Hier der Artikel aus der NW:
Leben in Extremen
Medium: Neue Westfälische
Datum: 15.02.2006
Vom Leistungssportler zum Spielsüchtigen / Die Geschichte von Frank Schwarz
VON ULRIKE HEITHOLT
Herford. "Man kann nicht geheilt werden, kann nicht genesen. Die Sucht kann nur zum Stillstand gebracht werden." Frank Schwarz hat das erst einmal geschafft, hat seine Spielsucht unter Kontrolle. Seine Erfahrungen verarbeitete er in einem sehr persönlichen Buch, das er am Montag in der Beratungsstelle für Glücksspielabhängige im Diakonischen Werk vorstellte.
Die Geschichte von Frank Schwarz ist ungewöhnlich und klassisch zugleich. Ungewöhnlich die sportliche Karriere, klassisch die Suchtkarriere. In der ehemaligen DDR geboren, betrieb Schwarz schon früh Leistungssport. Erst Leichtathletik, später wird er Bobfahrer. Die sportlichen Erfolge sind beachtlich, er schafft es in die Nationalmannschaft, erreicht beim Europcup 1990 einen zweiten und einen dritten Platz.
Schwarz beschreibt die Faszination des Sports genau, vor allem die körperlichen Reaktionen. Wenn das Adrenalin durch den Körper schießt, Endorphine ausgeschüttet werden. Äußerste Anspannung, äußerste Gefühle. "Ich dachte, meine Schädeldecke hebt ab." Schwarz will immer mehr. Heute sagt er: "Ich war ein Adrenalin-Junkie."
Dann, nach der Wende, muss er den Sport abrupt aufgeben. Finanzielle Ungewissheit, familiäre Schwierigkeiten, Schwarz fällt in ein tiefes Loch. Durch Zufall schaut er beim Glücksspiel zu und probiert es selbst. Er gewinnt. "Die Gefühle, die ich beim Sport hatte, waren fast wieder da."
Am Anfang geht es nur darum, monatlich "ein bisschen was dazu zu verdienen." Bald ist Schwarz von den Glücksspielautomaten ebenso fasziniert wie vom Sport. Vorfreude, Anspannung, Glücksgefühle und Enttäuschung, "die körperlichen Reaktionen waren ähnlich." Gewinne sind selten, Verluste müssen schnell wieder ausgeglichen werden. Was folgt, sind neue Verluste. An einem Tag 2.800 Mark, sein gesamter Monatslohn. Schwarz macht Schulden, nimmt Kredite auf. Er bringt das Sparbuch des Sohnes durch, dazu alle familiären Rücklagen. Sein Leben dreht sich nur noch um die Automaten. "Wenn ich nicht da war, hatte ich regelrechte Entzugserscheinungen. Ich konnte die Spielhallenluft überall riechen." Die Ehe zerbricht.
Eine neue Beziehung in einer anderen Stadt hilft nur kurzfristig, Therapien bleiben erfolglos. Bis Schwarz ganz unten ist, in einer Absteige haust, allein, dem Alkoholismus nah. "Entweder oder war die Frage." Schwarz entscheidet sich, er will ernsthaft aufhören. Seine Freundin hilft ihm, eine weitere Therapie zeigt endlich Erfolg. Und Schwarz hat einen Ersatz für die Spielsucht gefunden, er macht wieder Sport. "Aber nicht den exzessiven Leistungssport."
Hilfe bei Spielsucht
Betroffene und ihre Angehörigen finden Hilfe in der "Beratungsstelle für Glücksspielabhängige" in der Landesfachstelle für Glücksspielsucht der Landesregierung in Herford. Träger ist das Diakonische Werk. Die Beratung erfolgt vertraulich. Das Büro ist Auf der Freiheit 25, ` (05221)5998-36 oder -38, Infoline Glücksspielsucht NRW `(01801) 776611 (4,6 Cent/Min.)