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Nicht sorgenfrei wegen Spielen

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Nicht sorgenfrei wegen Spielen
« am: 30 Juli 2020, 17:51:18 »
Ich bin 28 Jahre alt und "studiere" nebenbei, wobei ich sagen muss, dass das Zocken vielmehr mein Studium negativ beeinflusst hat und ich meinen Pflichten und Aufgaben nicht nachgehen konnte. Früher war ich eher ein Mensch, der distanziert zu den Menschen war, die spielten. Auch andere Verhaltensweisen von Menschen im Umfeld sah ich ungern an. War stets distanziert zu solchen Dingen. Eines Tages wurde ein vermeintlicher Freund, ein Automatenaufsteller. Ich hatte zu ihm eine zeitlang auch keinen Kontakt aus anderen Gründen. Vorher war mir auch nicht klar, dass er ein Zocker war oder mich hatte das Ganze eher nicht interessiert. Nach einer Zeit hatten wir wieder Kontakt und er erzählte, dass er Aufsteller ist.

Eines Tages wollte ich meine gesparten Münzen in Scheine wechseln und durch seinen Tipp waren wir plötzlich in einer Spielhalle. Anfangs war es nur Geldwechsel und dann musste ich auf ihn in der Spielhalle warten, weil er zocken wollte. Es fing mit mir mir das Spielen damit an, als er mir das Geld zum Einzahlen gab. Dann spielte ich für ihn und gewann, er teilte den Gewinn mit mir.. Zuvor versuchte ich ihn immer davon wegzubringen, als er gewann oder als er auch zu viel verlor. Danach zockte ich auch in seinem Laden und später an allen möglichen Orten.

Er bestellte über mich auf Rechnung auch viele Sachen, was er auch später wieder zurückzahlte aber das Geld, was ich bekam, ging an seine Automaten, weil der Ort der Abgabe sein Laden war. Er warnte mich vor dem Spielen und schlug mir vor, dass so etwas nicht zu mir passt etc. Aber das sind meiner Erfahrungen nach keine ernsthaft gemeinten Ratschläge gewesen, dazu werde ich auch später kommen. Das erzähle ich nebenbei, weil ich mich auf solche widerliche Kreaturen eingelassen habe. Der Grund wieso ich darauf eingehe ist auch, dass soziales Umfeld und die vermeintlichen Freunde einen Einfluss darauf haben. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mit 18 Jahren bis 25 Jahren mehr bodenständig war und von all diesen Dingen mich fernhielt, obwohl ich einige Personen bereits kannte und deren Verhalten nicht zu meinem eigenen machte. Neben diesen Faktoren denke ich, dass auch das gestörte Verhältnis zum Vater auch eine Rolle gespielt hat, weil er sich kaum bei mir meldete. Habe zu oft an andere Sachen gedacht. und den Fehler begangen, mit Zocken anzufangen.

Gewinne hatte ich oft auch gehabt aber das Problem, nicht rauszuholen oder dann woanders zu spielen, hat die Sache noch mehr verschlechtert. Während ich alle monatlichen Rechnungen noch beglichen hatte, kam der Tag, an dem ich die Grenze überschritt und mich verschuldete.  Ich begriff, dass ich handeln muss und richtete Sperre bei Spielhallen ein. Davon war der vermeintliche Freund nicht so begeistert, weil er der Meinung war, dass es von alleine aufhören muss und die Sperre keine große Hilfe ist. Vielmehr hatte es ihn gestört, dass ich den Versuch gestartet hatte, davon wegzukommen. Er begründete es mit folgenden Worten: "Wo sollen wir hin, wenn man sich trifft. Du kommst da nicht mehr rein".

Ich hatte zwar in Spielhallen nicht mehr gespielt aber dann in kleinen Läden. Bis dahin hatte ich keine großen Schulden. Ich beglich alles aber hatte kein Geld mehr für mich gehabt. Ich hatte Ende 2019 mit dem Zocken draußen aufgehört. Der Höhepunkt der Krise begann mit Sportwetten bzw. Online Casino, als ich mit einer Person auf Tipico getippt hatte und dann auf Online Casino aufmerksam wurden. Ich verlor anfangs 1000 Euro. Gewann dann auf der Seite nochmals und verlor. Habe immer wieder versucht durch große Einsätze, das Geld oder hohe Gewinne wieder zu erreichen. Der jetzige Stand: Die Summe der Gewinne (die nie ausgezahlt wurden), die ich hatte wurden nun zu Schulden weil ich immer mehr meine Löhne da verschwendete, die ich versuche mit Anwalt zurückzuholen. Online-Casino Geschichte dauerte 3 Monate und ist endgültig beendet. Auf allen Seiten die Konten und in der Online-Banking alle möglichen Zahlungsdienstleister gesperrt.

Nebenbei bemerkt, als ich zwei vermeintlichen Freunden davon erzählte, wie viel ich insgesamt gewann und verlor, sagten beide ähnliche Sachen. "Wir hätten einen Laden mit dem Geld öffnen können" oder "Ich hätte von dir das Geld geliehen und eine Firma gegründet", waren Sätze, die ich hörte und auch Moralapostel zu spielen, hätte nicht fehlen sollen bei Leuten, die mehr verzockt haben als ich selbst. Das gab mir im Leben die Lektion, alles Mögliche von Menschen im Umfeld zu verheimlichen und nicht zu erzählen und dass die vermeintlichen Freunde keine Freunde, sondern vielmehr Feinde sind.

Ich versuche von den Gedanken wegzukommen aber immer wieder muss ich an die Schulden denken, die ich noch begleichen muss. Das Ganze hat einen negativen Einfluss auf mein soziales Leben. Komme damit nicht klar.

Eine Suchtberatung habe ich bisher nicht in Anspruch genommen.
« Letzte Änderung: 30 Juli 2020, 17:56:33 von jensgoldberg »

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Wolke

Re: Nicht sorgenfrei wegen Spielen
« Antwort #1 am: 30 Juli 2020, 20:26:58 »

Hallo Jens,

willkommen hier im Forum.

Zitat
Ich versuche von den Gedanken wegzukommen aber immer wieder muss ich an die Schulden denken, die ich noch begleichen muss.

Die Gedanken an das verspielte Geld muss man loswerden,damit das was mit der Spielfreiheit wird. Ich hatte damit auch sehr lange zu kämpfen. Der Gedanke,ich ändere meine Strategie,mache viele kleine Gewinne,wenn es mit dem Big Win nicht klappt und zahle so schneller meine Schulden zurück. Funktioniert nicht. Dann habe ich ,als ich schon länger spielfrei war, versucht viel mehr zu sparen,damit ich die Schulden schneller loswerde. Das frustriert. Jetzt gehe ich etwas entspannter damit um. Dann dauert es halt ein paar Jahre länger,bis ich es abbezahlt habe. Dat is mir jetzt auch egal. Dafür genieße ich mein Leben mehr. Klappt nicht immer,aber immer öfter.

Bin dank Verhaltenstherapie und des Geldmanagements spielfrei geworden.


Freunde die auch zocken und nicht aufhören wollen,ziehen dich immer mit runter. Es ist hart,aber wenn die auf dich keine Rücksicht nehmen und sich nicht mit dir irgendwo treffen wollen,wo es keine Automaten gibt,dann musst den Kontakt (zumindest erstmal) abbrechen. Sonst kommst du nie aus dem Teufelskreis raus.

Eine SHG hilft dir auch. Nimm jede Hilfe an,die du kriegen kannst,nutze jede Chance. Man muss sich nicht beweisen ,dass man es alleine schaffen könnte. Hauptsache man schafft es!

LG Wolke


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Offline Olli

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  • 7.338
Re: Nicht sorgenfrei wegen Spielen
« Antwort #2 am: 30 Juli 2020, 22:27:35 »
Hi Jens!

Herzlich willkommen!

Nun, leider hat das soziale Umfeld einen großen Einfluss. So haben sich, wie ich sehe, die Zeiten nicht geändert.
Ich hatte immer einen großen Bekannten- und eher einen kleinen Freundeskreis.
Damals gehörte es dazu, in einer Kneipe am Automaten zu spielen. Leute, mit denen ich meine Jugend auf Bolzplätzen verbracht hatte, fielen über die gerade im Ort eröffnete Spielhalle her.
Ich kann aber mit nichts Vergleichbarem zu Deinen Erfahrungen mit Deinen "Feinden" aufwarten- wir haben uns schlicht damals gegenseitig angestachelt.

Das Schöne ist ... da draussen gibt es Leute, die gespielt haben und ihre Erfahrungen gegenseitig teilen. Ich bin vorsichtig mit dem Begriff "Freund". Auch wenn ich von meiner damaligen Gruppe niemanden privat als "Freund" bezeichnen kann, so sieht das bei den Mitgliedern IN der Gruppe ganz anders aus.
Alles, was dort gesprochen wird, verlässt nicht den Raum. Dort kann ich alles - wirklich alles - erzählen und sofort hat irgend jemand eine ähnliche Erfahrung aufzuwarten.
So dürfen wir dort nicht nur unsere Gedanken teilen, auch unsere Gefühle.

Wir werden aber auch immer wieder auf unsere Eigenverantwortlichkeit zurück geführt. Nicht um zu bewerten, sondern um daraus zu lernen und für die Zukunft gewappnet zu sein.

Gebe den SHGs dort draussen bitte einen Vertrauensvorschuss und gehe hin. Du bist längst nicht alleine!
« Letzte Änderung: 31 Juli 2020, 12:28:31 von Olli »
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Nicht sorgenfrei wegen Spielen
« Antwort #3 am: 31 Juli 2020, 12:14:29 »
Selbstverständlich ist es meine eigene Verantwortung. Das Zocken sehe ich als eine Erfahrung in meinem Leben an, womit ich viel gelernt habe. Habe auch dadurch umso mehr das wahre Gesicht der Menschen im Umfeld besser erkannt und eingesehen, dass das Geld nicht wichtiger sein kann als moralische Werte. Kann mich daran erinnern, dass ich meinem Bruder mal Geld geliehen hatte und er auch später zurückzahlte, aber ich war etwas unnötig besorgt und penibel. Wenn ich nun jetzt mehr Geld hätte, würde ich ohne zurückzuverlangen von alleine meinem Bruder zur Seite stehen.  Jetzt wenn ich an das Ganze denke, ist das Geld weniger wichtig, sicherlich spielt Geld eine wichtige Rolle im Leben, um weiter zu existieren. Aber jetzt weiß ich, wie ich damit umgehe.  Vielleicht musste ich diese Erfahrungen machen, um nach vorne besser zu blicken.

Habe vieles viel später im Leben bemerkt und gesehen. Mich stört der Gedanke, dass ich etwas zu spät vieles erkannt habe, da das Alter steigt und ich daran denken muss, dass ich innerhalb der letzten 6 Jahre (2,5 Jahre mit Zocken verbracht) deutlich mehr im Leben erreichen konnte und meine Potenziale einsetzen könnte. Diese sinnlos verschwendete Zeit stört mich ebenfalls. Ich habe bereits bei einer Stelle angerufen, um beraten zu werden aber anscheinend finden derzeit keine offenen Gespräche statt.


 

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