Hallo, Mike
du fragtest nach Erfahrungen von alten Hasen, die schon längere Zeit spielfrei sind.
Nach 15 Jahren aktiven Spielens bin ich nun nahezu 6 Jahre spielfrei.
Auch auf die Gefahr hin euch zu langweilen, hier ein kurzer Abriss:
Meine Spielerkarriere begann wie wohl bei den meisten. Kurz hintereinander mehrere 100er Serien am Automaten. Euphorie, Hochgefühl, Erfolg. Was zu Beginn noch „kontrolliert“ ablief, verselbstständigte sich immer mehr. Die Zeitabschnitte zwischen dem Spielen verkürzten sich, die Spieldauer und damit die Verluste erhöhten sich, Probleme zu Hause häuften sich, also noch mehr Spielen, ein Teufelskreis.
Es ging nicht um den Gewinn, das Geld, wichtiger war die Abwesenheit von Problemen, von der Familie, vom beruflichen Stress; ein typisches Fluchtverhalten hin zur Faszination des Spiels. ( Und Spielen ist faszinierend, gestehen wir uns das ein ). Danach die Leere, Schuldzuweisungen ( „geschieht meiner Frau ganz recht“, total bescheuert), ich war der Arme, der Bedauernswerte.
Dann wieder voller Elan hin zum Geld beschaffen ( auch das war schon ein Spiel genauso wie das Belügen der näheren Umgebung). Glücklicherweise hatte ich keine Möglichkeit, Geld zu unterschlagen, zum Raub bin ich zu feige, also wurde „nur“ das eigene Konto geplündert. -- - Man gönnt sich ja sonst nichts-.
Aufhören kann ich jederzeit, redete ich mir ein. Irgendwann änderte sich mein Spruch: „Ich glaube, dass ich schon ein bisschen süchtig bin.“ Mitleid, Besorgnis der Frau, der Freunde. Zweimaliger Besuch beim Therapeuten, gemeinsam mit meiner Frau, zu ihrer Beruhigung. Und ich, ich grinste mir einen. Aus dem Schneider, und weiter zum Spielen.
Dieses neckische Spielchen ging über 15 Jahre, dann erwischte meine Frau ( nicht ich habe die Initiative ergriffen ) den richtigen Zeitpunkt. Sie erwirkte einen Besuch bei einer Selbsthilfegruppe.
Deren Mitglieder deckten meine Spielchen schonungslos auf, kannten sie ja aus eigener Erfahrung.
- Ich lernte, stereotype Verhaltensmuster aufzubrechen, verzichte auf den Besuch meiner Automatenstammkneipe, betrete keine Spielhalle, gehe insgesamt weniger allein weg.
- Seit der Gruppe habe ich keinen Zugang mehr zum Konto, meine Frau regelt alles. Diese Art von Entmündigung war mir zu Beginn hochnotpeinlich, machte mich teilweise aggressiv. Jetzt drängt sie darauf, dass ich wieder mitverfügen kann, aber mir liegt nichts daran (vielleicht ist auch noch die Angst vor einem Rückfall latent vorhanden?).
- Mit meiner Frau führe ich mehr Gespräche ( merke aber gerade, dass ich das in letzter Zeit vernachlässige, Rückfallgefahr? ).
- Die Gruppe ist mein wöchentlicher fester Termin geworden, seit sechs Jahren arbeite ich mit, weiß auch, dass ich diese Fremdkontrolle weiterhin brauche.
- Ich verheimliche meine Sucht nicht mehr. Zwar posaune ich mein Problem nicht überall hinaus, aber ich stehe dazu. Habe übrigens erfahren, dass den meisten Personen meine Sucht schon bekannt war, das Interesse ist gar nicht groß, die Heimlichkeiten hätte ich mir sparen können.
Ist verdammt lang geworden, sei`s drum,
Tschuldigung
Berte