Ich als ehemaliger Spieler kenne ihn natürlich. Dabei habe ich festgestellt, dass er, in meiner individuellen Ausprägung, eigentlich seit dem Übergang vom Hobby zum problematischen Spielverhalten, immer existierte. Er äußerte sich als permanente gedankliche Beschäftigung mit der Suchtmittelbeschaffung und der Suchtausübung. Begleitet wurde er mit steter Nervosität und Anspannung. Und natürlich wurde das abgerundet mit einem unbändigen Verlangen den Suchtdruck zu stillen. Verlangen ist ein Erregungszustand, der auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist. Der Anreiz oder die Erwartung ist bereits im Vorfeld mit positiven Emotionen auf das eigentliche Ziel gerichtet. Zu meinen aktiven Zeiten war es also nicht verwunderlich, wenn ich Vorfreude auf das nächste Spiel verspürte.
Schon irgendwie komisch – die Phasen, wo ich nicht spielen konnte und Frustration sich breit machte, sind mir gar nicht so in Erinnerung geblieben. Dies liegt wohl daran, dass unser Gehirn viel lieber positive Erinnerungen speichert, als negative.
Während meiner Spielerzeit nahm ich also diese negativen Emotionen und Gedanken als Solche aber gar nicht wahr. Im Grunde waren sie die Frühform des Spielens. Sie gehörten zum gesamten Prozess einfach dazu. Abgerundet wurden sie ja durch die Suchtausübung und den überwiegend positiven Gefühlen dabei. Diese überlagerten schließlich die Negativen, worauf jene von mir verdrängt wurden.
Als ich noch spielte, wusste ich irgendwann natürlich auch, dass das Glückspiel mir schadete. Doch gerade die negativen Auswirkungen des Suchtdruckes, hinderten mich daran, das Spielen aufzugeben. Meine Angst war viel zu groß bei dem Gedanken: Was kommt nach dem Spielen? Wenn ich mir das Spielen wegnehme, dann wird ja die Ouvertüre, das Craving, zum permanenten Ohrwurm!?
Ich bezog damals ja auch meine Bestätigung aus dem Glückspiel und dem damit zusammenhängenden sozialen Umfeld. Was, wenn das nun wegbräche durch Abstinenz?
Auch belohnte ich mich mit dem Spielen z.B. nach arbeitsreichen Tagen. „Ich gönnte mir ja sonst nix!“ Was blieb mir also? Hörte sich das alles nicht trist an? Wie sollte ich damit umgehen? Sollte so mein künftiges Leben aussehen?
Ich hatte damals keine Idee, wie es weitergehen sollte. Was war da einfacher als dort zu verweilen, wo ich war? Das weiter zu leben, was ich bereits kannte?
Ich hatte Glück, dass sich bei mir der Suchtdruck „nur“ wie oben beschrieben geäußert hatte. Das, mein Eindruck, ist die häufigste Ausprägung bei Spielern. Es gibt jedoch auch Fälle, wo tatsächlich psychosomatische Beschwerden in verschiedensten Ausprägungen auftreten.
Da gab es Herzrasen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Panikattacken, übermäßige Erschöpfung und Müdigkeit, die mir just in den Sinn kommen.
Wie begegnen wir also am Besten dem Suchtdruck, wenn wir abstinent werden wollen?
Die Kurzantwort lautet: Lernen ihn auszuhalten! Das klingt im ersten Moment, als würde uns jemand, der keine Ahnung von Sucht hat, sagen, wir sollten „einfach“ aufhören mit Spielen um die Sucht zu stoppen.
So „einfach“ ist es bei Weitem nicht, und doch ist es möglich, wenn wir uns einiger kleiner Werkzeuge bedienen.
Zunächst sollten wir unsere negative Sichtweise auf den Suchtdruck ändern. Suchtdruck kommt schnell und unverhofft – er geht aber auch schnell und unverhofft wieder, wenn er nicht bedient wird. Die Momente der Not gehen IMMER vorbei.
Suchtdruck wird gefährlich, wenn wir uns erlauben, seinen Gedanken zu folgen. Dann steigert er sich immer mehr und das schon unbändige Verlangen steigert sich mehr und mehr.
Viele schämen sich ihrer Sucht und wollen auch am Liebsten nichts mit dem Suchtdruck zu tun haben.
Ob problematisch oder pathologisch – die Spielsucht gehört aber nun mal zu uns. Sie ist ein fester Bestandteil nicht nur in unserem Leben, sondern auch in unserer Persönlichkeit geworden. Es hilft mir also nicht, wenn ich diesen Teil in mir verleugne.
Oben sprach ich von einer anderen Sichtweise. Hier mache ich mir nun den Suchtdruck zu meinem „Freund“.
Wenn er sich meldet, dann lasse ich ihn reden und gebe ihm gleichzeitig kein neues Futter.
Ich brauche nicht mit ihm „kämpfen“. Im Gegenteil – ich belächele ihn – schaffe Abstand zwischen uns. Ja, ich kann mich sogar daran erinnern, dass ich ihn lauthals ausgelacht habe, als ich zu Fuß nach dem Darten nach Hause ging und er sich meldete, als ich an meiner einstigen Stammspielhalle vorbei ging. Schlagartig wurde er ruhig. Gott sei Dank war ich alleine, man hätte mich wohl für übergeschnappt gehalten.
Der Suchtdruck erinnert mich an mein Ziel – die Abstinenz. Er macht mir bewusst, dass ich dieses Ziel nicht aus den Augen lassen möchte. Ja, er zeigt mir auch auf, worauf ich stolz sein kann – nämlich auf meine Abstinenz.
Ein weiteres Mittel dem Suchtdruck zu begegnen sind die Skills. Es gibt hier unzählige Varianten und der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Es geht dabei darum eine körperliche Erfahrung zu machen, die stärker als der Suchtduck ist, um ihn überlagern zu können und der uns gleichzeitig aber auch nicht verletzt.
Also z.B. ein Gummiband am Handgelenk flitschen lassen. Treppen steigen, als würdet Ihr ein Workout machen wollen. Es gibt Gummibärchen mit Chilianteil darin, die man dann essen kann. Ein Biss in eine saure Zitrone. Knetbälle mit Spitzen daran in einer Hand zusammendrücken. Wasser trinken, bis ein starkes Sättigungsgefühl eintritt.
Es gibt bei der DHS z.B. eine Spielerkarte zum Download. Darauf kann ich mir vermerken, welche Ziele ich mit meiner Abstinenz verfolge. Hole ich sie raus, wenn ich Suchtdruck habe, mache ich mir diese Ziele wieder bewusst.
Anstelle der Karte kann es aber auch ein anderes Objekt sein, welches ich stark mit der Abstinenz assoziiere. Ein Zettel mit „Nein“ im Portemonnaie könnte da schon reichen. Ein Blick auf einen Kalender, an dem ich mir die spielfreien Tage markiert haben, kann mich motivieren weitere spielfreie Tage – weitere Erfolge im Sinne der „24 h“ erleben zu wollen.
Ganz wichtig aber sind Gespräche. Gespräche mit dem Lebenspartner, sofern er bereit ist uns hier zu unterstützen. Gespräche mit Freunden aus der SHG, die das Problem des Suchtdruckes ja von sich selbst kennen und ihre Erfahrungen teilen möchten.
Oftmals werden Telefonlisten in den SHGs geführt. Wenn jemand Suchtdruck hat, dann kann er jederzeit eine dieser Nummern anrufen und den Druck so ablassen.
Alle bisher genannten Maßnahmen haben den Zweck uns abzulenken und uns mit etwas Anderem zu beschäftigen, damit für den Suchtdruck kein Platz mehr ist.
Dies ist aber nicht gleichzusetzen mit der Verleugnung oder Verdrängung der Sucht.
Es geht nur darum den Moment des Suchtdruckes zu überwinden.
Im Anschluss sollte aber dann dieser Moment aufgearbeitet werden, damit wir nicht nur rational lernen was da in uns vorgeht, sondern auch bewusst lernen mit der Situation umzugehen. Dies sollte natürlich wieder in Gesprächen erfolgen.
Die Suchtdruckattacken werden im Laufe der Zeit immer weniger werden. Ich selbst habe jetzt seit etlichen Jahren keinen mehr verspürt.
Sollte der Suchdruck aber denn doch einmal nach einiger Zeit wieder auftauchen, dann ist es an der Zeit eine Inventur des Inneren vorzunehmen. Irgendetwas liegt nämlich dann im Argen. Streit mit der Freundin, Stress auf der Arbeit, Einsamkeit, Langeweile – was auch immer – sucht einen Weg kompensiert zu werden.