Schönen guten Abend zusammen,
ich verlasse jetzt also doch mal die Rolle „stiller Mitleser“ und schreibe die ganze Misere mal auf. Eventuell könnte es doch befreiend sein, mal schauen.
Könnte etwas länger werden, dafür vorab schon mal Entschuldigung:)
Vorab ich bin jetzt 26 Jahre alt, seit ich meine Ausbildung mit 17 begonnen habe, noch immer im selben Unternehmen tätig und in einer langjährigen Beziehung.
Angefangen hat’s, ich denke mit 16. Damals waren’s Sportwetten. Schon immer Fußballbegeistert und damals war die Zeit, als der ganz große Hype gerade begonnen hat und die
Wettbuden nur so aus dem Boden geschossen sind.
Mit Erlaubnis auf den Namen meiner Mama nen Account erstellt, vielleicht 2x im Monat ne 25€ Paysafecard verwettet.
Kurz nach dem 18.Geburtstag hatte ich beim, glaube Handball EM-Finale Deutschland-Spanien müsste das gewesen sein, mein ersten größeren Gewinn gehabt, ich glaube 700€ mit nem hunderter Einsatz. Da ich im Shop getippt habe, bin ich das mit nem älteren Bekannten damals abholen gefahren. Abschließend kam der Bekannte bei der anschließenden Jacky-Dose an der Tanke auf die Idee, in ne Spielo zu fahren. Hatte damit vorher null Erfahrung, aber hatte ja bisschen Kohle gemacht also hin da.
Jetzt kommt das Standart-Szenario:
Ich denke bei fast allen pathologischen Spielern war es so, das die erste Spielo-Erfahrung einfach mega war. Ich wusste nicht mal was genau ich da mache, aber hatte nach 20min 500€ auf der Uhr. Die habe ich auch ausgezahlt. Rückblickend betrachtet war das der Anfang vom Ende. Bei Sportwetten hatte ich mich - bis heute- immer im Griff. Bei den Automaten war das nicht der Fall.
Die Zeit zwischen 18- ca. 21 fasse ich nur kurz zusammen. Die Online-Casinos kamen dazu. In der Ausbildung durch die Zockerei immer im Dispo. Eine Kreditkarte hatte ich auch, glücklicherweise eine Debit-Karte, die immer direkt am Monatsende abgebucht wurde. Somit wurde der Schuldenstamd zu Monatsende immer ausgeglichen. Jeden Monat halt den Dispo ausgeschöpft, im Vergleich zur heutigen Situation aber Kindergarten. Nebenbei aber auch immer irgendwie super leben können, viel gefeiert, viel im Urlaub gewesen, immer viel Geld für Konsum ausgegeben. Ich war eben ein Spieler: entweder Taschen voll oder völligst leer.
Mit 21 kam dann im Online Casino mal eine Nacht, bei der aus ner 25€-Paysafe 7000€ wurden. War ein mega Gefühl, als die Kohle auf meinem Konto war. Hab das Geld auch nicht direkt weggehauen, sondern ca. 1,5 Jahre auf dem Tageszinskonto gehabt, mal ging es hoch, wieder runter und wieder nach oben. Hatte ja mein Gehalt und hab natürlich immer noch gespielt.
Irgendwann wurde die Kohle immer weniger, was mich nervös gemacht hat. Habe zu der Zeit ca. 1700 netto verdient aber noch mietfrei zuhause gewohnt (eigenes Stockwerk). Hatte keinerlei Schulden.
Als das Geld langsam gegen null ging, den ersten Kredit (eigentlich grundlos) aufgenommen.
Es ging, vor allem mit den Online-Casinos immer so weiter, dann kam Kredit Nr.2 und Kredit Nr.3. Schuldenstand 2018/19: ca. 14000€
Ich muss dazu sagen, das ich bis heute, keine einzige Rate versäumt habe.
Von den Krediten habe ich mir immer etwas Geld beiseite gelegt, den Rest komplett verspielt. Als das zurückgelegte Geld wieder dem Ende nah war, nächster Kredit. Ich hatte zu der Zeit (mittlerweile 2021) ebenfalls Kreditkartenschulden ca. 6500€, die mich irgendwie mehr genervt haben, als die zu tilgenden Kredite. Es waren Debitkarten, die mit Ratenzahlung liefen. Diesmal dann 20.000€ aufgenommen, um die Kreditkarten abzulösen und zu kündigen, den Dispo auszugleichen und den Rest beiseite zu legen.
Mir ist völligst bewusst, das es nichts dümmeres gibt, als Kredite mit Zinsen aufzunehmen um das Geld dann auf ein Tageszinskonto zu legen, um einfach etwas Geld verfügbar zu haben 😅
Als die Kohle auch weg war, erneut 15000€ aufgenommen um die wieder überschuldete Kreditkarte und das Konto auszugleichen. Ein ewiger Kreislauf eben
Ich bin bis heute erstaunt, das ich zeitweise 6 Kredite (alle Hausbank Sparkasse) + 2 Kreditkarten (Consors Finanz) parallel laufen hatte. Alles wurde online abgeschlossen, nie habe ich mit einem Bankberater persönlich gesprochen.
Ich hatte dann von ca. 11/21 - ca. 06/22 eine Pause was Online-Casinos anging. Habe nur gewettet, aber im Rahmen. Hatte ne freie Kreditkarte und von den Krediten noch etwas Geld auf dem Konto und konnte ganz gut leben. Anfang Sommer 22 ging es dann wieder los, aus Langeweile war ich mal wieder in einer Spielothek, und diese hatte ich seit Jahren nicht mehr betreten. Danach wieder volles Programm: Online-Casino, Wetten, Spielo alles parallel.
Im letzten Jahr noch viel Geld für Urlaube ausgegeben, das Konto geht also wieder gegen 0. Verdiene mittlerweile ca. 2200 netto und habe ne Kreditratenbelastung von insgesamt 1000€ im Monat.
Dazu bin ich nach wie vor im Spielo-Film. Jetzt 2023 dummerweise wieder schlimmer als je zuvor. Mein Kontoauszug enthält mehr Buchungen als ein mittelständisches Unternehmen. Wenn ich 300€ in bar einstecken habe, und sage mir ich geh auf’n Fuffi in die Spielo ist alles bis auf den letzen Cent weg. Ich dachte, ich hätte die Phase hinter mir.
Ach und bevor die Frage kommt. Ihr könnt es euch wahrscheinlich nicht vorstellen, aber meine Freundin weiß von der ganzen Geschichte nichts. Sie weiß, das ich ab und an Wette und von den gewinnen lade ich sie dann mal in den Urlaub ein oder so, aber ich würde mir in ner krassen Verlustphase nichts anmerken lassen, sie schon garnicht anpumpen oder sonstiges.
Muss aber auch dazu sagen, haben noch keine Kinder und sind nicht verheiratet. Wäre das anders, wäre es kaum möglich das vor ihr zu verheimlichen.
Ich frage mich nur, wie es jetzt weitergeht. Bin zumindest jetzt gerade wieder so klar im Kopf, das ich nicht mehr zocken will. „Nichts geht mehr“ beschreibt die Situation am besten. Bin auch absolut offen für eine Form von Therapie. Am ehesten wäre glaube ich, ne SHG was für mich.
Ich gestehe mir, garantiert schon seit 3 Jahren ein, süchtiger, pathologischer Spieler zu sein.
Mir ist bewusst, das ich als aller erstes das Therapieding durchziehen muss, bevor ich meine Finanzen regeln kann.
Eine PI könnte in meinen Fall schon definitiv eine Option sein, da der Gesamtschuldenstand mittlerweile ca. 55k beträgt.
Ich muss noch anmerken, da neben dieser ganzen finanziellen Scheiße, die ich mir eingebrockt habe, die verschwendete Lebenszeit extrem ankotzt. Was noch ganz schlimm war, waren diese extremen Stimmungsschwankungen. Wie oft gab es Tage, gerade auf der Arbeit, bei denen ich kaum ansprechbar war, weil ich in der Nacht zuvor wieder 500-1000€ online verzockt habe. Oder diese kurzen depressiven Schübe, die nach längeren Verlustphasen kamen. Kaum auszuhalten. Man konnte sich auf nichts konzentrieren und war nur damit beschäftigt, sich selbst Vorwürfe zu machen.
Deswegen ist es auch kein Wunder, das von allen Süchten die Spielsucht die höchste Selbstmordquote hat.
Vielen Dank an alle, die sich das tatsächlich durchgelesen haben. Ihr könnt gerne Fragen stellen und ich bitte euch um ungeschönte und ehrliche Meinungen zu meinem Beitrag.
Edit Olli: Anbieternamen entfernt