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Seit 11 Jahren spielsüchtig

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Seit 11 Jahren spielsüchtig
« am: 14 Dezember 2020, 20:10:42 »
Hey Leute,

Heute habe ich mehr oder weniger den ganzen Tag damit verbracht mir hier einige Beiträge durchzulesen und gemerkt, dass ich nicht alleine bin.
Ich bin 29 Jahre alt und spiele seit ca. 11 Jahren, regelmäßig vorwiegend Casino oder Online-Casino.
Bis aufs zocken läuft alles super. Treffe mich regelmäßig mit Freunden, seit kurzem eine neue Freundin, mache vier mal die Woche Sport. Scheint alles ganz normal.


Ich schaffe es maximal einen Monat nicht zu zocken. Doch dann überkommt mich ein derartiger Druck, sodass ich an nichts anderes mehr denken kann.
Was die Beträge angeht waren die letzten 2 Monate die bisher schlimmsten meiner ''Spielkarriere''. Ich bin selbstständig und konnte heute nicht zur Arbeit gehen, da ich gestern 15500 € im Online Casino gelassen habe. Im November hab ich es geschafft über 32.000 € zu verzocken. (Erklär das mal deinem Steuerberater, wenn du deine Buchführung abgibst, das kommt die nächste Woche auf mich zu) Das ersparte ist nun weg. Ich bin nicht reich das Geld musste ich mir hart erarbeiten.
Ich denke die Beträge spielen keine Rolle, denn jeder verzockt das was er kann, der eine mehr der andere weniger.
Auch ich wusste manchmal nicht mehr wie es finanziell weitergeht, schlaflose Nächte, unbezahlte Rechnungen usw. die Angst vor dem eigenen Briefkasten.

Ich sehe keinen Sinn darin meine Famile oder Freunde einzuweihen. Jemand der nicht spielt kann nicht nachvollziehen was in einem vorgeht, deshalb lieber hier.
Da mein bester Freund das gleiche Problem hat macht das keinen Sinn. Die letzte Ex-Freundin hatte ich vor 2 Jahren eingeweiht. Sie war schockiert hat aber versucht mir zu helfen - erfolgslos. Bankkarten, Ausweis, Bargeld hatte ich ihr alles übergeben. Glaubt mir, ich hab wirklich viel ausprobiert was mir helfen könnte, doch die Stimme in meinem Kopf war lauter.



Ich möchte hier keinen Roman schreiben, eher habe ich ein paar Fragen an euch.
1. Ich bin bereit für jede Hilfe - was könnt ihr mir empfehlen, an wen kann ich mich wenden? Habe eher Interesse an einer Online Beratung.
2. Wenn mich wieder mal die Sucht packt - Was macht ihr, wenn ihr merkt, dass ihr dem Druck zu spielen kaum widerstehen könnt?
3. Der Selbsthass - wie geht ihr damit um?

Ich hoffe, dass ich eines Tages ''frei'' bin. Der Wille ist definitiv da.


Ich bedanke mich im voraus über eure Antworten.

*

Somewhere87

Re: Seit 11 Jahren spielsüchtig
« Antwort #1 am: 14 Dezember 2020, 22:16:53 »
Hallo Nichtheute.

Schön, dass du etwas unternehmen willst.

Als ich mich damals meiner Familie und dann vor 2 Jahren meiner jetzigen Frau geöffnet habe, habe ich auch "wenig" erwartet. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Alle waren verständnisvoll und haben mir zugehört und geholfen.
Klar, das Verständnis tausende Euro zu verspielen, war nicht da. Aber das Verständnis, dass ich ein Problem habe, welches ich offensiv anspreche und angehen will war da. Und das bestärkt einen.

Was denkst du denn, wie deine Familie reagiert?

In jeder Stadt gibt es Suchtberatungen. Diese sind anonym und kostenfrei. Online Beratungen sind zwar nett, ich rate dir trotzdem zu persönlichen Treffen. Alleine aus dem Grund, dass du dich wohin bewegen musst und nicht zuhause vorm PC sitzt.
Und keine Angst: Es sind dort alle darauf aus dir zu helfen.

Thema Suchtdruck: Ich lenke mich ab oder, was am besten klappt, ich rede mit meiner Frau und wir analysieren woher der Druck kommt. Dazu habe ich keinen Zugriff auf meine Konten und nur wenig Bargeld.

Selbsthass brauchst du keinen zu haben. Spielsucht ist eine Krankheit. Das musst du akzeptieren. Das hat nichts mit Disziplinlosigkeit o.ä. zu tun.
Verurteile dich nicht dafür.

Such dir eine Beratungsstelle und mach den Anfang. Du schaffst das.

*

Offline Olli

  • *****
  • 7.311
Re: Seit 11 Jahren spielsüchtig
« Antwort #2 am: 15 Dezember 2020, 06:20:20 »
Guten Morgen und herzlich willkommen!

Zitat
Heute habe ich mehr oder weniger den ganzen Tag damit verbracht mir hier einige Beiträge durchzulesen und gemerkt, dass ich nicht alleine bin.

Das ist ein unbeschreibliches Gefühl, nicht wahr? Was ist da mit Deinem Selbsthass passiert? Hat er einen Dämpfer bekommen?
Nein, Du bist bei Weitem nicht alleine. Nicht nur, dass dort draussen jede Menge Menschen in der Selbsthilfe tätig sind, auch die professionelle Hilfe hat sich bereits seit Jahrzehnten an dieser Krankheit ausgetobt.

Auch wenn ich mich immer und immer wiederhole: Der Grundstock für eine Genesung ist die absolute Aufrichtigkeit nach Innen und nach Aussen.
Das Eine funktioniert ohne das Andere nicht. Sie unterstützen sich gegenseitig. Vernachlässigst Du das Aussen, dann musst Du Verschweigen oder Verschleiern. Für mich ist das bereits Lügen. Um Lügen authentisch rüber zu bringen, musst Du Dir selbst einreden daran zu glauben. Aufrichtigkeit sieht aber anders aus. nicht wahr?

Du spielst nun lange genug um zu verstehen, dass die Spielsucht sich nicht alleine auf die Suchtausübung selbst beschränkt. Sie verändert Dein Wesen. Von daher ist es wichtig, Dein nahes soziales Umfeld zu informieren. Ja, sie werden nicht verstehen, wie Du so viel Kohle "zum Fenster hinaus" geworfen hast. Doch sie werden Dich in Allem unterstützen, was für Deine Genesung förderlich ist. Sie können Ruhepole sein, zu denen Du gehen kannst, wenn Dich der Suchtdruck packt - oder auch Dein Selbsthass.
Die Spielsucht verzerrt die Wahrnehmung - und hier wird sie wieder entzerrt. Sie sehen Dich nämlich so, wie Du wirklich bist.
Auch jetzt werden sie sicher schon etwas ahnen, weil Du vielleicht zu sehr in Deinen negativen Gedanken gefangen bist.

Du sprichst vom Willen. Ja, der ist bei uns Spielern oftmals echt groß. Leider schwenkt er mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung. So hast Du ihn bisher gut eingesetzt, um dem Glückspiel zu frönen. Was denkst Du, wieso der Glückspielwille hier so oft gewonnen hat? Ganz einfach - weil Dir das Glückspiel etwas gegeben hat: Emotionen!
Der Wille war also fundiert. Nun möchtest Du ihn einsetzen, um zu genesen. Wie sieht die Basis des Willens denn hier aus?
Auch hier geht der Weg über Deine Emotionen. Doch er macht einen Umweg über Deine Rationalität. Und da fängt es an schwierig zu werden.
Wieso möchtest Du abstinent werden? Jetzt denkst Du sicherlich sofort daran, was Du "nicht" willst. Also: nicht das hart erarbeitete Geld verschleudern, nicht in Selbsthass verfallen, nicht dies und nicht jenes ... Doch was wünschst Du Dir ohne dieses Wort "nicht" zu nutzen?
Jede Abstinenzentscheidung berührt auch letztlich Deine Emotionen. Da herrscht aber ein Konflikt, denn die werden ja durch das Glückspiel bedient.
Also gilt es heraus zu finden, wieso Du spielst. Dabei ist der Weg das Ziel.

Die Onlineberatung hier (Link siehe oben auf dieser Seite) kann ich Dir empfehlen. Du kannst auch die Einzelchats nutzen, wenn Du magst.
Aber - das kann immer nur ein Sprungbrett sein, um sich auf zu machen in die Selbsthilfe und/oder sich professionelle Hilfe zu suchen.
Wenn Du magst, dann installiere Dir den Zoom-Client und nehme am Samstag um 19 Uhr an unserem Webmeeting teil. https://us04web.zoom.us/j/73952928189?pwd=TEdlb2w0S1VkRkhMUUpDL3VUWHdVdz09
Du kannst hier selbst entscheiden, ob Du das Video einschalten möchtest oder nicht.

Nun komme ich zu Deiner 2. Frage. Eigentlich wird ein Großteil bereits oben beschrieben. Du benötigst Abstinenzentscheidungen, die gewichtiger sind als der Suchtdruck.
Da diese aber wohl erst erarbeitet werden müssen, gibt es Werkzeuge, die Dir helfen können. Das Banalste: Wenn Du keinen Zugriff auf Dein Suchtmittel (Geld) hast, dann kannst Du es auch nicht verspielen. Also überlege Dir, wie Du das mit Deiner Selbstständigkeit hin bekommen kannst. Könntest Du die Kontovollmachten temporär an Deine Freundin übertragen?
Die Userin Wolke steht auf Skills, wenn der Suchtdruck kommt. Das kann kalt duschen sein, Weingummis mit Chili essen, das Treppenhaus unsicher machen, indem Du Dich dort körperlich auspowerst und und und ... Reden hilft am Besten: mit der Freundin, hier im Forum schreiben, wenn Du in einer SHG bist die Nummer eines Freundes anrufen - oder schlicht ein Tagebuch schreiben. Du kannst Dir eine Sperrsoftware vorab installieren, was die Entstehung des Wunsches zu spielen bereits hemmt.

Zu Frage drei: Mache Dir bewusst, wie Du sein möchtest und dann handele auch danach. Sucht übertreibt. Dein Selbsthass hilft Deiner Sucht, da er auch Deine Emotionen bedient und da diese extrem negativ sind, gerne durch Glückspiel wieder verdrängt werden wollen.
Erde Dich wieder, indem Du sprichst - mit Deiner Familie - mit Deiner Freundin. Sie kennen Dich wirklich! Sie wissen, wieso es sich lohnt Dich zu lieben!

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

 

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