Heute Morgen beim Stütztrümpfe - anziehen habe ich "Alpenpanorama" im Fernsehen gesehen.
Das Nebelhorn erschien, klar und über einem der 400 Gipel ging die Sonne auf. Ich sah still zu, dann brüllte ich kurz auf, vor Sehnsucht und vor Schmerz und begann meinen Kaffee zu kochen und mich in den Tag zu fügen.
Gestern habe ich am Rechner gebrüllt, eigentlich hab' ich nur rumgedaddelt - und nix konstruktives fiel mir ein. So gegen 19:00 Uhr kam Hoffnung auf, das Handy könnte klingeln - und ein armer Teufel mag sich von der Spielsucht bekehren lassen. (Johannes der Täufer soll auch ein wilder Geselle gewesen sein).
Freitag Abend früher:
Mit den Fußball - Kumpels in die Eckkneipe gegangen, oft der Mutter dazu einen Schein auf der Tasche gezogen, Saufen bis zum Filmriss;
Von der Arbeit aus, auch mal mit dem Taxi zum Rotlichtviertel, ran an die Spielautomaten, sieben Minuten vor Abfahrt des letzten Zugs , dem Lumpensammler aus der Halle, hinten im letzten Waggon gesessen, total erschöft, zerstört;
im Sexkino gesessen, bis die Augen brannten von den Bildern und dem Zigarettenqualm, der Körper in Schweiß gehüllt...
Ich bin Heute frei vom übermässigen Alkoholkonsum (nur in Gesellschaft ein Glas Wein zu Tisch);
ich bin Heute frei vom selbstzerstörerischen Glücksspiel;
ich bin Heute frei von Nikotin und vom Rauchen.
Am Ende Süchte wird noch der Kaffee bleiben.
Aus Frust über Mangel an Kommunikation begab ich mich auf mein Bett, Beine hochlegen, entspannen. Dabei genoß ich Beethovens 2. Klavierkonzert auf blue-ray.
Vor 10 Jahren habe ich in der Klinik erkannt, daß Beethovens Musik ein Werkzeug der Genesung ist, für mich! Es ist meine Welt, meine Leidenschaft, in die ich hineinfließe und mich wohl fühle.
Nach dieser Entspannung wieder an den Rechner, wieder Warten auf die Trostlosigkeit, den Anruf meiner Schwester im Ohr: "man müsste sehen, ob die Mutter sich im Pflegeheim wohl fühlt, sonst würde sie im andern Heim intervenieren. Aber sie kann erst Donnerstag zur Mutter fahren....
Ich war Vorgestern bei der Mutter. Sie ist gut angekommen und bekommt endlich die Pflegen (an den Beinen) die sie selber nicht mehr vornehmen kann. Gottlob wurde ihr nicht das wunde Bein abgenommen. Das Gespräch mit der Heimleiterin verlief konstruktiv. Die Freundinnen meiner Mutter richten die Stube nach Wunsch meiner Mutter ein, ich kümmere mich um die Bürokratie. Jetzt auch noch ein Seniorenhandy kaufen, weil Schwesterchen Vaters verlegt hat und ab ins Heim, draußen am Deister. Nun gut, wenn die lieben Anverwandten es besser wissen, dann mach' ich das eben. Das blöde ist nur, die Geschichte geht schon seit 50 Jahren so. Wenn ich dann irgendwann einmal den lauten mache, kommt Panik auf, Verzweiflung, Übergriff.
Ich kenne das Phänomen aus der Spieler - SHG. Andreas, du bist der Beste, aber wir das so und so, fertig. Das ist genau der Punkt, im Kern daran zu arbeiten, sich es aus der familiären Distanz zu betrachten, im eigenen Freundeskreis und ohne Dickschädel daran zu wachsen.
Ich mag gar nicht daran denken, was der Therapeut mir am Dienstag trichterte; das sitzt schwer im Nacken. Ich kann es nur tragen, wenn ich mich in meiner Stärke aufrichte und meinen Weg gehe.
So holte ich mein Fahrrad aus dem Keller, radelte über Eisbuckel und durch Dunkelheit zum Supermarkt und erledigte einen nötigen Einkauf. Daß ich in der Warteschlange an der Kasse nicht den Zappelphillip machte, verdankte ich dem Umstand, daß einer werdenden Mutter neben mir eine Geldmünze zu Boden fiel. Auf meinen Gehstock gestützt angelte ich diese hoch und überreichte sie ihr. Ein Lächeln, ein Danke und alles wird gut. Mit beladenem Fahrradkorb fuhr ich meine Straße heim. Die (Erwachsenen)Videothek lag auf der anderen Straßenseite, die Spielstätten auch. Sollen die Gespenster sich austoben wo sie wollen. Ich kann aufrecht nach vorne blicken.
Heute Morgen klingelte mein Telefon. Da war jemand an der Leitung , der alles in sich reinfrißt. Auch dafür gibt es Meetings. Beispielsweise in einer Woche im Gemeindehaus meiner Kirchengemeinde. Nächsten Freitag hole ich mir den Schlüssel bei der Gemeindesekretärin ab. Jemand, der auf mich zukommt, jemanden den ich als Gast willkommen heißen mag, das rührt mich an. So wie im Winter 2008/2009 bei den Taize - Liedern in der Gruppe , oben auf dem Nebelhorn.