Hallo,
ich bin Mitte 30 und, ich bin sehr froh, das schreiben zu können, nicht glücksspielsüchtig - aber gefährdet, mein Leben lang, im Moment wieder stärker, es zu werden und zu sein. Das liegt zum einen daran, dass ich im Wesentlichen generell sehr suchtanfällig bin.
Mit 10/11 hab ich angefangen zu rauchen, mit 12 war ich bei einer Schachtel am Tag und rauche seitdem quasi ununterbrochen und viel. Ungefähr im selben Alter angefangen zu kiffen und in meinen 20er-Jahren abhängig geworden, bin seit über 3 Jahren aber "clean" vom Cannabis, ohne Rückfall, aber durchaus noch mit Verlangen, immer wieder, seit der Teillegalisierung häufiger. Alkohol war vor allem in meiner Jugend ein Thema und eine reale Gefahr, davon abhängig zu werden, zum Glück habe ich das erkannt, hatte zu viel Angst davor (Alkoholiker in der nahen Familie in der Kindheit) und es war letztlich, zum Glück, mit zunehmenden Alter auch nicht "meine" Droge, sondern (bei den bewusstseinsverändernden Substanzen) Cannabis. So konnte und kann ich seit dem frühen Erwachsenenalter sehr kontrolliert Alkohol konsumieren und tue es äußerst selten. Ich wünsche mir sehnlichst, das wäre mit allem so, ist es aber nicht. Was noch? Computerspiele haben seit meiner Kindheit eine starke Anziehung auf mich, ebenfalls in meinen 20ern mit Jahren des Exzesses, ich spiele immer noch gerne, kann mich auch in einem guten Spiel verlieren und viel Zeit reinstecken, habe es aber in den letzten Jahren recht gut im Griff. Emotional am zerstörerischsten war in meiner Biografie bislang die Sucht nach bestimmten Menschen, toxische, sehr seltsame Beziehungen (keine Partnerschaften oder klassische Liebesbeziehungen), die mich jeweils ca. 5 Jahre lang unglaublich und übertrieben begleitet und beschäftigt haben. Dazu könnte ich noch viel schreiben, aber der Vorspann ist schon lang genug und es ist ein Forum zur Glücksspielsucht, also jetzt mal dazu, warum ich hier bin:
Als Kind habe ich, ich erinnere mich gut daran, das erste Mal Lotto gespielt bzw. ein Erwachsener für mich einen Tipp. In Kneipen, in denen ich auch als Kind einige Zeit verbrachte (Familie...), auch mal an Automaten. Geld übte als Kind auch immer eine starke Faszination auf mich aus. Dennoch bewegte sich alles, was das Glücksspiel anbelangte, bis Ende 20 in einem Rahmen, dass man beinahe von Abstinenz und "nicht der Rede Wert" sprechen könnte. Meine Vernunft und auch mein Respekt, um nicht von Angst zu sprechen, vor dieser Form der Sucht war und ist auch immer noch unheimlich stark, vielleicht vergleichbar sogar mit meiner früheren Angst, von Alkohol abhängig werden zu können. Ich hatte immer ein sehr stark ausgeprägtes Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit und danach, Rücklagen zu haben, da ich den wesentlichen Teil meiner Kindheit und Jugend mit Hartz IV aufwachsen durfte. Umso härter traf es mich, als ich vor ca. 6-7 Jahren anfing, mich in diversen Online-Casinos anzumelden, überall die Bonuseinzahlungen mitzunehmen und stunden-/nächtelang zu spielen. Am Ende waren es "nur" ein paar Hundert Euro echtes Geld, das ich verspielte, denn nach einigen Tagen gelang es mir zum Glück, die Reißleine zu ziehen und wieder damit aufzuhören. Die ständigen E-Mails und SMS plagten und erinnerten mich aber noch monate- oder sogar jahrelang immer wieder schmerzlich an diese Episode. Das verlorene Geld tat natürlich auch etwas weh, immer wieder mal, bis heute, der Gedanke, was ich mir davon stattdessen hätte kaufen können, aber das war und ist gar nichts gewesen im Vergleich gegen diese Angst, die ich hatte, dem Glücksspiel weiterhin und dauerhaft zu verfallen und mit etwas so "Dämlichen" (im Sinne von völlig irrational) meine wirtschaftliche Existenz und Sicherheit aufs Spiel zu setzen und zu ruinieren. Und vor allem nicht gegen die Erkenntnis, wie unheimlich schnell und stark mich das in seinen Bann ziehen konnte, wie stark das Verlangen ist, das eingesetzte Geld durch weiteren Einsatz zurückzuholen, wie schnell theoretische Gewinne (Umsatzregeln der Boni vor Auszahlung sei Dank) wieder im Nirvana verschwinden können...
Seitdem habe ich hin und wieder einen Lottoschein gespielt, 1-3x pro Jahr, und das war's. Nichts nennenswertes gewonnen und beim Lotto durchaus in dem Bewusstsein, dass ich mir mit dem Schein vor allem die Träumerei bis zur Ziehung erkaufe, "was wäre wenn..." und was würde ich mit dem Geld machen? Das versetzt dann ein paar Tage in Spannung und Euphorie und führt nach der Ziehung 1-2 Tage zu einem Gefühl der desillusionierten Enttäuschung und Frustration.
Vor wenigen Tagen habe ich mich allerdings, in einem Moment angefixt durch eine TV-Werbung, wieder bei einem Onlinecasino angemeldet und meine Alarmglocken schrillen seitdem. Eingezahlt und verspielt habe ich nur 10€ und denen jage ich auch nicht hinterher, mit Bonus und Gewinnen und Freispielen war es natürlich in der Summe deutlich mehr "virtuelles" Geld und gerade das versuche ich mir jetzt auch immer wieder vor Augen zu führen, denn wären diese, keine Ahnung - 80 bis 100€? - echtes Geld gewesen, wären sie jetzt genauso weg, wie sie es sind und wie höchstwahrscheinlich jede weitere Einzahlung, die ich in Zukunft tätigen könnte/würde, weg wäre. Auch der Gedanke und das Verlangen im Alltag, Lotto zu spielen/spielen zu wollen, ist deutlich stärker und präsenter als sonst. Vor der Arbeit an der Tanke, nach der Arbeit bei der Poststelle im Supermarkt... ich hab es in den letzten Tagen nicht getan, aber im Gegensatz zu sonst fiel es mir deutlich schwerer, bewusst darauf zu verzichten oder es mir in dem Moment nicht zu erlauben.
Und um das alles mal zusammenzuführen, möchte ich zum Schluss schreiben, ich hab einfach so dermaßen die Schnauze voll von dieser Suchtanfälligkeit und -verlagerung und es nervt mich tierisch, dass es daraus keinen Ausweg zu geben scheint, sondern ich mein Leben davon getrieben bin, (nicht) in die nächste oder eine der "alten", Bekannten Abhängigkeiten zu geraten. Ich bin es so leid, nach Glück und Zufriedenheit zu streben, diese nicht (in mir) zu finden und immer wieder in einen Strudel irrationaler Wege zu geraten.
In finanzieller Hinsicht müsste ich nicht unzufrieden sein, ich schaffe es Vollzeit zu arbeiten in einer unterbezahlten Branche, aber mein Gehalt ist okay, keine riesen Sprünge, aber ein Mittelstandsleben ist möglich. Weiter monatlich auf meine materiellen Wünsche hinzusparen wäre der viel gescheiterte und erfolgsversprechendere Weg als das Geld in Slots zu versenken, ggf. an der Börse zu verlieren (damit habe ich mich aktuell auch viel befasst, Plan sind aber ETFs und ggf. Einzelaktien zusätzlich; keine Hebel; aber auch das ist ja nicht risikofrei und steht dem Glücksspiel nahe) oder vom Lottogewinn zu träumen.
Ich wüsste wirklich sehr gerne, wie ihr mit dieser Suchtanfälligkeit umgeht. Die ganzen Verhaltensstrategien und -tipps, Vorkehrungen, Skills usw. laufen ja irgendwie ins Leere und sind am Ende in ihrer Gesamtheit viel zu einschränkend und nicht praktikabel, wenn man von einer Sucht in die nächste rennt...
Liebe Grüße und danke
Piano