Hallo zusammen,
ich wäre über eure Einschätzung sehr dankbar!
Vor einigen Tagen hat mir mein Mann unter Tränen gestanden, dass er "großen Mist" gebaut habe.
Er hat eine große Summe unseres gemeinsamen Geldes an der Börse verloren. Er habe versucht, es wieder reinzuholen, was aber nicht geklappt habe.
Er hat mir erzählt, wie er vor einigen Monaten "die Kontrolle verloren" habe. Die Scham ist sehr groß.
Wir sind nicht finanziell ruiniert. Aber in mir weckt das Ängste, zumal mein Vater uns durch Sportwetten früher verschuldet hat.
Schon seit ich ihn kenne, handelt mein Mann mit Aktien. Allerdings in einem langfristig angelegten, sehr kontrolliertem Rahmen. Seine Entscheidungen fußten immer auf der Beobachtung des Marktes und der Politik. Stückchen für Stückchen hat er kleine Gewinne erzielt mit relativ wenig Risiko.
In der Corona-Zeit und durch den Krieg sah es dann schlechter aus mit den Aktien. Irgendwann ging es dann wieder in die richtige Richtung.
Da wir vorhaben ein Haus zu kaufen, habe ich ihn gebeten, bitte "die Sicherheitsnummer zu fahren" nicht mehr so viel zu investieren, so dass wir, sobald sich etwas findet,vwir auch schnell an das Geld kommen. Er stimmte zu.
Was dann in den letzten Monaten passierte, passt überhaupt nicht zu ihm und erschüttert mich umso mehr, weil ich das Gefühl habe, ihn nicht mehr zu kennen und nicht weiß, was ich ihm glauben kann.
Er hat begonnen, sehr große Summen zu investieren und das in eine einzige Aktie. Diese ging durch die Decke. Er aber war zu gierig (seine Worte) und hat nicht rechtzeitig verkauft. Als er verkaufte, war es dann ein Null-Geschäft. Der Verlust dieses fiktiven Gewinns hat ihn so getroffen, dass er das um jeden Preis wieder reinzuholen wollte. Er fing an mit dem Day-Traden. Das habe am Anfang auch gut funktioniert, er hatte ein System. Sagt er.
Dann verlor er seinen Job. Das war nicht sein Verschulden, die Firma ist insolvent gegangen. Das war, laut ihm, der Punkt, an dem er die Kontrolle verloren hat. Meiner Meinung nach war es aber schon früher, nämlich als er diese riesen Summen entgegen unserer Absprache setzte.
Er setzte nach der Kündigung alles auf die BVB Aktie und verkaufte nicht schnell genug, nachdem Dortmund verlor, so dass der Schaden groß war. Anstatt es mir zu erzählen, hat er weiter versucht, es wieder reinzuholen. Er wollte es wieder gutmachen. Absolut kopflos. 10 Wochen nach diesem echten Verlust hat er mir nun alles gebeichtet.
Er stimmt mir zu, dass er ein echtes Suchtverhalten gezeigt hat mit zugehörigem Kontrollverlust. Er weiß, dass mein Vertrauen erstmal weg ist. Er ist aber auch überzeugt, dass das nie wieder passieren wird. Er weiß, dass er alles riskiert, sollte er mich noch einmal anlügen. Er hat sein Depot geschlossen. Versprochen, nichts mehr mit Aktien zu machen. Eingewilligt, mit mir zur Suchtberatungsstelle zu gehen.
Dennoch gibt es da JETZT dieses Haus. Wir können es uns immer noch leisten, der Kredit wird nur größer ausfallen.
Die Frage ist, laufe ich sehenden Auges ins Unglück? Gibt es das, dass man einmalig dieses Suchtverhalten zeigt und durch Abstinenz auch nichts mehr passiert. Reicht der große Knall?
Er erscheint mir ziemlich reflektiert. Gleichzeitig weiß ich nicht, ob ich ihm noch trauen kann. Kann man auch nur "vorübergehend" süchtig sein? Er ist bereit, alles was nötig ist, zu tun. Das glaube ich ihm. Dennoch bin ich unsicher, ob wir die Chance mit dem Haus jetzt überhaupt nutzen können.
Ich würde mich sehr über eine Einschätzung von selbst Betroffenen freuen!
Liebe Grüße,
Biene