Unterstützen Sie unsere Arbeit Jetzt spenden!
Hallo Gast
Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
» Mittwochsgruppe    |    » Samstagsgruppe
     

Tagebuch| Spieler1

  • 13 Antworten
  • 1675 Aufrufe
Tagebuch| Spieler1
« am: 19 Januar 2024, 10:48:18 »
Hallo zusammen.

Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, meinen Gedanken und Gefühlen in schriftlicher Variante Raum zu geben.
Ich lese seit geraumer Zeit im Forum mit und habe mich entschlossen, nun selbst aktiv zu werden.

Zu meiner Person:
Ich befinde mich in den Dreißigern und gehe einer selbstständigen Tätigkeit als Geschäftsführer eines großen Unternehmens nach.
Ich bin seit circa 2 Jahren glücklich liiert und kinderlos.
Entgegen vielen Geschichten, die ich hier lesen durfte, unterscheidet sich zumindest mein Werdegang in einem Punkt, was das Ganze jedoch selbstredend nicht "besser" macht.
Durch meine finanzielle Situierung musste ich mich nicht verschulden und habe auch Dritte nicht belasten müssen.
Ich spare nicht an Freizeitaktivitäten und habe Ende des Monats noch immer Geld übrig.
Ich habe mein Spielverhalten zumindest "so im Griff", dass ich niemals meine Frau "finanziell vernachlässigen" würde und auch nicht Urlaube, Ausflüge, Geschenke, Aufmerksamkeiten etc. hintanstelle.
Dennoch merke ich, dass ich nicht mehr glücklich bin und Hilfe brauche -
und sei es nur, mein Dasein in rhetorischer Form niederzuschreiben.

Angefangen hat alles, als ich in einem Vergnügungslokal einen Geldspielautomaten fütterte.
Ich dachte mir dabei überhaupt nichts und betrachtete diesen wie einen dieser Geräte, wo man nach Geldeinwurf ein Kuscheltier via Greifarm ans Tageslicht befördert.
Es dauerte circa 5 Minuten - und ich hatte aus wenigen Euro einen ansehnlichen zweistelligen Betrag gemacht, welchen ich final auch auszahlte.
Hier ist wohl die gemeinsame Komponente vieler Spieler-
WIR ZAHLEN NICHT AUS.
Dies ist auch mein größter Problem inzwischen.
Selbst vierstellige Beträge in der Spielbank - ich spiele in nichts anderem - zahle ich im Gros der Fälle nicht aus, sondern spiele weiter.

Aber zurück:
Nach diesem "kleinen" Erfolg, fragte mich ein Freund, welcher regelmäßig in der Spielbank Roulette spielte, ob ich ihn nicht einmal begleiten wolle.
Ich bestätigte dies und fand mich zum ersten Mal in einer Spielbank wieder.
Die vielen Farben, ein heimeliges Ambiente - rauschendes Geld, damals noch in 50Cent-Münzen, welche in die metallene Ablage fielen, es war eine Form von Goldgräberstimmung im Wilden Westen.
Hübsche Bedienungen, gratis Getränke, sogar an diesem Tag ein kleines Buffet - man fühlte sich wie in Vegas in alte Zeiten versetzt.
Ich spielte Roulette, immer die 50/50 - Chancen, Schwarz - und traf.
Anfangs mit wenigen Euro - später immer mehr.
Auch hier entgegen vielen anderen Storys von Gleichgesinnten, verlor ich bei meinem ersten richtigen Aufenthalt eigentlich recht happig, was mich doch hätte bekehren müssen.
Ich schlug vor, am Folgetag erneut "unser Glück" zu versuchen, mein Kollege lehnte ab.
Ich ging allein.
Und verlor erneut.

Später fragte ich gar nicht mehr, ob er mich begleiten wolle - ich wurde ein spielender Einzelgänger, bis es im Laufe der Jahre so wurde, dass man die anderen Stammspieler kennenlernte und es final so war, dass es sich anfühlte, als würde man ins Wohnzimmer zurückkehren.
"Jetzt" ist es so, dass man alle persönlich kennt, die Werdegänge, persönlichen Verhältnisse, man sogar Nummern getauscht hat.
Es ist jedoch auffällig, dass man sich NIE draussen getroffen hat - das Treffpunkt war immer die Spielbank.
Ich habe hier alles erlebt, vom heutigen Bürgergeldempfänger, welcher sich über eine 10er-Linie Book of Ra auf 50 Cent erfreute, bis zum Highroller, welcher sechsstellig abräumte und sich nicht mehr darüber freuen konnte.
Muss ich mich eine Schublade stecken lassen, so gehöre ich LEIDER zu jenen, welche sich an Gewinnen nicht mehr erfreuen.

Ich weiß noch, wie ich bei Sizzling Hot auf 10 Euro-Fach das erste Mal 5 Zitronen in einer Reihe hatte.
400 Euro.
Ich war überglücklich.
Heute, ... würden mich maximal fünf 7ern erfreuen.
Mein Spielverhalten steigerte sich extrem und ich spiele heute nur noch auf 5 - 50 Euro - Fach, ganz selten mal auf 2Euro -
nur dann, wenn ich einen Stammspieler treffe und mich mit ihm unterhalten möchte - und das Gerät quasi "nebenbei" läuft.

Das Problem an den hohen Einsätzen ist natürlich, ihr werdet es kennen, dass es zumeist ewig dauert, bis man Freispiele erhält -
und wenn, dann die Auszahlung unter aller Sau ist.
Mein Tiefpunkt:
6000 Euro im Minus, im vorletzten Dreh drei Bücher auf 50Euro-Fach, Symbol Waage bei "Faust".
Nichts.Nada.
Feature beendet.
Außer das Geld für die Drei Bücher und ich glaube einmal 3 "K"s im normalen Linienverlauf NICHTS.
Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich danach gefühlt habe.

So ist inzwischen meine Situation.
Ich spiele inzwischen "nur" noch 2 - 3mal pro Monat, aber immer Hoch.
Sorgen bereitet mir vor allem, dass ich inzwischen nicht einmal 2000 Euro auszahle.
Die letzten Besuche verliefen immer nach dem gleichen Muster:
3 Automaten mit ca. 500/Automat aufladen, Automatik 5Euro-Fach, nach Gewinn oder etwaigem Freispiel schnell auf 10/20Euro.
Bei guter Schüttung dann auf 50 Euro.
Final: Alle 3 Automaten waren nach weniger als 10 Minuten auf Null.
Restgeld auf einen geladen: Drehungen im 20-Euro-Fach, mit Freispiel, "Spielspaß" circa eine Stunde ... leer.
Frustriert zum Auto.
Ich frage mich inzwischen, WANN ich das letzte mal wirklich "Freude" empfunden habe und welchen Gewinn ich bräuchte, um bei mir ein Glücksgefühl auszulösen ...

Doch, ... vor etwa zwei Monaten, Auszahlung bei etwas über 10.000 Euro, aber auch nur, weil der Automat im Freispiel stoppte, weil die Auszahlungsgrenze erreicht war und das Spielbank-Personal von allein kam, um mich zur Kasse zu geleiten.
Es ist doch nicht normal, erst ab einem fünfstelligen Gewinn noch Spaß am Spiel zu haben.

Ich möchte nicht zur Therapie - wenngleich ich schon kurz davor war, einen Termin bei der Diakonie zu machen.
Ich möchte versuchen, dass allein in den Griff zu bekommen, indem ich mir immer größere Auszeiten vom Spielen nehme und hoffe, dass ich eines Tages überhaupt keine Lust mehr habe.
Es ist erstaunlich, dass das Frustpotenzial, was man nach einem Totalverlust entwickelt, nur wenige Stunden oder einen Tag anhält.
Man schwört sich, diesen Hort der Hölle nie wieder zu betreten, flucht auf der Rückfahrt wie ein Rohrspatz und sitzt 2 Tage darauf wieder am gleichen Automaten, wobei ich davon wie erwähnt schon "weg bin."

Ich bedanke mich sehr herzlich für die Aufmerksamkeit und wünsche allen Spielern eine baldige Abstinenz-
und all jenen, die bereits aufgehört haben - bleibt fern.

Viele Grüßer
Spieler 1
(ich bitte um Entschuldigung für die Auswahl meines ersten Namens, ich habe damit niemanden triggern wollen)

Edit Olli: Überschrift korrigiert
« Letzte Änderung: 19 Januar 2024, 11:08:49 von Olli »

Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #1 am: 19 Januar 2024, 10:49:54 »
Aktueller Stand:
18 Tage "spielfrei".

Post von der Spielbank bekommen, dass ein Roulette-Turnier ansteht.
Das triggert mich zwar nur gering, jedoch weiß ich, dass ich da viele alte Bekannte wiedersehen würde und im Kopf dreht sich der Satz
"Ach komm, ein kleines Spielchen ..."

Edit Olli: Überschrift korrigiert
« Letzte Änderung: 19 Januar 2024, 11:08:26 von Olli »

*

Offline Rubbel

  • *****
  • 1.019
Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #2 am: 19 Januar 2024, 11:05:27 »
Hallo Spieler1,
willkommen!

Ist das 'nur' ein Erfahrungsbericht? Ich muss mal loswerden, dass mich die Einzelheiten bzgl. einlaufender 'Scatter' in einem Forum wie dem unseren immens stört.

Und warum nun bist Du unglücklich? Weil Du zockst oder weil Du so wenig gewonnen hast letztlich? Hast Du was vor demnächst, was das Zocken angeht?
Ich las vorhin, dass Du Dir Gedanken machst, ob Du beim Pokern teilnehmen willst? Dann warst Du da auch bereits aktiv, oder? Dazu gibt's ja Spielregeln.
Jedenfalls hast du jetzt 'alles abgedeckt' an Zockmöglichkeiten ... naja, Baccara und Black Jack noch nicht.

Und nun? Was wirst Du tun - oder lassen?

VG, Rubbel

Edit Olli: Überschrift korrigiert
« Letzte Änderung: 19 Januar 2024, 11:09:26 von Olli »
--Meist ist Geist geil--

*

Offline Olli

  • *****
  • 7.338
Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #3 am: 19 Januar 2024, 11:50:45 »
Hi Spieler1!

Herzlich willkommen und 18 Tage sind ein guter Anfang! :)

Danke, dass Du Deinen Anmeldenamen anders besetzt hast. Ich habe ihn in allen Beiträgen noch in der Überschrift entfernt.

Nun, der Anmeldename, die andere Information, die ich in meiner PN erwähnt habe, sowie die Beschreibungen der einzelnen Spiele zeigen, wie sehr Du gedanklich mit dem Thema beschäftigt bist. Wären wir im Samstagsmeeting, hätte ich Dich sofort unterbrochen und Dich gebeten, Deine Gefühle und Gedanken, die Du hier sehr gut beschreibst, ohne diese Trigger, sowohl für Dich selbst, als auch für die Anderen, zu beschreiben.

Ich mag das nicht von mir aus nun ändern, da dann Deine Authentizität verloren ginge. Bitte versuche es selbst zu ändern!

Zitat
Ich befinde mich in den Dreißigern und gehe einer selbstständigen Tätigkeit als Geschäftsführer eines großen Unternehmens nach.
Ich bin seit circa 2 Jahren glücklich liiert und kinderlos.

Anders ausgedrückt: Ich wäre wunschlos glücklich, wenn da nicht das Glücksspiel wäre! Ich bin erfolgreich im Beruf, habe eine wunderbare Partnerin an meiner Seite ... und doch FEHLT mir etwas!

Dass Du hier so detailliert über das Spielgeschehen schreibst, ist natürlich Deiner Gewöhnung geschuldet. Zudem gehe ich davon aus, dass Du Dich das erste Mal an die Suchthilfe wendest und was liegt da näher, als genau darüber zu schreiben?!
Daher hier einmal zu Deiner Information: Das Glücksspiel ist nur ein Symptom eines tiefer liegenden Defizites! Sehr häufig liegt es an einem Mangel. Da da aber etwas fehlt, von dem man ggf. gar keine Ahnung hat, wird sich auf das scheinbar Offensichtliche gestürzt. Das Schöne daran: Was Hänschen nie gelernt hat, dass kann Hans sehr wohl noch lernen! Mit Deiner Anmeldung hast Du genau damit begonnen!

Damit Du in der Suchthilfe aber auch mit Dir assoziierst und Gedanken, so negativ sie auch erscheinen mögen, an Dich heranlässt, tief in Dir drin, benutze bitte nicht das Wort "man", sondern "ich". Alles, was Du bisher erlebt hast, das ist OK. Da gibt es nichts, weswegen Du Dich schämen brauchst.
Wenn Du selbst das Glücksspiel als Fehler ansiehst, dann akzeptiere diesen Fehler und mache es seit jetzt (vor 18 Tagen) anders!

Dass Du eine Ersatzhandlung ausführst, ist evolutionär gesehen ein ganz normaler Vorgang! Stelle Dir vor ... wir können ja nicht alles wissen ... wenn wir uns aber wegen jedem Detail das Hirn zermartern, wann sollen wir da noch "leben"?
Leider passiert es hier und da, dass die Ersatzhandlung durch die Gewöhnung zur Sucht wird. Da ist es auch egal, ob Du verschuldet bist oder nicht!
Was nur interessiert: Hast Du ein Problem?!

Als Geschäftsführer bist Du es gewohnt zu delegieren und Anweisungen zu geben. Nach außen musst Du immer selbstsicher und vielleicht auch hier und da dominant sein. Was machst Du aber, wenn das Geschäft so langsam den Bach runter geht? Je nach Branche suchst Du Dir einen Unternehmensberater ... oder nicht? Du selbst siehst ja nnicht, was da in der Firma falsch läuft.

Was ist aber nun mit dem Unternehmen "Spieler1"? Der gönnt sich diesen Unternehmensberater gerade so gar nicht. Klar, da ist Scham im Spiel. Was aber macht Scham ... sie blockiert! ... wichtige Unterstützung! Wem aber hilft die Blockade ... eigentlich nur dem Suchtteufelchen ... oder?

Wenn im realen Unternehmen gravierende Umstruktuierungen stattfinden, dann hast Du als Geschäftsführer immer ein Wörtchen mitzureden. Ohne Deine Zustimmung passiert gar nichts. Bei der Umstrukturierung des Spieler1 ist es nicht anders. Ohne Deine aktive Mitwirkung und Zustimmung passiert gar nichts.
Alles beim Alten zu belassen ist aber nicht gut ... denn Du hast ja selbst gemerkt ... da ist ein Problem ...

Zitat
und im Kopf dreht sich der Satz "Ach komm, ein kleines Spielchen ..."

Ich nenne das eine Diskussion mit der Sucht führen. Wenn Du darauf eingehst, dann wird die Sucht letztlich gewinnen. Also stoppe diesen Gedanken! Setze Dir ein Zeichen und lösche die Mail, ohne noch mal hinein zu schauen. Wenn der Gedanke nicht enden will, dann gehe ins Körperliche ... nutze Skills.
Das kann eiskalt Duschen sein, die Etagen rauf und runter laufen, bis Du über die eigene Zunge stolperst. Es kann aber auch ein Gummiring sein, den Du am Handgelenk flitschen lässt, natürlich ohne Dich zu verletzen. Es gibt Noppenbälle, die Du in der Hand kneten kannst, Chilligummibärchen, dass Dir die Flammen aus den Ohren schlagen und Waldspaziergänge gibt es auch. Es gibt aber auch mentale Übungen, die Dich auf "andere" Gedanken bringen.

Zitat
Muss ich mich eine Schublade stecken lassen, so gehöre ich LEIDER zu jenen, welche sich an Gewinnen nicht mehr erfreuen.

Das ist eigentlich ein ganz normaler Prozess ... je höher die Gewöhnung, desdo höher auch die "Schwelle der Freude" ...
Der Körper schüttet zwar mehr Endorphine aus, die können aber nicht verarbeitet werden. Der Überschuss führt dann zu einer Abstumpfung.
Wenn Du spielfrei bleibst, wird sich Dein Belohnungssystem schon wieder normalisieren.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

*

Offline Colon

  • **
  • 29
Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #4 am: 19 Januar 2024, 21:11:38 »
Hallo Spieler 1, danke für deinen Bericht.
Ich bin bei deiner detaillierten Beschreibung auch etwas stutzig geworden, bitte bedenke, dass du mit solchen Schilderungen Gefühle triggern kannst.
Ich schlussfolgere daraus mal, dass dich die Sache gedanklich und emotional noch beschäftigt.
Ich bin ja auch noch frisch hier angemeldet und ich kann mich noch gut erinnern, dass solche Gedanken bei mir auch sehr präsent waren.
"Kann doch nicht sein, dass genau in dem Moment dann das Freispiel niedrig war usw. hätte hätte Fahrradkette."
Das Problem dabei sehe ich ich (war zumindest bei mir so), dass es bei diesen Gedanken eigentlich darum ging,
dass man sich eine ähnliche Situation erhofft, wo es dann aber besser läuft, oder "wo man es dann besser macht" haha.
Inzwischen bin ich einigermaßen weg davon. Warum über die Wahrscheinlichkeiten nachgrübeln, diesen Irrsinn im Kopf nochmal durchgehen,
sich innerlich ärgern wie perfide die Spielmechanik/Mathematik dahinter ist ? Warum sollte man darüber nachdenken, wenn man doch aufhören will.

Also am besten davon lösen und anerkennen, dass du immer mindestens so lange spielen wirst, bis so eine Pechsituation kommt (über deren Unwahrscheinlichkeit du dann wieder frustriert nachgrübeln kannst).
Solange du das nicht machst, denkst du IM Spiel und nicht außerhalb des Spiels. Und du suchst den Fehler in der Spielstrategie, in der Einsatzhöhe und bei den Algorithmen,
statt bei der Tatsache, ÜBERHAUPT zu spielen, denn dort sitzt er nun mal eigentlich. Wenn du das verinnerlichst, wird das Nachdenken über die perfide Dramaturgie bei den Automatenspielen obsolet.
(Also wie gesagt, ist meine persönliche subjektive Erfahrung, muss so nicht auf dich zutreffen, aber ich weiß eben noch, dass ich mich nach Verlusten auch immer gequält habe mit solchen Gedanken. Dabei ist das irrelevant, weil man im anderen Fall den hohen Gewinn neu eingesetzt hätte.)
« Letzte Änderung: 19 Januar 2024, 21:14:03 von Colon »

Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #5 am: 20 Januar 2024, 10:56:46 »
Ich bedanke mich sehr herzlich für die Antworten.

Ein paar Gedanken dazu:
Jetzt, mit etwas Abstand, verstehe ich selbstredend, was ihr mit triggern meint.
Ich möchte mich dafür sehr herzlich entschuldigen, dies war mit Nichten meine Absicht.

Ich habe dies in emotionalem Zustand geschrieben, mit all dem, was mir durch den Kopf ging.
Ich wollte einen Einblick in meine Gedankenwelt zulassen, wie präsent und feingliedrig mitunter das Spielen bei mir ausgeprägt wurde.
Indem ich soviele Details des Spielgeschehens niederschrieb, wollte ich zum Ausdruck bringen, dass mein Spielverhalten sich doch enorm geändert hat und dies für mich nicht mehr tolerabel anmutet.

Nun zu euch:
Rubbel:
1. Warum ich unglücklich bin?
Nein, nicht das ich so wenig gewonnen habe. Diesen Eindruck wollte ich nur am Rande vermitteln.
Was ich am bedenklichsten finde, ist, dass man die Sucht inzwischen bei mir zumindest nur noch bei kaum zu erzielendem Erfolg befriedigt.
Ein starker Raucher ist bei seiner Zigarette zufrieden, ein Alkoholiker bei dem Genuss von Alkohol.
Bei mir reicht aber nicht mehr nur das Drücken "von Start" oder ein Gewinn an sich, ich sehe es als verlorene Zeit, am Automaten zu sitzen und zu spielen.
Befriedigt bin ich nur, wenn ich exorbitant hohe Gewinne erziele, was für mich gefühlt noch schlimmer ist, als wenn einer 10 Euro auf 5 Cent durchdreht und das Gehirn zufrieden ist, wenn die Bilder laufen und die passende Musik ertönt.

2. Habe ich etwas vor, was das Zocken angeht?
Klares ja.
Es mag merkwürdig klingen, aber für mich zumindest war die Anmeldung und das Teilen der Gedanken schon ein erster und wichtiger Schritt.
Bisher habe ich mit niemandem Außenstehenden darüber gesprochen und die, die selbst zocken, sehen das nicht als "Problem".
Es wird verharmlost oder niedergespielt, ich kenne das selbst ja auch von mir.
Ich habe mir fest vorgenommen, sollte ich nochmal rückfällig werden, dann prof. Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Via Kontaktformular kann man sich bei meiner Stammspielbank sperren lassen, ich erwähnte ja, dass ich NUR da spiele.
Online war und ist für mich nie ein Thema, auch Sportwetten etc. meide ich wie der Teufel das Weihwasser.
Ferner würde ich dann auch die hiesige Diakonie informieren und mir einen Termin machen.
Mit einem guten Freund, welcher Neurologe und Psychiater ist, würde ich wohl auch ein vertrauensvolles Gespräch führen.
Zunächst, ich weiß, dass es wohl "falsch" ist, habe ich doch den Anspruch und Ehrgeiz, allein versuchen zu wollen, diesem Problem Herr zu werden.
Ich war nie jemand, der gern Hilfe in Anspruch nimmt und sich anderen gegenüber offenbart.

3. Mache ich mir Gedanken, ob ich am Roulette-Turnier teilnehme?
Nein.
Es ist auch kein Poker-Turnier, sondern wie von mir geschrieben ein Roulette-Turnier.
Dieses Automatenroulette steht immer in der Spielbank, an besagten Turniertagen ist dies aber ein Livespiel.
Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass ein solcher Brief/Email etc. doch eine Art auto.exe im Kopf hochfahren lässt, wo man sich mitunter direkt positive Dinge wie von mir geschrieben "einredet" und Gründe findet, warum man doch daran teilnehmen könnte.
Final werde ich da nicht erscheinen.
Und nein, ich habe bisher weder Poker, Blackjack noch dergleichen betrieben.
Meine Schwäche sind die Automaten und gelegentlich, höchst selten, Automatenroulette.

4. Was lasse ich?
Das Spielen.
Zumindest versuche ich es und kann damit nur auf meinen Punkt 2 verweisen.
Ich danke dir für deine Reaktion und wünsche dir alles Gute.
____________________________________________________________________________________
Olli

Natürlich auch dir ein großes "Danke" für die ausführliche Antwort und die Zeit und Mühe, welche du in Selbige investiert hast. Das ist keine Selbstverständlichkeit und ich weiß das sehr zu schätzen.

Ich wiederhole mich gern, ich werde darauf achten, die Trigger zu unterlassen. Ich bin in der Tat noch sehr beschäftigt mit diesem Thema, was sich bei mir in Detailverliebtheit ausdrückt.

Ich erkenne durchaus, dass ich ein Problem habe. Ob ich mich schäme?
Eine sehr schwierige Frage. Zumindest bin ich sehr enttäuscht von mir, da ich diesen "Graubereich" nicht sonderlich mag, sondern eher stets zu Weiß oder Schwarz tendiere.
Beim Spielen gestattete ich mir aber oft Freiräume und stellte selten die Frage, "Lässt du das Spielen? Ja oder Nein?" ... ich fand dann oft Zwischenlösungen, a la "Ja, aber nur bis 100 Euro, ... nur wenn Zeit ist ..." etc.
Es ist mein erster Kontakt mit einer Suchthilfe. Klare Bestätigung.

Ansonsten kann ich deinen Ausführungen nur absolut beipflichten. Ich möchte und würde das so unterschreiben.
Das ist ja auch exakt das, was mich tatsächlich stört.
In anderen Bereichen des Lebens vermag ich rationale und gut durchdachte Entscheidungen zu treffen und notfalls externes Fachpersonal wie von dir ausgeführt hinzuführen.
"Hier" gestaltet sich das schwieriger.
Ich finde, dass du das sehr schön ausgeführt hast und ich erkenne mich in vielen Sätzen wieder.
Ich habe das auch schon probiert, indem ich Joggen gegangen bin oder mich anderweitig abgelenkt habe.
Ja - ich habe selbst darum gebetet, in der Nähe der Spielbank keinen Parkplatz zu finden, was einmal auch funktioniert hat, da ich im strömenden Regen nicht eine so weite Strecke laufen wollte.
Tatsächlich dachte ich damals, dass es bei mir ja gar nicht so schlimm sein kann, da ein abhängiger Spieler doch sicher auch Kilometerweit gelaufen wäre, um seine Sucht zu befriedigen.

Ich möchte auch nicht alles beim Alten belassen, vollkommene Zustimmung.
Auch da kann ich nur auf die Antwort an Rubbel verweisen, für mich ist die Anmeldung und der Austausch bereits ein kleiner Erfolg.
Es entsteht dadurch eine Art Erleichterung, wo ich doch sonst meine Problematik mit mir selbst ausgemacht habe und Richter und Freigelassener zugleich war.
_____________________________________________________________________________________________________________________________________

Colon:
Auch dir vielen Dank für deine Antwort.
Ich gratuliere dir und freue mich, dass du einigermaßen davon weg bist, wie du selbst erwähnt hast.

Absolut.
Deine Ausführungen entsprechen den Tatsachen und ich kann kein "Gegenargument finden".
Es war auch stetig so, dass ich solange spielte, bis besagte Pechsträhne eintraf - und wenn es erst beim zweiten oder nächsten Besuch ist.
Setzt man sich (oder ich mich), faktisch wirklich damit auseinander, so sollte klar sein, dass man nicht gewinnen kann und der Verlust nur eine Frage der Stunden oder Tage ist.
Ich habe dies inzwischen auch besser erkannt, wobei ich es schon immer wusste, es aber erfolgreich verdrängte.
________________________________________________________________________________

Tag 19, spielfrei.
Die Einladung zum Rouletteturnier ist vernichtet und ich werde nicht daran teilnehmen.
Ich gehe heute ins Shopping-Center, die Spielbank ist nur wenige Fußtritte davon entfernt.
Ich wage aber zu behaupten, dass mich dies nicht stören wird.
Derzeit habe ich nicht das Bedürfnis, dieser Sucht zu frönen.
Auf dem Sport1 - Sender läuft ja oftmals diese Werbung der Onlinecasinos und ich merke, dass mich das auch nicht mehr wirklich abholt, in dem Sinne, dass ich doch selbst auch mal wieder "aktiv" werden könnte.
Ist das ein erster guter Schritt?
Ich weiß es nicht.
Vielleicht schaffe ich es aus eigener Kraft.

Beste Grüße an alle und alles Gute.
Vielen Dank.
Spieler1


*

Offline Olli

  • *****
  • 7.338
Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #6 am: 20 Januar 2024, 12:07:33 »
Ähhhhhh ... dieser Sportsender mit der Werbung ...

Da gibt es doch die, wo alle möglichen Statisten als Seeräuber auftreten. Ist jemandem eigentlich schon mal bewusst geworden, was das eigentlich über die Branche und derren Nutzer aussagt? Abartig, kann ich nur sagen ...

Um dies zu verstehen, muss man sich in die Zeit der Seeräuber hinein versetzen. Damals gab es Holzschiffe. Doch die hatten keine Saunen und Schwimmbäder an Bord. Es gab kein TV und abends gab es auch keine Theateraufführungen.

Die Realität sah anders aus ... es gab noch nicht einmal Kajüten. Die gesamte Mannschaft war tagein und tagaus auf Deck. Sie waren der Sonne ausgesetzt, dem Wind und dem Regen. Jeder suchte sich auf Deck einen Platz, wo er schlafen konnte. So ein Segelschiff zu bedienen, war körperliche Schwerstarbeit!

Meine Fresse, was müssen die gestunken haben, dreckig wie sie waren ... Denn selbstredend gab es Wasser zum Trinken, jedoch nicht zum Duschen.

Und die Werbung sagt nun ... kommt zu uns ... werdet Seeräuber ... lasst uns gemeinsam stinken ...

Damit ist auch klar, wer die Zielgruppe ist ... es sind die hochgradig glücksspielsüchtigen Menschen, die irgendwann auch körperlich verwahrlosen ...

Abartig ...

____________________________________________________________________________

Sorry, Du brachtest mich gerade dazu daran zu denken ...

Nur kurz ... wir wissen und verstehen, was da in Dir vorgeht! Du hast Dich auf den Weg gemacht! Du hast Pläne, die Du umzusetzen gedenkst ... Das ist sehr gut, bleibe da am Ball ...

Zitat
Zunächst, ich weiß, dass es wohl "falsch" ist, habe ich doch den Anspruch und Ehrgeiz, allein versuchen zu wollen, diesem Problem Herr zu werden.
Ich war nie jemand, der gern Hilfe in Anspruch nimmt und sich anderen gegenüber offenbart.
...
Ich habe mir fest vorgenommen, sollte ich nochmal rückfällig werden, dann prof. Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Wenn Du weisst, dass etwas "falsch" ist und es dann trotzdem weiter betreibst, dann liegt es doch nahe, einmal Deine Motive zu hinterfragen. Hast Du nicht jemandem, dem Du absolut vertrauen kannst? Oder musst Du immer eine Fassade aufrecht erhalten, damit niemand sieht, dass Du auch verletzlich sein kannst? Was ist es wohl?

Wieso, wie so viele, musst Du erst scheitern, um es Dir im Anschluss gut gehen zu lassen? Wozu brauchst Du diese Bedingung?
Sie ist ein Abwehrmechanismus ... aber warum?

Ich habe das mit dem Freund natürlich auch gelesen und das mit der Diakonie.  Das ist super ...
Es zeigt, wie ambivalent es gerade in Dir vorgeht, nicht wahr?

Um Dich zu motivieren, muss ich hier noch mal einen Satz loswerden, den ich im Forum schon so häufig verewigt habe.
Alles, was Du benötigst um zu genesen, steckt bereits in Dir! Es braucht nur hervorgeholt zu werden.
Dazu dienen meine Fragen auch ...

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

*

Offline Rubbel

  • *****
  • 1.019
Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #7 am: 20 Januar 2024, 12:41:53 »
Hallo lieber Spieler 1 :),
gut, dass Du hier bist. Gut, dass Du, soweit es Dir möglich ist, offen schreibst! Ich hab Deine Antwort/en gerade gelesen und mir fiel das hier auf:

Zitat
Befriedigt bin ich nur, wenn ich exorbitant hohe Gewinne erziele, was für mich gefühlt noch schlimmer ist, als wenn einer 10 Euro auf 5 Cent durchdreht und das Gehirn zufrieden ist, wenn die Bilder laufen und die passende Musik ertönt
und das:
Zitat
Ob ich mich schäme?
Eine sehr schwierige Frage. Zumindest bin ich sehr enttäuscht von mir, da ich diesen "Graubereich" nicht sonderlich mag, sondern eher stets zu Weiß oder Schwarz tendiere.
Beim Spielen gestattete ich mir aber oft Freiräume und stellte selten die Frage, "Lässt du das Spielen? Ja oder Nein?" ... ich fand dann oft Zwischenlösungen, a la "Ja, aber nur bis 100 Euro, ... nur wenn Zeit ist ..." etc

Ich denke, ich verstehe, was Du meinst, und meine letzte Zockphase war in etwa vergleichbar. Wobei ich keine Schwarz-Weiß-Gläubige oder -Anhängerin war, glaube ich. (Zumindest hab' ich früher oft gemalt, und das mit einem sehr dünnen Pinsel alle mir möglichen Abstufungen zwischen den Grundfarben und auch zwischen schwarz und weiß.)
Allerdings habe ich - wie Du - mir 2 völlig verschiedene 'Leben' aufgebaut: Eine geradlinige Zeit - nach außen - und die manische Spielerzeit. In der Spielerzeit bin ich quasi 'weggelaufen', auf der Flucht ... ja, wovor? ... Vor Menschen/Partnern, von denen ich meinte, ihnen völlig ausgeliefert zu sein, weil ich mich träumerisch falsch entschieden und irgendwie abhängig gemacht habe. Meine Analytikerin hatte mich mal gefragt: 'Was ist Ihnen lieber (wenn Sie entscheiden könnten): Von einem Menschen oder vom Spielautomaten abhängig zu sein?" --- Meine Antwort: 'Von einem Spielautomaten'.
Das ist sicher nicht 1:1 übertragbar zu Dir, mir kommt allerdings die Idee:
Alles ist geregelt bei Dir, Dein Leben läuft schnurgerade - liest sich jedenfalls so: Du hast Deine Partnerin, mit der Du eine gut laufende Beziehung hast, Dein Job  ist fest und verantwortungsvoll, und Deiner Freundin, so schreibst Du, darf es an nichts fehlen:
Zitat
Ich befinde mich in den Dreißigern und gehe einer selbstständigen Tätigkeit als Geschäftsführer eines großen Unternehmens nach.
Ich bin seit circa 2 Jahren glücklich liiert und kinderlos.
Entgegen vielen Geschichten, die ich hier lesen durfte, unterscheidet sich zumindest mein Werdegang in einem Punkt, was das Ganze jedoch selbstredend nicht "besser" macht.
Durch meine finanzielle Situierung musste ich mich nicht verschulden und habe auch Dritte nicht belasten müssen.
Ich spare nicht an Freizeitaktivitäten und habe Ende des Monats noch immer Geld übrig.
Ich habe mein Spielverhalten zumindest "so im Griff", dass ich niemals meine Frau "finanziell vernachlässigen" würde und auch nicht Urlaube, Ausflüge, Geschenke, Aufmerksamkeiten etc. hintanstellen.
Dennoch merke ich, dass ich nicht mehr glücklich bin und Hilfe brauche - und sei es nur, mein Dasein in rhetorischer Form niederzuschreiben.
Wahrscheinlich denkst Du:
'Menno, ich müsste doch eigentlich glücklich sein - ich hab doch alles, was man sich wünschen kann. Was ist nur los mit mir? Was will ich denn noch?'
Und das kompensierst Du, glaube ich, mit dem Spielen, und das spiegelt sich auch dort wider, in dieser Zockerbude. Oder?
Es bewegt Dich wenig tief innerlich, es scheint alles ein Trott und immer dasselbe. (aber: das Leben als großes Ganzes hat niemand 'im Griff', und das ist auch gut so.)

Dass Dich nicht stört, dass Du der Glücksspielindustrie Deine Zeit, Nerven, Dein Geld und all Deine Hoffnung auf Veränderung im Leben so desillusioniert anvertraust ..., es müsste Dich doch eigentlich stören - oder nicht? Bist Du nicht viel zu wertvoll für diesen Scheiß? - Doch! Ist Dir sicher auch klar.

Und Du hast gemerkt: Auch das Zocken/ein Gewinn kann Dir eigentlich nicht geben, was Du suchst, denn ein 'exorbitanter Gewinn' ist ja ein dehnbarer Begriff, und das, was Du da reinsteckst, ist für andere Menschen wohl längst 'exorbitant'; wenn Du die Verluste zusammenrechnen würdest, wohl auch für Dich.
Vielleicht könntet Ihr, Deine Frau und DU, für eine Zeit 'ausscheren' aus dem Alltag? Könntest DU eine Vertretung für Dich organisieren? Was macht Deine Frau? Könnt sie mal 'raus'? Könntet Ihr Euer Zuhause für eine gewisse Zeit in gute Hände geben?

Ich weiß nicht, ob es für Dich das Richtige wäre ... ich dachte an eine längere Reise auf eigene Faust  ... ohne Hotel oder so, ohne Sicherheit und ohne 'Struktur'. Australien vielleicht - Indien - oder auch bloß Portugal - vielleicht mit Rucksack? Raus aus dem Einerlei. Für mindestens 1/2 Jahr.
Du bist in den Dreißigern, oder? Wann, wenn nicht jetzt? Wenn Du erst 45, 50 oder älter bist, wird das beschwerlich ... jetzt bist Du noch ein Kraftpaket. Bisher hast Du keine Kinder.
Es ist nur eine Idee. Sie 'kostet' Überwindung. Lohnenswert wäre das bestimmt.

Ich hör jetzt mal auf ... meine Tochter will was Experimentelles kochen, und ich soll helfen/assistieren :))
Viele Grüße
Rubbel



« Letzte Änderung: 20 Januar 2024, 15:05:15 von Rubbel »
--Meist ist Geist geil--

Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #8 am: 21 Januar 2024, 12:51:25 »
Hallo an alle und zunächst erst einmal einen schönen Sonntag!

Wie stets ein großes "Danke" für die Antworten, Hinweise, Tipps, guten Denkansätze und Sichtweisen.

Tag 20:
Spielfrei.
Gestern wie erwähnt kurz mit der Spielbank in Berührung gekommen, zumindest am Fuße der Treppe. (externes, mit der Spielbank nicht in Kontakt stehendes Restaurant ist im Untergeschoss )
Nach wie vor geht da schon ein Reiz aus, ich möchte da ehrlich sein.
Hinzu kam, dass ich im Foyer einen Stammspieler getroffen habe, welcher gerade auf dem Weg zum "Check-Inn" war. Wir unterhielten uns ein wenig und er fragte natürlich, ob ich denn nicht Lust hätte, ihn mal wieder "für ein Stündchen" zu begleiten. Ich war sehr oft selbst derjenige, der ähnliche Phrasen verwendete, wenn ich jemanden traf, welcher zu "dieser Gruppierung" gehörte. (Freunde, Bekannte fragte ich nie nach Begleitung)
In jedem Falle blieb ich standhaft und äußerte, dass ich ein wenig Abstand gewinnen möchte (warum ich nicht sagte ich höre ganz auf vermag ich nicht zu erklären ) und daher sein Angebot verneinen müsse.
Kurzum: Ich verließ das Gebäude.

Eine Frage an euch:
Was meint ihr?
Sollte man solche Orte grundsätzlich komplett meiden, oder ist es gar "besser" sich damit auseinanderzusetzen, wo das Risiko eines Rückfalls doch am Höchsten anmutet?
Ich finde für mich Letzteres als sinnvoller. Nicht, dass ich gezielt dahin gehe, jedoch ist die zentrale Lage der Spielbank leider geografisch betrachtet für mich äußerst unglücklich.
Sämtliche Stammläden, Lokale, meine Bank, Versicherung, mein Büro etc. sind fußläufig nur wenige Meter entfernt.

Olli:
Vielen Dank!
Ja, dass mit den Seeräubern meinte ich. Ich wusste nur nicht, ob ich das schreiben durfte, um da nicht wieder ins gleiche Fettnäpfchen zu treten.
Ich sehe das ähnlich fragwürdig wie du. Ich glaube jedoch, dass dies einfach nur eine Form von markanter Werbung ist.
Wenn da Cowboys in einem staubigen Saloon sitzen würden, ... oder raue Ritter in einer großen Tafelrunde, ... wahrscheinlich würde auch das "funktionieren"...
im Sinne von "Goldrausch" im Wilden Westen und "Raubrittertum" mit sagenhaften Schätzen ...
Aber sei es drum.

Vertrauen tue ich schon einer kleinen Anzahl von Leuten, jedoch bin ich sehr sicher, wie deren Reaktion ausfallen würde.
Es würde mir das gesagt werden, was ich ohnehin schon weiß und ich würde mich danach eher schlechter fühlen, vielleicht sogar so weit gehend, dass ich eher noch Sorge um diese Menschen aufnehmen würde als andersherum. Man würde mich sicher in Watte packen und wenn ich nicht innerhalb von 2 Minuten ans Handy gehe, weil ich beispielsweise eine Hose anprobiere, direkt immer angenommen werden würde, ich säße in der Spielbank. Das wäre für mich unerträglich, da es mir eine Art der Freiheit nehmen würde.

Und ja, ein schöner und kluger Satz. Danke.
Prinzipiell bin ich schon sehr überzeugt, dass ich alles mitbringe, was es bedarf, auch allein dieser Sucht zu entfliehen und sehe mich auf keinem schlechten Weg.

Ein Erfolg ist für mich auch schon, dass ich nicht ständig daran denke.
Gut, ehrlich gesagt, gehen mir schon diverse Bilder durch den Kopf, diese agieren aber nur parallel und ich fühle mich "genötigt", Jackett und Schuhe anzuziehen.
Ich hoffe, dass sich die Abneigung gegen das Spielen noch steigert und ich final wirklich angeekelt reagiere, wenn ich solch einen "Sündenpfuhl" erblicke.

Rubbel:
Danke für das nette Willkommenheißen!

Dein Schreibblock (dankeschön!) hat mich tatsächlich sehr zum Nachdenken animiert.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich spiele.
Ich kann diverse Dinge ausschließen, aber ich finde nicht DIE Begründung.
Eine Art Ausbruch? .... Eine Art Nervenkitzel? ...

Ich habe eine recht schwierige Vorgeschichte durch meine ehemalige Partnerin, welche Sizilianerin ist und durch welche ich in diversen Lebensphasen doch auch die Schattenseiten des Daseins kennenlernen "durfte".
In dieser Zeit habe ich tatsächlich vermehrt gespielt, weil es für mich irgendwie eine "Auszeit" darstellte.
Als wir getrennt waren - und ich meine jetzige Frau kennenlernte, war ich "nur" noch an Stammtagen und reiner Gewohnheit in der Spielbank, weil es eben "normal" war, sich mit den anderen am Mittwochabend da zu treffen.
Ja, ... dass, was ich da verspielt habe, ist ein exorbitant hoher Betrag.
Selbst die anderen Spieler schüttelten den Kopf über Einsatz und Verlustsummen.

Deine Idee der "organisierten" Flucht auf Zeit behagt mir sehr, ... ich bin allerdings seit jeher eher ein Weltenbummler.
Ich habe mehrere Jahre in Palermo gelebt und diverse Monate in Thailand verbracht.
Meine Arbeitsumfeld ist in Luxemburg unter der Woche.
Ich bin aber eher ein Mensch, der seine Probleme mitnimmt, auch über Landesgrenzen hinaus.
Aber korrekt: In den Urlauben, mit Abstand zur normalen Routine, habe ich nicht ein einziges Mal ans Spielen gedacht, es hat mir schlichtweg nicht gefehlt.

Mir gefällt die Idee einer einsam gelegenen Hütte in den Blue Mountains in Alaksa, oder Kanada. Wildnis, Natur.
Angeln, Schwarzbären beobachten.
Jedoch ist die Realität leider eine andere. Da ich im Unternehmen mehr oder weniger die Kreativabteilung darstelle, bin ich nicht "einfach" ersetzbar. Ich möchte mich damit nicht selbst beweihräuchern, aber es würde sich bemerkbar machen, wenn ich für längere Zeit fernbliebe.
Ich möchte auch für mich selbst wissen, ob ich "hier" damit fertig werde.
Würde ich eine "Flucht" als letzten Ausweg betrachten, so säe ich mich zwangsläufig genötigt, eine Therapie anzustreben.
Ich entschuldige mich für meine teils kruden Gedankensprünge, mir ist bewusst, dass man sicher nicht jeder "Logik" folgen kann.

Wirklich bedenklich ist zudem, dass ich beruflich bald selbst mit Automatenaufstellern zu tun habe.
Ich vermute aber, dass ich dazu eine absolut prof. Distanz hätte ich nicht selbst mein bester Kunde bin.

Macht euch einen schönen Sonntag ihr Lieben.
Bleibt gesund und fern der "Starttasten".

Ich fühle mich hier sehr willkommen, verstanden und wohl.
Dafür danke ich sehr!
Spieler1

*

Offline Rubbel

  • *****
  • 1.019
Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #9 am: 21 Januar 2024, 15:46:46 »
Hallo :) - und auch Dir einen schönen Sonntag!

Gerade hab' ich das Bedürfnis, ein wenig 'aufzuräumen'. Du schriebst:
Zitat
Deine Idee der "organisierten" Flucht auf Zeit behagt mir sehr, ... ich bin allerdings seit jeher eher ein Weltenbummler.
Ich habe mehrere Jahre in Palermo gelebt und diverse Monate in Thailand verbracht.
Meine Arbeitsumfeld ist in Luxemburg unter der Woche.
Ich bin aber eher ein Mensch, der seine Probleme mitnimmt, auch über Landesgrenzen hinaus.
Aber korrekt: In den Urlauben, mit Abstand zur normalen Routine, habe ich nicht ein einziges Mal ans Spielen gedacht, es hat mir schlichtweg nicht gefehlt.

Ich meinte, ehrlich gesagt, einen längeren Auslandsaufenthalt ohne Hyperindustrialisierung und ohne den bekannten Überdruss, den wir in der westlichen Welt gewohnt sind. Keine wirkliche Flucht - naja - jedenfalls weniger vom Zocken als von der Oberflächlichkeit, die uns hierzulande vom Wesentlichen ablenkt.
Weil ich den Eindruck hatte in Deinem Post, dass das Nicht-Zulassen von tiefen Gefühlen eine Rolle spielt.
Nun hast Du das auf gewisse Weise auf den Prüfstand gestellt, weil Du von Deiner Ex-Partnerin geschrieben hast, an deren Seite Du wohl an seelische Grenzen gelangt bist. So wie ich es verstanden habe ... und ... hab ich es richtig verstanden, dass Du deshalb bzw. zum 'Runterkommen' damals gezockt hast??
Magst Du darüber mal erzählen? Vielleicht kannst Du dann auch 'Brücken schlagen' zur Spielsucht?
Es wird ja vielfach angenommen, es würde gezockt, um Gefühle auszulösen, weil frauman sonst nicht viel fühle (als Ersatz für anderswo nicht gelebte Gefühle?) - meist werden dann mangelnde Serotonin-/Dopaminspiegel angenommen. Spannend ist allerdings auch, dieses (Gedanken-)Pferd mal von hinten aufzuzäumen: Spielen als Ersatzhandlung zum Ausweichen vor Gefühlen.
Und da schließt sich der Kreis insofern, als dass ich so einen Trip meinte ohne Luxus, Swimmingpool und 'all inclusive' zu unternehmen und nicht mit Koffer, sondern mit Rucksack unterwegs zu sein. Und genau hinzusehen, wie z.B. die Menschen in Indien leben, welche Probleme dort sind, wie die gesundheitliche Versorgung dort ist und was dort Luxus bedeutet, was ein Normalverdienender dort vom Lohn hat und wofür. Und evtl. sogar zu registrieren, dass im Vergleich zu  uns arme Menschen einen anderen Reichtum haben.
Und auch die überwältigende Natur zu sehen und sich darauf einzulassen - wie auch die in Australien z.B.
Das Einlassen auf tiefe Gefühle ist um Vieles riskanter als das öde Zocken, wo es 'nur' um finanziellen Gewinn oder Verlust geht.
Also zu lernen, was in uns Menschen Grenzsituationen sind und heftig(st)e Gefühle auslöst: Ergriffenheit, Ängste, wahre Freude, wahres Glück, die ganze Gefühlspalette. Und nicht diesen 'billigen' Abklatsch, den ein Geldzugewinn oder -verlust macht, der manchmal so extrem provoziert wird, dass es um (wirtschaftliche) Existenzen geht - auch bei gut funktionierendem sozialen Netz.
(Ich weiß zum Beispiel noch, wie ich am Grand Canyon stand und mir einfach die Tränen liefen - ohne Gedanken oder Emotionen, ich war einfach total ergriffen.)
Weißt Du?
Es wäre schön, wenn Du Näheres über Dich schreiben könntest :)  Ich weiß, dass das echt schwer ist - oder zu sein scheint - ABER: Wir sind hier alle 'anonym', und das ist eine gute Möglichkeit ...
Viele Grüße
Rubbel
« Letzte Änderung: 21 Januar 2024, 16:04:54 von Rubbel »
--Meist ist Geist geil--

Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #10 am: 22 Januar 2024, 10:17:38 »
Hallo Rubbel -
und, vielen Dank für deine Antwort und Reaktion auf meinen letzten Beitrag.

Das mit dem Grand Canyon glaube ich gern.
Ich selbst bin seit meiner frühesten Kindheit auch ein großer Western-Fan und erachte gerade den von dir gewählten Ort als mystisch.
Ich habe schon verstanden, dass du damit die Natur an sich meinst, nicht irgendwelche hypermodernen Luxuskomplexe.
Back to roots quasi.
Es mag gegen den Grand Canyon lächerlich anmuten, aber ein schönes Erlebnis hatte ich auch bei einer Alpaka-Wanderung im tiefsten Österreich.
Ferner mein vielleicht spannendstes Lebensereignis, als ich beim Schnorcheln einen Tigerhai in wenigen Metern Abstand "gegenüber schwamm".
Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es dir dort gegangen ist.
Die Weite, Schönheit und Anmut der Natur weiß einen in einen ganz besondern Bann zu ziehen.
Es bedarf da keiner weiteren Reize, dass einen die Gefühle übermannen.
Ich selbst bin auch ein großer Tierfreund und finde im Kontakt mit diesen eine gute Erdung.

In der Tat gelangte ich bei meiner ehemaligen Partnerin an meine seelischen Grenzen.
Korrekt, das Spielen war damals wirklich eine Art "Flucht" aus der Welt, in welche ich irgendwie hineingeraten bin.
Es gestaltet sich nicht so einfach, frei von der Leber weg darüber zu schreiben, da, wie erwähnt, mein Kontaktmillieu in einem großen italienisch-sizilianischen Familienclan uferte und meine damalige Partnerin schließlich zur Donna der Familie aufstieg, was das Leben doch erheblich veränderte und durcheinanderbrachte.
Ich könnte wohl ein Buch oder eine Netflix-Serie darüber schreiben.

Am Spielautomaten hielt die Zeit irgendwie an, es war ein "heiler Ort", an dem nur die dort geltenden "Gesetze" galten.
Man steckt Geld hinein - und ist auf Dauer abgelenkt.
Da habe ich auch wirklich das erste Mal gemerkt, dass der Kopf beim Spielen tatsächlich "beruhigt" ist.
Bei anderen Ablenkungen, nicht einmal beim Sport, gelang mir dies nie.
Ich gebe gerne zu, dass ich zu dieser Zeit doch sehr häufig in der Spielbank zugegen war.
Es ist sicherlich kein gutes Zeichen, wenn einem der Chef und das Personal mit Handschlag begrüßen und ein Getränk an den Platz bringen.
Meiner damaligen Partnerin habe ich erzählt, dass ich "mal ins Casino" gehe, was sie schlichtweg nicht wirklich interessiert hat.
Finanziell waren die Verluste für sie nicht erwähnenswert und da sie auch oftmals in Italien war, konnten wir die Zeit ohnehin nicht gemeinsam verleben.
Bitte nicht falsch verstehen, sie hat das Zocken nicht finanziert, aber andere, "normale" Partnerinnen, hätten wohl früher oder später den Aspekt Geldverlust in Bezug auf die Beziehung thematisiert.
So hatte ich auch eine Art "Freibrief" und verbrachte mitunter ganze Tage am Automaten.
Mit Sicherheit war dies meine schlimmste Zockerphase.
Es wurde nicht langweilig, man sollte doch meinen, dass immer nur auf "Start" zu drücken, doch einem akademisch gebildeten Menschen irgendwann monoton und zu blöd wird, hier irgendwie nicht.
Distanziert habe ich mich schlussendlich dann vor allem deshalb, weil meine privaten Probleme inkl. Trennung dann doch noch wichtiger waren als das Drücken einer Taste und ich in der Trennungsphase und danach überhaupt keine Lust hatte nach draußen zu gehen.
Zum Glück kam ich damals nicht auf die Idee, ein OC auszuprobieren.

Tag 21, spielfrei.
Wochenstart - und es steht eine Menge Arbeit an. Der Montag ist der arbeitsintensivste Wochentag und ich fühle mich zusammengefasst eher nicht besonders gut.
Gestern gab es einen Streit mit meiner Frau ( nichts mit dem Spielen ) und da ich ein sehr kopflastiger Mensch bin, beschäftigt mich das schon.
Früher wäre ich wohl zur Ablenkung auf den Gedanken gekommen, die Spielbank zu besuchen.
Heute weiß ich, da ich es eben oftmals so getan habe, dass ich mich danach noch mieser fühlte.
Dieselben Sorgen plus der Verlust, der fast sicher eintritt.
Ihr kennt das sicherlich.
Ich weiß nicht, es ist schwer in Worte zu fassen.
Dieses Gefühl, wenn man die Spielbank verlässt, leere Brieftasche, ... diese Enttäuschung und die Wut "Alles Abzocke!" "Die scheiß Kisten sind manipuliert!" "Von wegen 90% Gewinnausschüttung..."
Ich habe mich auf den Rückfahrten so elend gefühlt wie selten im Leben.
Diese Gefühle versuche ich mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn einen doch mal die Idee "überfällt", man könne doch mal wieder ...

Ich wünsche allen Forumsmitgliedern eine schöne Woche und enthaltet euch der Zockerei.
;)
Spieler1

*

Offline Rubbel

  • *****
  • 1.019
Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #11 am: 22 Januar 2024, 13:51:21 »
Hallo Sp1 :)
Ja, ich kann all das nachvollziehen, und wir haben sicher Ähnliches erlebt, denn auch ich hatte kein 'gutes Händchen' für Beziehungen, und Situationen, in denen ich dachte: Da komm ich wohl nicht mehr raus, das ist das Ende - gleich bin ich tot - leider hatte ich das schon mehrfach. Nicht durch einen Hai, aber durch erlebte Gewalt und auch mit z.T. dubiosen und kriminellen Männern. Das fällt mir jetzt auch gerade nicht so leicht zu schreiben und erinnert mich jetzt ...
Was das Glücksspiel angeht, war es bei mir auch ähnlich - ich dachte: Nichts ist so schlimm, wie 'nach Hause' zu gehen. Ich hatte ja 2 Spielphasen. Die erst würde ich selbst heute gar nicht als so belastend sehen, wenn auch diese mir Schulden brachte - aber die waren fix abbezahlt.
Nach 8 Jahren, die ich null Gedanken mehr ans Zocken hatte, kam die 2. Phase, und die war dann extrem belastend. Heute denke ich, ich hätte eigentlich viel früher diese 2. Phase beenden können, weil sich Lebensumstände wieder verbessert hatten ... und da war's dann die Gewohnheit und gehörte schon zum 'Tagesablauf' wie fest eingeplant wie Zähneputzen, waschen, arbeiten, einkaufen, essen und trinken - so.
Mit steigendem Verlust habe ich mich verstiegen in den Gedanken, ich müsse das alles unbedingt wieder zurück'gewinnen', und ich war mit diesen Gedanken inniglich beschäftigt - auch wenn in der Realität sich die Probleme immer mehr häuften und zuspitzten.
Und dann war ich da, wo Du schon warst, wie Du schreibst: 'Kann doch nicht sein, das ist Mafia pur, Betrug - und ich bin so blöd und falle drauf rein? Dann kann ich mein Geld gleich in einen Gully werfen.' Die Wut brachte Abstand, und ich war sehr viel seltener da, musst parallel aber auch in den bitteren Apfel beißen, einen Gerichtsvollzieher zu Haus zu begrüßen (ich hab geweint vor Scham und ihm meinen Schmuck angeboten, aber er war ein ganz netter), und letztlich hab ich einen Betreuer 'für Finanzen und Vertretung vor Ämtern und Behörden' gehabt, der mir das Geld eingeteilt hat.
Pleite, alleinerziehend, Arbeitgeber wg. Pfändung informiert, Inkasso im Rücken - es war tierisch schwer, das zu akzeptieren, das, was da so 'aus mir geworden war'.
Das ist - ein Segen - Geschichte, und heute bin ich schuldenfrei und hab gut angespart. Und noch mehr Segen: Meine Tochter hat keinen bleibenden Schaden genommen!
Heute geh' ich an diesen Stätten vorbei, eine stille, verwaschene Erinnerung streift meinen Kopf - und das war's dann auch. Es hat für mich keine Wichtigkeit mehr, ich brauch' das nicht --- niemand braucht das.
Rückblickend bin ich um noch eine weitere Erfahrung reicher, und es gibt wenig, was mich schockiert, weil ich einfach schon so viel erlebt habe. Deshalb bin ich der Zeit oder mir nicht 'böse' - ich akzeptiere diese Phase als einen sehr teuer bezahlten Weg zu der Einsicht, dass es gut ist, beizeiten doch Hilfe anzunehmen und nicht zu denken und zu glauben, es sei so immens wichtig, als Held/in alles allein zu meistern, egal, wie schlimm die Gegebenheiten sind.

So ... schon wieder ein 'Romankapitel' :)) - ich schreib' so lang, ne?
Ich wünsch' Dir/Euch, dass Ihr einen guten Kompromiss findet aus Eurem Streit und nicht zu sehr gegenseitig auf's Rechthaben oder Überlegenheit pocht - und einen angenehmen Tag!

Bis dann - viele Grüße
Rubbel
APROPOS: Lösung, Ablösung, Erlösung war für mich bei aller Anstrengung, die sie kostet - die Psychoanalyse.
« Letzte Änderung: 29 Januar 2024, 19:31:54 von Rubbel »
--Meist ist Geist geil--

Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #12 am: 23 Januar 2024, 07:54:26 »
Guten Morgen Rubbel,
respektive guten Morgen an die lesende Gemeinschaft im Forum -

und einen guten Start in den Dienstag an alle!

Danke Rubbel, für dein neuerliches Posting.
Nein, im Gegenteil. Zu lang finde ich deine Beiträge überhaupt nicht. Ich empfinde das eher als Wertschätzung dem anderen gegenüber, indem man sich die Mühe macht, solch lange Passagen zu tippen.
Ein "hm", "ok" etc. in einer SMS früher fand ich schon furchtbar, für mich signalisiert das Desinteresse und Abfertigung.
Daher, ... großen Dank für dein "Kapitel".

Ja, in der Tat, es scheint mir, als ob wir da mehreres gemeinsam haben.
Ich glaube gern, dass dir die Aufarbeitung dessen nicht leicht fällt, ich wollte dich durch meine Gedanken auch nicht an schlimmere Zeiten erinnern.
Da hast du ja einiges durch, danke für deine Offenheit und Respekt an dich, dass du dies alles für dich in geordnete Bahnen lenken konntest - zum Wohle deiner Tochter.
Sie ist mit Sicherheit der größte Anker in deinem Dasein, eine Bereicherung, die Sonne, die im Dunkel immer wieder aufgeht.
Somit hast du stets einen Antrieb, dich immer wieder neu zu motivieren, dem Schattenkapitel unseres Daseins zu entweichen.
Ich finde es auch großartig, dass du so reflektiert auf alles zurückblicken kannst.
Das du das als Weg der Einsicht bezeichnest, zeigt mir, dass du doch in deiner Entwicklung sehr sehr weit bist und deine Rückfallgefahr im niedrigen Bereich.
Wenn nicht gar ausgeschlossen - ich wünsche es dir sehr.

Die Scham, dass Dritte das eigene Geld verwalten kann ich extrem gut nachvollziehen.
Ich bin auch ein Mensch, der seine Sachen selbst gern in Eigenregie ordnet und es muss grausam sein, wenn plötzlich Fremde die Obhut darüber haben.
Ich bin auf mich bezogen sehr froh, dass ich diese Erfahrung nicht machen musste.
Puh, wenn ich meine Uhr, meinen Schmuck etc. hätte "feilbieten" müssen, ... ich mag darüber gar nicht nachdenken.
Ich glaube, dass wäre ein Punkt, der mich auch verändert hätte.
Das betrachte ich durchaus auch gefählich bei mir:
Das die Verluste zwar ärgern und weh tun, es aber nie existeniell wurde. Das verleitet selbstredend dazu, erneut zu spielen oder sich nicht so intensiv damit auseinander zu setzen.

Das du inzwischen an den Stätten einfach vorbeiflanierst und das nichts mehr in dir auslöst ... Hut ab!
Dies ist sicher "das", was wir alle wollen.
Der Kampf geht weiter.

Tag 22, immer noch spielfrei.
Der Streit mit meiner Frau zehrt ganz schön an den Nerven.
Wir sind beide sehr leidenschaftliche Menschen, was sich im Positiven wie auch im Negativen widerspiegelt.
Andere Paare würden über Dinge, wo wir diskutieren, gar nicht sprechen, da sie sich schlichtweg gar keine Gedanken machen würden oder sich nicht damit auseinandersetzen möchten.
Der Wunsch zu Spielen ist zwar irgendwo da, aber er ist nicht so präsent, dass ich dem Verlangen nachgeben würde.
Es bedarf dennoch einer Ablenkung, welche ich im beruflichen Sektor in Form von Arbeit kompensiere.

Ich grüße herzlich und danke für die Aufmerksamkeit.
Sp1

*

Offline Rubbel

  • *****
  • 1.019
Re: Tagebuch| Spieler1
« Antwort #13 am: 24 Januar 2024, 16:06:12 »
Hallo lieber Sp1 (ich mag das 'ieler' nicht, es ist so reduzierend und markierend) ... also: Sp1 :)

vielen Dank für Deine Antwort. Ich wollte gar nicht (auch wenn es irgendwie gut tat) provozieren, dass Du mir so freundlich zurückschreibst - vielleicht hab ich nicht die richtigen Worte gefunden?

Eigentlich hatte ich gedacht, ich sollte, wenn ich Dich schon 'einlade', offen oder mehr über Dich zu schreiben, mit gutem Beispiel vorangehen. Und um zu 'erzählen', dass es immer wieder Möglichkeiten gibt, sich von Spielsucht zu trennen - auch wenn fast gar nichts mehr zu gehen scheint.

Du wirst das auch hinter Dir lassen können und auch Dir wird es irgendwann völlig egal, ob da irgendwo ein Casino ist oder nicht.

Ich bin überzeugt, dass niemandem wirklich etwas fehlt ohne diesen Mist, der ja wirklich nur Abzocke ist, wo wirklich mafiöse Strukturen walten, wo wirklich niemand reale Chancen hat. Sonst würde dieser Wirtschaftszweig ja gar nicht funktionieren/existieren können. Er macht aber Milliarden von Umsätzen, und der Staat 'spielt mit'. Er kassiert ja die Steuern. Politiker lassen sich 'kaufen' von dieser Branche, Gelder fließen in die Parteikasse. Es ist einfach lukrativ ... nur für Spieler nicht.
Deshalb ist es 'Quatsch', da Hoffnungen, Nerven, Geld und Zeit reinzustecken. Das ist die nüchterne Betrachtungsweise.

Die emotionale Seite ist die Spannung, die Erwartung, der Fokus auf Glücksgefühle, das Ausscheren aus dem Alltag, der Verzweiflung oder dem Ärger - die 'Auszeit', die Faszination. Die 'Gier' kommt durch die Fast-Gewinne, und die sind psychologisch ausgetüftelt, denn es sitzen ja viele Leute daran, bis solche Spiele marktreif sind: Dazu gehören auch Psychologen (nicht jeder Psychologe ist ja Therapeut), Designer, Techniker ... die auch alle kräftig absahnen und wissen, wie Spieler am Gerät gehalten, bei Laune gehalten werden - und Ihr Wissen dazu auch einsetzen.
Das ist alles so alt wie wirkungsvoll. Eine Scheinwelt. Dahinter reiben sich die Anbieter die Hände und zählen den Gewinn. Es ist auch ein Leichtes, das Spielverhalten eines Spielers mit ein paar Algorithmen zu steuern und zu kontrollieren - dann bekommt ein Spielender mal was zwischendurch - ein Häppchen zum weiteren Animieren und Aktivieren, weiter zu zocken, erneuten Einsatz zu erbringen ... Schicksale? Damit haben die nix am Hut, der Taler rollt, die Kasse klingelt - alles chic. Was will man mehr?
Wut und Ernüchterung sind ganz gute erste Schritte da hinaus.


Bis bald ... viele Grüße, Rubbel
Apropos: Ist  Eure Auseinandersetzung soweit ausgestanden?

« Letzte Änderung: 24 Januar 2024, 16:25:33 von Rubbel »
--Meist ist Geist geil--

 

Wir danken dem AOK Bundesverband für die Finanzierung des technischen Updates dieses Forums