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Tagebuch Willy

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Tagebuch Willy
« am: 30 Juli 2018, 23:14:55 »
Es ist soweit. Ich habe eingesehen, dass ich spielsüchtig bin und endlich aufhören muss, bevor neben dem finanziellen Schaden noch mehr passiert.
Ich habe seit Jahren die Kontrolle verloren und eigentlich war es mir schon längere Zeit bewusst, nur wollte ich es nie wirklich wahr haben. "Ich doch nicht", habe ich gedacht. "Ich habe das unter Kontrolle", habe ich gedacht. Einen Scheiß habe ich. Immer wieder habe ich mir vorgenommen aufzuhören, immer wieder habe ich mich beim Spielen wiedergefunden. Tausende Euros später und mit Blick in den Abgrund will ich versuchen abstinent zu bleiben.
Ich hoffe ich finde in diesem Forum jetzt auch aktiv Hilfe und kann mich mit "Gleichgesinnten" austauschen.
Meine Ziele: Wieder ein gesundes Verhältnis zum Geld. Wieder Grund zur Freude auch außerhalb des Spiels (Und ich habe eigentlich genug Grund, allerdings bin ich zu verblendet, um das wahr zu nehmen und habe auch gemerkt wie sich mein Geist immer mehr wandelt).
Und genau das ist auch der Auslöser für das hier - Das ich gemerkt habe, dass sich mein Gemütszustand zunehmend verändert. Das ich vollkommen irrational werde. So will ich nicht sein.

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #1 am: 31 Juli 2018, 06:47:20 »
Hallo Willy,

du machst definitv den richtigen Schritt in die richtige Richtung! Es sich selber einzustehen und über diese Probleme zusprechen. Dafür schonmal ein großes Lob.

Weiß deine Familie etwas davon? Hast du mit jemanden darüber gesprochen?
Hast du dir schon überlegt evtl. bei der Suchtberatung in deiner Stadt , hilfe zu holen?
Dir das mal anzuhören?! Ich gehe selber aktuell 1x im Monat dort hin und spreche mit meiner Suchtberatung über das ganze Thema, lasse mir Tipps geben und ich muss sagen, hey das klappt gut..

Verwaltest du deine Finanzen noch selber? Oder macht es Sinn, diese jemanden anderem zu überlassen um wirklich abstinent zu bleiben?
Das Gefühl, wieder spielen zu wollen, wird dich einholen und da darfst du keineswegs einbrechen. Auch wenn es passieren kann, lass dich nicht unterkriegen und mach einfach da weiter wo du gestern angefangen hast, nämlich mit dem Schritt in die richtige Richtung!

Wünsche dir eine Spielfreie Zeit!

Lg. Phil

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #2 am: 31 Juli 2018, 09:21:23 »
Schönen guten Morgen Phil,

erstmal Danke für dein Feedback und dein Lob.

Meine Familie und meine Freundin wissen bisher noch nichts davon. Ich weiß, dass Verbindlichkeit wichtig ist und mir hilft, aber ich will das im ersten Schritt erstmal für mich klar bekommen und dann auch nach draußen tragen. Allein das Eingeständnis, dass ich süchtig bin, muss sich in mir erst noch festigen. Diese Krankheit weiß einfach zu gut zu bescheissen und ich mich selber leider auch.
Ich möchte zunächst erstmal die Hotline ausprobieren und für mich erfahren wie es ist darüber zu sprechen. Allein hier merke ich wie gut es mir tut.
Ich habe mich in jedem Online-Casino sperren lassen, meine Kreditkarten sind ebenfalls gesperrt und ins Minus kann ich, sobald der Dispo ausgelöst ist, auch nicht mehr.
Ich weiß, dass das noch keine großen Schritte sind und ich weiß, dass das alles auf sehr wackligen Beinen steht, aber ich will es unbedingt schaffen.
Ich werde versuchen jeden Tag hier ein Resümee des Tages zu ziehen und hoffe, dass das schon mal hilft.

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #3 am: 31 Juli 2018, 10:36:43 »
Ich kann es einerseits nachvollziehen, dass du erstmal alleine alles verarbeiten willst, aber andererseits kann gerade die Familie eine große Stütze sein. Denk vielleicht nochmal drüber nach mit deinen Lieben zu reden. Entzug betrübt die Laune, teilweise immens. Wenn der andere weiß, woher die miese Laune kommt, denke ich, für beide Seiten erträglicher

*

Offline Olli

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  • 7.338
Re: Tagebuch Willy
« Antwort #4 am: 31 Juli 2018, 11:00:03 »
Hi Willy!

Herzlich willkommen!

Zitat
Ich weiß, dass das noch keine großen Schritte sind

Da möchte ich gleich mal widersprechen ...

Auch wenn Du meinst, dass das bisher Erreichte vielleicht im Gänsefüßchenmarsch erledigt wurde, so ergeben sie aneinandergereiht ein paar große Schritte.
Das finde ich gut, denn es geht dabei immer voran!

Dann beschreitest Du eben Deinen Weg in kleinen Schritten!
Aber mal ehrlich ... wieso sollten wir denken, dass wir uns bei etwas Neuem immer sofort ins kalte Wasser werfen müssen?

Du hast Dir einen Plan gemacht und bist dabei ihn umzusetzen.

Von der Hotline übrigens habe ich schon viel Gutes gehört. Probiere es einfach mal.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #5 am: 31 Juli 2018, 12:03:09 »
Ich habe viel mit meiner Familie reflektiert....es sollte ein Denkanstoß sein. Willy hat seine Familie und sein Gefühlsleben wirkt sich auch auf diese aus....

Ich sage nicht, dass der Weg nicht funktionieren wird. Ich sage, dass es oftmals gemeinsam besser geht

*

Offline Olli

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Re: Tagebuch Willy
« Antwort #6 am: 31 Juli 2018, 12:20:36 »
Ich bin voll bei Dir, Strelitzie ...  ;D

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #7 am: 31 Juli 2018, 13:35:56 »
Vor lauter Hitze habe ich dich wohl etwas falsch verstanden @Olli.

Willy, du schaffst das. Wir sind alle bei dir....

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #8 am: 31 Juli 2018, 16:32:47 »
Erstmal vielen Dank für euren Zuspruch und ich denke auch, dass ich früher oder später mit meiner Familie sprechen sollte. Noch fehlt mir aber die Kraft.

Ich habe mich heute mit der Onlineberatung für Glücksspielsucht auseinander gesetzt und das hat mir irgendwie auch sehr, sehr gut getan. Es ist komisch von Sucht zu schreiben oder sich einzugestehen, dass man süchtig ist, aber irgendwie hilft es. Und es hilft, dass man nicht alleine ist. Das habe ich jetzt schon gemerkt.

Um heute Abend auf andere Gedanken zu kommen, werde ich Joggen gehen und danach Haushaltsgeschichten machen. Einfach Ablenkung und Struktur. Ferner habe ich mir genaue Laufwege zur Arbeit festgelegt und einen ziemlich durchgetakteten Alltag. Im wahrsten Sinne des Wortes: Weniger (Spiel-)Raum.

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #9 am: 31 Juli 2018, 16:40:22 »
Ich muss jetzt Mal doof frag nach, wie hältst du die Spielerei vor deiner Familie geheim?

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #10 am: 31 Juli 2018, 17:25:18 »
Ich muss jetzt Mal doof frag nach, wie hältst du die Spielerei vor deiner Familie geheim?


Sie kennen nicht meine Finanzen und ich bringe keine Stunden damit zu. Schnell Geld zu verzocken kriegt man ja leider auch innerhalb kurzer Zeit hin und gerade Online-Casinos helfen dabei es unter dem Radar zu halten. Bisher habe ich mich finanziell auch nur selten bis ans Maximum "getraut" und so schafft man es dann noch bis zum nächsten Gehalt oder redet sich irgendwie raus.
Man lernt als Spieler es einfach geheim zu halten und gibt nach Außen etwas anderes, als es sich hinter den Kulissen abspielt.

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #11 am: 31 Juli 2018, 17:39:59 »
Erwische mich gerade dabei wie ich durchs Forum klicke und mir denke: "So schlimm bist du ja noch gar nicht dran". Unglaublich wie vernebelt mein Geist ist - gehe jetzt laufen, den Kopf frei kriegen.

Wirklich: Vielen Dank an alle die hier schreiben.
Hatte vorhin kurz Panik, dass ich gebannt sein könnte (Wurde mir beim Versuch mich mit dem Handy einzuloggen angezeigt) - dem ist Gott sei Dank nicht so.

Das hier hilft mir.

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #12 am: 31 Juli 2018, 18:46:12 »
Warum spielst du? Ich meine die psychischen Hintergründe? Hast du Vermutungen?

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #13 am: 31 Juli 2018, 19:08:14 »
Warum spielst du? Ich meine die psychischen Hintergründe? Hast du Vermutungen?


Zu meiner Person und den Beweggründen (Zumindest die, die ich mir bisher selber erschließen konnte): Nach meinem Studium bekam ich zunächst nur einen Halbtagsjob, der extrem schlecht bezahlt war. 1000 Euro Brutto, abzüglich "Spritkosten". Dort schied ich ziemlich schnell aus, weil meine Chefin mir nach einem Monat sagte, dass sie „allein meine bloße Anwesenheit hassen“ würde. Mir war damals nicht bewusst, dass das wohl Mobbing war. Jedenfalls war ich nach drei Monaten wieder draußen, dann allerdings auch schon wieder im nächsten Job. Dieses Mal freiberuflich - 10 Stunden am Tag, 1000 Euro brutto, obendrauf kamen Spritkosten. Zu dieser Zeit fing ich langsam an mehr zu spielen, allerdings steigerte es sich immer mehr mit den Jahren in dem ich im Beruf erfolglos blieb. Kein Geld, plötzlich sollten Studienkredite zurückgezahlt werden. Rückblickend betrachtet habe ich mich wohl selber zu sehr bemitleidet und im gleichen Moment zu viel von mir verlangt. Getreu dem Motto: Wenn sowieso nichts klappt, ist es auch egal, wenn ich beim Spielen alles gegen die Wand fahre. Das war ein wirklich bewusster Gedankengang. Allerdings waren mir die Folgen dessen noch nicht im Ansatz bewusst. Das Spielen nahm also immer mehr zu, während ich beruflich weiter versagte bzw. ausgenutzt wurde und immer dachte alles wird gut, bis am Ende auch diese Hoffnung erstmal dahin war. Dann gab ich mich ein halbes Jahr komplett auf. Ich glaubte einfach nicht mehr an mich und das es irgendwann mal besser wird.
Allerdings stabilisierte sich Anfang 2017 endlich mein beruflicher Werdegang. Das Spielen konnte ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr lassen. Unbewusst war es Teil von mir geworden und ganz oft spiele ich einfach aus Langeweile, weil ich sonst nichts mit mir anzufangen weiß. Was eigentlich abstrus ist, da ich viele Projekte nebenbei realisiere, aber sobald die weg sind, falle ich in ein Loch. Außerdem bemerke ich bei mir, dass ich mich mit dem Spielen oft belohnen möchte oder aber auch besänftigen: Der Tag war scheisse, hol dir wenigstens noch etwas Spaß. Aber auch das ist paradox: Ich empfinde nicht mal sonderliche Freude, selbst wenn ich gewinne.

Re: Tagebuch Willy
« Antwort #14 am: 31 Juli 2018, 20:05:17 »
Warst du Mal längere Phasen spielfrei?

 

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