Hallo Zusammen,

ich bin völlig am Ende. Ich habe mich im Verlauf der letzten drei Jahre enorm hoch verschuldet und alles an der Börse verzockt. Ungefähr 87000. Ich fühle mich so unendlich dumm,  ziehe jetzt endlich die Reißleine, nur viel zu spät.
Ich weiß seit meiner Kindheit dass ich anfällig für Süchte bin und habe mich immer vom Spielen fern gehalten, aber hier bin ich doch in die Falle getappt. "Investieren" Am Anfang waren es ein paar hundert Euro, vielleicht auch mal gewonnen, aber eigentlich nur verloren. Nach einem Jahr war ich 10000 in den Miesen. Bamm. Was für eine Menge, unglaublich. Spaß hat es nie gemacht, ich habe immer nur gehofft das Geld zurück zu bekommen. Aber du kannst noch so oft tolle Trades machen und dein Geld verdoppelt, ein einziger Totalverlust macht alles zunichte. Und wenn du "klug" nur einen Teil des Geldes setzt, dann reichen halt ein paar Totalverluste.

Ich bin 43 Jahre alt, Vater einer dreijährigen Tochter. Meine Frau ist schwer krank, ich arbeite Vollzeit und schmeiße den größten Teil des Haushalts, enormer Druck. Stand kurz vor Burnout. Habe mich vor einem Jahr um Therapie bemüht, aber muss ewig auf einen Therapieplatz warten. Im Erstgespräch sagt die Therapeutin, ich soll meine Finanzen in den Griff bekommen. Gute Idee, ich nehme also neuen Kredit auf um Umzuschulden. 35000. Habe aber Dispo und Rahmenkredit nicht geschlossen. Wie dumm kann ich sein? 35000 ist eine verdammte Menge. Vielleicht kann ich die ja etwas reduzieren indem ich an der Börse Investiere? Zack, wieder alles ausgereizt. 65000. Scheisse. Ich versuche wieder umzuschulden. Nur zwei Monate nach dem ersten Kredit. Bekomme aber nur einen Kredit über 57000, also immer noch was Dispo offen. Ich weiß genau was für eine Scheisse das ist, und wie dumm es ist. Den Kredit muss ich einfach abbezahlen, da muss ich durch. Aber was ist mit dem Dispo? Vielleicht, wenn ich den eben wegtrade....

Es ist so absurd. Ich lebe sparsam, ich habe kein Auto, nur ein altes Fahrrad, ich kaufe mir keinerlei Luxusgegenstände, ich achte beim Einkaufen auf jeden Euro, aber beim spielen an der Börse verliert man jegliches Gefühl für Geldmengen. 30€ für eine Konzert? Ich weiß nicht, lieber verzichten.  Ich träume seit Jahren von einem neuen richtig guten Fahrrad, aber ich könnte mir niemals zugestehen 2000€ für so etwas auszugeben. Aber 1000€ an der Börse verloren? Tut weh, aber kann ich ja vielleicht auch wieder zurück holen, muss nur eben nochmal 1000 einzahlen... denkste. Was für eine Scheisse. Vielleicht einfach 5000€ einzahlen, dann ist es einfacher 1000€ zurück zu holen. Oh, auch weg. Was für eine riesen Scheisse.

Ich wusste das es ein Fehler ist. Ich wusste, dass ich keine Chance habe. Ich habe schon vor zwei Wochen das Forum hier gefunden und mich angemeldet, aber nicht geschrieben. Noch dieses eine mal versuchen, wenn ich nur einmal erfolgreich bin, dann ist die Schuldensumme nicht mehr ganz so groß, dann ist die Scham nicht mehr so riesig.... zack, wieder alles ausgereizt. 87000.

Da habe ich mich endlich hingesetzt und meine Verbindlichkeiten und mein Einkommen nebeneinander gestellt und gemerkt: Wenn ich alle Kredite, Rechnungen und die Miete bezahle bleiben noch 13€ für den Monat.

Ich wusste es natürlich schon vorher aber ich wollte es nicht wahrhaben. Vielleicht einmal gewinnen, dann muss ich nicht drüber nachdenken. Was für eine dumme Riesenscheisse.

Ich habe endlich die Reißleine gezogen. Ich habe mich meiner Schwester anvertraut, es tut gut es von der Seele zu reden. Und ich habe habe heute endlich alle Depots geschlossen und Trading Apps gelöscht. Es fühlt sich gut an.

Aber ich weiß immer noch nicht wie es weiter geht. Frühester Termin bei der Schuldnerberatung ist Anfang November. Insolvenz kommt wahrscheinlich eh nicht in Frage, weil ich den Kredit ja erst letzten Monat aufgenommen und direkt verschwendet habe. Aber ich weiß auch nicht, wie ich durch den Monat kommen soll.

Ich will dringend mit meiner Frau reden, aber ich schaffe es noch nicht über mich. Das ist das schlimmste, das Wissen meine Familie verletzte und beschädigt zu haben. Dieses jahrelange verschweigen, dieser Vertrauensbruch. Dieses Wissen die Zukunft meiner Tochter zu verspielen und unsere gemeinsamen Träume kaputt zu machen. Es ist zum heulen. Sie kämpft eh mit ihrer Krankheit, kann oft kaum aufstehen, jeder Tag ist für sie ein Kampf, ich will sie nicht noch mehr belasten. Ich weiss aber auch es geht kein Weg darum, ich weiss nur nicht wie.

Hi Cascadian
Herzlich willkommen!'

Als ich Deinen Text gelesen habe, dachte ich sofort: 'Krass, genau der gleiche ZockerInnen-Charakter war ich auch'. (Wenn frauman schon sowieso viel am Hacken hat, dann noch was draufsetzen: was tun (zocken!!), wovon klar ist, dass es mir nicht gut tut, vielleicht passiert doch mal das Unglaubliche und ich habe richtig Glück. Ein Ausgleich zu dem vielen Mist!)
Und wenn alles Geld fast weg ist und der klägliche Rest mir eh nicht mehr reicht, ja - dann kann ich das auch noch einsetzen, ist ja eh schon egal, vielleicht hab ich DAmit noch ne kleine Chance ...

Das war so'n Jahr zirka, solange hab ich das gemacht in der Form. Dann hat's mir gereicht, weil ich doch eh wusste, dass ich mein Geld gleich in nen Gulli werfen könnte und dass am anderen Ende sich eine Industrie schieflacht, dass es so viele genau dieser 'Trottel*inen gibt. Von denen, die nicht aufgeben wollen, an den Weihnachtsmann zu glauben. Diese Einsicht war mein erster Schritt raus. Neben vielen anderen Schritten. Und SHG + Therapie + Analyse.

Geld ... ja: Es hat nur Kaufwert. Das ist alles. Oder Tauschwert. Die Glücksspielindustrie macht Milliarden, und auch an der Börse wird sicher viel viel mehr verloren als gewonnen. Es ist immer ein Plus für die Anderen, das Spiel. Sonst würden die Geschäfte ja nicht blühen und boomen.

Zurück zu Deiner Familie: Es ist sicher gut, dass Du Deine Schwester als einen Menschen hast, dem Du alles sagen kannst! Wie hat sie eigentlich reagiert?
Deine Kleine braucht Dich, das ist ja klar. Sie kann ja gar nicht so wirklich einordnen, was sie tun soll, nehme ich an - weil die Mama so krank ist. Sie braucht ja auch selbst Zuwendung und Aufmerksamkeit. Deine!
Dass Du das jetzt nicht Deiner Frau sagen kannst mit der Spielsucht und nicht weißt, wann und wie ... das kann ich durchaus verstehen. Sie ist ja eh geschwächt!

Aber bitte steh' auf. Steh auf und hol Dir bitte unbedingt Unterstützung! Erstell' Dir einen Zeitplan und schaufle Dir einen Tag frei nach Feierabend.
Der ist Deiner: für eine SHG oder eine/n Therapeut*en.

Ich hab den Eindruck (so war es bei mir jedenfalls), dass Du wie ein Hamster im Rad läufst. Das beutet Dich aus, DU beutest Dich aus, und zwar ganz.
Du hast keine Schuld oder eine Verantwortung für die Krankheit Deiner Frau. Dennoch ist sie es. Sei bei ihr, aber lass' Dir auch ein wenig 'Space'.
Zum langsamen Runterkommen und zum wieder Gesundwerden.
Und wenn Du schon ein paar Male bei einer Therapie warst und das Routine wird, dann sag' Deiner Frau alles. Sie wird nämlich wohl fragen nach ner Weile.
Dann zu blocken oder zu lügen, wäre unfair, Brauchst Du dann auch nicht mehr. Weil Du auf dem richtigen Weg bist. Das wirst Du Deiner Frau spiegeln, sie wird es merken ... dass alles besser wird.

Soweit, mit vielen Grüßen
Rubbel

Hi Cascadian!

Ich wusste das es ein Fehler ist. Ich wusste, dass ich keine Chance habe. Ich habe schon vor zwei Wochen das Forum hier gefunden und mich angemeldet, aber nicht geschrieben.

Und wieder darf ich offerieren: Das Schwierigste am Aufhören ist das Anfangen!

Soll heißen: Das Bekannte, so schlecht es auch ist, ist immer noch besser, als die Ungewissheit! So wie Du hier von Deinem Glücksspiel berichtest, ergeht es so vielen Spielern. Ich selbst habe auch prokrastiniert, bis ich so richtig davon die Nase voll hatte.
Du bist also nicht alleine mit diesem Verhalten. Dazu gehört auch alles im Geheimen zu machen. Die Scham, alles schlimmer und schlimmer zu machen, tut ihr Übriges.

Von daher: Du wirst erst noch feststellen, wie wichtig es war, Dich Deiner Schwester zu öffnen. Du bist ins Handeln gekommen.
Ich lege Dir nahe, Dich in eine Suchtberatungsstelle zu begeben und Dir dort Unterstützung zu holen!
Parallel lade ich Dich ein am Samstag um 19 Uhr ins Webmeeting zu kommen. Hier geht es zum Zugangslink: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,4941.msg44268.html#msg44268

Zum Schluss noch:

ich weiss nur nicht wie

Das "wie" ist nicht so wichtig. Das "wann" aber sehr wohl. Fange an ... der Rest ergibt sich ...

Bezüglich Fragen zur potentiellen Insolvenz wende Dich bitte an das Forum der Schuldner Community.

Danke euch beiden!

Ja, es war sehr gut mit meiner Schwester zu sprechen, ich bin sehr froh dass ich sie habe. Sie ist sehr besonnen geblieben und hat mir Mut gemacht. Ich wollte mich schon seit Monaten öffnen nur habe ich mich nicht überwinden können. Jetzt ärgere ich mich natürlich wahnsinnig, dass ich es erst jetzt gemacht habe. Denn nur dadurch dass ich mich überwunden habe, konnte ich endlich aufhören. Mache mir natürlich trotzdem Vorwürfe, dass ich den Wagen erst sehenden Auges gegen die Wand fahren musste. Durch frühere Öffnung hätte ich also auch früher aufhören können und wäre jetzt nicht in solchen Schwierigkeiten. Aber vielleicht musste ich auch erst in solche Schwierigkeiten kommen um der Zockerei endgültig valet zu sagen.

Im Moment fühle ich mich sehr müde und leer. Vor allem weil ich immer noch so Schlafschwierigkeiten habe, und ich glaube grade kommt auch noch eine Erkältung an.
Andererseits kann ich mich endlich wieder einigermaßen auf die Arbeit konzentieren, weil ich nicht mehr ständig an die Börse denken muss. Alles gelöscht, alles geblockt, fühlt sich gut an.

Die Suchtberatung werde ich so bald wie möglich anrufen. Ich würde auch gerne Samstag dazu kommen, aber das ist genau die Zeit in der ich meine Tochter zu Bett bringe, das wird wahrscheinlich nichts. Ich habe mir aber eine Gruppe vor Ort gesucht, wo ich hoffentlich nächste Woche hin kann. Das wichtigste ist aber, dass ich mit meiner Frau rede, das merke ich, erst dann kann ich wirklich überlegen wie ich alles angehen kann. Leider geht es ihr im Moment wieder sehr schlecht, sie kann sich kaum auf den Beinen halten. Ich hoffe es wird über das Wochenende besser, dass ich es endlich schaffe mit ihr zu reden.

Ich habe aber auch große Sorge wie sie reagiert. Zum einen weil, ich sie nicht noch belasten will, weil dieser Vertrauensbruch unsere Idylle zerstört, und die Schulden unsere Träume. Zum anderen aber auch, weil sie vom Fach ist. Sie arbeitet selbst mit Optiatabhängigen und sagt immer "am schlimmsten ist aber die Spielsucht, die ist am schwierigsten loszuwerden" - natürlich habe ich auch Angst dass sie mir das nicht zutraut.

Hallo Cascadian,

Stark von dir das du dein Problem angehst und dich hier öffnest.

Waren es bei dir klassische (regulierte) Börsengeschäfte oder im Kryptobereich?

Gruss

Nein, vom Pyramidensystem Crypto habe ich immer die Finger gelassen, es war bei mir das "klassische" Börsengeschäft, allerdings ist es auch meiner Meinung nach nicht reguliert genug. Im Endeffekt habe ich alles mit Derivaten verloren, welche nichts anderes als Glückspiel sind, nur noch gefährlicher, weil sie einem die Illusion verkaufen, man könnte etwas kontrollieren.