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Hilfe für meine Mutter

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Hilfe für meine Mutter
« am: 05 September 2013, 15:06:34 »
Hallo,
ich bin neu hier und weiß nicht, ob ich hier auch richtig bin, da ich selber nicht zu den direkt betroffenen zähle.
Allerdings weiß ich nicht mehr weiter und ich hoffe, es kann mir jemand Tipps für den richtigen Umgang geben.
Meine Mutter ist stark spielsüchtig. Sie weiß das auch und spricht mit mir darüber( Schuldenhöhe, Tilgungspläne, die auch teilweise eingehalten werden) - da sind wir mittlerweile schon ein ganzes Stück weiter.
Allerdings habe ich das Gefühl, dass sie es zwar 'offiziell' weiß, allerdings sich im tiefsten Innern nicht ganz darüber im klaren ist. Sie denkt immer noch, dass sie finanzielle Verluste wieder 'reinspielen' kann. Dazu kommen teilweise gut ausgeklügelte merkwürdige Geschichten über finanzielle Engpässe ( verbunden mit der Bitte um Geld), sowie über ihre Freizeitaktivitäten. Wir hatten immer ein sehr inniges Verhältnis und ich erkenne sie in diesen Momenten einfach nicht wieder. Mein Problem ist, dass ich einfach nicht mehr weiß wie ich damit umgehen soll....ich werde immer für sie da sein, wir finden da einen Weg raus und das es ok ist, dass es ihr zugestoßen ist( sie sagt immer, dass sie sich so schämt), ich kann es echt verstehen wie es dazu kam. Außerdem hat sie immer Phasen, wo sie ganz doll zusammenbricht unter der ganzen Last und dem gesamten Konstrukt, dass sie für Ihre Umwelt entworfen hat, danach ist sie für einen Moment wie früher...bis die Sucht wieder zu schlägt.  Sie sagt sie kann dabei endlich abschalten. Leider ist nach einem kleinen Hoch die Situation so, dass sie ihre Wohnung verliert. Sie ist ganz abgemagert und ich habe schreckliche Angst um sie. Sie erzählt immer, dass sie sich helfen lassen will und von Terminen bei Beratungseinrichtungen und Ärzten. Doch wenn ich konkret nachfrage oder mich schlau mache, merke ich dass es oft nicht wahr ist. Ich wohne leider 2 Stunden entfernt von Ihr. Wie kann ich Ihr helfen? Sie ist doch mein Mutter und hat immer alles für uns gegeben....
Vielen Dank vorab für Eure Hinweise

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Offline Ilona

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    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Re: Hilfe für meine Mutter
« Antwort #1 am: 05 September 2013, 18:05:40 »
Hallo kapuzin,

willkommen in unserem Forum. Klar bist du hier richtig. Hier lesen und schreiben auch viele Angehörige. Ich kann gut verstehen, dass du deiner Mutter helfen willst. Scheinbar bist du auch auf dem richtigen Weg. Du kannst mit ihr über das Problem reden, verurteilst sie nicht und hast Verständnis für ihre Schuld- und Schamgefühle.

Vielleicht besorgst du dir mal ein bisschen Infomaterial und guckst dir das mit deiner Mutter zusammen an. Oder du gibst es ihr zum Angucken. Es gibt z.B. tolle Interviews mit glücksspielsüchtigen Frauen aus einer stationären Einrichtung. Die findest du hier:

http://www.gluecksspielsucht-nrw.de/materialien.php?cmd=video01

Oder eine Broschüre. Frauen spielen anders, heißt die. Die kannst du kostenfrei hier bestellen:
http://www.gluecksspielsucht-nrw.de/materialien.php?cmd=kampagne

Liebe Grüße, Ilona

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Offline Olli

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Re: Hilfe für meine Mutter
« Antwort #2 am: 05 September 2013, 18:36:02 »
Hi Kapuzin!

Natürlich bist Du hier richtig!
Ich bin Olaf, süchtiger Spieler und seit ein paar Jahren abstinent.
Mir hilft der Austausch mit Angehörigen und Spielsüchtigen gleichermaßen.
Vermutlich wird es Dir ebenso ergehen.

Ja, auch ich habe in meiner über 20 jährigen Karriere ziemlich schnell erkannt, dass ich süchtig nach den Automaten bin.
Habe, wenn es mir finanziell schlecht ging, mir selbst versprochen, dass ich damit aufhören werde.
Doch getan habe ich nichts.
Mehrmals wurde mir finanziell unter die Arme gegriffen - aus heutiger Sicht ein absoluter Fehler.
Doch welcher Angehörige möchte seinen Spieler "im Stich" lassen?
Erinnerungen an das Gute in ihm kommen hoch - aber vor Allem die Liebe zu dieser Person.
Und so wird finanziell unterstützt - und damit leider aktiv die Sucht gefördert.
Die Raten kommen nicht wie versprochen und es werden beide Augen zugedrückt - und damit die Sucht unterstützt.
Mit jedem kleinen Kredit entzieht sich der Süchtige seiner Verantwortung.

Doch wie soll er da zu einem Umdenken bewegt werden?
Muss er nicht die Konsequenzen seines Handelns zunächst am eigenen Leibe spüren?

Stelle Deiner Mutter Deine Regeln/Grenzen vor und sage ihr, was Du Dir wünschst.
Ich finde es toll, dass sie mit Dir über sich spricht.
Doch bei Deinen Schilderungen sehe ich sehr wohl die unterbewusste Manipulation Deiner Person.

Deine Mutter kann so viel Hilfe für sich bekommen, wie sie bereit ist anzunehmen.
Doch dazu muss sie sich selbst bewegen - von nichts kommt nichts.

Momentan, so beschreibt man es, spielt sie mit sich selbst und auch mit Dir.

Wenn Du magst, erzähle doch noch etwas mehr - auch darüber, wie Du damit umgehst.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Hilfe für meine Mutter
« Antwort #3 am: 11 September 2013, 08:31:23 »
Hallo,
vielen Dank für die Antworten. Der Link war sehr interessant, da das was die Frauen dort berichten ähnliche Beweggründe sind, die auch meine Mutter veranlassen ins Casino zu gehen.
Ich war jetzt am Wochenende bei Ihr in der Wohnung, um letzte Erinnerungsstücke mit zunehmen, da die Wohnung endgültig wegen Mietschulden aufgelöst wird. Mein Bruder ( 24 Jahre) wohnt auch noch drin und hat sie rausgeworfen, wegen dem Nichtzahlen der Miete..Die beiden sind komplett verstritten und mir tut das alles so weh. Die beiden werden wohl kein Wort mehr mit einander sprechen. Er versteht nicht, dass sie eine Krankheit hat und macht in meinen Augen alles nur noch schlimmer.
Sie redet zum Teil mit mir über das Spielproblem, ich will sie auch nicht drängen, da ich Angst habe, dass sie dann ganz dicht macht. Zwischen mir und meine Mutter hat früher kein Blatt gepasst ( hieß es immer von Aussenstehenden)Und dann hatten wir letztes Jahr fast gar keinen Kontakt, ich dachte es würde sie wachrütteln, aber das Gegenteil war der Fall.
Es ist so schwer mit zu sehen zu müssen, wie jemand den man so liebt und der sein Leben lang hart gearbeitet hat und alles für uns gegeben hat, sich jetzt so sehr alles verbaut.
Klar ist man über jeden Rückfall enttäuscht, aber viel schlimmer ist, dass sie da nicht raus kommt und man zu sehen muss. Ich habe sie erneut wegen einer Therapie angesprochen, aber sie meint, das hat sie schon probiert und das würde ihr nicht helfen. Sie meint, sie müsste Ihr Leben komplett umkrämpeln, sonst kommt sie da nicht raus.
Ich wünsche mir sehr, dass sie damit Recht hat.
Jedes Gespräch über das Thema ist für mich wie hantieren mit einem rohen Ei.
Ich wünsche mir meine alte Mama zurück. Wann hört das alles auf?
Viele Grüße

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Offline Olli

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Re: Hilfe für meine Mutter
« Antwort #4 am: 11 September 2013, 15:49:37 »
Hi meine Liebe!

Die Antwort, bei der DU einen gwissen Einfluss auf sie hast, lautet: Wenn Du aufhörst sie zu verhätscheln!

Zitat
Er versteht nicht, dass sie eine Krankheit hat und macht in meinen Augen alles nur noch schlimmer.

Ja wieso MUSS er das denn verstehen? Ist es seine Aufgabe, dies zu verstehen?
Besteht hier irgendeine Verpflichtung seinerseits?
Wieso macht ER alles schlimmer?
Wenn Deine Mutter spielt, dann hat sie sich dafür Entschieden!

Weisst Du, wieso ich damals spielen gegangen bin?
Was waren für mich damals die "Anlässe"?
Nun, da gab es Krach auf der Arbeit, zuhause, mit Freunden - ich stand unter Druck auf der Arbeit, zuhause, durch Freunde ...
Mal ging es mir schlecht - dann spielte ich aber auch, weil es mir anscheinend gut ging.
Ich spielte, weil ich "zufällig" an der Halle vorbei kam - ich spielte, weil die Ampel gerade rot geworden war - dann grün und dann wieder gelb - weil sich ein Marienkäfer auf meine Hand gesetzt hatte.

Ich spielte, weil ich eigentlich jederzeit nur spielen wollte!

Wenn jemand etwas "schlimmer macht" - dann ist es definitiv Deine Mutter - niemand sonst.

Zitat
Mein Bruder ( 24 Jahre) wohnt auch noch drin und hat sie rausgeworfen, wegen dem Nichtzahlen der Miete..
Und? War das falsch?
Er selbst sitzt nun bald auf der Straße.
Vielleicht hat er ihr seinen Mietanteil gegeben - und sie hat ihn betrogen, weil sie es verzockt hat.

Zitat
Sie redet zum Teil mit mir über das Spielproblem, ich will sie auch nicht drängen, da ich Angst habe, dass sie dann ganz dicht macht.

Gehe doch mal bitte ins Badezimmer - lasse kaltes Wasser laufen - und dann strecke Deinen Kopf unter den Strahl.  ;D
Deine Mutter hat kein Spielproblem - sie ist spielsüchtig!
Bitte bitte bitte - höre auf Deine Mutter in Schutz zu nehmen.
Du betüddelst sie und merkst nicht ...

Zitat
aber sie meint, das hat sie schon probiert und das würde ihr nicht helfen

... wie Du selbst manipuliert wirst.
Wieso hilft es denn nicht?
Ist die/der TherapeutIn zu schlecht? - Dann kann sie dies sagen und wechseln.
Sind die Termine zu weit auseinander? - Dann kann sie um mehr bitten.
...
Es gibt bestimmt noch etliche solcher Fragen, die sie ganz alleine durch Aktivität ändern kann.

Aber das will sie gar nicht.
Sie müsste Ihr Leben umkrempeln - und? Macht sie es? - Nö!

Vielleicht kannst Du dies Deinem Bruder auch in die Schuhe schieben?

Meine Liebe - er wird seine eigenen Beweggründe haben, ihre Sucht nicht als Krankheit sehen zu wollen.
Vielleicht hat er selber eine riesige Angst vor diesem gewaltigen Unbekannten.
Aber er grenzt sich vollkommen richtig vom Suchtverhalten seiner Mutter ab.

Wenn Du ihr wirklich helfen willst, dann verlangt dies neben Deiner Liebe auch Willenstärke von Dir.

Wenn sie Dir vorjammert, wieviel sie doch wieder verspielt hat, dann unterbreche sie.
Grenze Dich ab, indem Du ihr sagst, dass Du dies nicht hören willst.
Sie kann mit Dir über Gott und die Welt reden - auch über ihre Sucht - jedoch erst, wenn sie sich auf den Weg der Genesung gemacht hat.
Du wirst immer ein offenes Ohr haben - jedoch nicht, um ihr in ihrem Selbstmitleid eine Bestätigung zur Suchtausübung zu geben.
Das hilft ihr nicht - und bringt Dich über kurz oder lang an den Rand der Coabhängigkeit - oder darüber hinaus.

Ja, sie ist Deine Mutter. Sie war liebenswert und aufopferungsvoll.

Aber diese Zeiten sind nicht wirklich vorbei. Trotz ihrer suchtbedingten Wesensveränderung steckt genau dies garantiert noch in ihr.
Es wird wieder herauskommen, wenn sie sich aus ihrem Stillstand endlich löst und an aich mit Hilfe arbeitet.

Dieser ach so kurze Moment des sich in Bewegung setzens ist für uns Spieler so unsagbar schwer.
Alles erscheint gewaltig - unüberwindbar - hoffnungslos.
Und so sträuben wir uns mit Händen und Füßen.
Es ist so viel einfacher nichts zu verändern.
Es ist viel entspannter die eigenen Probleme und Sorgen im Spiel zu ertränken.

Für diesen ersten Schritt kannst Du ihr Mut machen - kannst ihr Hoffnung spenden.
Aber lasse Dich bitte nicht von ihr zur Marionette machen.

Ich sende Dir ein wenig Mut zur Veränderung.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Ilona

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Re: Hilfe für meine Mutter
« Antwort #5 am: 12 September 2013, 10:41:43 »
Hallo Kapuzin,

guck dir doch noch mal das Interview mit Frau Dr. Vogelgesang an und achtenbesonders auf das, was sie zum Schluss über die Angehörigen sagt: http://www.gluecksspielsucht-nrw.de/materialien.php?cmd=video02

LG Ilona


 

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