Ein frohes Neues!
Irgendwann habe ich mir die Frage gestellt, wieso ich mich so derart in die juristischen Themen und dessem Hebel bzw Möglichkeiten vertieft habe; anstatt mal die eigentlichen ursächlichen Probleme, auch bei mir selber, zu analysieren und daran zu arbeiten.
Dieses Zitat aus einem anderen Thread veranlasst mich noch mal über die Komfortzone zu sinnieren.
Grundsätzlich ist sie ja etwas, was wir ungelöst von irgendwelchen Süchten überall in unserem Leben vorfinden. Sie ist ja nichts Schlechtes, sagt sie uns doch, dass auf Grund positiver Erfahrungen dieser Bereich uns gut tut. Es gibt keinen Grund sie zu verlassen, eher sie vielleicht noch auszubauen, damit sie nicht nur so bleibt, wie sie ist, sondern noch in unserem Sinne verbessert wird.
So wurde mir mal angeraten den ÖD zu verlassen, um in der freien Wirtschaft Karriere zu machen. Dabei fühle ich mich unter den Kollegen wohl, meine Tätigkeiten sind alles Andere als stupide. Ich habe noch den heute nicht mehr erreichbaren Unkündbarkeitsstatus, die zusätzliche Altersversorgung ist ja auch nicht schlecht. Mir wird die Möglichkeit gegeben, mich in neue Aufgabenfelder einzuarbeiten und Schulungen werden befürwortet. Zudem habe ich nur 8 km bis zur Dienststelle und und und ...
Wieso sollte ich also diese Komfortzone verlassen?
Diese Frage ist eigentlich falsch gestellt, denn um sie beantworten zu können, muss ich mir eine Bestandsaufnahme des Ist.Zustandes machen und auch schauen, was ich bei einem tatsächlichen Wechsel in die freie Wirtschaft für Vor- und Nachteile mir einhandele.
Es stellte sich aber auch die Frage, ob ich den Ist-Zustand verbessern konnte durch die positiven Dinge, die ich bei einem Stellenwechsel erwartete.
Und so habe ich mich damals um eine Gehaltserhöhung gekümmert, die ich auch erhalten hatte.
Somit gab es für mich keinen Grund mehr den ÖD zu verlassen.
Auch ein Süchtiger bewegt sich innerhalb seiner Sucht in einer Komfortzone. Je nachdem, wie man sie definiert, sogar in Dutzenden.
Erinnert Ihr Euch noch an die Gewöhnungsphase, also bevor die Sucht problematisch oder gar pathologisch wurde?
Was gab es damals für Vor- und Nachteile durch das Glückspiel? Summa Summarum überwiegten die Vorteile eindeutig - oder nicht?
Vielleicht spielte der damalige Freundeskreis, wie bei mir z.B., auch? Es war also angesagt zu spielen. Wir bekamen Motivationsschübe durch die Mitspieler. Es wurde zusammen gespielt - zusammen ausgegangen, um zu spielen. Es machte Spaß! Keiner klopfte mir auf die Schulter, wenn ich ein paar DM verlor, doch wenn ich gewann, dann erhielt ich Bestätigung.
Alles diese positiven Aspekte lösten positive Gefühle aus.
Und dann? Als die Gewöhnungsphase vorbei war und die Problematische begann? Das Glückspielen erfüllte nun einen Zweck. Es gab mir eine Aufgabe. Es beschäftigte mich, vertrieb die Langeweile. Sie lenkte aber auch ab - von wichtigeren Themen des Lebens. Durch die ersten finanziellen und dadurch verursachten sozialen Problemen wandelte sich die Komfortzone. Sie füllte sich mit immer mehr negativen Aspekten und das hörte auch nicht auf so lange ich spielte.
Allerdings versuchte ich sie aufrecht zu erhalten, indem ich noch exzessiver spielte. Es war auch nicht mehr wichtig, dass ich mich wohl fühlte. Es reichte, dass ich fühlte.
Es waren also nun überwiegend negative Gefühle, die ich im Glückspiel durchlebte.
Doch wieso blieb ich dann noch in dieser Komfortzone? Weil mir das Bekannte angenehmer erschien, als das Unbekannte? Weil ich es nicht besser wusste?
Sicherlich, dies auch. Aber eigentlich wollte ich die Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes nicht machen. Dann müsste ich mich ja selbst hinterfragen. Wollte ich das wirklich sehen?
Diese Bestätigung der Unvollkommenheit meiner Person, wie ich sie in meiner Ursprungsfamilie permanent zu hören bekam?
Und nun komme ich zu dem Zitat von Dennis, bei denen die Gründe eventuell ähnlich oder doch ganz anders aussahen - ich habe mich abgelenkt. Bei ihm sind es die juristischen Themen, bei mir war es der übermächtige Drang den Erwartungen meiner Familie zu erntsprechen. Weg mit den Gedanken an die Inventur des Inneren - es gibt Wichtigeres zu tun.
Zudem kannte ich so etwas ja gar nicht. Bei uns wurde zwar viel geredet, doch eigentlich nur um die Rollen innerhalb der Familie immer auf dem gleichen Level zu halten.
Über Gefühle reden? So etwas gab es nicht ...
Bei mir gab es keinen finanziellen Kollaps, wie ich ihn heute bei vielen Forenmitgliedern erlebe. Dafür bin ich meinen Eltern dankbar, die auf ihre Art mich davor bewahrt haben.
Es ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass ich nie in OCs gespielt habe, sondern ausschließlich in Kneipen und Spielhallen. Wäre ich nur ein paar Jährchen - 2 oder 3 - weiter in der Sucht gefangen gewesen, dann hätte ich mich bestimmt auch derart verschuldet.
Ich glaube zudem, dass dieser heute oft finanzielle Kollaps noch nichts mit dem persönlichen Tiefpunkt zu tun hat. Der muss in meinen Augen ein emotionaler Tiefpunkt sein.
Ich habe damals all meine Bedenken, all meine Ängste vor der Zukunft ohne Glückspiel über den Haufen geworfen. Mir waren also die Konsequenzen vollkommen egal - weil es mir so dreckig ging, dass ich gar nicht anders konnte. Nun bin ich aber auch jemand, der sich immer wieder an Neues wagt. Vorsichtig - langsam - aber immerhin.
Ich habe meine Komfortzone verlassen ... und fand eine Neue in der Abstinenz!
Doch dies kann hier nicht jeder. Gerade Ängste verhindern dies gerne. Ängste sind Sabouteure - sie übertreiben maßlos. Sie zwingen uns immer zu einem "Ja, aber ..." - und halten uns wie Fesseln in der doch mittlerweile so schädlichen Komfortzone.
Dabei wollen Ängste uns doch eigentlich beschützen. Meistens tun sie dies ja auch ... doch manchmal eben auch nicht. Erklärt einem Arachnophobiker mal, dass die Spinne ungefährlich ist. Da helfen keine Logik und dergleichen. Aber es helfen kleine Tricks, mit denen ich die Angst aushebeln kann.
Wenn ich bei der Bestandsaufnahme mir "unverbindlich" genehmige, die SHG anzurufen, damit ich Termine der Treffen erfahre, dann heisst das ja noch nicht, dass ich auch dahin gehe.
Dann kommt der Tag, ich mache mich ausgehfertig und fahre zum Treffen - aber hineingehen muss ich ja dann noch lange nicht.
Jetzt bin ich da, etwas zu früh. Ich werde schon angesprochen, ob ich auch zum Treffen erschienen bin. OK, jetzt bin ich einmal hier, also kann ich auch mit hinein gehen. Nur sagen muss ich ja nichts ...
Das sind nur kleine Beispiele. Doch ihr kennt sicher andere oder ähnliche eigene Situationen, in denen die Angst derart ausgetrickst werden kann.
Die Beratungsstellen und SHGs können Euch beim Verlassen der alten Komfortzone helfen.