Guten Abend zusammen,
ich verfolge schon seit einigen Monaten einige Beiträge hier. Ich habe lange überlegt, ob ich meine Geschichte auch mal von der Seele schreiben sollte. Heute Abend bin ich einfach mal mutig.
Mein Ex-Partner und ich sind seit ca. 6 Wochen getrennt. Wir waren 2 Jahre ein Paar. Kennen tuen wir uns seit 4 Jahren. Wir haben einen gemeinsamen Jungen (15 Monate alt). Alles begann ziemlich romantisch. Er hat über 1 Jahr um meine Gunst geworben. Mein Leben war voller Herausforderungen. Ich hatte ihm damals auch alles erzählt und zunächst eine Beziehung abgelehnt, trotzdem ließ er sich nicht davon beeindrucken und hat mir von Zeit zu Zeit kleine dezente Aufmerksamtkeiten geschenkt. Anrufe, Nachrichten und Blumen - volles Programm. Aber nicht aufdringlich. Das hat gewirkt und ich habe mich in ihn verliebt.
Wir waren uns auch beide einig, dass wir zusammen eine Familie gründen wollen (er hat schon ein Kind, aus einer flüchtigen Geschichte - allerdings war das nie an Problem - Im Gegenteil, der Kleine und ich wurden ziemlich dicke Freunde). Mir hat es gefallen, wie sehr er sich um das Kind gekümmert hat und ich war mir sicher, das ist ein verantwortungsvoller Mann.
Ziemlich zügig wurde ich ungeplant, aber gewollt schwanger (nach 2 Monate Beziehung). Er ist von Beruf Soldat und war ziemlich viel unterwegs, hat aber immer alles menschenmögliche gemacht, um Zeit mit mir zu verbringen. Das erste "Ich liebe dich" kam von ihm. Wir sind dann auch in eine hübsche Wohnung gezogen. Er ist sogar mir zur Liebe in meine Heimatstadt zugezogen (1 Std. Autofahrt von seinem entfernt). Unsere Familien haben uns beide jeweils mehr als gut aufgenommen.
Alles schien in Ordnung - so viel zur Vorgeschichte.
Allerdings bemerkte ich schon in meiner Schwangerschaft, dass das Thema Finanzen für ihn ein Problem darstellt. Offenlegen wollte er irgendwie nicht und jedesmal gab es Streitigkeiten. Ich hatte den typischen "Nestbautrieb" und wollte natürlich finanziell sicher aufgestellt sein (ich bin von Beruf aus dem Steuerfach).
Naja, ich wollte nicht zu viel Druck aufbauen. Unser Baby wurde geboren und dann ist ihm ein Fehler unterlaufen. Er hat sich an der Babykasse vergangen. Es hat nicht lange gedauert und mir ist natürlich der Fehlbetrag aufgefallen. Ich habe ihn konfrontriert und er musste mit der Wahrheit herausrücken - ich zittiere: "Ich habe seit 10 Jahren ein Glücksspielproblem. Ich bin süchtig".
Er war erleichtert, dass es raus war. Er flehte mich an, bei ihm zu bleiben, ihm zu helfen, "ohne mich würde er es nicht schaffen". Ich habe das alles zu dem Zeitpunkt total unterschätzt. Woher sollte ich auch wissen, was diese Sucht für ein Ausmaß für uns hätte einnehmen können. Ohne weiter groß auszuschweifen:
- Das Geld hat er sofort wieder in die Babykasse gelegt
-Ich bot ihm meine Hilfe an. Habe direkt Beratungsstellen aufgesucht und angefangen Termine zu legen - Erstmal für mich.
- Wir sprachen mit seinen Eltern (ich war die ERSTE (unfassbar), die das Dilemma herausgefunden hat. Niemandem vorher ist es aufgefallen)
- nach einem halben Jahr weiteren Lügen und Streit und etlichen Tränen: gab er mir seine Bankkarte, die Bankvollmacht, Onlinebanking Zugangsdaten - mit der Bitte, dass ich alles verwalten solle
- über eine Standort App durfte ich kontrollieren, wo er genau ist
- er hat sich über OASIS Sperren lassen. Wir haben dann mehrere Casinos abgefahren und kontrolliert, ob die Sperre auch wirklich erfolgt ist.
So, er war dann 4 Moante spielfrei (meineswissens), aber unsere Beziehung litt. Keine gemeinsamen Unternehmungen mehr. Er war nur noch beim Fussball und ich hatte das Gefühl, alles andere war wichtiger - ausser ich. Um unseren Sohn hat er sich immer rührend gekümmert - das habe ich in der Zeit nie angezweifelt.
Wir waren zu Besuch bei den Familien, alles super. Wir waren essen mit Kind, spazieren mit Kind, Abends zu Hause mit Kind. Die einzige kinderfreie Unternehmung waren kurze initime Momente - die aber auch immer abgeflachter sind. Der Kuschler, wollte plötzlich nicht mehr kuscheln.
Ich bin sehr kommunikativ - ich habe es immer direkt angesprochen, was ich wie empfinde. Es hat alles so eine Dynamik angenommen, dass ich selbst an mir gezweifelt habe, mein Misstrauen ist in Eifersucht umgeschwenkt und es kamen Probleme dazu, die offensichtlich nicht da waren.
Naja, vor 10 Wochen ist die Bombe erneut geplatzt, wieder eine Lüge, wieder spielen. Dabei wiederholte ich immer, dass ich stolz bin, wie weit er schon gekommen war und das Rückfälle eben kommen werden, er nur mit mir offen sprechen müsse, statt zu lügen. Ich entlarvte ihn so oft, dass er selbst sogar meinte, dass ich total pfiffig sei - und er es jedesmal aufs Neue bereut mich anzulügen. Es war wie ein Spiel.
Naja.. Wir waren was essen und wir haben sachlich darüber gesprochen, ob das alles für uns beide Sinn macht. Ich hatte zu dem Zeitpunkt mich in einer psychosomatischen Tagesklink in einer Eltern-Kind Gruppe angemeldet, weil ich schon krasse Stimmungsveränderungen an mir bemerkt habe. Darauf war er stolz UND MEINTE DANN, er würde sich auch eine Therapie stellen. Sein Vorschlag war es alle zwei Wochen ein Pärchenzeit einzuräumen, damit wir uns wieder annähern. Es schien alles in die richtige Richtung zu laufen. Ich begann die Therapie und bekam so wundervolle Nachrichten von ihm, dass er so dankbar ist, dass wir das alles zusammen meistern und dass er gespannt ist auf seine Therapie und das er hofft, dass zwischen uns alles wieder schöner wird.
3 Tage vor dem Beratungstermin mit der Leiterin der Selbsthilfegruppe, die er bis Dato regelmäßig besucht hat - kam es erneut zu einem kleineren Streit - wirklich nichts wildes. Tja, er nahm dies als Anlass zu flüchten. Er ist zu seinen Eltern, kam nicht zum Termin nach Hause und blieb auch die darauffolgende Woche komplett weg. Auf dem Konto sah ich, dass er Gelder abgehoben hat und ja...
Nach einer Woche kam er dann nach Hause und redete wirres Zeug: er ist sich seiner Gefühle mirgegenüber nicht sicher, er liebt uns, aber auf eine andere Art. Er habe mich die Woche nicht vermisst und das wäre für ihn das Zeichen. Es waren ihm zu viele Sanktionen/Verbote. Er wolle kontrolliert spielen. Er habe alles nur mir zu Liebe gemacht, er selbst sieht kein wirkliches Problem...Bla Bla Bla. Er sagte selbst: ich werde es eh bereuen. Ich werde dich erst schätzen, wenn ich dich nicht mehr habe. So wird es sein, aber dann ist das so… ähmmm.. ok.
Alle weiteren emotionalen Gespräche blockt er ab. Er wohnte noch 2 Wochen bei uns - richtig komisch, weil er unheimlich viel zu Hause war und Nähe gesucht hat. Dann lief der Mietvertrag auf mich und ich bat ihn um die Wohnungsschlüssel. Die gab er auch ab. Seit dem wohnt er bei seinen Eltern. Er spricht mit mir, als wäre ich seine beste Freundin. Er erzählt von Wohnungsbesichtungen usw.. Er will in unserer Nähe bleiben, damit er mich unterstützen kann. Er hat jetzt auch eine Wohnung gefunden und will demnächst seine Kleidung etc rausräumen.
Puhh ziemlich viel geschrieben.
Heute war er den Kleinen besuchen und wir sprachen über Unterhalt usw. (den hat er mir Übrigens gro0zügig gezahlt). Er meinte in einem Nebensatz "dass er auch viele Fixkosten hätte und ich nicht denken brauche, dass er das Geld in irgendwelche Buden trägt"...
Mhh.. ich war jetzt 6 Wochen in Therapie. Ich habe dort viel gelernt, auch über die Verantwortung, die er mir in die Hände gelegt hat und dass ich typisch für Angehörige mich verhalten habe - aus Zuneigung viel mitgemacht habe. Letztendlich hat er mir den Gefallen getan und sich getrennt. So lerne ich gerade wieder mein eigenes Leben für unseren Sohn und mich zu gestalten.
Mein Problem aktuell: Ich kann nicht glauben, dass er von heute auf morgen keine Gefühle für mich hat. Ich sehe das so, dass ich in den Augen seiner Sucht die "Böse" bin, die ihm es verwehrt, seiner Sucht nachzugehen. Dass er den einfachen Weg für sich wählt und alles aufgibt, für seine Sucht. Dass er das Glücksspiel, seiner Familie vorzieht. Ich habe das Gefühl, mir mein eigenes Grab geschaufelt zu haben. Geholfen und trotzdem Schuld - weil ich sein Verhalten letztendlich unbewusst gefördert habe, indem ich ihm so so vieles abgenommen, verziehen habe.
Er ist mir zur Zeit wie fremd, so als würde ihm das nicht Leid tun, was er da gerade abzieht. Er macht immer so einen zufriedenen Eindruck - klar, er kann spielen.
Ich stecke inmitten des Prozesses des Loslassens. Aber es ist verdammt schwer.
Keine Sorge: ich bin finanziell nicht betroffen. Ich habe von Anfang an, alles getrennt und bin derzeit auch total abgesichert. Ich habe auch alles in der Wohnung behalten. Da gibts keinen Rosenkrieg - nichts. Da sprechen wir auch echt vernünftig - wobei mir das auch weh tut, weil ich auch hier keine Emotionen erkennen kann.
Ok, höre erstmal auf.
Ich bedanke mich jetzt schon bei den Leser:innen.
Liebe Grüße