Guten Morgen!
Vom kapitulieren halte ich übrigens auch nix.. kapitulieren wäre für mich einfach weiterzocken.
Nunja ... Das hängt damit zusammen, wie Du das Wort für Dich definierst.
Ich würde die Situation, die Du da beschreibst, eher als "sich aufgeben" oder "sich verlieren" benennen.
Im Grunde ist die Suchtausübung ein Kampf an vielen verschiedenen Fronten.
Es ist der Kampf um Geld, um Zeit - hey, jetzt kommt wieder das böse Wort - mit seinen Defiziten.
Auch dieser Begriff braucht seine eigene Definition, sonst wird hier die nächste Schlacht vorbereitet.
So kann ich den Begriff rein negativ betrachten und ihn ablehnen, weil er mich vor mir selbst schwach erscheinen lässt.
Gerade die Männer
in der gesellschaftlichen Rolle des "starken Geschlechtes" haben damit oft ein großes Problem.
Doch Defizite sind für mich an einem Menschen grundsätzlich erst einmal normal.
Es gibt keine perfekten Menschen - jeder hat irgendwo ne "Macke", eine Schwäche - bis hin zu einer diagnostizierbaren Krankheit.
Die Spannbreite ist da ungemein breit.
Ich muss also nicht fehlerfrei sein - ich darf Fehler haben!
Wenn ich mir eingestehen kann, dass ich Defizite habe und sie akzeptiere, dann ist das schon ein kleiner Schritt der "Kapitulation", so wie ich das Wort besetzt habe.
Sie sind einfach da ... nichts weiter ... eine Feststellung.
Viele Defizite lassen sich abstellen. Sei es etwas, was ich nie gelernt habe in meinem Leben - oder der Umgang mit einer Krankheit lässt sich verbessern.
Hieraus kann ich Hoffnung schöpfen und Motivation aktiv zu werden aufbauen. Aktiv werden heisst lernen. Offen sein für Neues - ins kalte Wasser springen.
Wie oft habe ich mir damals gesagt: Nie wieder! - und am nächsten Tag saß ich wieder irgendwo in einer Halle.
Dabei kamen die Worte in meinem Geiste mit solche einer Vehemenz - mit einer Energie. Es war ein Aufbäumen.
Ich habe schon recht schnell damals erkannt, dass mir das Spielen schadete. Doch nie im vollen Umfang.
Als das nämlich geschah, da stand auch meine Abstinenzentscheidung fest.
Dazwischen lagen viele Jahre, in denen ich mit mir selbst kämpfte. Vernunft - ungewollte Defizite - sich dem Spiel hingeben - immer nur für eine Weile - und doch in Summe ein Dauerzustand.
Kapitulieren heisst nicht "verlieren".
Da ist etwas in mir, was stärker ist als jeder Wille (deshalb reicht der Wille alleine nicht aus um spielfrei zu bleiben).
Da ist etwas, dass stärker ist, als jede Vernunft.
Und da ist die Angst was passiert, wenn ich das Spielen sein lasse.
Wie fühle ich mich dann, wenn bereits nach kurzer Zeit der Suchtdruck mich quält?
Steigt er dann noch mehr an?
Tu mir nicht weh! - heisst dann die Devise.
Da belasse ich lieber alles beim Alten und denke mir:
Alles wird gut!Doch das wird es nicht - wie auch?
Ich bin Schieler, auch wenn es man mir heute nach einer Augen-OP in der Kindheit nicht mehr ansieht.
Vor der OP bekam ich mal auf das rechte, dann auf das linke Auge ein Pflaster geklebt.
Die Augen sollten sich so einzeln an eine Geradeaussicht anpassen.
Alle paar Tage musste das alte Pflaster also runter und ein neues aufgeklebt werden.
Die Dinger von vor über 45 Jahren klebten wie Hulle - nicht zu vergleichen mit den Heutigen.
Das tat verdammt weh ...
Jetzt bestand die Möglichkeit das Pflaster drauf kleben zu lassen, bis es sich "herauswächst".
Dann konnte man es gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz langsam abziehen in der Hoffnung, dass weniger Schmerz auf lange Sicht besser auszuhalten ist.
Oder man riss es eben mit einem Ruck herunter - mit einem kurzen, aber dafür heftigeren Schmerz.
Wie würdet Ihr Euch entschieden haben?
Die erste Möglichkeit funktioniert nicht wirklich, denn wenn sich das Pflaster einmal anfängt zu lösen, dann kommt man automatisch immer wieder dran an die offenen Klebestellen und zerrt damit an dem Rest. Angenehm ist anders ...
Auch die zweite Option ist keine gute Wahl - es ist wie die Erste eine Qual.
Also nahm ich die dritte Option - mit verdammt viel Schiss ...
Es war eine Form der Kapitulation.
Auch wenn es anfänglich schmerzte, so musste es doch herunter.
Genauso ist es auch beim Spielen.
Dabei muss der heftige Schmerz ja gar nicht so dolle ausfallen.
Aber in irgend einer Form wird er sich melden.
Und er wird schwächer werden.
Habe ich mich jetzt verloren? Habe ich etwa versagt?
Kapitulation ist das Aufgeben des Kampfes gegen sich selbst.
Sie ist eine innere Einstellung, die mit Taten zum eigenen Wohl verbunden ist.
Da ist weiterspielen - sich der Sucht ergeben - Lichtjahre von entfernt ...