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Daytrading-Sucht / Börsenspekulation / Hebelprodukte - alles verspielt

  • 1 Antworten
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Liebe Leute,

ich bin sehr froh dieses Forum hier gefunden zu haben und vielen Dank für eure wertvollen Beiträge. In Richtung Glücksspielsucht finde ich sehr viel Hilfe und Beratung wenn es um Glücksspielautomaten, Online-Casino oder Sportwetten geht. Bei meinem Thema, dem problematischen Verhalten beim Daytrading, finde ich hingegen relativ wenig Materialien - eher im Gegenteil viel mehr Austauschgruppen zum Traden selbst.

Ich hatte schon immer eine Neigung für Situationen, in denene auch nur der Hauch einer Chance besteht (ganz gleich wie hoch diese ist) innerhalb kürzester Zeit an viel Geld zu kommen. Sei es mal ein Rubbellos, auch mal ein Lottoschein, Gewinnspiele etc. Das alles soweit im Rahmen und für mich problemlos.

Als ich 18 wurde, war zeitgleich die Hochphase des Onlinepokers bei Plattformen wie Räuber Hotzenplotz etc. Mir hat das sehr zugesagt, ich habe mich in die Strategien eingelesen, mich in Foren ausgetauscht und war (wie fast jeder) der Meinung ein begabter Spieler zu sein. Zu dem war es neben dem Bachelor-Studium ein netter Zeitverteib. Adrenalinkick, Dopaminlevel steigt, nächtelange Pokerturniere mit hunderdtausenden Teilnehmern durchgespielt und immer im Blick das Preisgeld für den ersten Platz - eine verzehntausendfachung des Einsatzes.
Zwischen 18 - 25 Jahren habe ich in etwa 15.000€ verspielt. Ich habe dann erkannt, dass ich ein Problem habe, habe mich bei sämtlichen Anbietern dauerhaft sperren lassen und mich vorsorglich (auch wenn es für mich nie Thema war) für alle Live Spielhallen und Casinos sperren lassen.
Anlass war, dass der Abschluss meiner Bachelorarbeit anstand und ich zeitgleich einen sehr stressigen Nebenjob hatte. Und diese Phase wollte ich mir durch das Glücksspiel nicht versauen. Hat geklappt. Danach hat Onlinepoker für mich an Reiz verloren und wie ich hörte wurde das Angebot auch immer weniger ansprechend und die Hürden in Deutschland höher. Ich habe es seitdem nie wieder ausprobiert. Ich wurde nie wieder rückfällig. Das ist nun 7 Jahre her.

In der Jahren 25- 30 hatte ich so gut wie gar keine problematischen Berührungspunkte mit Glücksspielen. Es war auch die Zeit, in der ich mich voll auf eine neue Stadt, auf ein Masterstudium und zu der Zeit auch auf eine Beziehung konzentrieren wollte.

Mit Anfang 30 bin ich dann erstmals mit dem Thema ETF, Aktien und Daytrading in Berührung gekommen. Die Neobroker wie TradeRepublic oder Scalable Capital sind in Mode gekommen. Smartphonebasierte Apps ermöglichen es mir per Knopfdruck kinderleicht und fast umsonst (1€ pro Trade) große Summen innerhalb kürzester Zeit in Aktien zu stecken und wieder herauszunehmen. Zudem werden die "Tops und Flops" des Tages angezeigt sodas man das Gefühl bekommt, man würde etwas verpassen wenn man nicht in die Tops mit einsteigt.
Wie beim Pokern damals auch, habe ich mich erstmal in verschiedene Strategien eingelesen, mich in Foren ausgetauscht und einen kleinen ETF-SParplan angelegt. Soweit so gut und unproblematisch.

Ich erkannte, dass die Darstellungsweise / verspielte Zugänglichkeit der Neobroker für mich ein Problem werden könnte und habe mein Konto dort aufgelöst und ein Depotübertrag zu meiner Hausbank veranlagt. Die hohen Trade-Gebühren dort würde mich sicherlich vom Traden abhalten - so dachte ich.

In den letzten Jahren und vor allem Monaten wurde ich allerdings dennoch immer risikofreudiger, entdecke Hebelprodukte und begann mein wenig Erspartes für diese zu verwenden. Immer mehr Geld, immer höhere Hebel und Risiken. Bis zum heutigen Tag an dem das wenig Ersparte gänzlich verspielt wurde. Insgesamt habe ich beim Daytrading 15.000€ "verspielt".
Mit Ausnahme meines kleinen ETF-Sparplan der im Hintergrund weiterläuft habe ich nun keinerlei Rücklagen mehr und damit auch kein Kapital das ich einsetzen könnte. Allerdings kommt jetzt die große Panik auf. Zudem schäme ich mich so sehr für all das, so dass ich es bisher niemanden erzählt habe. Ich bin 33 Jahre alt und habe so überhaupt noch nicht fürs Leben vorgesorgt.

Noch viel mehr größer als der große finanzielle Schaden ist für mich das Leid ständig über Trading nachdenken zu müssen, neue Einstiegschancen zu erörtern, ständig Blick ins Depot, heir rein, da raus. Ich habe das nicht unter Kontrolle. DIe Gedanken kreisen nur darum. In anderen Situationen wirke ich abwesend.

Ich habe lange darüber nachgedacht, was für mich eigentlich den Reiz daran ausmacht. Alleine die Aussicht darauf seinen Einsatz zu vervielfachen lässt es mich schon in den Fingern krabbeln. Vielleicht ist es auch das Bedürfnis nach Anerkennung / Wertschätzung wenn man sagen könnte "Übrigens, ich habe im letzten Jahr Summe X mit Aktien gemacht -nebenbei". Ganz sicher ist es auch um etwas zu kompensieren: Einsamkeit. Eine Beschäftigung für mich, die mir den kurzzeitigen Dopamin-Schuss gibt mit Aussicht auf Erfolg.

Habt ihr vielleicht Tipps oder Gedanken hierzu für mich?
Wie geht ihr damit um wenn ihr merkt, dass es in euern Fingern kribbelt? Was macht ihr in der Situation dann stattdessen? Wass ist eure Motivation es dann eben NICHT zu tun und nicht ins Daytrading zu gehen?

Ich freue mich auf den Austausch und bin dankbar, dass es dieses Forum gibt.

Meine nächsten Schritten sind nun, den vereinbarten Termin bei der Suchtberatung wahrzunehmen und meine Hausbank anzurufen ob Hebelprodukte für mich gesperrt werden können.
Das Depot soll weiterhin bestehen, den der ETF-Sparplan war und ist unproblematisch.

Viele Grüße,
Hebel10
« Letzte Änderung: 27 März 2025, 05:49:45 von Olli »

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Offline Olli

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Hi und willkommen!

Wie Du vielleicht siehst, habe ich den Anbieternamen in Deinen Beiträgen ersetzt.

Zitat
Zudem schäme ich mich so sehr für all das, so dass ich es bisher niemanden erzählt habe. Ich bin 33 Jahre alt und habe so überhaupt noch nicht fürs Leben vorgesorgt.

Bist Du ganz bewusst an die Sache heran gegangen, um süchtig zu werden? Wolltest Du süchtig werden? ... Natürlich nicht! Das ist ein schleichender Prozess, der mit vielen kleinen Grenzüberschreitungen einher geht. Wenn wir von der Genesung sprechen, dann erscheint dies meist so, als wolle man einen riesigen Berg erklimmen. Wir schauen hoch und keuchen vor Unbehagen, weil der Weg ja noch so weit und der Berg so hoch erscheint. Doch schauen wir nur immer auf den nächsten Schritt und drehen uns hier und da um, dann sehen wir, wir weit wir schon gekommen sind. Im Grunde ist es beim Weg in die Sucht doch ähnlich, nur zurückschauen entfällt zumeist oder die Erkenntnisse werden verdrängt.
Zum 2. Satz im Zitat ... pfeiff drauf ... Du bist noch jung und Du kannst HEUTE damit anfangen Deine kurz- und langfristigen Ziele anzugehen. Mit einem Master in der Hinterhand kannst Du das eigentlich unwichtigste Ziel, finanzielle Unabhängigkeit, locker erreichen, so lange Du abstinent bleibst.
Eine Sucht erfüllt immer einen Zweck. Sie ist somit positiv besetzt. Wieso sollten wir sie kritisch betrachten, wenn sie uns scheinbar Gutes tut? Bist Du Psychologe, um das weiter aufzudröseln?
Wieso schämst Du Dich also? "Ich hätte früher etwas unternehmen sollen ..." --- Bullshit, hättest Du früher etwas unternommen, hättest Du den Gedanken trotzdem gehabt. Und um in zu haben, musst Du bereits problematisch unterwegs gewesen sein.
Ich finde sogar, dass Du stolz sein kannst. Schaue doch auf das Heute! Du hast heute einige Dinge in Gang gesetzt, die eindeutig zu Deinem Vorteil sein werden. So suchst Du Dir Hilfe ... überwindest Deine Scham! Sind das nicht die Kompetenzen, auf die es ankommt?
Lasse die Scham, die in einer sozialen Gruppe dafür sorgt, dass sich an Regeln gehalten wird, nun nicht zu einem Blocker werden, der FÜR Deine Sucht arbeitet.

Du fragst nach Tips und Gedanken und lieferst gleichzeitig die Antwort: Der Mensch macht gerne immer das, was er schon immer gemacht hat. Doch nun änderst Du den Blickwinkel und überdenkst Deine Glaubenssätze. Gleichzeitig wünschst Du Dir andere Blickwinkel zu erfahren.

Ja, ich wollte auch immer Anerkennung und Bestätigung im Glücksspiel suchen. Doch gleichzeitig lebte ich die Erwartungen, die nicht meine an mich waren. Das habe ich viele viele Jahre nicht gesehen und auch nicht sehen wollen.

Samstag ist wieder Webmeeting. Das sind 2 h, die Du Dich nicht alleine, sondern als Mitglied einer Gemeinschaft fühlen kannst. Einer, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Glücksspiel aus ihrem Leben zu verbannen und den "Zweck" zu finden, um ihn abstellen zu können.
19 Uhr geht es los ... einfach den Link in meiner Signatur anklicken.

Zum Schluss noch ... 10-er Hebel ... empfindest Du Dich als Bestandteil des Glücksspiels? Wie wäre es stattdessen mit "der Handelnde"? Damit hättest Du eine Zweideutigkeit, die die negative Vergangenheit und die positive Zukunft beinhaltet?
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

 

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