und jedes Mal, wenn ich sie meistere, werde ich ein wenig selbstsicherer. Ich trainiere meinen Selbstwert und festige meine Identität! Und das nur, weil ich in einem vermeindlich schweren Moment abwarte.
Naja, das Abwarten gilt aber nur eben für diesen Moment. Den Rest des Tages darf ich mir gestatten, mich auf genau solche Momente vorzubereiten.
Jedes Mal, wenn wir eine neue Erfahrung machen, durchläuft sie verschiedenste Bereiche unseres Gehirns. Auch wenn es nur Sekundenbruchteile braucht, so dauert es immer noch länger, als eine bereits gemachte Erfahrung abgespeichert zu haben. Dann nämlich spart der Körper Energie und nutzt Abkürzungen im Gehirn. Es werden dann nicht mehr all die Bereiche im Gehirn abgefahren. Gibt es bei der Erfahrung ein Problem, wurde vielleicht schon eine Lösung gefunden. Das gilt auch für Lösungen, die bei anderen funktioniert haben, die mir also erzählt wurden. Sie können sofort "an der Front" getestet werden, ob sie auch bei mir funktionieren.
Ich habe mir die Sucht angewöhnt und ich kann sie mir auch wieder abgewöhnen!
Gestern war ich megastolz auf jemanden. Danke für die Inspiration für diesen Beitrag!