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Prozessbeobachtung

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Online Ilona

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Prozessbeobachtung
« am: 27 Februar 2006, 14:12:34 »
Hallo,

ich möchte kurz von dem Prozess berichten, den ich letzte Woche Donnerstag beobachtet habe. Es ging um eine Berufungsverhandlung vor dem OLG Hamm. Der Kläger hat die Westdeutsche Spielbankgesellschaft verklagt, weil sein Vater trotz bundesweiter Sperre im Automatenspiel  nachweislich rund 20.000 Euronen verspielt hat. Das Landgericht Münster hatte ihm schon Recht gegeben, die Spielbank ist in Berufung gegangen und das OLG Hamm hat nun wie erwartet die Berufung zurückgewiesen und angekündigt, dass keine Revision zum BGH zugelassen wird. Es ging in der mündlichen Verhandlung auch ausführlich um die Frage: Was ist zumutbar, um eine Sperre zu kontrollieren. die Richterin sagte, dass sie zu der Ansicht neige, dass auch eine Ausweiskontrolle im Kleinen Spiel zumutbar sei.
Es laufen noch eine ganze Reihe weiterer Prozesse, ich berichte dann an dieser Stelle davon.

viele Grüße, Ilona


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Offline Mike

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #1 am: 28 Februar 2006, 13:49:34 »
Hi Ilona,

super klasse. Endlich mal eine ganz klare Aussage von seiten des Gerichts. Alles andere wäre doch auch mehr als fragwürdig gewesen. Wieso sind im großen Spiel Ausweiskontrollen vorgeschrieben u. sollen gleichzeitig im kleinen Spiel nicht zumutbar sein.

Ist diese Urteil nun rechskräftig? Eine Revision beim BGH wurde doch abgelehnt, oder? Manche Betreiber "werben" ja jetzt mit Ihren neuen Einlaßkontrollen, "Gesichtserkennung". Nur, der gesperrte Spieler kann auch dann nur erkannt werden, wenn entsprechendes Bildmaterial vorliegt. Die Beteiber versuchen halt mit allen Mitteln die Ausweiskontrolle zu umgehen. Bin mal gespannt, ob es jetzt generelle Ausweiskontrollen geben wird.

Ist das "zumutbar". Es reicht doch schon, wenn die "überforderten" Betreiber bei einer GEWINNAUSZAHLUNG den Ausweis kontrollieren. Wenn dann auch noch ein gesperrter Spieler darunter ist, dann hat sich dieser Aufwand ja auch gelohnt u. ist sicher zumutbar.

Nur weiter so, so langsam geht den Betreiber wohl die "Luft" aus u. das ist auch gut so.

Liebe Grüsse

Mike

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Online Ilona

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #2 am: 28 Februar 2006, 15:40:59 »
Hi Mike,

es gibt noch nix Schriftliches. Das Gericht hat lediglich mitgeteilt, dass es die Berufung zurückweisen wird. Das Casino hätte noch die Möglichkeit gehabt, die Berufung zurück zu ziehen, das wollten sie aber nicht. Jetzt dauert es noch eine Weile bis die schriftliche Begründung kommt. Wie oben erwähnt hat die Richterin gesagt, dass die Kammer keine Revision beim BGH zulassen wird. Jetzt hat das Casino noch die Möglichkeit gegen diese Nichtzulassung Beschwerde einzulegen. Ob sie das tun werden, weiß ich nicht. Die Aussichten sind nicht wirklich rosig, schließlich hat der BGH ja gerade ein ziemlich eindeutiges Urteil gesprochen.

Zu den Kontrollen: Ich hoffe sehr, dass da bald was passiert. Und zwar was Effektives. Ausweiskontrollen wären effektiv und zudem einfach durchzuführen. Es scheint aber so, als ob sie auch mit großen finanziellen Einbußen verbunden sind. Anders kann ich mir den großen Widerstand nicht erklären. Aber auch das darf kein Argument gegen die Ausweiskontrollen sein. Vielmehr müssten diese Einbußen dann entsprechend kompensiert werden, z.B. durch niedrigere Abgaben. Das aber ist nicht unser Problem, das müssen die Spielbanken mit den Bundesländern verhandeln. Spielerschutzmaßnahmen gibt es halt nicht für umsonst.

Die Aussage der Richterin, dass sie sich auch vorstellen könne, Ausweiskontrollen seien zumutbar für die Casinos, hat übrigens nichts mit diesem konkreten Prozess zu tun. Da ging es um jemanden, der am EC-Cash Automaten an der Kasse des Automaten-Casinos abgehoben hat und da war das Gericht der Meinung, dass es zumutbar gewesen wäre, einen Abgleich mit der Sperrdatei zu machen.
Die weitergehende Aussage fiel nachher in der Diskussion mit dem Anwalt des Casinos, dem fiel es nämlich sehr schwer die Berufungszurückweisung zu akzeptieren und er fing mit dem Gericht eine Diskussion an.

LieGrü, Ilona
« Letzte Änderung: 28 Februar 2006, 17:56:29 von Ilona »

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Offline Mike

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #3 am: 28 Februar 2006, 16:39:44 »
Hi Ilona,

teile Deine Meinung bezgl. der Umsatzeinbußen. Die Argumente der Betreiber, "Ausweiskontrollen würden eine Abwanderswelle auslösen" widerspricht sich schon im Grundsatz. Im großen Spiel können u. müßen die Betreiber schon seit Jahren mit den Ausweiskontrollen leben. Ein nicht gesperrter Spieler läßt sich von einer Ausweiskontrolle ganz sicher nicht "abschrecken" u. somit entstehen den Betreiber von dieser Seite her auch keine Nachteile. Die gesperrten Spieler sind vor sich selbst zu schützen u. bringen dies durch eine Selbstsperre auch zum Ausdruck.

Die wirtschaftlichen Gesichtspunkte müssen hier ganz klar an zweiter Stelle stehen. Der Spielerschutz darf darunter nicht leiden. Warum machen die Betreiber so einen riesen Wirbel darum? Man möchte doch angeblich nicht an gesperrten Spielern verdienen. Die Darstellung, so könnte man gefährdete Spieler besser erkennen u. Ihnen gleichzeitig Hilfe anbieten, erzeugt bei mir nur ein müdes Lächeln.

Ein gesperrter Spieler muß erst garnicht von den Mitarbeitern der Spielbank erkannt werden. Er ist bereits durch seine Selbstsperre bekannt u. muß wirkungsvoll vom Spiel ausgeschlossen werden. Alles andere wäre zumindestens fahrlässig u. kommt dem öffentlichen Auftrag, den die Spielbanken ja haben in keinsterweise nach.

Liebe Grüsse

Mike


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Online Ilona

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #4 am: 28 Juni 2006, 09:36:28 »
Hallo,

habe gerade einen erfreulichen Brief geöffnet. Wir haben schon wieder einen Prozess gewonnen. Die Baden Württembergische Spielbankengesellschaft muss 1.000 Euronen an den Fachverband Glücksspielsucht zahlen. Ein gesperrter Glücksspielsüchtiger hatte uns diese Summe abgetreten. Er hatte sie im Automatensaal verspielen können, obwohl er gesperrt war. Amtsgericht Baden - Baden AZ. 7 C 554/05. Er selbst hat auch gewonnen beim LG Baden Baden, gegen dieses Urteil hat die Sopielbank nach meiner Kenntnis inzwischen Berufung eingelegt. Ganz schön mutig angesichts des klaren BGH Urteils! Apropos BGH Urteil: Man hätte ja meinen können, dass die Spielbanken die Konsequenz ziehen und die erforderlichen Kontrollen nun einrichten. Ist aber nicht so: Stattdessen wird der Spielerschutz verschlechtert, indem Sperren auf dem Verwaltungswege in Hausverbote umgewandelt werden. Diese Hausverbote werden dann noch nicht mal mehr an die anderen Casinos weitergegeben. Soviel zum Rechtsverständnis der Spielbanken. Ich hoffe sehr, dass die Aufsichtsbehörden diese Praxis rügen werden. Wir haben inzwischen einige Aufsichtsbehörden informiert, ich informiere euch über den weiteren Verlauf.

Ilona


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Offline Mike

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #5 am: 28 Juni 2006, 11:35:48 »
Hi Ilona,

dieses Urteil ist sehr zu begrüßen. Die "Machenschaften" der Spielbanken wird aber immer schlimmer. Einen Sperrantrag einfach in ein Hausverbot zu wandeln ist rechtlich bedenklich. Der Sperrantrag wird nicht mehr an alle Spielbanken weitergeleitet. Die Spielbankbetreiber übernehmen also keinerlei Verantwortung/Verpflichtung mehr. Das Hausverbot wird als einseitiger Vertrag ausgelegt, obwohl die Spielbanken zur Annahme von Sperren (beidseitiger Vertrag) verpflichtet sind.

Klartext: Der "gesperrte" Spieler darf/soll weiterspielen. Im Gewinnfall verweist man auf das Hausverbot u. verweigert die Auszahlung. Verlorene Beträge werden aber nicht zurückgezahlt, da der Spieler ja keinen Vertrag (Selbstsperre) mit der Spielbank vereinbart hat. Gleichzeitig müßte sich der Spieler in allen Spielbanken EINZELN sperren lassen. Was hat das mit Eindämmung der Spielsucht zu tun? Mich erinnert das eher an Mafia-Methoden. Der Spielerschutz wird nicht verbessert, sondern vorsetzlich verschlechtert!

Laut Bundesverfassungsgericht (Sportwetten) muß der Spielerschutz u. die Eindämmung der Spielsucht im Vordergrund. Damit begründen die einzelnen Bundesländer ja auch die Monopol-Stellung von Oddset. Der Spieler soll die Möglichkeit haben sich sperren zu lassen mit Hilfe einer SPERRDATEI. Oder muß sich der Spieler bei jeder Oddset-Annahmestelle (mehrere Tausende) einzeln sperren lassen? Hier ist man sich also einig. Es geht ja auch um viel viel Geld. Aber die Praxis der Spielbankbetreiber zeigt klar auf, wie genau es mit dem Spielerschutz genommen wird.

Soweit mir bekannt sind alle Spielbanken verpflichtet Sperren anzunehmen u. in der vorhandenen Sperrdatei zu vermerken. Alle Spielbanken haben Zugriff auf diese Sperrdatei. Ein Hausverbot wird dem nicht gerecht. Man kann nur hoffen, dass endlich richtig gehandelt wird. Sollten die Spielbanken Ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, so sollte die Zulassung entzogen werden. Selbst nach dem BGH-Urteil zeigen sich die Spielbankbetreiber bei "Altfällen" uneinsichtig u. suchen weiterhin den Weg vor Gericht.

Jetzt heißt es weiter am Ball bleiben, sonst werden süchtige Spieler weiterhin ausgenutzt. Das ist doch sicher nicht im Sinne der Finanzminister, Bundesländer u. der einzelnen Politiker, oder? Vor dem Gesetz sind doch alle gleich. Oder gilt das in Deutschland nicht mehr?

Gruß

Mike

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Offline Chris

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #6 am: 28 Juni 2006, 17:44:23 »
Tag,

mal ne Frage an Ilona und den Rechtsanwälten des Fachverbandes: Da Spielsucht ja als Krankheit anerkannt ist und wenn man den Prozeß gegen die Spielbanken gewinnt, könnte man dann nicht gleich auch Schmerzensgeld verlangen ?

Es soll den Betreibern schließlich weh tun !  ;D

Gruß

Chris
Ist wie immer, nur meine ganz private Meinung....

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Online Ilona

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #7 am: 03 Juli 2006, 12:00:28 »
Hi Chris,

von Schmerzensgeldprozessen habe ich noch nicht gehört. Interessant wäre allerdings folgender Fall: Gesperrter, süchtiger Spieler erleidet gravierende Folgeschäden (Arbeitsplatzverlust, Schulden etc.), weil er trotz Sperre spielen konnte. Ich könnte mir vorstellen, dass man in so einem Fall Schadensersatzansprüche geltend machen könnte. Vorausgesetzt natürlich, dass die Spielbank ihren Kontrollpflichten nicht nachgekommen wäre.

Aus unserer Sicht haben diese Prozesse eh nur den Sinn, die Spielbanken zu motivieren ihren Kontrollpflichten nachzukommen.

LieGrü, Ilona
« Letzte Änderung: 03 Juli 2006, 12:35:19 von Ilona »

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Offline Mike

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #8 am: 03 Juli 2006, 12:26:57 »
Hi,

sehr interessante Frage. Die Spielbanken sind ja verpflichtet, gerade beim Tele-Cash-Verfahren, die Vermögensverhältnisse der gesperrten Spieler zu schützen. Denke aber nicht nur an die finanziellen Folgen, sondern auch an die gesundheitlichen. Depressionen, Behandlungskosten u. Arbeitsunfähigkeit u.s.w......


Weiß aus eigener ERfahrung, dass die Spielbanken auch nicht kontrollieren, wenn keine Auszahlung mehr am Tele-Cash-Gerät möglich ist. Die Bank bekommt dann einen Hinweis, dass eine Auszahlung aufgrund fehlender Kontodeckung nicht mehr möglich ist. Meistens wird dann an die EC-Automaten "vor der Tür" verwiesen. Dort ist eine Auszahlung oft noch möglich, obwohl das Überziehungslimit längst erreicht ist.

Also keine Fürsorge, sondern Pflichtverletztung liegt in diesem konkreten Fall vor.

Gerade, wenn über einen längeren Zeitraum (Wochen, Monate o. Jahre) immer mal wieder dieser Fall eintritt. Einen Beweis dafür zu erbringen ist sicherlich auch möglich.

Meiner Meinung nach liegt dann ein klares Verschulden vor, dass rechtlich geahndet werden sollte.

Gruß

Mike


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Online Ilona

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #9 am: 05 Dezember 2006, 18:22:29 »
Hallo,

war gestern mal wieder bei Gericht. Das OLG Hamm hatte sich mit einer Berufung der Westdeutschen Spielbank gegen ein Urteil des LG Münster zu befassen. Die Berufung wurde zurück gewiesen. Der gesperrte spüieler bekommt 57.000 € von der Spielbank zurück. Interessant an diesem Fall: Nicht alle Euronen wurden im EC-Cash Verfahren in der Spielbank abgehoben. Der Spieler hatte einige Beträge auch in unmittelbarer Nähe des Casinos am Geldautomaten abgeholt. Hätte man  am Eingang zum automatensaal seinen Ausweis kontrolliert, wäre er entdeckt worden.
Das Gericht hat Revision zum BGH zugelassen.

Viele Grüße

Ilona

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Offline Mike

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #10 am: 06 Dezember 2006, 11:43:39 »
Hi Ilona,

das ist ja mal eine richtig gute Nachricht. Endlich ein Urteil das die Betreiber umfassend zur Verantwortung zieht. Nach einer Bestätigung durch den BGH wird man "eindrucksvoll" sehen wie schnell u. zumutbar eine Ausweiskontrolle durchgeführt werden kann. Für jede Videothek o. Fitnessclub ist eine Zugangskontrolle, Ausweiskontrolle, heute selbstverständlich.

Im "großen Spiel" funktioniert es ja auch seit Jahrzehnten!

Das in bereits einigen Casino vorhandene Biometrieverfahren(Gesichtserkennung) ist ein weiterer Versuch effektive Kontrollen zu umgehen. Ein bereits gesperrter Spieler, von dem nie ein Bild angefertig wurde, wird von dem System nicht erkannt.

Ein Spieler hat im Casino A eine bundesweite Sperre. Diese Casino verfügt aber über kein Biometrieverfahren. Wie soll dieser, gesperrte Spieler, in einem Casino mit Biometrieverfahren erkannt werden?

Das vorhandene Glücksspielmonopol wird mit allen Mitteln verteidigt u. gleichzeitig bereichert man sich weiter an den bereits gesperrten Spielern.

Das findet hoffentlich bald ein "lautes" Ende!

Liebe Grüsse

Mike

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Online Ilona

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Re: Prozessbeobachtung
« Antwort #11 am: 12 Januar 2007, 15:31:36 »
Hier ein interessanter Spiegel Artikel zu dem Urteil des OLG :

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,druck-457005,00.html

 

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