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Wie kann der Hausarzt helfen

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Offline Ilona

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Wie kann der Hausarzt helfen
« am: 06 Juni 2011, 12:09:00 »
Hallo ihr Lieben,

ich brauche mal eure Unterstützung: Ich bin auf einer Ärztetagung eingeladen und soll einen Workshop zum Thema: "Was kann der Hausarzt für Glücksspielsüchtige tun?" machen.

Könnt ihr mir bitte eure Erfahrungen mit euren Hausärzten berichten (was hat geholfen, was hat nicht geholfen, was würdet ihr Ärzten empfehlen, die Glücksspielsüchtige als Klienten haben etc.), damit ich diese Informationen weitergeben kann. Ich finde es toll, dass sich Ärzte auf dem Gebiet Glücksspielsucht weiterbilden und freue mich über eure Berichte. Diese Anfrage richtet sich natürlich auch an Angehörige von Glücksspielsüchtigen.

Vielen Dank und viele Grüße

Ilona

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Offline Silke

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Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #1 am: 06 Juni 2011, 13:55:36 »
Liebe Ilona,

da fühle auch ich mich angesprochen zu antworten, da ich in der Beratungsstelle immer wieder erleben muss, dass Ärzte z.B. oft wenig über die Krankheit wissen. Leider ist es auch so, dass z.B. keine Flyer und Adressen z.B. im Wartebereich ausliegen. Schon das wäre mitunter eine große Hilfe für Betroffene o. Angehörige. Und dann fände ich es überaus wichtig, dass Ärzte durchaus bei allen möglichen psychosomatischen Beschwerden (z.B. Magenprobleme, Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen usw) mal konkret nachfragen sollten, ob es Probleme mit Glücksspielen gibt. Meine Klienten berichten mir all zu oft, dass sie manchmal über einen langen Zeitraum in Bezug auf alle möglichen Krankheiten behandelt werden, oder z.B. wegen Depressionen lange Zeit krank geschrieben werden und die Spielproblematik niemals angesprochen wird. Ich glaube, da ist noch ein großer Info-Bedarf!!!
Liebe Grüße
Silke

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Offline Claus

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Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #2 am: 06 Juni 2011, 14:39:06 »
Hallo Ilona,
bei mir hatte der Hausarzt/Internist die "Managerkrankheit" aufgrund Erschöpfungszuständes  diagnostiziert, er fragte mich nach den Gründen und ich habe das erste Mal zugegeben bis zur Erschöpfung zu spielen.
Ich bekam von ihm den Rat: "hören sie einfach auf damit" und ich gab zu das nicht zu schaffen.
Er überwies mich an einen Psychotherapeuten nach einer vorherigen psychiatrischen Untersuchung.

DAFÜR DANKE ICH MEINM ARZT (er ist mittlerweile verstorben) NOCH HEUTE
von ganzem Herzen
gute 24 Stunden

"Wer kein Ziel hat,
dem stehen alle Wege offen!

Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #3 am: 07 Juni 2011, 12:49:11 »
Hallo zusammen,

erst mal denke ich, ist der wichtigste Schritt der, die Spielsucht vor dem Arzt zuzugeben. Und das ist offensichtlich der Knackpunkt! Dazu könnte der Arzt Mut machen, indem er entsprechende Flyer (wie schon Silke erwähnte)über Sucht und Glücksspielsucht in seinem Wartezimmer auslegt. Somit wird dem Patienten suggeriert, daß Spielsucht zumindest in seiner Praxis ein ernstzunehmendes Thema ist. Es ist sicherlich immer schwer eine Krankheit zu akzeptieren und zuzugeben, der so viel negatives anhaftet wie einer Sucht (man hat sich nicht im Griff, man ist ein Versager, man kann nicht nein sagen....)Hinter der Spielsucht steckt ja eine ganze Menge - nicht jeder hat das "Potenzial" spielsüchtig zu werden und die Frage für den Arzt ist wahrscheinlich auch erst mal "warum ist es soweit gekommen?". Das ist dann aber der nächste Schritt. Das Outing ist wohl das schwerste und dafür muß die Gesellschaft fit gemacht werden - mehr Transparenz und raus aus der Tabu-Ecke!Mein Exmann hat seine Sucht lange als Burnout getarnt, keiner hat´s gemerkt. Er wurde dementsprechend behandelt - brachte aber natürlich nicht den gewünschten Erfolg. Erst nach der Kapitulation vor der Krankheit und dem Geständnis konnte ihm geholfen werden. Doch dieser Schritt bis dahin hat fast 20 Jahre gedauert!!  Schamgefühle, Angst - für die er einen hohen Preis zahlte. Die Angst muß dem Patienten genommen werden, der Hausarzt ist die erste Anlaufstelle. Hat er Ahnung von Spielsucht, wird er die nötigen Schritte tun (Überweisung an entsprechende Ärzte) Spielsucht ist eine Erkrankung der Seele und genauso behandlungsbedürftig wie andere Krankheiten auch! Das wissen die wenigsten "Normalen". Letztendlich ist nicht nur der Patient erkrankt, sondern oft sein ganzes Umfeld. Da ist dringender Handlungsbedarf, Ärzte besser zu schulen!LG - K.

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Offline Olli

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Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #4 am: 07 Juni 2011, 15:01:24 »
Hi!

Ich hatte gestern schon mal einen versuch gestartet hier zu posten, hatte ihn aber verworfen, da ich selber mit meinem Hausarzt keine Erfahrung in diese Richtung gemacht habe.
Ich kann also nur "aus dem Bauch heraus" meine Meinung äußern ...

Vor vielen vielen Jahren hat meine Mom Bandscheibenvorfälle bekommen.
Sie ließ sich auf verschiedenste Weise behandeln, doch ihre extremen Schmerzen wurden nicht weniger.
Dann wurde sie operiert - wie sich letztlich herausstellte an der falschen Bandscheibe - die darüber, um welche es eigentlich ging - ist nun zu vernarbt, als dass sie noch operiert werden könnte.

Nun, irgendwann in dieser Zeit war meine Mom also mal wieder bei Ihrer Hausärztin und sprach meine Spielsucht an.
Ich kann nicht sagen, was sie meiner Mom alles gesagt hatte - was bei mir ankam - wortwörtlich: Olaf, Du bist Schuld an meinen extremen Schmerzen ...

Da dies tatsächlich alles war, unterstelle ich der Ärztin einfach mal Unkenntnis über das Thema Spielsucht.

Ja, als eine der ersten Anlaufstellen werden tatsächlich häufig Hausärzte genutzt.
Von daher sollte durchaus ein Basiswissen gefördert werden.

Doch genauso, wie ich wegen meinem entzündeten Schleimbeutel am Ellenbogen im letzten Jahr zum Orthopäden überwiesen wurde, so sollte das Basiswissen reichen, Überweisungen an Therapeuten und Psychologen auszustellen oder andere Kontaktadressen auszugeben.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #5 am: 08 Juni 2011, 08:54:37 »
Hallo zusammen,

also zunächst einmal ist der arzt darauf angewiesen, dass der patient offen zu ihm ist. ansonsten sind fehldiagnosen vorprogrammiert ;) einem spielsüchtigen sieht man ja nun eher selten seine erkrankung an. bei einem alkoholiker oder junkie ist dies von einem aussenstehenden schon leichter wahrzunehmen.
ich denke, dass in der mehrheit vor allem hausärzte einen intimen kontakt zu ihren patienten pflegen (sollten), und da gilt es vor allem auf veränderungen im verhalten des patienten zu achten. es sollte u.a. auch die aufgabe der hausärzte sein, ihren patienten das gefühl zu geben, sich ihnen vorbehaltlos öffnen zu können.
mit der entsprechenden auslage von den bereits erwähnten flyern und adressen gibt man als arzt dem patienten auch das gefühl, dass einem dieses thema nicht fremd ist. es sollte dem arzt aber dann auch tatsächlich nicht fremd sein, und deshalb sind entsprechende fortbildungen ratsam (pflicht).
ein weiterer vorschlag von mir wäre, dass man in den praxen evtl. selbsttests auslegt, welche der patient dann unauffällig ausfüllt, oder heimlich mit nach hause nimmt - vielleicht aber auch ganz offensiv den test in die hand nimmt und beginnt ihn zu bearbeiten und anschließend über das ergebnis mit seinem/r arzt/ärztin spricht  ;)


gruß
marcel

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Offline Ilona

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Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #6 am: 10 Juni 2011, 23:50:28 »
Hallo zusammen,

ich hole das Thema noch mal nach vorn. Ich brauche nämlich noch viel mehr Antworten ;-)

LG und tausend Dank schon mal für eure konstruktiven Beiträge

Ilona

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Offline Olli

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Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #7 am: 14 Juni 2011, 10:21:53 »
Hi Ilona!

Ich stelle Deine Frage mal in meinem Forum.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Ilona

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Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #8 am: 01 August 2011, 09:36:23 »
Hallo zusammen,

ich hole dieses Thema nochmal nach vorn, wir haben ja jetzt hier einige neue Schreiber(innen) und Leser(innen), die vielleicht was dazu sagen können.

Wie oben erwähnt: ich bin auf einer Ärztetagung eingeladen und soll einen Workshop zum Thema: "Was kann der Hausarzt für Glücksspielsüchtige tun?" machen.

Könnt ihr mir bitte eure Erfahrungen mit euren Hausärzten berichten
- was hat geholfen,
- was hat nicht geholfen,
- was würdet ihr Ärzten empfehlen, die Glücksspielsüchtige als Klienten haben etc.),
- hätten eure Hausärzte überhaupt eine Chance euch anzusprechen? Oder geht ihr gar nicht zum doc?
 
Fragen über Fragen. Ich freue mich über jede Antwort.

LG Ilona

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Offline andreasg

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Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #9 am: 07 August 2011, 23:35:14 »
Hallo Ilona,

ich bin damals (1989) bei einer Hausärztin in Behandlung gewesen, betraf Allgemeinmedizin. Als ich ihr erzählte, daß ich Spieler sei, reichte sie mir einen Katalog vom Sozialdienst der Volkswagenwerk AG. Dort wurde eine Berliner Nummer angegeben, über die ich Hilfe für Spielsüchtige erfragen konnte. Kurzer Zeit später hatte ich Kontakt zu den Anonymen Spielern (AS) und besuchte mein erstes Meeting am 31.08.1989 in Hannover.
Als ich im Juli 1990 konstant frei vom Glücksspiel wurde, kam meine depressive Erkrankungsform zum Vorschein. Bei einer Bagatellerkrankung saß ich im Spätsommer 1990 allein im Behandlungszimmer und erlitt dort einen Zusammenbruch. Sie schrieb eine Einweisung in eine Psychosomatische Klinik aus, für Menschen mit Ängsten und Depressiven Krankheitsbildern. Infolge des Therapieerfolgs verließ ich meinen bisherigen Wohnort und zog direkt nach Hannover. Mein jetziger Hausarzt (seit 1992) ist mit mir über meine Spielsucht im Gespräch, schreibt aber Überweisungen an einen behandelnden Psychiater aus.
Mein Behandlungsweg verlief positiv. Ich bin Heute frei vom selbstzerstörerischen Glücksspiel.
An die damalige Hausärztin denke ich in Dankbarkeit.
Schöne 24 Stunden
Andreas
« Letzte Änderung: 07 August 2011, 23:38:50 von andreasg »
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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Offline Ilona

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Re: Wie kann der Hausarzt helfen
« Antwort #10 am: 15 August 2011, 15:07:00 »
Lieber Andreas,

vielen Dank für diese eindrückliche Schulderung. Ich nehme deine Erfahrungen auf alle Fälle in den Vortrag auf. Über weitere Erfahrungsberichte freue ich mich.

LG Ilona

 

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