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Mein erster Tagebucheintrag

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Mein erster Tagebucheintrag
« am: 09 September 2020, 17:27:19 »
Hallo liebe Forumsmitglieder,

ich schreibe diese Zeilen auch wie so viel vor mir, um mich einerseits vorzustellen und um andererseits mir selbst einen Schlusspunkt unter meine Spielsucht zu setzen. Mit dem Spielen an Automaten habe ich 2008 begonnen und seither immer wieder Pausen dazwischen gehabt. Seit ca vier Wochen spiele ich jetzt regelmäßig in einer Spielhöhle in der Nähe meines Wohnorts, beginne morgen eine Therapie bei der örtlichen Spielsuchtberatung und habe vor, hier täglich mitzulesen und gelegentlich zu berichten, wie es mir geht. Das, was mich zumindest im letzten Jahr davon abgehalten hat spielen zu gehen, waren Selbstsperren bei sämtlichen Anbietern bei mir in der Stadt. Die Höhle, von der ich oben sprach, bietet nicht diese Möglichkeit, ist daher auch illegal, aber das kann ja keine Ausrede sein, weiter zu spielen.

Ich lese hier immer wieder von starken Menschen, die sich ihrer Sucht stellen und sich ein besseres Leben für sich selbst und ihr Umfeld wünschen. Daran will ich auch arbeiten und daran denken, wenn ich das Haus verlasse oder gerade mal nicht weiß, was ich mit mir besseres anfangen soll als 30 Euro in den Automaten zu stecken.

Liebe Grüße aus Österreich,
Markus

*

Wolke

Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #1 am: 09 September 2020, 21:49:10 »
Hallo Markus,

herzlich willkommen hier im Forum.

Ich habe mal gelesen,dass man in Österreich personalisierte Spielerkarten hat,wo man nur einen bestimmten kleinen Betrag mit verspielen kann. Ist dieser verspielt,muss man 4 Wochen warten. Diese Karte steckt man in den Automaten,damit dieser weiß,wer da spielt und das man nur an einem Automaten spielen kann.

Stimmt das?

LG Wolke

Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #2 am: 10 September 2020, 01:01:51 »
Hallo Wolke,

so genau weiß ich das ehrlich gesagt nicht. Es gibt eine staatliche Casinotochter, winwin, wo ich schon drinnen war. Dort kommt man nur mit Karte, die man durch Vorlage eines Ausweises bekommt, hinein. Die Karte "weiß" dann natürlich, wie oft man da ist und wie viel man verspielt hat. Und man kann, soviel ich weiß, ein Limit angeben, wenn man das will. Somit würde sich erklären, dass man nur mit kleinen Beträgen spielen kann und eventuell deshalb vier Wochen warten muss. Ob man damit nur an einem Automaten spielen kann, weiß ich gar nicht.

Dann gibt es die Novomatic-Tochter Admiral, das sind Wettbüros mit angeschlossenen Automatenlokalen. Auch bei denen kann man nur mit Ausweis bzw Karte rein. Dort bin ich aber seit Jahren gesperrt und weiß daher überhaupt nichts genaueres. 

Dieses Regeln für das kleine Glücksspiel, wie es bei uns verniedlichend heißt, wird aber von einigen dubiosen Anbietern immer wieder umgangen. Wie die das im Detail machen, weiß ich natürlich nicht. Aber die Finanzpolizei schnappt sich die Automaten und drei Tage später sperren die wieder auf. Hier ums Eck von mir geschehen, ohne jeden Jugend- oder Spielerschutz, wie im Gesetz vorgeschrieben.

Hoffe, ich konnte die Frage einigermaßen beantworten.
Lieben Gruß,
Markus



*

Wolke

Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #3 am: 10 September 2020, 04:54:48 »
Hallo Markus,

ja ,vielen Dank für die Antwort.

Ich hatte so einen Beitrag im TV aus Österreich gesehen,wo die so ne Spielerkarte für Automaten vorgestellt haben und ich war begeistert davon,denn das wäre die Lösung für alle Automaten Spielsüchtigen. 50 oder 100€ im Monat darf man sich auf die Karte draufmachen lassen. Verspielt man das in  5 min,Pech gehabt,dann musste wieder 4 Wochen warten.

Ich wünsche dir für heute alles Gute für die Therapie und erzähl dann mal,wenn du magst,wie es da war.

LG Wolke



Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #4 am: 10 September 2020, 13:03:17 »
Hallo Wolke,

danke für die Rückmeldung und die Glückwünsche für heute! Therapie ist dann in zwei Stunden. Ich kenne die Spielsucht-Therapeutin von vor ca zwei Jahren und ich gehe parallel dazu auch noch zu einer anderen Therapeutin. Gerne schreibe ich ein paar Zeilen über die heutige Sitzung.

Weil mich das Thema und das Forum gerade sehr beschäftigt, schreibe ich noch einen Beitrag und stelle mich dabei etwas genauer vor: ich bin 43 Jahre, bin single, habe zwei erwachsene Kinder in einer anderen Stadt und eine psychische Erkrankung, die mir einiges im Leben schon verbaut hat (bipolar affektive Störung). Derzeit bin ich wieder mal auf Jobsuche, obwohl ich ehrlich gesagt glaube, dass mich das Arbeitsamt bereits unter den hoffnungslosen Fällen verbucht hat. Neben der Arbeitslosigkeit bin ich geringfügig (bis zu 460 Euro monatlich) bei einem Verein tätig, den meine Schwester und ich für psychisch erkrankte Langzeitarbeitslose ins Leben gerufen haben. Weil in meiner Familie alle sowohl von meiner Erkrankung als auch von meiner Spielsucht wissen, hat mein Vater mein Konto vor ca einem Jahr übernommen und überweist mir seither regelmäßig geringe Beiträge bis zu 50 Euro, mit denen ich die halbe Woche auskommen muss. Das hat bis vor ca vier Wochen jetzt ein Jahr lang gut und ohne Spielen funktioniert, mein Konto war auch am Monatsende regelmäßig im Plus und ich habe, auch wegen und mit Hilfe des Vereins, wieder optimistisch in die Zukunft geblickt. Aber seit ich diese Lokale entdeckt habe, gehe ich fast täglich rein und verspiele 10, 20, 30 Euro, einmal sogar mehr (350 Euro), weil ich unerwartet und völlig überraschend an Bargeld kam. Ich muss also völlig offen einsehen, dass ich noch immer und für den Rest meines Lebens spielsüchtig bleiben werde. Und ich weiß, dass der Satz leicht hingeschrieben ist und mir die Tragweite dieser Aussage gar nicht klar ist. Das Forum hier ist mir deshalb derzeit so ein Zufluchtsort, weil ich sehe, wie viele andere Menschen sich bereits ernsthaft und langfristig mit der Thematik auseinander gesetzt haben und ich versuche, zu verstehen, zu lernen und wenn möglich, umzusetzen.

Was mich am meisten beschäftigt: jede/r hier weiß, wie schädlich und existenzgefährdend die Spielsucht ist. Trotzdem halten wir an ihr fest. Was ist das für ein Selbstzerstörungstrieb und womöglich Hass auf sich selbst, der einen immer wieder zum Spielen führt? Oder kann man es auch umgekehrt sehen: als Spieler/in ist man genauso ein starker Mensch, der viel aushält, mit vielen gesunden Anteilen und es geht bei der Sucht etwas salopp formuliert darum, die Probleme, Ängste und Sorgen dahinter zu überdecken? Allerdings erkenne ich jetzt bei mir, dass diese zweite Sicht der Dinge immer stärker hinter der ersten verschwindet: ich erkenne mein eigenes Potenzial nicht mehr und der Blick auf meine Stärken verdunkelt sich von mal zu mal in der Spielhöhle. Und letztlich ist mir klar: wenn ich nicht aufhöre zu spielen, werfe ich mein Leben sprichwörtlich weg! Das ist eigentlich der stärkste Antrieb derzeit, aufhören zu wollen. Mein Leben wegzuwerfen kommt nicht in Frage, dazu ist es zu schön und einzigartig.

Liebe Grüße,
Markus

Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #5 am: 11 September 2020, 16:08:26 »
Liebe ForumsteilnehmerInnen, hallo Wolke,

eines der Forumsmitglieder hat, als es hier begonnen hat sein Leben mit zu dokumentieren, fast täglich ein update verfasst. Erst im Laufe der Zeit wurden die Einträge unregelmäßiger. Das finde ich einen guten Ansatz.

Der gestrige Tag, inklusive Therapie, sowie bislang der heutige liefen sehr gut. Aus der Therapie habe ich zumindest drei wichtige Ansätze mitgenommen, die mir weiter helfen könnten. Bin heute im Gegensatz zu gestern recht ruhig und entspannt, was sich auch positiv auf die tägliche Vereinsarbeit ausgewirkt hat.

Am Abend werde ich heute noch etwas fortgehen und mich unter Leute mischen. Das ist bei mir auch nie ein Fehler und ich freu´ mich schon drauf!

So viel bis hierher! Bis morgen!

Liebe Grüße,
Markus

*

Auskuriert1

Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #6 am: 12 September 2020, 12:03:50 »
Was mich am meisten beschäftigt: jede/r hier weiß, wie schädlich und existenzgefährdend die Spielsucht ist. Trotzdem halten wir an ihr fest. Was ist das für ein Selbstzerstörungstrieb und womöglich Hass auf sich selbst, der einen immer wieder zum Spielen führt? 

Aus meiner Sicht...

Es gibt nur Einer der diese/Deine Frage für Dich beantworten kann und das bist Du selbst.
Also vielleicht denkst de noch mal darüber nach WAS Dich zum spielen geführt hat -und wieso Du - trotz der Erkenntnis das Dich das spielen zerstört - daran festgehalten hast.
Ich z.B. habe mehr als Dreijahrzehnt gespielt und habe meine nicht allzu nette Vergangenheit für mein spielen Verantwortlich gemacht.
Allerdings konnte ich vor einigen Jahren meine Selbstzerstörung stoppen- dazu beigetragen hat einiges -auch als ich z.B. in ein Forum las: nicht „Andere“ sondern du ganz allein bist für dein handeln verantwortlich.

Als Spieler im Rausch- und das für sehr lange Zeit- war ich mir meiner Selbstverantwortung und auch die Tragweite von „Selbstverantwortung“ alles andere als bewusst (Mein
Verdrängungsmechanismus arbeitete als aktiver Spieler auf Hochtouren ;)) -und um es ein bisschen abzukürzen, für mich war „Selbstverantwortung“ ein sehr guter Ansatz
worauf ich bauen konnte und auch gebaut habe.
Ein eigenverantwortlich Leben zu leben bedeutet  - wenigstens für mich - das niemand mehr mein Leben gestaltet, sondern das ich es selbst gestalte.

Glücksspielanbieter haben nichts anderes im Sinn als Dein Leben und somit deren Leben zu gestalten.
Das obere ist Fakt -muss aber nicht sein, nicht das Leben der Glücksspielanbieter ist wichtig -sondern Du und Dein Leben sollten Dir wichtig sein! 

Und was Deine angesprochene Selbstzerstörung betrifft - wer sein Leben lebt, der zerstört sein Leben auch nicht!

In diesem Sinne
Schönes und Spielfreies Wochenende :)
« Letzte Änderung: 12 September 2020, 12:05:24 von Auskuriert1 »

*

Wolke

Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #7 am: 12 September 2020, 20:55:55 »
Hallo Markus,

Zitat
Aus der Therapie habe ich zumindest drei wichtige Ansätze mitgenommen, die mir weiter helfen könnten.

Warum nur könnten......? Was sind das für Ansätze?

LG Wolke

Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #8 am: 13 September 2020, 17:25:22 »
Hallo,

erstmal Danke für die Reaktionen!

Zu dem, was du, Auskuriert1, schreibst, habe ich nichts zu erwidern. Aber die "Selbstverantwortung" und was mich zum Spielen treibt, in der Gegenwart und Vergangenheit, trotz des Wissens um die Selbstzerstörung: das sind zwei Punkte, die ich nicht wegschieben kann und um die ich mit nicht herumdrücken kann.

Ich habe mit "könnte" deswegen den Konjunktiv verwendet, Wolke, weil ich gerade verschiedene Eindrücke und Ideen verarbeite und dabei nach der für mich besten Lösung suche. Dabei sind die drei Gedankenansätze meiner Spielsucht-Therapeutin sicher für mich hilfreich und werden mich weiterbringen. Sie hier niederzuschreiben, halte ich für zu persönlich, weil sie mein Innenleben betreffen.

Im "normalen" Leben abseits von Gedanken, Reflexionen und Ideen für eine spielfreie Zukunft habe ich ein abwechslungsreiches und schönes Wochenende hinter mir, wobei mit dem Thiem-Zverev Finale heute abend der Höhepunkt auf Tennis-Freunde wie mich sogar noch wartet. Freu mich schon sehr auf das Match! War am Freitag nach einem langen Tag doch nicht mehr weg, sondern hab Zverev - Carreno-Busta geschaut. Und gestern den Geburtstag einer Freundin gefeiert, viele nette und neue Menschen kennengelernt und dabei getanzt und gelacht, dass wir kaum heimgehen wollten, als die Corona-Sperrstunde da war. Zuerst grillen am Wasser, dann in ein internationales, buntes Lokal. Viel Neues dabei, wunderbar.

Alles Liebe und eine schöne Zeit,
Markus

 


 

*

Wolke

Re: Mein erster Tagebucheintrag
« Antwort #9 am: 13 September 2020, 21:38:42 »
Zitat
weil ich gerade verschiedene Eindrücke und Ideen verarbeite und dabei nach der für mich besten Lösung suche.

Es gibt nicht immer nur eine Lösung.......

Gute Nacht und viel Spaß beim Tennis gucken. Ich drücke die Daumen!!!

LG Wolke

 

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