Hi Domeno!
Ich sende mal voraus, dass ich Dich mit diesem Beitrag zu nichts drängen möchte. Wenn Deine Entscheidung steht, dann steht sie eben.
Jedoch muss ich Dir ein wenig aus meiner Erfahrung erzählen, weil ich mich teilweise in Dir erkenne.
Habe ich selbst damals gechast? Ja, habe ich, aber nicht um den Verlust zurück zu holen, sondern um weiterspielen zu wollen.
Das, was Du hier beschreibst, geht aber auch weit über das Chasen nach den Verlusten hinaus. Hier gewinnt nicht mehr Deine Rationalität, denn die sagt Dir auch, dass Du eigentlich nur die 5.000 € verspielt hast ... nicht mehr ... keinen einzigen Cent. Wenn wir uns heute die rechtliche Lage bei den ganzen Chargebacks anschauen, dann wird der Moment vor der Aufnahme des Glücksspiels betrachtet, um den Besitzstand zu ermitteln. Du kannst da monatelange gezockt haben ... die Gewinne werden aus den Verlusten herausgerechnet. So errechnet sich dann der tatsächliche Betrag, der hier bei Dir 5.000 € ist.
Dann sagst Du, dass Du aufhören wirst, wenn die "2K" - Du traust Dich ja noch nicht mal den Betrag deutlich zu nennen - 2.000 € - verzockt sind.
Weisst Du, wie oft ich gesagt habe, dass ich aufhöre? Das war alles nur Schall und Rauch. Natürlich hatte ich in all den 20 Jahren auch mal abstinente Phasen, doch die waren weniger von mir selbst initiiert. Einige Male konnte ich meinen Mietzuschuss nicht zahlen ... mehrere Male wurde ich gesehen, wie ich in Spielhallen rumlief ... Mein Vater fuhr die Nachbarkommunen ab, um mich aus den Spielhallen zu holen.
20 Jahre ... ach wären es doch nur die 5.000 € Verlust gewesen. Ich kann nur schätzen, habe nie Buch geführt. Doch den Faktor 50 kannst Du hier gerne ansetzen.
Aber weisst Du was? Das Geld ist ausgegeben! Es hat ein anderer! Ich habe eine Dienstleistung dafür erfahren! Dabei rede ich nicht von dem Aufenthalt in Spielhallen und Kneipen. Ich rede auch nicht von sich drehenden Walzen! Ich rede von Bestätigung! Der Automat hat mich so genommen, wie ich war. Er kritisierte nicht! Er nahm kein ausgesprochenes Lob wieder zurück. Der Automat enttäuschte mich nicht! Er war immer da, ich konnte jederzeit zu ihm gehen.
Ich war nie der Held - ich war das Opfer. Gerade Brillenträger wurden dies gerne zu meiner Zeit. Ich wollte nicht verletzt werden und wollte niemanden verletzen. Auch Prügel hören irgendwann auf. Die Schmerzen vergehen und die Wunden heilen. Doch aus dem Elternhaus wurde ich nicht mental aufgebaut, sondern es fielen Sätze wie: ICH hätte mir das nie gefallen lassen! - Du bist doch nicht dumm, Du bist nur faul!
Mit 5 Jahren bin ich eingeschult worden und war damit immer der Kleinste und Jüngste in der Klasse. In der 10. hat sich das gerächt, da musste ich eine Ehrenrunde drehen. Die beiden Fremdsprachen Englisch und Deutsch haben mir das Genick gebrochen. Wieder zwei Jahre später, nach der 11. bin ich denn dann mal lieber "vorsichtshalber" abgegangen. Was wollte ich werden? Ich hatte keine Ahnung. Also ab zum Arbeitsamt, Tests gemacht und schon erhielt ich Angebote auf genau auf mich zugeschnittene Lehrstellen. Koch? Na klar, konnte ja gerade mal Wasser kochen. Einzelhandelskaufmann? Hat mich echt wenig interessiert. Doch meine Tante kam mit einer Lehrstelle um die Ecke, bei einem ansässigen Vermessungsbüro. Bewerbung geschrieben, Einladung zum Vorstellungsgespräch, einen Tag vorher im BIZ erst mal erkundigt, was so ein Vermesser denn alles so macht. Damals war mir schon klar, dass ich mit einer 2,5-Jahre Ausbildung im Nachgang keine Reichtümer verdienen konnte. Doch es war mir egal ... Ich hatte das erfüllt, was man von mir erwartet hatte. Ich selbst? Was wollte ich? ... Keine Ahnung ...
3 Jahre später war ich ausgelernt und zwischenzeitlich bei meinem heutigen AG unter gekommen.
Die Ausbildung, bei der ich allerdings nix gelernt hatte, hatte mir Spaß gemacht. Ich wollte mein Fachabi nachmachen und das tat ich dann auch 2 Jahre lang in Abendschule. Habe zwar nie studiert, doch der mir als Süchtigem eigene Hang zur Perfektion half mir dabei, beruflich erfolgreich zu sein.
Herrjeh ... ich schweife ab ...
OG hat etwas geschrieben, was ich bei Dir auch sehe. Dass Du das Geld zurückgewinnen möchtest, ist das Eine. Dass Du aber, trotz des geringen Gehaltes, weitere 2.000 € dafür einsetzen möchtest, und wie "zwanghaft" hierzu Deine Gedanken sind, das ist etwas Anderes.
OG sprach von der Kontrollilusion. Jeder Mensch hat das natürliche Bedürfnis, sein Leben zu bestimmen. Das ist normal! Bei mir stand das Glücksspiel auch als Synonym für Freiheit. Heute weiss ich, dass das eine Illusion war. Ja, garantiert auch eine Kontrollillusion, denn da ließ ich mir nicht reinreden. Das Glücksspiel war mein Ding!
Nun stellst Du Dich sicherlich gerade vor, wie Du die Misere Deinen Eltern erzählen könntest, wenn Du es denn könntest. Sie werden erst enttäuscht sein und in Deinen Ängsten, die ja immer katastrophisieren, werden Dir vielleicht Vorwürfe gemacht oder Du stellst Dir vor, wie groß die Schande ist, wenn Du es erzählst.
Doch wenn Du nichts sagst und noch 2.000 € weiter in das Glücksspiel schießt, dann erfahren es Deine Eltern nicht. Und so klein auch die reale Chance ist das Geld zurück zu gewinnen, in Deiner Vorstellung reicht dieses Quentchen aus, um zu rechtferigen, was Du gerade tust. Denn Du hast in Deinen Gedanken die Macht über das Geschehen! Das ist Deine Dir eigene Kontrollillusion!
Wenn wir den Suchtfaktor einmal außen vor halten ... weisst Du, was für mich einen Versager ausmacht? Er weiss nicht, wann genug ist! Er weiss nicht, wann er das Ruder radikal herumreißen und sich Hilfe organisieren muss!
Handys kaufen, verkaufen oder Geld bei meinen Eltern klauen würde ich niemals tun! Das sind Grenzen die werde ich niemals überschreiten.
Meinst Du, ich hätte gewollte eine Gruppe von Menschen um 4.000 DM zu bescheißen? In bester Absicht habe ich eine Schwarzarbeit getätigt und hätte bloß die Hälfte des Geldes an den Unterschriftengeber weiterreichen brauchen. Das habe ich aber nicht. Ich habe es verspielt. Während ich das tat, plagten mich die Gewissensbisse! Doch ich konnte ja mein gerade kurz vorher erst ausgeglichenes Konto um den Fehlbetrag überziehen. Nur leider verspielte ich auch dieses Geld. Also ließ ich mir meinen Bausparvertrag auszahlen ... und verspielte das Geld. Als letzte Möglichkeit nahm ich einen Kredit auf - mit riesigem Puffer, versteht sich - und verspielte auch dieses Geld! Die Schwarzarbeit hat dadurch nie einen Abschluss gefunden ...
Wollte ich das alles? Nein! Ich wollte das nicht! ... ABER ICH HABE ES GETAN! - Dieser Fakt lässt sich nicht mehr aus der Welt schaffen! Das einzig Positive, was ich dieser Schuld abgewinnen kann ... ich habe noch viele Jahre gespielt, doch ich habe nie wieder einen Betrug begangen!
Von daher kannst Du gerne beteuern, dass Du niemals die Grenzen zur Illegalität überschreiten würdest ... die Wahrscheinlichkeit, dass Du Dich irrst, ist nicht von der Hand zu weisen!
Was machst Du erst, mit Deinem immensen Chasen, wenn Du diese Grenze einmal überschreiten soltlest? Vor diesen Selbstvorwürfen möchte ich Dich gerne bewahren! Das ist kein Zuckerschlecken und es würde Dir für den Rest Deines Lebens anhaften!
Und was SHG angeht oder sonstige Sachen in der Richtung kann ich nicht machen, ich bin einfach zu schüchtern für sowas. Jemanden ins Gesicht zu schauen und über meine Probleme reden, keine Chance. Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie mit einem Menschen über meine Probleme geredet und diesen Schritt zu gehen ist für mich unmöglich (Außer hier weil hier weiß niemand wer ich bin). Alleine nur mit meinen Eltern darüber zu reden, geht einfach nicht. Und Olli ich bin ein versager, da kann man drehen und wenden was man will,
Nein, nein, nein, nein ... !
Weisst Du, was das Schöne an einer Genesung ist? Wir alle greifen dabei auf unsere bereits vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen zurück! Nun kann nicht jeder jede Erfahrung selbst machen. Das ist der Lauf der Welt. Doch es gibt die Möglichkeit sich auszutauschen!
Du bist zu schüchtern? Na, wenn Du mich mal vor 18 Jahren erlebt hättest, dann wüsstest Du, was schüchtern ist ... Ich hieß "Olaf Schüchtern Introvertiert"!
Mal ehrlich ... wenn Du nicht anfägst zu reden über das, was Dich bewegt und ausmacht, wie willst Du es dann je lernen?
Wie möchtest Du einen Partner finden, wenn Du Deinen Gefühlen keinen Ausdruck verleihen kannst? "Ähm ... Du ... Ich ... Bussi?"
Wie willst Du Selbstwirksamkeit erfahren und so Deinen Selbstwert steigern?
Weisst Du, was das Schöne an den SHGs ist? Die meisten Teilnehmenden, Du merkst es ja auch an den Antworten hier, standen mal an dem Punkt, an dem Du Dich befindest. Jeder weiß, wie schwer es ist damit anzufangen über sich selbst zu reden! Genau darum gibt es für die Teilnehmer gar kein Richtig und Falsch! Es ist viel wichtiger, dass Du überhaupt damit anfängst.
Meinst Du, ich hätte damals solche Romane schreiben können? Über Dich ... über MICH?
"Übung macht den Meister" und "Jeder hat mal klein angefangen" - trifft hier absolut zu. Wenn Du in die Samstagsgruppe z.B. kämest, bräuchtest Du erst einmal nicht die Kamera einschalten. Das kannst Du dann machen, wenn Du dazu bereit bist. Ich versuche immer alle in die Gespräche einzubeziehen. Aber ich werde auch versuchen auf jeden einzelnen zu achten, damit er oder sie nicht überfordert wird. DU hättest jederzeit das Recht zu sagen ... Das ist mir gerade zu viel!
Ein Thema, welches wir gerade erst vor ein paar Wochen diskutiert haben, das sind "falsche Glaubenssätze". Glaubenssätze sind Überzeugungen, die wir einmal erworben oder übernommen haben. Wenn wir sie aber nie oder regelmäßig auf den Prüfstand stellen, dann bleiben sie unentdeckt, ggebenenfalls auch falsch!
Und so frage ich Dich ,,, ungeachtet der Geschehnisse rund um das Glücksspiel ... wer hat Dir noch eingeredet, dass Du ein Versager bist?
Ich kann jetzt nur mutmaßen und habe gerade auch keine Zeit, um nachzulesen ...
Hast Du einen Schulabschluss?
Hast Du eine Ausbildung gemacht?
Machst Du die Arbeit, die Du da hast, gewissenhaft und korrekt?
Worin bist Du geschickt? Was macht Dir Spaß?
Lieben Dich Deine Eltern?
Hast Du Freunde?
Woher kommt das alles?