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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Ich will es versuchen...

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Ich will es versuchen...
« am: 24 Juli 2024, 10:48:32 »
Hallo zusammen,
ich habe hier schon vieles gelesen und nun ist es an der Zeit, dass ich mir einmal alles von der Seele schreiben möchte. In meinem Kopf schwirrt eine ganze Menge umher... Gewitter im Kopf, las ich neulich in einem Bericht über Spielsucht und ja, ich habe den Artikel gelesen, weil ich mich davon angesprochen gefühlt habe. Aber ich kriege es nicht hin, mich so damit zu beschäftigen, wie ich es sollte, bzw. endlich aktiv zu werden und ich verstehe nicht, weshalb.

Ich werde das hier in mehreren Kapiteln schreiben. Ich ordne aktuell meine Gedanken im Kopf und versuche so Ordnung in dieses Gewitter zu bringen, damit ich mich vielleicht systematisch an den Kern des Problems ranarbeite. Ich bin gespannt auf eure Gedanken, habe auch etwas Angst vor den Forderungen, von denen ich weiß, dass sie an mich gestellt werden, aber das Ziel ist wohl klar: Ich brauche Hilfe. Aber ich bin (noch) nicht so weit, mir diese zu holen, bzw. mich darauf einzulassen und vor allem, mich zu öffnen - das hat vor allem persönliche Gründe, die ich noch erörtern will. Aber dies soll der erste Schritt sein.

Bevor ich von vorn anfange und mich langsam vorarbeite, möchte ich mit der letzten Woche anfangen, die wohl den Ausschlag dafür gegeben hat, dass ich mich endlich mal dazu aufgerafft habe, das alles aufzuschreiben.
Ich beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit meinem Problem und wie ich mich selbst bremsen kann. Das gelingt mir zeitweise sehr gut, aber wenn der Stein einmal ins Rollen gekommen ist, ist er einfach nicht mehr zu bremsen. Dann geht es nur noch weiter: Bergab, bergauf und am Ende immer wieder bergab - bis alles platt gewalzt ist.

Nach einer längeren guten Phase gab es vor einigen Wochen wieder einen Auslöser (auch dazu später mehr), der mich getriggert hat und ich habe wieder einmal in einem Onlinecasinio eingezahlt. Ohne, dass ich hier zu euphorisch und detailliert schreiben will, sage ich nur, dass es (finanziell) sehr gut lief und ich auch einige Male erfolgreich auszahlen konnte. Im Versuch, mich damit zu bremsen, habe ich mich mal wieder in dem gewählten Casino sperren lassen, aber der "Dämon" war geweckt und ließ sich nicht ausschalten. Also wieder in einem neuen Casino angemeldet und mit gesteigerter Risikobereitschaft weitergemacht. Und genau in dem Moment, als ich angesichts der guten Lage schon ziemlich irrationale Einsätze machte, schlug das "Glück" so richtig zu und mein Guthaben stieg höher, als ich mir vorstellen konnte. Komisch war nur, dass ich mich gar nicht richtig freuen konnte. Ich wusste, dass nun die stressigste Phase begann. Da ich mich bereits in allen halbwegs seriösen Casinos selbst gesperrt habe, war ich bei einem Curacao-Casino mit wenig (keinem) Spielerschutz gelandet und erwartungsgemäß zog sich der Verifizierungsprozess endlos hin, ein Selbstausschluss wurde bis zum Ende des Prozesses verweigert. Bis heute ist die Verifizierung nicht abgeschlossen. Dazu waren den AGB strikte wöchentliche Auszahlungslimits und -gebühren zu entnehmen. Ich wusste, es sollte ein langwieriger Kampf werden, mit mir und mit dem Anbieter. Ich verlor den Kampf schneller, als ich gedacht hätte. Kurz: Sehr schnell war fast der gesamte Gewinn wieder weg. Fünf Tage lang hatte ich es geschafft, kein Spiel mehr zu starten. Dann hat der Dämon mich dazu gebracht, die gewonnene Summe noch auf eine "glatte Zahl" zu bringen... Völlig irrational bin ich dann aber selbst kleinsten Verlusten durch enorme Einsätze hinterhergejagt, genau wissend, dass das das problematischste Verhalten ist. Ich habe all das gemacht, von dem ich genau wusste, dass wir "Junkies" es halt machen, obwohl es uns ins Unglück stürzt. Aber: So what, das Geld war ja eh nie wirklich meins, es stand ja nur auf dem Bildschirm. Aber beim Tanken heute morgen fahr ich wieder den Umweg, weil es bei der freien Tankstelle 2 Cent weniger pro Liter kostet...

Wenn auch nie in solchem Ausmaß habe ich dieses Verhalten schon oft bei mir beobachtet. Es ist irgendwie gerade nach dem Gewinnen oft so, dass es sich fast "falsch" anfüllt, das Geld auch auf mein Konto zu holen. Es wird weiter gemacht, als wäre es ein Job, der erledigt werden muss. Komischerweise, und das war auch diesmal so, ist das erste Gefühl, wenn der Kontostand auf 0 fällt, eine große Erleichtterung. Es ist vorbei. Die Hatz, der Trieb. Ruhe. Durchatmen. Schlafen. Und direkt danach, spätestens beim Aufwachen am nächsten Morgen kickt das schlechte Gewissen. Bin ich verrückt? Was war da los in den letzten Minuten, Stunden? Immer wieder habe ich mir vor Augen geführt, was ich mit dem Geld, welches dort den Bach runter geht, eigentlich machen könnte: Familienausflüge, Altersvorsorge, Urlaube, neue Möbel... Zum Glück geht es mir finanziell so gut, dass ich mir all das auch so noch leisten kann. Aber diese Irrationalität, wie ich Geld im Kontext Glückspiel behandle im Gegensatz zu der Sparsamkeit, die ich sonst an den Tag lege, ist enorm. Ich höre mich dieses Mantra auch beim Spielen im Kopf sagen, aber der Dämon ist lauter, bzw. übernimmt die Kontrolle. Während mein Kopf sagt "Hör jetzt auf" klickt mein Finger immer weiter und weiter. Wie wahnsinnig... Und es ist nicht nur das Geld. Wenn ich spiele, streite ich mehr mit meiner Frau, ich bleibe ewig wach und gehe übermüdet zur Arbeit, der Gedankenstrudel,  ich bin insgesamt gestresst... Es kommt alles zusammen.

Wenn ich so darüber nachdenke, gibt es zwei Dinge, die ich unbedingt lernen will: Wie schaffe ich es, dem Druck zu wiederstehen, überhaupt anzufangen. Und wie schaffe ich es, falls es doch passiert, den Absprung aus dem fahrenden Zug zu finden. Letzteres ist definitv schwieriger, also will ich damit anfangen, gar nicht erst loszulegen mit dem Spielen. Dazu habe ich schon einiges probiert und mich mit mir auseinandergesetzt, aber es klappt immer nur phasenweise.

Ich werde, wenn ich Zeit und Ruhe finden, hier auch noch ein wenig zu meiner Person und meiner Geschichte schreiben und aufarbeiten, wie der Status quo entstanden ist. Auch möchte ich beschreiben, in welchen Situationen ich mit dem Spielen anfange, was mich triggert und wie ich "gelernt" habe, mit dem Spielen bestimmten Situationen zu entfliehen. Ich habe schon einiges unternommen, um mich selbst zu bremsen, auch dazu kann ich einiges sagen. Doch für den Anfang ist das jetzt etwas viel. Ich hoffe, ich komme dazu, diese Themen in den nächsten Tagen zu Papier zu bringen.


PS: Ich habe das nun alles hingeschrieben, um damit den Prozess der Selbstheilung (?) zu starten. Trotzdem habe ich das Absenden ewig vor mir hergeschoben. Ich glaube, weil ich eigentlich schon weiß, was kommt. Mach eine Therapie; such dir eine SHG; sprich mit deiner Frau; öffne dich einer Vertrauensperson; gib die Kontrolle über dein Konto ab... Es könnte doch so einfach sein. Warum will ich das nicht hören?  Will ich vielleicht doch nicht aufhören oder bin ich einfach nur feige?
« Letzte Änderung: 01 September 2024, 19:53:04 von HarryF »

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Roy1234

Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #1 am: 24 Juli 2024, 11:27:54 »
Kurz und knapp vermutlich eine Mischung aus deinem letzten Satz. Ist verständlich, das hatte jeder in seiner Zeit mal, aber ohne das funktioniert es nicht.

Gruß Roy

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Offline Olli

  • *****
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Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #2 am: 24 Juli 2024, 12:09:56 »
Hi und willkommen!

Wirklich selten lese ich solche einen authentischen Beitrag, der mit viel Gefühl geschrieben wurde. Mache Dir bitte keine Gedanken um irgendwelche Strukturen und was Du jetzt und was Du später schreibst. Es kommt doch anders ... :)

Nun, mir schwirrt gerade etwas der Kopf, weil ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Du sprichst hier schon so viele Gemeinsamkeiten unter uns Glücksspielsüchtigen an, dass meine Antwort eigentlich auch ein Mehrbänder werden könnte ... :)

Nun, wir werden von Dir nichts fordern ... vielleicht wirst Du manchmal das Gefühl haben, doch Du bist derjenige, der die geistige Arbeit zu leisten hat und diese in Taten umsetzen kann/muss/will ... wie auch immer ...
Wir liefern Dir Ideen, die Du annehmen oder verwerfen kannst. Vielleicht verwirfst Du heute etwas, was Du aber in einem halben Jahr bejahst?

Na gut ... eine Bitte habe ich ... komme am Samstag ins Webmeeting. Wir machen es über Zoom. Wenn Du Dich einloggst, dann ist Deine Kamera ausgestellt. Du entscheidest, ob Du sie einschaltest, oder nicht. Da Kommunikation ja aber nicht nur verbal funktioniert, werde ich Dich schon fragen, ob Du die Kamera nicht doch einschalten möchtest. Wenn nicht ... dann ist auch gut ...
Jeder von uns soll sich ja schließlich wohl fühlen, wärend wir unsere Erfahrungen austauschen, um die Abstinenz zu erreichen oder aufrecht zu erhalten.
Der Link steht in meiner Signatur ... Samstag ... 19 Uhr ...

Zitat
Aber ich kriege es nicht hin, mich so damit zu beschäftigen, wie ich es sollte, bzw. endlich aktiv zu werden und ich verstehe nicht, weshalb.

Wenn ich das Zitat richtig einordne, dann sei mal nicht so streng mit Dir. Habe Geduld mit Dir. Du brauchst Rom nicht an einem Tag erbauen.
Gründe gibt es sicher viele untätig zu bleiben. Daher ist mein Spruch: Das Schlimmste am Aufhören ist das Anfangen!
Danach ... versprochen ... wird es einfacher.
Gründe können einfach sein: Nicht zu verstehen, was das Suchtgedächtnis ist und wie wir es handhaben. Die Muster, die die Sucht uns auferlegt hat, um befriedigt zu werden, zu erkennen.
Die Scham zu wissen, dass ich etwas wiederhole, von dem ich zumindest weiss, dass es falsch ist. Die Scham, es dem engsten Umfeld mitzuteilen. (Du weisst ja bereits, dass der Schritt zeitnah sein MUSS, um der Sucht viel an Boden unter den Füßen weg zu ziehen ...

Zitat
Aber ich bin (noch) nicht so weit, mir diese zu holen, bzw. mich darauf einzulassen und vor allem, mich zu öffnen - das hat vor allem persönliche Gründe, die ich noch erörtern will.
So sei es ...!
Wenn Du in die Gruppe kommst, dann bist Du kein Bittsteller! Wir sind Gleiche unter Gleichen! Geht Dir etwas zu Nahe oder gegen den Strich, dann ist es Deine Pflicht Dir selbst und der Gruppe gegenüber zu sagen, dass es eben so ist.
Der Rest ist einfach Übung! Zu üben bedeutet aber zu versuchen sich zu öffnen. Hier in Deinem Beitrag machst Du das bereits wunderbar. Wovor hast Du also Angst? (Rhetorische Frage, da Du das ja nicht erörtern möchtest! :) )

Zitat
Ich beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit meinem Problem und wie ich mich selbst bremsen kann.
Vorsicht ... Du trittst Dir hier in Deine eigene Falle ...
Der Mensch hat das Bedürfnis die Dinge in seinem Leben zu kontrollieren. Nun ist da aber etwas, die Sucht, die Du nicht kontrollieren kannst. Also gehst Du hin und versuchst Dir kleinere Kontrollen einzubauen, die aber dann auch nicht funktionieren, weil am Ende des Tages die Suchtausübung selbst nicht kontrolliert werden kann. Ein Beispiel hierfür ist z.B. nur einen Betrag X zu verspielen. Oder der Sucht nur noch zu festgelegten Zeiten nachzugeben, sich zu sagen: Bevor der Gewinn nicht ausgezahlt ist, spiele ich auch nicht mehr ... Sich in einem Casono sperren zu lassen, um sich in einem anderen Casino anzumelden ...
Betrachte die Sucht als eine Angewohnheit. Wie wirst Du Angewohnheiten wieder los? Indem Du Teile davon beibehälst?
Bei der Raucherentwöhnung wollte ich das Dampfen ohne Nikotin beibehalten. Jörg, der Psychologe, der uns die Raucherentwöhnung angeboten hatte, sagte da strikt "Nein!" zu. Wenn Du etwas anders machen möchtest, dann mache es ganz anders ... und nicht etwa "ähnlich" ... :)

Zitat
Es ist irgendwie gerade nach dem Gewinnen oft so, dass es sich fast "falsch" anfüllt, das Geld auch auf mein Konto zu holen.
Für einen Glücksspielsüchtigen ist ein "Gewinn" immer nur der Einsatz fürs nächste Spiel. Was soll das Geld also auf dem Konto?
Zudem hat sich in Dir manifestiert, dass das Glücksspiel ja "falsch" ist ... auf dem Konto siehst Du nun den Beweis, das Du gegen Deine Werte verstoßen hast.
Es gibt auch die These, dass Spieler erst zufrieden sind, wenn alles verloren wurde ...

Zitat
Immer wieder habe ich mir vor Augen geführt, was ich mit dem Geld, welches dort den Bach runter geht, eigentlich machen könnte: Familienausflüge, Altersvorsorge, Urlaube, neue Möbel...

Glücksspieler haben ein Problem bei der Gefühlsregulation. Da ist es egal, ob die Gefühle und Emotionen gut oder schlecht sind. Wir sollten hier sehr gut auf uns aufpassen, damit aus diesen Gedanken nicht eine negative Verstärkung entsteht - Du also in einen Kreislauf aus negativen Gefühlen gelangst, die Dich spielen lassen, worauf Du Dich noch schlechter fühlst ... usw.

Zitat
Wenn ich so darüber nachdenke, gibt es zwei Dinge, die ich unbedingt lernen will: Wie schaffe ich es, dem Druck zu wiederstehen, überhaupt anzufangen. Und wie schaffe ich es, falls es doch passiert, den Absprung aus dem fahrenden Zug zu finden. Letzteres ist definitv schwieriger, also will ich damit anfangen, gar nicht erst loszulegen mit dem Spielen. Dazu habe ich schon einiges probiert und mich mit mir auseinandergesetzt, aber es klappt immer nur phasenweise.

Zunächst einmal muss Dir bewusst sein, dass Du JEDERZEIT intervenieren kannst! Je näher Du am Spiel bist, desdo schwieriger wird es, die "scheiss-egal-Stimmung" wieder zu durchbrechen. Pfeife auf die gescheiterten Versuche in der Vergangenheit.
Mit Achtsamkeitstraining verbesserst Du die Basis für Deine Abstinenz. So z.B. mit Abstinenzentscheidungen. Wieso möchtest Du eigentlich abstinent sein? Ist es überhaupt schon so weit oder möchtest Du nur Dein schlechtes Gewissen loswerden? Das Versagen der Vergangenheit hinter Dir lassen? Wie ambivalent bist Du in diesen Fragen?
Bei den Abstinenzentscheidungen sehe ich immer die Großen auf der einen Seite. Diese sind für Dich sehr wichtig und Du stößt sie auch nicht mal eben so um. Dann gibt es aber auch noch die Kleinen, die sich tagtäglich ändern können.
Eine funktionierende Abstinenz funktioniert in diesem Bild aber nur, wenn sich große und kleine Abstinenzentscheidungen ergänzen.
Beide gemein haben sie, dass sie Entscheidungen sind! Entscheidungen bauen für mich viel auf Glaubenssätzen auf. Die wiederum können durch Erfahrung erworben oder einfach übernommen sein.
Wenn Du in einem YT-Short einen Tiger siehst, der mit einem Menschen schmust, dann liegt nahe, dass Tiger Schmusekätzchen sind.
Das sind sie aber in der Regel eben nicht. Sie sind Raubtiere, für die wir ein leckeres Abendmahl sind. Tiger=Schmusekätzchen ist also ein falscher Glaubenssatz. Wie löst man ihn auf? Nein! Nicht durch einen Versuch ... :) Wir sprechen darüber ... suchen uns geeignete Quellen heraus ... wir beschäftigen uns mit der Thematik.

Wie kommt es dazu, dasss Du genau an diesem Tag spielst? Gab es einen Auslöser? Gab es irgendwo Streit? War etwas oder irgendwer stressig? Gab es Langeweile?
Manchmal braucht es noch nicht mal etwas Besonders. Kürzlich hörte ich beim Autofahren ein Lied im Radio. Es stammte aus meiner Jugendzeit. Wie aus dem Nichts sah ich auf einmal ein Bild eines Telespiels vor meinem geistigen Auge ... Eisblockschießen hatten wir es genannt.
Es gibt im Hirnstamm einen Bereich, der unser Suchtgedächtnis beinhaltet. Es entzieht sich unserem Willen. Wir können es also nicht steuern, wenn ich als Automatenspieler z.B. Metall in einer Dose höre und an den Münzauswurf eines Automaten denke.
Hier ist es wichtig, dass Du erkennst, dass diese Gedanken nichts Schlimmes sind. Sie dürfen sein ... das ist OK. Du hast solche oder ähnliche Erfahrungen ja jahrelang geübt! Diese Gedanken bedeuten nicht, dass Du tief in Dir drin spielen möchtest. Das Gehirn ist bei anhaltender Abstinenz trotzdem sehr träge, was das Vergessen angeht.
Diese Gedanken kommen und diese Gedanken gehen auch wieder.
Wenn Du in einem solchen Fall aber anfängst mit Dir zu diskutieren, ob eine Ausnahme von der Abstinenz "nur für Heute" in Ordnung wäre, dann hast Du bereits verloren.

Zitat
Prozess der Selbstheilung (?)

Genau der ... ;)

Zitat
Mach eine Therapie; such dir eine SHG; sprich mit deiner Frau; öffne dich einer Vertrauensperson; gib die Kontrolle über dein Konto ab...

Wenn Du denn willst:
Mach eine Therapie; such dir eine SHG; sprich mit deiner Frau; öffne dich einer Vertrauensperson; gib die Kontrolle über dein Konto ab...  es ist ganz einfach!

:) :) :)

Siehst Du mal ... Du weisst eigentlich, was Du zu tun hast und damit auch tun willst! Denke nicht zu viel nach ... dann kommt wieder die Scham, mit der Scham die katastrophisierenden Ängste und und und ...

Das Geheimnis für Erfolg ist TUN!

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #3 am: 24 Juli 2024, 12:10:30 »
HI Harryk, ich schreibe nicht viel, da ich nicht die Zeit habe. Ich bin mir aber sicher, dass Olli deinen Text gerade schon zerpflückt und dir Ausführlich darauf antworten wird ( mal n bissl Druck auf Olli ausüben ;D). Du bist hier jedenfalls richtig wenn du Hilfe oder Tipps benötigst. Schaue auf jeden Fall täglich rein und nimm die Tipps, Hinweise und Meetings mit.
« Letzte Änderung: 24 Juli 2024, 12:13:19 von Speedy »

Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #4 am: 24 Juli 2024, 12:10:50 »
Mist, ich war zu spät ;D

*

Offline Olli

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Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #5 am: 24 Juli 2024, 12:17:57 »
OK ... manchmal werden doch Erwartungen aufgebaut ... :)

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #6 am: 24 Juli 2024, 13:20:30 »
Wow krasser Beitrag seine Gefühle auszudrücken. Jeder von uns kann ein Stückchen von sich selbst in deinem Beitrag wiederfinden. Ich bin auch noch nicht so lange dabei, aber seine Gefühle in Worte zu fassen versetzt Berge. Schreib weiter. Dir merkt man definitiv an, dass du ein sehr emotionaler Mensch bist. Ich bin schon gespannt auf deine weiteren Beiträge. Hier bist du genau richtig.

Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #7 am: 24 Juli 2024, 16:28:57 »
Hallo Harry,

ich hab es selbst schon mehrfach geschafft fünfstellige "Gewinne" wieder runterzuspielen.

Und Rückblickend hat der grösste "Gewinn" von 250000€ mir nochmal eine ganz andere Dimension der Spielsucht aufgezeigt.

Er hat mir die Hölle gezeigt,..

Ich habe auch Cryptocasinos benutzt und kenne dieses hinhalten nur zu gut. Ich habe mich auch immer gesperrt und einfach bei einem neuen angemeldet.

Versuche aber jetzt auf keinen Fall es nochmal zu "schaffen", das geht garantiert schief (ich spreche aus Erfahrung).

Ich hab zum Teil 50,- /100,-  € Drehs gespielt, und das ist doch wirklich Krank.

Hast du den auch Schulden durch das Spielen (wenn zu privat brauchst nicht antworten)

Gruss
Schwarzwaldteufel

Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #8 am: 25 Juli 2024, 23:42:06 »
Hallo,

ich habe eure (und auch meinen) Beitrag von gestern noch einige Male gelesen und, glaube ich, jedes Mal ein wenig mehr verstanden. Zunächst einmal vielen Dank für euer Interesse und dass ihr euch um mich kümmert.

Olli sagt, das Schwierigste am Aufhören ist das Anfangen - ich dachte bislang immer, das Schwierige am Aufhören sei es, wirklich aufzuhören. Denn damit angefangen habe ich schon öfter und es war jedes Mal ganz leicht... Ich dachte zumindest. ich hätte damit angefangen. Denn das beschreibt vielleicht auch meine aktuelle Gefühlswelt ganz gut. Nach dem Schock, dass ich so viel Geld weggeballert habe, bin ich gerade gedanklich ganz weit weg davon, irgendwann nochmal zu spielen. Ich kann ja eh nicht gewinnen und irgendeinen Profit daraus schlagen - ganz offensichtlich nicht, wenn ich selbst solche Summen total stumpf verschleudere und mich danach mies fühle. Das sitzt wirklich tief und ich werde den Teufel tun, noch einmal zu riskieren, dass erneut durchzumachen... Sage ich zumindest jetzt.

In Wahrheit war ich aber schon öfter an diesem Punkt. Früher war es dann aber deutlich weniger, aber immer noch reichlich viel Geld...

Danach dachte ich jedenfalls immer, dass ich jetzt ganz sicher aufhören würde. Tatsächlich habe ich aber nur eine Pause gemacht, bis es wieder einmal Stress gab, Langeweile oder ich einfach den Kopf frei kriegen wollte. Wenn es ein Suchtgedächtnis gibt, warum merkt sich der Kopf dann diese bodenlose Enttäuschung nicht, die die Sucht bringt? Auch jetzt habe ich das Gefühl, dass mir eigentlich nichts mehr passieren kann. Ich habe ja die Erfahrung gemacht, dass das Spielen mir nichts Positives bringt, im Gegenteil, es kostet nur. Dennoch kehre ich immer wieder an den Anfang zurück. Ich merke langsam, dass es Antworten auf diese Fragen gibt. Gleichzeitig merke ich aber auch, dass der Dämon, der mich beim Spielen antreibt, bereits heute wieder lauter wird und sagt: "Mach dir den Stress doch nicht, diesmal sitzt die Erfahrung tief genug und du schaffst es alleine." Ich hoffe, ich kann ihn dieses Mal übertönen.

Zitat von: Olli
. eine Bitte habe ich ... komme am Samstag ins Webmeeting.

Das habe ich schon öfter vorgehabt und jetzt wäre sicher genau der richtige Zeitpunkt, allerdings bin ich das ganze Wochenende mit der Familie unterwegs. Ich hoffe, ich schaffe es in der folgenden Woche!

Vieles von dem, was du schreibst, kann ich gut verarbeiten. Es würde jetzt den Rahmen sprengen, wenn ich auf alles eingehe. Stelle dir einfach einen Typen vor, der nickend vor dem Bildschirm sitzt, während er deinen Beitrag liest ;) Ein paar Dinge würde ich aber schon gern kommentieren.

Zitat
Glücksspieler haben ein Problem bei der Gefühlsregulation. Da ist es egal, ob die Gefühle und Emotionen gut oder schlecht sind. Wir sollten hier sehr gut auf uns aufpassen, damit aus diesen Gedanken nicht eine negative Verstärkung entsteht - Du also in einen Kreislauf aus negativen Gefühlen gelangst, die Dich spielen lassen, worauf Du Dich noch schlechter fühlst ... usw.

Das ist ein sehr guter Punkt. Wie oben geschrieben gibt es schon beim Triggern von Spielsessions verschiedene Auslöser. Oft ist es familiärer oder beruflicher Stress, aber auch das Gegenteil davon. Am gemeinsten empfinde ich es, wenn sich der Dämon positive Gefühle schnappt. Die Vorfreude auf einen entspannten Familienurlaub.. am Vorabend noch ein bisschen gespielt und dann übermüdet und mit schlechtem Gewissen in den Urlaub gestartet. Oder den lustigen Partyabend (leicht beschwippst) am Laptop beenden... Das hat schon so manches schönes Erlebnis kippen lassen. Und selbst wenn es "positiv" endete, die Bilanz zeigt insgesamt in eine andere Richtung.

Zitat
Wieso möchtest Du eigentlich abstinent sein? Ist es überhaupt schon so weit oder möchtest Du nur Dein schlechtes Gewissen loswerden? Das Versagen der Vergangenheit hinter Dir lassen? Wie ambivalent bist Du in diesen Fragen?

Autsch, die Fragen gehen tief. Es trifft glaube ich alles zu. Hätte ich kein schlechtes Gewissen, würde ich vermutlich nicht aufhören wollen. Das stört mich am allermeisten. Als ich den (nun hoffentlich den Ausschlag gebenden) Groß-Gewinn noch nicht wieder verzockt hatte, habe ich mir gesagt, dass das doch jetzt der ideale Zeitpunkt sei, die Initiative zu ergreifen und eben genau "das Versagen der Vergangenheit hinter mir" zu lassen, denn ich hatte ja zumindest in der Summe kein/kaum Geld verloren. (Insgesamt kann ich wirklich nicht beziffern, wie viel ich insgesamt verloren habe). Nun ist das Geld wieder weg, aber ich will diesen Impuls nicht auch noch liegen lassen. Darum denke ich schon, dass ich wirklich abstinent sein will. Wie bisher darf es einfach nicht weitergehen.

Um noch etwas über mich hinzuzufügen:
Zitat von:  SCHWARZWALDTEUFEL
Hast du den auch Schulden durch das Spielen (wenn zu privat brauchst nicht antworten)

Externe Schulden habe ich keine. Ich habe aber natürlich mit dem Geld gespielt, das eigentlich für mich und meine Familie gedacht ist. Selten auch mal im realen Casino, dann aber mit Freunden und dadurch unter sogenannter "sozialer Kontrolle".
Mit dem Spielen habe ich im Studium begonnen. Über Online-Poker, das damals sehr beliebt war, bin ich die Casino-Szene "abgerutscht".  Während des Studiums habe ich sporadisch gespielt und mit der Zeit wurde es immer mehr, die Einsätze wuchsen und das Unheil nahm seinen Lauf...

Die Liste der Online Casinos, in denen ich mich selbst gesperrt habe, ist mittlerweile ewig. Teilweise habe ich listenweise Casinos recherchiert, mich angemeldet und mich gleich sperren lassen, um mich auch für die Zukunft zu schützen...
Ich habe auch bereits das Angebot von Check dein Spiel wahrgenommen und das Tagebuch mit den Feedback-Meldungen genutzt mit ganz positivem Effekt. Auch habe ich versucht, mir zu vergegenwärtigen, was mir eigentlich wichtig ist, indem ich z.B. die Geburtsdaten meiner Kinder in meine Konto-Pin eingebaut habe, sodass ich nicht umhin kam, sie einzugeben, um Einzahlungen freizuschalten. Ich habe eine Liste mit negativen Effekten des Spielens und motivierende Argumente gegen Rückfälle in meinem Handy angelegt und mich selbst verpflichtet, sie vor Beginn einer Spielsession durchzulesen...

Ich hoffe wie gesagt, dass ich nicht wieder dem Gedanken erliege, dass ich diesmal wirklich verstanden habe, dass ich aufhören muss, sondern  irgendwie eine langfristig funktionierende Lösung finde, bzw. Techniken lerne, damit umzugehen. Es gibt dieses Zitat, angeblich von Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist es, immer wieder das Gleiche zu tun, aber andere Ergebnisse zu erwarten." Daran habe ich nach einem Rückfall oft gedacht und mich gefragt, ob ich wahnsinnig bin. Dieses Verhalten trifft aber nicht nur darauf zu, dass ich wieder und wieder spiele, obwohl ich weiß, dass ich mich nachher schlecht fühle und dafür sehr viel Geld bezahlt habe, sondern eben auch darauf, dass ich in den "Schlechtes Gewissen"-Phasen immer wieder denke, dass das jetzt der Schlusspunkt sei...

So viel für jetzt, ich melde mich nach dem Wochenende wieder und freue mich derweil auf eure Gedanken.
« Letzte Änderung: 01 September 2024, 19:58:59 von HarryF »

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Offline Olli

  • *****
  • 7.599
Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #9 am: 26 Juli 2024, 06:37:19 »
Guten Morgen!

Vielleicht gehe ich nachher noch mal auf Deinen Beitrag ein. Im Moment möchte ich nur eine kleine Korrektur vornehmen. Ich wollte es geschrieben haben ... habe es aber dann blöderweise nicht getan. Es geht mir um das "Versagen der Vergangenheit". Ich rede hier nur von Deinem Gefühl und nicht etwa über eine Wertung meinerseits! Ich weiß, dass das alles zum Suchtverhalten gehört. Eine Sucht ist aber kein Versagen, sondern ein Versuch der Selbstmedikation. Kaum jemand weiss, wieso er spielt. Wir sehen nur, dass wir uns mit Spiel zumindest kurzfristig besser fühlen, bzw. uns überhaupt zu fühlen scheinen. Das Verhalten, was dahinter steckt, ist vollkommen natürlichen Ursprungs, denn wir können nicht Erfahrungen aus allen möglichen Sparten des Lebens sammeln. Also wird etwas genutzt, was wir bereits kennen, wenn wir mit einer unbekannten Situation konfrontiert werden. Es scheint zu helfen, also wieso weiter Energie hineinstecken?

Noch etwas zum Aufhören ... Ich selbst habe 20 Jahre am Automaten gespielt. Dabei habe ich mir tausende Male geschworen: Das war es jetzt ... ich höre auf! Ich war da auch zeitweise abstsinent. Doch tief in mir drin hatte ich mir die Erlaubnis zu spielen gar nicht entzogen. Also war es klar ... im Nachgang betrachtet ... dass ich wieder spielen würde. Grob zu der Zeit, als Du mit Pokern angefangen hattest, habe ich tatsächlich aufgehört. Es brauchte ein fast komplettes Monatsgehalt, was ich an einem Tag verspielte. Punkt Mitternacht stand ich vor der Halle und steckte voller Wut über mich selbst. Voller Enttäuschung war ich. Doch damals wusste ich, dass das kein Versuch war. Es gab für mich kein Zurück mehr. Ob mich meine Gedanken auch quälen mochten - ich würde das schon durchstehen. Keine 2 Monate später saß ich in der SHG und lernte viel durch die Anderen über mich selbst.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #10 am: 28 Juli 2024, 23:52:55 »
Hallo,

Auf meiner Liste, die ich mir mal geschrieben hatte, um mich zum Nichtspielen zu motivieren, steht unter anderem "Gefühl am nächsten Morgen +/-". Gemeint ist damit, dass ich im Gegensatz zum schlechten Gewissen nach langen Spielsessions das eigentlich "neutrale" Gefühl am nächsten Tag, wenn ich nicht gespielt habe, mehr wertschätzen soll. Die Abwesenheit des schlechten Gefühls sollte ein gutes Gefühl sein. Auf diesen Gedanken morgen früh will ich mich jetzt schon freuen. Aktuell nagt aber immer noch das Gefühl dieses riesigen sinnlosen Verlustes der letzten Wochen an mir. Plötzlich tauchen überall sehr gute Verwendungszwecke für das Geld auf, davon muss ich mich frei machen. Zum Glück ist es vor allem der Ärger, die Chance verpasst zu haben, vor dem Aussteigen aus der ganzen Schei*e den Gewinn noch mitzunehmen und nicht das Bedürfnis, den Gewinn zu wiederholen oder wieder reinzuholen. Aktuell verspüre ich dem Echtgeldspiel gegenüber vor allem große Verachtung.

Was ich in solchen Situationen manchmal früher gemacht habe, ist im "Demomodus" um Spielgeld zu zocken. Sozusagen als Ersatzbefriedigung und (angeblich) um mir zu zeigen, dass ich am Ende eh wieder verloren hätte. Manchmal habe ich mir aber auch daraus eine Wette gemacht und wenn ich genug Spielgeld "gewonnen" hatte, habe ich mir "erlaubt" doch einzuzahlen...
Hier hat mir Ollis so offensichtlicher Hinweis geholfen, dass ich die Sachen anders machen muss, nicht ähnlich, wenn ich etwas ändern will.

In diesem Sinne werde ich mir nun einfach eine ordentliche Mütze Schlaf holen.
Bis bald
« Letzte Änderung: 01 September 2024, 20:01:15 von HarryF »

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Offline Olli

  • *****
  • 7.599
Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #11 am: 29 Juli 2024, 07:35:39 »
Guten Morgen!

Zitat
Gemeint ist damit, dass ich im Gegensatz zum schlechten Gewissen nach langen Spielsessions das eigentlich "neutrale" Gefühl am nächsten Tag, wenn ich nicht gespielt habe, mehr wertschätzen soll. Die Abwesenheit des schlechten Gefühls sollte ein gutes Gefühl sein.

Betrachte heute morgen bitte mal dieses "neutrale" Gefühl und beschreibe es!

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
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Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #12 am: 30 Juli 2024, 15:32:08 »
Zitat
Betrachte heute morgen bitte mal dieses "neutrale" Gefühl und beschreibe es!

Ich komme erst heute dazu, zu antworten. In der Nacht ist meine kleine Tochter zu uns ins Bett gekrabbelt und ich hab sie am nächsten Morgen angeschaut, als sie noch schlief und mir bewusst gemacht, wie wichtig es ist, dass ich sie an diesem Morgen reinen Gewissens ansehen kann. Ich konnte am Montag zu Hause arbeiten, habe mich dann mit einem Kaffee auf die Terrasse gesetzt und etwas nachgedacht. Gar nicht übers (nicht) Spielen, aber aufgrund deines Hinweises doch auch darüber, wie es sich anfühlt. Ich war nicht unbedingt euphorisch, aber es war schon schön zu sehen, dass ich mich an meinen Vorsatz gehalten habe. Nur traue ich der Sache nicht so ganz. Ich hatte immer nach besonders intensiven Phasen diese Momente, in denen ich für einige Zeit nicht gespielt habe. Ich weiß zwar, welche Situationen mich dazu bringen, mich dem Dämon hinzugeben, in welchen Momenten er nur kurz anklopfen muss und ich ihm gerne die Tür weit öffne, aber es gibt auch immer Phasen, da blicke ich durch ihn hindurch, da kann er mich nicht erreichen. Meist, wenn es vorher besonders exzessiv war, so wie zuletzt.

Heute sitze ich allein im Büro und es ist wenig zu tun. Ich könnte Dinge erledigen, die aber nicht drängen und ich hätte Lust, dass etwas passiert. Unter anderen Umständen auch wieder eine hochgefährliche Konstellation, momentan fühle ich mich aber sicher. Wie ich schon einmal schrieb, will ich dieser Sicherheit gerne so festschreiben und speichern, dass mein Unterbewusstsein den Spieldruck runterlevelt. So, wie es das sonst in die andere Richtung dreht und mir weis macht, es sei eine gute Idee oder schon okay, jetzt zu spielen. Dabei blieb es gar nicht immer im Unterbewusstsein. Teilweise habe ich mir ganz explizit gesagt: Es ist schon richtig so, dass du jetzt wieder einzahlst, du bist halt süchtig und kannst eh nichts dagegen tun.  So kann man es sich natürlich auch sehr einfach machen.

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Offline andreasg

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Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #13 am: 30 Juli 2024, 17:50:39 »
Hallo Harry,

der Blick auf das schlafende Kind, das rührt mich an, für mich aber präziese das Ergebnis der Umkehr in das reale Leben!
Danke für Deine innere Einsicht.

Das andere ist die Büroarbeit, die nicht so wichtig ist. Ich muß sagen, daß ich mich im Büro in meinem Element gefühlt habe, wenn richtig der Bär tanzte, und alles dem Streß gehorchte. Da konnte ich dann nach spätem Feierabend noch in der Spielhalle äbhängen,, denn da hatte ich im Büro ja schon vorgeglüht! (Sarkasmus)
Eine Struktur ist es, bewußt  eine Stunde sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, auch wenn es den Anschein hat, daß es nicht wichtig wäre. Es hilft der Konzentration für das Wesentliche auf die Spünge zu kommen.

Ach ja,der Dämon, schick ihn entschieden zurück! ,sein Job ist aus!

schöne 24 Stunden
Andreas

Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

Re: Ich will es versuchen...
« Antwort #14 am: 02 August 2024, 14:07:08 »
Hallo,

so, nun ist es 10 Tage her, dass ich meinen letzten Einsatz gemacht habe. Obwohl ich schon öfter auch längere Phasen (wochenlang) ohne zu spielen hatte, fühlt es sich jetzt so an, als wäre seitdem schon wesentlich mehr Zeit vergangen.
Woran liegt das? Zum einen wahrscheinlich daran, dass ich in den letzten Wochen/Monaten meist mehrere Abende pro Woche gespielt habe. Es war zuletzt eine fast regelmäßige, aber unkontrollierte Angewohnheit. Zum anderen bin ich gedanklich aktuell so stark auf Abstand zum Spielen gegangen wie ewig nicht mehr (noch nie?).

Was habe ich in der Zeit gemacht: Neben der Anmeldung und dem Aufschreiben hier habe ich vor allem viel in anderen Beiträgen gelesen. Vieles von dem, was da berichtet wird, habe ich zumindest in Ansätzen bei mir wiedererkannt. Aber ich habe auch das Gefühl, dass die Sucht bei mir noch nicht so "gewuchert" hat, wie es bei anderen der Fall ist. Es klingt vielleicht unangebracht, aber für mich ist das Forum und die Beiträge der anderen auch eine Quelle abschreckender Beispiele. Ich will nicht, dass es bei mir zum äußersten kommt, von dem andere hier berichten. Ich will nicht sagen, dass ich mich besser fühle, wenn ich davon lese - es ist eher so, dass ich diese Beispiele als warnende Zukunftsvision für mich sehe, wenn ich nicht tätig werde und es mich optimistisch stimmt, dass ich jetzt die Reißleine ziehen will. Immerhin ist mein Leidensdruck auch so schon hoch und ich habe durch die negativen Seiten meines suchthaften Verhaltens schon stark gelitten.

Also, was habe ich getan, was ist der Plan?

Neben der intensiven Auseinandersetzung mit mir und meinem Verhalten sowie den Eigenschaften der Sucht habe ich angefangen, mich hier zu offenbaren. Außerdem habe ich diese Woche erstmals jemandem aus meinem Umfeld davon berichtet. Ich habe es einem Kumpel erzählt, der das ganze übrigens sehr gelassen aufgenommen hat und mit dem ich jetzt offen reden kann. Das macht schon einmal Mut.

Ein wichtiger weiterer Schritt betrifft die vollständige Abnabelung von der "Szene". Das betrifft einen besonders heiklen Punkt, den ich bislang noch nicht erwähnt habe. Ich arbeite nebenberuflich frei im Marketing und habe dort seit Jahren einen Kunden aus dem Affiliate-Bereich, für den ich mehrmals im Monat auch Content für Online Casinos bearbeite. Das war zuletzt ein nicht unerheblicher Teil meines Einkommens und hat so gesehen bislang auch einen Großteil meiner Einsätze finanziert. Es ist aber natürlich absolut kontraproduktiv, wenn ich mich auch zukünftig mehrmals im Monat damit auseinandersetzen "muss". Dessen bin ich mir schon länger bewusst, konnte mich bislang aber nie dazu durchringen, diesen lukrativen Auftrag zu kündigen. Ich habe mir lange gesagt, dass ich das trennen kann und auf die Einnahmen nicht verzichten kann, aber damit sind wir wieder beim Punkt "anders machen" und Abstand von der gesamten Schei*e gewinnen. Ganz zu schweigen von der Frage, wie ich es als Betroffener vertreten kann, auch noch Werbung für die Branche zu machen. Bitte verurteilt mich nicht dafür, dass ich das bislang nicht umgesetzt habe. Jedenfalls werde ich dem Auftraggeber ab diesem Monat kündigen und auf diesen Auftrag verzichten. Das erleichtert mir auch die Installation von Sperr-Software auf meinem Rechner, den ich bislang noch dafür nutzen musste. Da ich von meinem Hauptjob allerdings auch verschiedene dienstliche Geräte habe, auf denen ich keine Software installieren kann, sind in Sachen Zugänglichkeit noch Lücken offen.

Ein Punkt der noch aussteht, ist das absolut wichtige Gespräch mit meiner Frau. Hier besteht das große Problem, dass sie selbst unter einer Belastungsstörung leidet und deshalb auch schon in Behandlung war. Es ist eine große Herausforderung, sie mit der Situation zu konfrontieren, weil sie durch diverse Umstände ohnehin mental aktuell schon stark gefordert ist. Ich will es einerseits nicht mit einer Salami-Taktik oder Halbwahrheiten versuchen, andererseits sehe ich wirklich die Gefahr, sie durch die Konfrontation zumindest stark zurückzuwerfen. Ich möchte daher aber so viel wie möglich vorab klären, um deutlich zu machen, dass sie nicht allein für meine Probleme zuständig sein wird. Ich arbeite relativ viel und sie übernimmt einen Großteil der Familien-Organisation. Da ich ihr nicht auch noch die komplette Verantwortung der Familien-Finanzen übertragen will (darum kümmere ich mich aktuell alleinverantwortlich), ist es mein Plan, zunächst ein einziges gemeinsames Konto einzurichten, sodass sie in jedem Fall sehen kann, wo meine Ausgaben hingehen. Dass ich bislang quasi ungebremst bei Online Casinos einzahlen konnte, ohne dass es jemand merkt, war bislang definitiv ein sehr großer Faktor, der meine Eskalation ermöglicht hat. Ist es unverantwortlich, diese "seichte" Variante der Finanzkontrolle zu versuchen?

Damit sind wir bei der nächsten Baustelle: Ich stehe beruflich vor der Möglichkeit, in den nächsten Jahren in den Beamtenstatus zu wechseln. Ich bin daher verunsichert, welche Form der therapeutischen Unterstützung in Frage kommt. Das muss ich noch "unauffällig" klären, bevor ich hier möglicherweise aktiv werde.

Ich hoffe, meine Überlegungen und Fragen sind auch in diesem Forum angebracht und finden Gehör. Gegebenenfalls kann ich sie sonst noch einmal im Allgemeinen Forum stellen. Ich freue mich auf jeden Fall auf eure Einschätzung.

Viele Grüße und danke dafür
Harry
 

 

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