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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Muss jetzt auch mal was loswerden...

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Muss jetzt auch mal was loswerden...
« am: Heute um 14:38:22 »
Hallo! Ich war bis jetzt immer nur stiller Mitleser doch heute will ich euch mal mein Problem schildern:
Ich bin 37 Jahre alt und Glücksspielsüchtig seitdem ich 19 Jahre alt bin. Ich habe bis heute auch schon ca. 26000€ mit Spielbank, Onlinepoker, Sportwetten und Lotto verzockt... Doch mein eigentliches Problem hat erst in diesem Jahr angefangen und zwar mit Aktienhandel/Derivate und Hebel... Ich benutzte Tradingapps seit 2020. Ich trade auch sehr viel, informiere mich, nehme Positionen raus und rein usw. aber das ist alles natürlich nicht gut, wenn man den Hang zur Zockerei hat... Aber alles blieb tatsächlich die Jahre über noch im Rahmen. Im Mai diesen Jahres war es aber komplett um mich geschehen... Ich habe Hebel&Derivate für mich entdeckt und konnte in kurzer Zeit damit sehr viel Geld machen. Pures Anfängerglück wahrscheinlich... Ich habe von meinen ersten 35 Hebel = 33 im Profit geschlossen und somit fast 4000€ in 2 Wochen gemacht. Ich habe mich wie der King gefühlt. Für einen Menschen der sein Leben lang eh schon Minderwertigkeitskomplexe hatte ist das eine pure Droge. Ich habe mir in der Fantasie schon ausgemalt wie ich als erfolgreicher Trader im Anzug auf den Dachterrassen von New York oder in Thailand am Strand Geld verdiene, weil ich es drauf habe und ein unbeschwertes, finanziell freies und glückliches Leben führe. Ich weiss das klingt total bescheuert. Objektiv wusste ich auch, dass dies nicht lange anhalten wird, dennoch bin ich absolut süchtig nach diesem Gefühl geworden! Doch wo ein Hoch ist, folgt natürlich auch ein Tief und in den nächsten Wochen war der ganze Profit wieder weg und irgendwann bin ich natürlich dicke ins Minus gerutscht, wobei die letzten 4 Monate noch halbwegs akzeptabel waren, aber jetzt im letzten Monat ist scheinbar irgendeine Synapse bei mir vollkommen durchgedreht... Die Spielsuchtkrankheit ist einfach KOMPLETT ausgebrochen! Es fing alles damit an, dass ich mich sehr schlecht gefühlt habe, ich lag im Bett, hätte Magen-Darm und wollte mich besser fühlen... Also habe ich Random einfach irgendwelche Hebel gesetzt... Kein vernünftiges Investieren, einfach nur zocken aus Langeweile und schlecht fühlen? Hohe Hebel mit hohen Einsätzen und ich habe gemerkt wie mich das kickt, ich habe auch gemerkt wie irgendetwas in mir fremdgesteuert war... Da habe ich das erste mal realisiert das ich ein richtiges Problem habe und ich habe den ganzen Monat lang mit dicken Hebeln und Geld nachzahlen weiter gemacht, dass ich nun bei ca. 18000€ mit Derivaten im Minus bin... Man steigert sich leider auch sehr schnell... Was man vorher niemals geglaubt hätte...

Ich weiss das ich mit der ganzen Spielsucht irgendein Loch stopfen will, was ich nie füllen kann... Eigentlich sollte es mir gut gehen. Ich habe eine Arbeit, eine tolle Frau, Wohnung, Auto, Katzen, Familie und Freunde aber trotzdem scheint mir das alles wohl nicht zu reichen und jetzt wo das Minus unerträglich groß ist, fühle ich mich einfach nur beschissen. Bin nicht mehr präsent im Leben, bin depressiv und fühle mich nun erst Recht wie ein Versager. Ich will mich nicht mehr so fühlen und will unbedingt mit der Zockerei aufhören! Ich möchte mich endlich frei fühlen... Habe jetzt auch mit 2 Freunden über mein Problem geredet und auch mit meiner Frau. Alle hatten Verständnis und ich will auch bald eine Selbsthilfegruppe besuchen. Aber trotzdem fühl ich mich nicht befreit... Ich fühl mich einfach nur müde, kraftlos, leer, depressiv... Es schmerzt mich immer noch und das wird es wohl auch mein halbes Leben lang... und ich weiss genau das Ich mich besser fühlen würde, wenn dies alles nicht passiert wäre... Ich bedauere es mit dieser Scheiße überhaupt angefangen zu haben und das ich mich immer weiter in den Strudel hab ziehen lassen... Wie schaffe ich es, dass mich das ganze nicht mehr schmerzt? Ich will höchstens nur noch normale ETFs und Dividendenaktien haben und die Tradingapp am besten jahrelang nicht mehr anfassen... Dann könnte wieder alles halbwegs in Ordnung kommen. Aber ich kenne mich und meine Süchte... Wie schaffe ich es komplett damit aufzuhören und ein selbstbestimmtes sinnhaftiges kontrolliertes Leben zu führen? Ich will nicht mehr Geldgierig sein. Ich möchte das Geld keine große Rolle mehr in meinem Leben spielt. Ich möchte mich auch nicht immer vergleichen usw. Weil ich objektiv eigentlich weiss das dies nicht alles im Leben ist... Durch meine Erziehung wurde mir das halt auch immer eingetrichtert, dass man sparen muss, dass es wichtig ist Geld zu haben, dass das Geld später knapp werden kann usw... Wie habt ihr es geschafft einen vernünftigen Umgang mit Geld zu bekommen? Sodass es zwar nicht unwichtig ist aber trotzdem nicht wesentlich... Ich hoffe ihr versteht was ich meine. Ich bin um jeden Rat und Kommentar dankbar.

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Offline Olli

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Re: Muss jetzt auch mal was loswerden...
« Antwort #1 am: Heute um 16:38:56 »
Hi und herzlich willkommen!

Zitat
Eigentlich sollte es mir gut gehen. Ich habe eine Arbeit, eine tolle Frau, Wohnung, Auto, Katzen, Familie und Freunde aber trotzdem scheint mir das alles wohl nicht zu reichen ...

Ist doch ganz einfach ... es fehlt das Boot! :)

Nu aber im Ernst ... es ist Deine Aufgabe herauszufinden, was Dir da fehlt. Dabei ist es nicht hilfreich, sich selbst unter Druck zu setzen. Im Moment musst Du Dir klar machen, dass das Geld einfach nur Suchtmittel ist. Stellt sich der Alkoholiker, der trocken sein möchte, eine Flasche Schnaps ins Nachtschränkchen? Ist es für den gerade abstinenten Raucher förderlich, wenn er eine geöffnete Zigarettenschachtel in der Brusttasche mit sich führt? Was ist mit dem Drogen- oder Medikamentenabhängigen? Sollte der eine immer ein Tütchen und der andere ein Röllchen seiner Droge mit sich herumführen oder gar täglichen Umgang damit haben?
Wohl kaum ... also was bedeutet das dann für die nächsten Wochen und Monate für Dich? Solltest Du weiter mit ETFs usw. jonglieren?
Spreche also erneut mit Deiner Frau und wenn sie damit einverstanden ist, dann sollte sie für das nächste Jahr die Finanzen übernehmen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wie weit ihr da gehen könnt - Dein Gefühl und Deine Ehrlichkeit sind das Meßwerkzeug, was ihr dafür braucht. Ist da irgend ein Gedanke ans Zocken ... "Frau, wir müssen reden ..."
So schaffst Du Dir schon einmal Ruhe, indem Du Dir Dein Suchtmittel entziehst. Gleichzeitig schaffst Du Dir Raum, Dich auf die Hinterbeine zu setzen und zu recherschieren, was da bei Dir fehlt, obwohl "Du doch alles hast".

Zitat
Wie schaffe ich es, dass mich das ganze nicht mehr schmerzt?

Setze Dich mal hin und schreibe auf, wie Du Dich selbst siehst. Sei ehrlich dabei. Du fühlst Dich wie ein Versager? Dann gehört das in den Text.
Wenn Du fertig damit bist, dann gibst Du das einmal Deinem Freund und auch Deiner Frau. Lasse sie beide auch aufschreiben, wie sie Dich sehen. Sie sollen Dir dabei keine Butter ums Maul schmieren, sondern genauso aufrichtig sein, wie Du auch.
Oh, bei dem anschließenden Gespräch wäre ich gerne dabei ... denn hier werden die Weltbilder verglichen ...

Wie Du sicher weisst, biete ich Samstags um Punkt 19 Uhr das Webmeeting an. Klicke bitte pünktlich auf den Link in meiner Signatur. Du kommst dann in einen Warteraum, wo Du schon siehst, dass Deine Kamera erst einmal auf aus gestellt ist. Von dort lasse ich Dich dann in den Meetingraum hinein. Wer zu spät kommt, den bestraft leider das Leben ... nach 19 Uhr 15 lasse ich keinen mehr rein, denn das stört das Meeting.
Du stellst wichtige Fragen, von denen der ein oder andere in der Gruppe sicherlich für sich schon Antworten gefunden hat. Vielleicht ist ja etwas für Dich dabei?
Eigentlich ist das Thema "Geld" erst nächste Woche dran, es wurde sich gewünscht ... aber es gibt ja auch noch andere Themen ...
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Muss jetzt auch mal was loswerden...
« Antwort #2 am: Heute um 21:15:43 »
Hi Aware,

Da deine Geschichte meiner ähnelt, kann ich vielleicht ein paar Eindrücke vermitteln wie es bei mir war. Ich bin finanziell am Trading fast zugrunde gegangen; um es mal kurz zu fassen. Anfangs auch Gewinne gemacht, gedacht alles im Griff zu haben, längere Zeit verloren, versucht alles wieder reinzuholen, in der Spitze mal 6 Monatsgehälter in einer Stunde verballert, konnte es nicht mehr geheimhalten, und Boom!

Eines kann ich dir sagen: als Süchtiger hast du keine Kontrolle mehr über dein Verhalten (selbst wenn deine Trading-Modelle erfolgreich wären; du wirst irgendwann nicht mehr danach handeln). Es wird definitiv immer nur schlimmer! Und es wird auch dein Privatleben massiv negativ beeinflussen.

Das habe ich nicht durch pure Selbsterkenntnis und eigene Reflexion „erkannt“, sondern ich habe mir Hilfe gesucht. Ein schwerer Schritt das zu erkennen war das für mich, aber das Beste was ich machen konnte. Google mal nach Caritas Hilfestellen in der Nähe o.ä. In den Termin von Olli habe ich mich damals nicht getraut, aber durch das Einzelgespräch bei der Caritas, war ich dann auch mal in einer SHG und auch das war gut. Man ist nicht alleine! Das hilft auch nochmal.
Einzeltherapie mache ich immer noch (unregelmäßig).

Auf die Frage wie man drüber hinwegkommt: die Zeit wird die Wunden langsam heilen, wenn man auch die Abstinenz schafft (6 Monate ist mein großer Knall her). Dieses Gefühl nicht ständig gestresst zu sein wie die Kurse laufen, hätte ich doch dies oder das gemacht, nächste Mal wird alles anders, usw. Pure Befreiung ist das für mich! Hast du nicht auch auf einmal den Raum verlassen und Kurse gecheckt auf dem Handy, warst nicht ansprechbar für deine Kinder wenn wichtige Börsennachrichten kamen, im Urlaub auf dem Klo getradet, bei der Arbeit ständig? Wenn das keine Sucht ist.

Am Anfang war es schwer, denn was mache ich mit der „freien“ Zeit, aber das füllt sich schon wieder sinnvoll.

Lass deine Frau das Konto regelmäßig kontrollieren, dann ist die Versuchung auch nicht mehr so schnell da bzw. die Hürde höher, wenn ein schwacher Moment kommt.
„Am Ende gewinnt immer die Bank“! Lass das nicht zu.



 

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