Unterstützen Sie unsere Arbeit Jetzt spenden!
Hallo Gast
Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
» Mittwochsgruppe    |    » Samstagsgruppe
     

Verbandsklage gegen Spielsperrverträge

  • 6 Antworten
  • 9823 Aufrufe
*

Offline Ilona

  • *****
  • 3.863
    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Verbandsklage gegen Spielsperrverträge
« am: 12 Oktober 2006, 18:16:40 »
Herford, den 13. 10. 2006

Presseerklärung:

Casinogesellschaft trickst Glücksspielsüchtige aus. Fachverband reicht Klage ein


Der Fachverband Glücksspielsucht e.V., ein bundesweit tätiger Verband, dem Wissenschaftler, Ärzte, Juristen, Psychotherapeuten und als juristische Mitglieder auch Beratungsstellen, Rehabilitationseinrichtungen und Selbsthilfegruppen angehören, hat beim Landgericht Münster eine Klage nach dem Unterlassungsklagengesetz gegen die Westdeutsche Spielbankgesellschaft ein-gereicht und den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.
Das LG Münster hat den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 13. 10. 06 um 13.30 Uhr terminiert (Raum 109).

Die Klage richtet sich gegen einige Klauseln der neuen Spielsperrverträge und dagegen, dass so genannten Altfällen (Spieler, die schon länger wirksam gesperrt sind) die Vereinbarungen zur Eigensperre gekündigt werden.

Die Verträge sind aus suchtpräventiver und suchtpolitischer Sicht mehr als skandalös. Sie dienen einzig und allein dem Zweck, die Spielbanken vor Schadensersatzansprüchen zu schützen. Die Spielbank spricht sich von sämtlichen Kontrollpflichten frei und wälzt alle Verpflichtungen auf den schwächeren Vertragspartner –den süchtigen Glückspieler – ab. Das passt weder zum BGH Urteil vom Dezember letzten Jahres noch zur gegenwärtigen Diskussi-on um den Erhalt des Glücksspielmonopols.


Hier noch einmal zur Erinnerung die Leitsätze des BGH Urteils:
 
Eine wunschgemäß erteilte Spielsperre kann Ansprüche auf Ersatz von Spielverlusten begründen, wenn die Spielbank die Sperre nicht durch ausreichende Kontrollen durchsetzt.
b) Eine Spielbank kann bei einer antragsgemäß - im Gegensatz zu ei-ner einseitig - verhängten Spielsperre Schutzpflichten haben, die auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet sind (Abweichung von BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 - XI ZR 6/95 = BGHZ 131, 136).
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 65/05 - LG Münster / AG Münster
 
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2005&Sort=3&nr=34880&pos=17&anz=2821
 
Im Urteil wird weiter ausgeführt, dass die Spielbank im Rahmen des zumutbaren und Möglichen den Abschluss von Spielsperrverträgen mit gesperrten Spielern verhindern muss. Hieraus gibt es aus unserer Sicht nur eine einzig mögliche logische Konsequenz: Die Einführung der Ausweispflicht im Kleinen Spiel der Casinos. Die Innenminister der Bundesländer scheinen diese Ansicht zu teilen. Im Entwurf des neuen Lotteriestaatsvertrags ist eine Ausweiskontrollpflicht auch für die Automatensäle der Casinos vorgesehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im März diesen Jahres eindeutig festgelegt, dass das Glücksspielmonopol des Staates nur dann gerechtfertigt ist, wenn es sich strikt an dem Leitgedanken der Bekämpfung der Glücksspielsucht orientiert. Diesen Grundsatz scheinen die Spielbanken bisher nicht verinnerlicht zu haben, ansonsten wären die Spielsperrverträge anders gestaltet worden.

Im Vergleich zu einer Casinogesellschaft sind Menschen, die aufgrund einer Glücksspielsucht eine Sperre beantragen, zweifelsfrei der schwächere Vertragspartner. Es kann nicht hingenommen werden, dass diese Menschen, die sich aufgrund ihrer Glücksspielsucht mit all den damit verbundenen Proble-men in einer sehr schwierigen Lebenssituation befinden, hinsichtlich ihrer Rechte getäuscht werden. Sie sind jedenfalls bei Abschluss des Spielsperrvertrages nicht in der Lage, ihre Rechte adäquat durchzusetzen.



Rückfragen an:

Ilona Füchtenschnieder                       
(Vorsitzende)

Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Auf der Freiheit 25
32052 Herford
fon: 05221 / 5998-50
fax: 05221 / 5998-75
spielsucht@t-online.de
www.gluecksspielsucht.de
« Letzte Änderung: 12 Oktober 2006, 18:18:18 von Ilona »

*

Offline Mike

  • ****
  • 193
  • Es ist nie zu spät.
Re: Verbandsklage gegen Spielsperrverträge
« Antwort #1 am: 12 Oktober 2006, 21:46:24 »
Hi Ilona,

da drück ich mal ganz fest die Daumen. Diese Verhaltensweise der Spielbanken zeigt doch eindeutig wie "ernst" der Spielerschutz genommen wird. Aber auch eine erfolgreiche Klage wird erst einmal nicht viel ändern. Erst wenn eine Spielbank dazu verurteilt wird Bargeld zurück zu zahlen, werden die Betreiber etwas ändern um SICH SELBST zu schützen.

Den Spielbanken ist sehr wohl bewußt, dass viele gesperrte Spieler so lange weiter spielen werden, bis sie wirksam-Ausweiskontrolle-vom Spiel ausgeschlossen werden. Eine Kontrolle ausschließlich beim Tele-Cash-Verfahren ermöglicht immer noch das Spiel mit Bargeld. Diese Einnahmen werden mit Freude von der Spielbank entgegen genommen.

Auch nach dem BGH Urteil wurde vereinzelt Geld per Tele-Cash an GESPERRTE Spieler ausgezahlt. Dies sollte eigentlich zum sofortigen Lizenzentzug führen.

Jeder weitere Erfolg, so auch diese Klage, sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Viel Erfolg!

Gruß

Mike


*

Offline Ilona

  • *****
  • 3.863
    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Re: Verbandsklage gegen Spielsperrverträge
« Antwort #2 am: 24 Oktober 2006, 13:57:07 »
Hallo,

bin noch gar nicht dazu gekommen, vom Prozessverlauf zu berichten. Ihr habt in der Zeitung vielleicht gelesen, dass unser Antrag auf eine einsweilige Verfügung abgelehnt wurde. Das Gericht sah keine Gründe für ein Eilverfahren. Jetzt kommt es demnächst zum Hauptverfahren. Ich halte euch auf dem Laufenden.

viele Grüße, Ilona

*

Offline Ilona

  • *****
  • 3.863
    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Re: Verbandsklage gegen Spielsperrverträge
« Antwort #3 am: 24 Oktober 2006, 13:59:07 »
Hier noch ein  Artikel aus den Westfälischen Nachrichten vom 16. 10. 06 zum Prozess:

Punktsieg für Spielcasinos  
 
 Fachverband scheitert mit seiner Klage gegen neue Sperrverträge für Süchtige

-werd- Münster.
Der Fachverband Glücksspielsucht ist gestern vor dem Landgericht Münster mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Westdeutsche Spielbankgesellschaft gescheitert. Mit dem Verfahren wollte der Verband erreichen, dass spielsüchtige Menschen besser vor ihrer Sucht geschützt werden. Anlass der Verhandlung waren unter anderem einige Klauseln in Verträgen, die der Verband der Spielcasinos an spielsüchtige Besucher geschickt hatte. Mit diesen Verträgen können sich Menschen, die spielsüchtig sind, für den Besuch von Casinos sperren lassen.
Laut Verband Glücksspielsucht sind die Verträge aus "suchtpräventiver und suchtpolitischer Sicht mehr als skandalös". Sie dienten einzig und allein dem Zweck, die Spielbanken vor Schadensersatzansprüchen zu schützen.
Dem wollte die Richterin nicht folgen. Sie sah keinen besonderen Grund zur Eile und lehnte die Verfügung ab. "Das ist kein Fall für ein einzelnes Verfügungsverfahren", meinte sie. Es gehe um Interessen, die abgewogen werden müssten. "Das ist nicht die Sache einer einzelnen Richterin", meinte sie, und gab dem Verband gegen Glücksspielsucht einen Korb. Der zieht jetzt in die nächste Instanz. 
 

*

Offline Ilona

  • *****
  • 3.863
    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Re: Verbandsklage gegen Spielsperrverträge
« Antwort #4 am: 16 März 2010, 11:25:52 »
Gewonnen


Wir haben uns von diesem "Punktsieg" nicht beeirren lassen und haben unseren Weg weiter verfolgt. Das Hauptverfahren fand vor einer Kammer für Wettbewerbsrecht am LG Düsseldorf statt. Gestern ist das Urteil gekommen (AZ 12 O 199/09): Wir haben in vollem Umfang gewonnen! WestSpiel ist verurteilt worden in ihren „Informationen zur Spielersperre“ folgende Formulierungen zu unterlassen:

1.

„Der Glücksspielanbieter handelt dabei ausschließlich in einseitigem Vollzug seiner gesetzlichen Verpflichtung.“


2.

„Die durch den Antrag ausgelöste Verfügung der Spielersperre begründet keine vertragliche Beziehung zwischen Glücksspielanbieter und dem Antragsteller.“

Auszug aus der Begründung: "Die Sätze 2 und 3 der "Informationen" der Beklagten sind unwirksam, da sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§307 Abs. 1 Satz 1 BGB)."

Damit folgt das Gericht unserer Auffassung, dass der GlüStV nichts am Zustandekommen eines Spielsperrvertrages geändert hat. Die Glücksspielanbieter haben also nach wie vor die vom BGH konstatierten Kontrollpflichten. Kommen sie denen nicht nach, können gesperrte Spieler ihre Verluste weiterhin einklagen. Das war ein guter Tag für den Spielerschutz!!!!! Die Anbieter werden angesichts dieser Rechtslage wohl wieder gründlicher kontrollieren.

Viele Grüße

Ilona Füchtenschnieder
« Letzte Änderung: 16 März 2010, 11:31:23 von Ilona »

*

Offline Silke

  • ***
  • 65
Re: Verbandsklage gegen Spielsperrverträge
« Antwort #5 am: 17 März 2010, 10:21:31 »
Klasse! ;D

LieGrü Silke

*

Offline Mike

  • ****
  • 193
  • Es ist nie zu spät.
Re: Verbandsklage gegen Spielsperrverträge
« Antwort #6 am: 17 März 2010, 22:20:45 »
Super,

wo ein Wille, da "eine Kontrolle". Denke die Umsatzzahlen werden in den nächsten Jahren weiter sinken. Ob die Pressetante dann immer noch da ist? Das "große" Geld wird dann an anderer Stelle verdient. Ist Ihr aber auch vielleicht egal, oder? Liebe Grüße.


Mike

 

Wir danken dem AOK Bundesverband für die Finanzierung des technischen Updates dieses Forums