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Die Geschichte eines pathologischen Spielers

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Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« am: 17 Juni 2024, 15:51:44 »
Hallo in die Runde!
Mein Name ist Kweyzi 27 Jahre alt und bin mehr oder weniger neu in diesem Forum, zwar habe ich in der Vergangenheit hier gerne mal reingeschaut, mich aber nie wirklich getraut hier ein Konto, oder gar einen Beitrag zu erstellen.

Meine Leidensgeschichte begann im August 2014, in diesem Monat wurde ich 18 Jahre alt und somit war für mich klar, dass ich nun legal ein Konto bei diversen Casino und Wettanbietern erstellen durfte.
Lange hat es nicht gedauert bis ich nach wenigen Monaten mein gesamtes BAföG einzahlte (zu dem Zeitpunkt war ich noch ein Student) und natürlich auch regelmäßig verloren habe.
Ich hing in dieser Zeit so gut wie nur mit Menschen ab, die ein gleiches Verhaltensmuster an den Tag legten, wir hingen einfach rum, suchten den Kick bei Sportwetten oder auch in Spielhallen und Spielbanken.
Der Verlust und die Schulden hielten sich in Grenzen, klar habe ich meistens alles nach wenigen Tagen verzockt, jedoch wusste ich dass ich bloß 2-3 Wochen warten muss bis ich wieder meine Routine fortsetzen kann.

Das ganze ging 3-4 Jahre eigentlich genau so weiter, ich habe mein Studium vernachlässigt und beendete meine Studienzeit im Oktober 2018 ohne Abschluss, wie gesagt, das war in meiner Umgebung traurigerweise ziemlich "normal"
Das Glücksspiel war weiterhin ein großer Bestandteil meines Lebens, ich habe mich jedoch damals in der Spielbank sperren lassen und spielte nur noch in Spielhallen und Wettbüros (damals gab es kein OASIS)
Mal etwas gewonnen, nach wenigen Tagen natürlich wieder alles verloren - das ging Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Ich jobbte nach dem Studium bei meinem Vater und hatte ein mehr oder weniger durchschnittliches Einkommen.
Ich bin JEDEN Tag während meiner Arbeitszeit oder auch natürlich danach in die Spielhalle gefahren oder auch ins Wettbüro gegangen um kurz einen Schein abzugeben, Online hatte ich mich bereits bei circa 50 verschieden Anbietern sperren lassen, ich habe mir nach jedem großen Verlust geschworen aufzuhören aber natürlich habe ich nie aufgehört. Zu der Zeit habe ich mir die ersten Schulden aufgebaut, Ich hatte einen aktiven Dispo in höhe von 2300€ (natürlich immer Ausgereizt) und beantrage eine Kreditkarte mit einem Verfügungsrahmen von 1000€. Trotz der Schulden und meinem mangelnden Umgang mit Geld fiel es niemanden in meiner Familie auf dass ich eine Glücksspielsucht habe, ich habe natürlich alles und jeden angelogen, auch mich selbst.

Im Jahr 2019 begann es dann sehr schnell Düster zu werden, ich bekam keine weiteren Kredite und fing an meinen Vater auf Arbeit zu beklauen, erst klaute ich ihm immer wieder 50€-100€ aus seinem Portemonnaie bis mir das nach kurzer Zeit nicht mehr reichte und ich an sein Bankkonto ging. Parallel dazu habe ich auf Ebay 2 Handys verkauft die ich natürlich nicht hatte und beging somit das zweite mal innerhalb kürzester Zeit eine Straftat wegen meiner Spielsucht. Mein Vater ging zur Polizei um eine Abhebung in Höhe von 1000€ anzuzeigen, welcher er nie getätigt hatte und bekam nach wenigen Wochen eine Aufzeichnung von mir, wie ich am Bankautomaten stehe und sein Konto plündere. Unter Tränen fragte er mich wieso ich so etwas mache und ich schwieg und sagte ich weiß es nicht..
Der geschädigte Mann von Ebay erstatte natürlich auch Anzeige und schneller als ich gucken konnte wurde ich vor Gericht zu einer Strafe von 1000€ verurteilt und natürlich musste ich ihm den Kaufpreis der Handys erstatten.
So schnell ging es bergab, nun fing ich an darüber nachzudenken ob das alles so richtig ist, aber meine Sucht hat mich trotzdem jeden Tag ins Casino gezerrt, auch wenn ich kein Geld hatte, kratzte ich meine letzten Cents zusammen um spielen zu gehen.

Das ganze ging mehr oder weniger exzessiv bis zum Jahr 2023 weiter.. Ich habe in der zwischenzeit meinen Eltern von meinem Problem erzählt und mein Vater löste meine Schulden bei der Bank ab und ich war sozusagen auf 0, ich verspielte jeden Monat fleißig mein verfügbares Geld, bekam Gottseidank keine Kredite, versuchte oft irgendwie an Geld zu kommen ohne Straftaten zu begehen, aber es ging nichts.

Im März 2023 war ich 26 Jahre alt und bekam eine Stelle im Vertrieb, zu dieser Zeit spielte ich eigentlich kaum, mal hier 50€ mal da 100€ Wetten, es war aber nicht mehr wirklich Relevant und wusste auch dass ich nun Verantwortung zu tragen habe, inzwischen konnte ich meine Fixkosten decken, bekam keine Briefe vom Inkasso mehr und das Glücksspiel war für mich nicht mehr so Relevant.
Ich beantragte nach wenigen Monaten bereits einen Kredit und bekam rund 50.000€ zur freien Verfügung ausgezahlt, ich kaufte mir ein Auto, richtete meine Wohnung ein, war mit meiner Freundin ein paar mal im Urlaub und lebte einfach etwas besser als sonst. Nun wie Ihr euch schon denken könnt ging das jetzt nicht lange gut. Ich fing wieder an in Crypto Casinos zu spielen, verspielte über 20000€ in wenigen Monaten, das Geld war zum größten Teil weg und ich musste nun mein Auto wieder verkaufen um meine laufenden Kosten zu decken, ich vernachlässigte meinen Job und fing an mehr und mehr zu spielen.
Das ganze ging bis Gestern, ich verspielte in den letzten Monaten unfassbar viel Geld, ich gewann ein wenig, verlor aber natürlich auch das wieder.
Ich habe trotz meiner Sucht und meinem Kontrollverlust nie ALLES verspielt sondern wusste durch meine Vergangheit dass ich es mir nicht erlauben kann wieder in dieses große Loch zu fallen, aus diesem Grund habe ich immer wenn ich mal was gewonnen habe es meiner Freundin oder Schwester gegeben um es für mich aufzubewahren. (Beide wissen von meiner Sucht)

Ich bin aktuell nicht verschuldet, schaffe es über Wochen und Monate hohe Summen an Bargeld zu halten (was früher nie möglich war) und hätte theoretisch die Möglichkeit meine laufenden Kredite zu tilgen, es geht mir aber mehr um diese Gewohnheit, diese psychische Belastung wenn ich wieder vierstellige Beträge innerhalb weniger Stunden einzahle und verliere, ich habe bereits zu allen ebenfalls süchtigen aus der Vergangenheit den Kontakt abgebrochen und möchte mich wieder dem wahren Leben widmen - Ich bin bereit etwas an dieser Abwärtsspirale zu ändern, habe für morgen einen Termin bei einer Suchtberatung und will mich nicht mehr selbst bemitleiden, was ein Idiot ich bin, bringe durch mein Verhalten Freundin & Familie zum heulen, gesteuert von meiner Spielsucht. Ich Plane für die nächsten Monate einen Umzug und eine neue Arbeitsstelle anzufangen, da mich der Job im Vertrieb mich auch nicht wirklich erfüllt hat, ich weiß aber auch nicht was mir spaß machen würde abseits den Glücksspiels was auch seeeehr Belastend ist..
Ich habe es Satt rumzuheulen und dieses Problem nicht anzugehen, manchmal hab ich bloß Angst dass ich da niemals rauskommen werde..

Hat jemand ähnliche Erfahrungen gesammelt? Was hat euch am besten geholfen?

Ich freue mich auf euer Feedback :)




« Letzte Änderung: 17 Juni 2024, 15:54:29 von Kweyzi »

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Offline Olli

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Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #1 am: 17 Juni 2024, 16:13:35 »
Hi und willkommen Kweyzi !

Ich habe mich beim Lesen oft in Deiner Lebensgeschichte wiedergefungen.

Zitat
Ich habe es Satt rumzuheulen und dieses Problem nicht anzugehen, manchmal hab ich bloß Angst dass ich da niemals rauskommen werde..

Nun, Du hast gerade wertvolle Schritte eingeleitet. Genau das ist das Mittel gegen die Glücksspielsucht: ins Handeln kommen!
Es hat sich nicht nur bei mir bestätigt, sondern auch bei all den Spielern, die ich in den Jahren ein Stück weit begleiten durfte: "Das Schwerste am Aufhören ist das Anfangen!"
Egal ob Du in die Suchtberatung gehst, in eine SHG oder zu einem Therapeuten/Psychologen ... alle werden darauf achten, dass Du Dich nicht überforderst bei Deiner Arbeit an der Genesung. Ja, manchmal kann es belastend sein, en gros aber wirst Du die Fortschritte und vor allem die Erfolge spüren. Sie werden Dich motivieren weiter zu machen.
Für mal nicht so rosige Zeiten wirst Du Dir ein Paketchen schnüren, damit Du Dich z.B. in die Arme Deiner Freundin fallen lassen kannst ... oder Du rufst z.B. jemanden aus der Suchthilfe zu Rate.
Du wirst sicherlich auch noch von Anderen hier Resonanzen erfahren. Viele sind bereits langjährig abstinent und haben ihr Leben wieder voll im Griff. Wieso solltest Du eine Ausnahme bilden und es nicht schaffen?

Was nicht geht, das ist zu versuchen das Glücksspiel "im Spiel" zu kontrollieren. Diese Fähigkeit hast Du nicht mehr. Solltest Du weiter spielen, dann behälst Du Deine Gewohnheiten und machst Dir Deine Routinen für die Abstinenz nur um so schwerer. (Routinen: Wiederkehrendes, was mit Aufwand betrieben werden muss: Gewohnheit: Wiederkehrendes, welches ohne Aufwand betrieben werden kann, weil es "in Fleisch und Blut" übergegangen ist. Wenn Du also Routinen etablierst, dann werden sie irgendwann zu Gewohnheiten. Das funktionierte auf dem Weg in die Sucht und genauso funktioniert es auch wieder hinaus!) Ab sofort gilt also die absolute Abstinenz!

Wenn Du magst, dann komme am Samstag ins Webmeeting. Dort kann ich Dir einfacher erklären, wie Du Dich JETZT vor Dir selbst schützen kannst. Der Link zum Meeting steht in meiner Signatur!

« Letzte Änderung: 17 Juni 2024, 16:15:28 von Olli »
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Rubbel

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Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #2 am: 17 Juni 2024, 19:19:12 »
Hey Du :)

Was für ein Studium hattest Du denn begonnen und was wolltest Du mal werden ursprünglich - beruflich, meine ich.
Ansonsten fällt mir gerade wenig ein, außer dass Du evtl. erst mal eine Sache stabil durchziehen solltest. Umzug kostet Geld. Geht dabei was kaputt, muss es ersetzt/erneuert werden=Kosten.
Und der Job? Der gefällt Dir nicht so, und Du willst ihn jetzt unbedingt wechseln, ohne eine gute  Alternative im Kopf zu haben.
Hast Du denn nach dem Studium ne Ausbildung gemacht?
Und noch mal zu 'heute': Was liegt Dir denn? Was macht Dir Spaß? In welchen Fächern warst Du in der Schule gut?
Also insgesamt jedenfalls denke ich: Erst das eine, dann das andere und dann mal gucken, was sich als wichtig herausstellt.
Gerade wirkst Du so, als hättest Du die ganze Zeit bewegungslos im Bett gelegen und wolltest dann bei der Tour de France mitmachen.

Ja, klar: Du willst nicht mehr jammern. Das heißt aber nicht, dass Du jetzt gleich alles vernunftgesteuert angehst. Erst mal weg vom Zocken, empfehle ich Dir. Nicht, dass Du bei mehreren andren Aufgaben ganz vergisst, dass Du einen Tag zuvor noch dachtest, ein Rückfall wäre unmöglich ... Aber dann... 'stehste da'.
Schönen Abend wünsche ich Dir!

Viele Grüße
Rubbel
--Meist ist Geist geil--

Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #3 am: 17 Juni 2024, 23:24:53 »
Hey Olli, vielen Dank für deine Antwort!

Wie du bereits gesagt hast, wieso sollte ich es nicht schaffen? Die Zweifel sind leider meinem mangelnden Durchhaltevermögen verschuldet, dieses mal möchte ich aber aktiv etwas in die Hand nehmen! :)

Zitat
Was nicht geht, das ist zu versuchen das Glücksspiel "im Spiel" zu kontrollieren. Diese Fähigkeit hast Du nicht mehr. Solltest Du weiter spielen, dann behälst Du Deine Gewohnheiten und machst Dir Deine Routinen für die Abstinenz nur um so schwerer. (Routinen: Wiederkehrendes, was mit Aufwand betrieben werden muss: Gewohnheit: Wiederkehrendes, welches ohne Aufwand betrieben werden kann, weil es "in Fleisch und Blut" übergegangen ist. Wenn Du also Routinen etablierst, dann werden sie irgendwann zu Gewohnheiten. Das funktionierte auf dem Weg in die Sucht und genauso funktioniert es auch wieder hinaus!) Ab sofort gilt also die absolute Abstinenz!

Damit hast du natürlich absolut Recht, ich habe in der Vergangenheit oftmals versucht kontrolliert zu Pokern, weil ich mir eingeredet habe dass ich ja so ein begnadeter Spieler sei, Pustekuchen - am Ende resultierte immer ein Kontrollverlust.
Ich bin bereit mit allem aufzuhören!
Ich frage mich aber wo ziehe ich hier mein Limit? Darf ich noch in einer geselligen Runde mit meinen Freunden Monopoly spielen? Allgemein sind ja leider viele Spiele vom Zufall/Glück abhängig, die würde ich natürlich auch meiden, frage mich aber einfnach nur wie ihr oder in dem Fall du damit umgegangen bist :)

Zitat
Wenn Du magst, dann komme am Samstag ins Webmeeting. Dort kann ich Dir einfacher erklären, wie Du Dich JETZT vor Dir selbst schützen kannst. Der Link zum Meeting steht in meiner Signatur!
Ist notiert! :)

Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #4 am: 17 Juni 2024, 23:49:15 »
Hey Rubbel, ich danke dir ebenfalls für deine Antwort! :)

Zitat
Ansonsten fällt mir gerade wenig ein, außer dass Du evtl. erst mal eine Sache stabil durchziehen solltest. Umzug kostet Geld. Geht dabei was kaputt, muss es ersetzt/erneuert werden=Kosten.
Und der Job? Der gefällt Dir nicht so, und Du willst ihn jetzt unbedingt wechseln, ohne eine gute  Alternative im Kopf zu haben.
Genau, ich wohne in einer kleinen 1-Zimmer Wohnung, ich habe einfach das Gefühl, dass nach 4 Jahren und nach all der Zeit die ich mit dem Glücksspiel in dieser Wohnung verbracht habe, ein Tapetenwechsel mehr als notwendig erscheint. Es hat sich glücklicherweise eine ziemlich günstige Option angeboten genau diesem Wunsch nachzugehen, kostentechnisch wäre ich bei gleichbleibender Miete in einer größeren Wohnung. :)
Bezüglich meines Jobs gibt es viele Optionen, ich habe überlegt eine Stelle im Vertrieb im Außendienst in Betracht zu ziehen, der Büroalltag macht mich nicht mehr so glücklich wie Anfangs, und gerade im Sommer gibt es für mich nichts schöneres als draußen zu sein.

Zitat
Hast Du denn nach dem Studium ne Ausbildung gemacht?
Leider nicht, ich habe danach tatsächlich nur noch bei meinem Vater gejobbt um mir meine Sucht zu finanzieren, das Azubigehalt wäre in diesem Fall einfach zu wenig gewesen, ich glaube ehrlich gesagt mir hätte da auch ohnehin die Disziplin dazu gefehlt.

Zitat
Gerade wirkst Du so, als hättest Du die ganze Zeit bewegungslos im Bett gelegen und wolltest dann bei der Tour de France mitmachen.
Wäre das falsch? :P  ich meine ich muss ja irgendwas ändern und wie gesagt nach 100 mehr oder weniger ernsthaften Versuchen von der Sucht loszukommen, ist dies der ~101. und hoffentlich der Letzte.

Zitat
Ja, klar: Du willst nicht mehr jammern. Das heißt aber nicht, dass Du jetzt gleich alles vernunftgesteuert angehst. Erst mal weg vom Zocken, empfehle ich Dir. Nicht, dass Du bei mehreren andren Aufgaben ganz vergisst, dass Du einen Tag zuvor noch dachtest, ein Rückfall wäre unmöglich ... Aber dann... 'stehste da'.
Danke für deinen Rat! Ich bin auch der Überzeugung dass die Abstinenz meine größte Priorität sein sollte, es gab in der Vergangenheit nur leider oftmals Faktoren die mich dann einfach wieder dazu gebracht haben zu spielen (Streit mit Familie/Freunden, Langeweile, Einfluss von ebenfalls Abhängigen Kollegen). Diese Faktoren sind mir Bewusst geworden und ich arbeite aktiv daran, dass mich das nicht mehr zum Glücksspiel animiert.

Schönen Abend und gute Nacht! :)

Liebe Grüße Kweizy

*

Offline Olli

  • *****
  • 7.338
Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #5 am: 18 Juni 2024, 06:23:09 »
Guten Morgen!

Zitat
Ich frage mich aber wo ziehe ich hier mein Limit? Darf ich noch in einer geselligen Runde mit meinen Freunden Monopoly spielen? Allgemein sind ja leider viele Spiele vom Zufall/Glück abhängig, die würde ich natürlich auch meiden, frage mich aber einfnach nur wie ihr oder in dem Fall du damit umgegangen bist :)

Das ist eine viel diskutierte Frage! Tatsächlich musst Du hier in Dich hinein hören. "Achtsam sein" ist das Schlagwort. Aber es gilt auch "Vorsicht ist besser als Nachsicht".

Als ich das Glücksspiel einstellte, da knobelte ich in der Kneipe zunächst weiter um Runden. Irgendwann fiel mir auf, dass ich die gleichen Gefühle durchlebte, wie beim Automatenspiel. Ich stellte das Knobeln ein ...
Meine Freunde haben mich oft verteufelt, wenn ich beim Darten nicht um Runden spielen wollte ... das Gleiche in Grün ... ich wurde verbissener ...
Im Gegenzug: Mit meinen Nichten habe ich immer Mau-Mau gespielt. Nie habe ich eine von ihnen gewinnen lassen. Einmal fing eine an zu weinen. Ich machte ihr klar, dass es gar nicht ums gewinnen ging, sondern um die gemeinsame Aktivität ... um die Geselligkeit. Als wäre damit bei ihr ein Schalter umgelegt worden ... war alles von nun an in Ordnung. Es wurde zur Nebensache, wer gewann oder verlor.

Es gibt Glücksspielsüchtige, die z.B. Mau-Mau meiden. Was ist mit Lotto? Für mich ist es vom Suchtfaktor her weniger gefährlich. Aber auch selbst hier bleibe ich vorsichtig. So spiele ich weder jede Ziehung pro Woche, noch überhaupt jede Woche. Ich sitze auch nicht vor dem Bildschirm und warte, wie die Kugeln fallen. Irgendwann lasse ich im Laden nachschauen.

Höre einfach auf Dein Innerstes ... vertraue Dir selbst. Tja, und wenn Du unsicher bist, dann lasse es ... Damit fahre ich seit Jahren wunderbar ...

Zitat
Leider nicht, ich habe danach tatsächlich nur noch bei meinem Vater gejobbt um mir meine Sucht zu finanzieren, das Azubigehalt wäre in diesem Fall einfach zu wenig gewesen, ich glaube ehrlich gesagt mir hätte da auch ohnehin die Disziplin dazu gefehlt.

Damals ging ich vorsichtshalber nach der 11. Klasse von der Schule ab, Ich machte meine Ausbildung und bekam im Anschluss meinen ersten von drei Zeitverträgen, bis ich dann die Festeinstellung erhielt. Es war mir bereits in meiner Ausbildung klar, dass ich doch noch zumindest mein Fachabi machen wollte. Das begann ich dann auch in Abendform und schaffte es mit einer 2,3.
Hätte ich das vorher auf dem Gymnasium geschafft? Niemals ... ! Na klar kann man sagen, dass das Fachabi immer einfacher ist. Doch tatsächlich war unser Gymnasium damals das 2-schwerste in ganz NRW. Aber auch ich hatte mich verändert. Meine Einstellung zum Lernen hatte sich verändert. Damals lernte ich einen Freund kennen, mit dem ich zusammen lernte - wir pushten uns gegenseitig.

Gerade in der heutigen Zeit ist eine Ausbildung essentiell ... so meine Erfahrung. Ich habe Bekannte, die im Niedriglohnsektor arbeiten. Kürzlich erst gab ich Infos an einen weiter, damit er von seinem Job wegkommt und sich verbessert. Er hatte selbst von dem Wunsch erzählt. Doch als es ernst wurde, da hat er gekniffen ... seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Dabei wäre ein Job als Hausmeister für ihn als Handwerker, der laaaaaange aus seinem Gewerk heraus ist, ideal. Da er Fehlzeiten bei der Rente hat UND im Niedriglohnsektor arbeitet, wird seine Rente auch nicht ausreichen. Er könnte im ÖD aber 200 € über eine vom AG zu entrichtete Zusatzversorgung brutto zusätzlich erreichen. Aber er traut sich nicht ...

Nun weiß ich nicht, wie gut Deine Außendiensttätigkeiten bezahlt werden und wie zukunftssicher der Job ist. Du musst ja bedenken ... Du bleibst ungelernt, auch wenn Du Jahre der Erfahrung im Job vorweisen kannst. Dass in Deinem Alter noch eine Ausbildung machbar ist, habe ich bei mehreren unserer Azubis erlebt. Du könntest auch in Abendform ein Studium machen. Du hast Angst vor fehlender Disziplin? Finde es heraus ... hinschmeißen kannst Du immer noch ...
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #6 am: 19 Juni 2024, 00:36:03 »
Hey Olli!

Zitat
Das ist eine viel diskutierte Frage! Tatsächlich musst Du hier in Dich hinein hören. "Achtsam sein" ist das Schlagwort. Aber es gilt auch "Vorsicht ist besser als Nachsicht".

Ich habe mich dazu entschlossen alles aus meinem Leben zu streichen welches mir diesen Kick gibt den ich beim Glücksspiel erlebt habe.
Verrückterweise muss ich beichten, dass ich genau heute eine Email von der OASIS erhalten habe, in der mit mitgeteilt wurde, dass die Aufhebung meiner Sperre, welche ich vor 4!! Monaten beantragt habe vollzogen ist.
Ich habe mich tief im Inneren gefreut, habe die letzten Tage und Wochen oft drüber nachgedacht wie es wäre eine deutsche Spielbank von innen zu sehen, wie gesagt ich bin seit ungefähr 2014/15 gesperrt, das heißt also seit rund 10 Jahren..
Durch die Ausweiskontrolle zu gehen, an den Automaten lang zu laufen, der Anblick der sich drehenden Walzen, den Geruch, die Spieltische, diese ganzen Eindrücke die man halt so hat, ich habe es mir so überwältigend vorgestellt.
Ich habe mich schweren Herzens mit meiner Freundin hingesetzt, ihr davon erzählt und ihr gesagt ich würde gerne versuchen Online kontrolliert Poker zu spielen.. Nach einer kurzen Zeit des hin und her argumentierens stimmt sie mir zu unter dem Vorwand dass ich eine Bankroll in höhe von ein Paar tausend € erstelle, mit der ich versuche kontrolliert zu spielen.
Lange rede kurzer Sinn, ich erstelle ein Konto bei einem Pokeranbieter, welcher mich aber ganz schnell per Email darauf hingewiesen hat, dass ich mich vor vielen Jahren permanent vom Angebot ausgeschlossen haben soll!
Ich habe ~ 5 Sekunden auf die Nachricht gestarrt und entschied mich für das einzig Richtige, ich erstelle ein Konto bei einem Wettanbieter und verifizierte mich innerhalb weniger Sekunden, ich ging auf die Ausschlussfunktion und sperrte mich wieder bei OASIS für 12 Monate (länger ging leider nicht). Was ein unglaublich gutes Gefühl das war, dennoch bin ich schockiert darüber wie schnell ich wieder bei dem Gedanken war ein Pokerkonto zu erstellen um "kontrolliert" zu spielen, obwohl ich ja weiß dass es nicht geht  :o

Zitat
Als ich das Glücksspiel einstellte, da knobelte ich in der Kneipe zunächst weiter um Runden. Irgendwann fiel mir auf, dass ich die gleichen Gefühle durchlebte, wie beim Automatenspiel. Ich stellte das Knobeln ein ...
Meine Freunde haben mich oft verteufelt, wenn ich beim Darten nicht um Runden spielen wollte ... das Gleiche in Grün ... ich wurde verbissener ...

Es gibt Glücksspielsüchtige, die z.B. Mau-Mau meiden. Was ist mit Lotto? Für mich ist es vom Suchtfaktor her weniger gefährlich. Aber auch selbst hier bleibe ich vorsichtig. So spiele ich weder jede Ziehung pro Woche, noch überhaupt jede Woche. Ich sitze auch nicht vor dem Bildschirm und warte, wie die Kugeln fallen. Irgendwann lasse ich im Laden nachschauen.

Ich bin mir ziemlich sicher dass ich da auch durch muss, ich muss die Trigger erkennen und lernen damit umzugehen, ich hätte aktuell noch zu viel "Angst" auch nur um ein Bier zu spielen, weil es in der Vergangenheit wieder schnell eskaliert ist.
Lotto und Co habe ich auch gelegentlich gespielt, für mich aber auch absolut langweilig gewesen, sicherheitshalber lasse ich das aber auch sein, den großen Gewinn habe ich bereits mit der heutigen Erkenntnis erzielt.

Zitat
Höre einfach auf Dein Innerstes ... vertraue Dir selbst. Tja, und wenn Du unsicher bist, dann lasse es ... Damit fahre ich seit Jahren wunderbar ...

Super simpel und super hilfreich, ich muss ehrlich zu mir sein und hatte bereits heute ein mulmiges Gefühl wieder zu Pokern, ich wusste es ist nicht richtig, ich hätte auch theoretisch die Möglichkeit gehabt mich auf anderen Plattformen anzumelden, habe es aber nicht weil ich auf mein Gefühl gehört habe. Danke dafür!

Gute Nacht!




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Offline Olli

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Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #7 am: 19 Juni 2024, 06:03:44 »
Guten Morgen!

Sagst Du einem Alkoholiker, der in der Kneipe ein Bier nach dem anderen in sich hinein kippt: Lasse das Bier sein und trinke stattdessen Wodka! ? Wohl eher nicht ...
Von daher ist Deine Entscheidung, Dich wieder sperren zu lassen, vollkommen richtig. Bespreche Deine Entscheidung nun auch noch mal mit Deiner Freundin. Es gibt da nämlich nichts zu diskutieren.

Zum Sperrantrag ... in einem Jahr setzt Du ein Schreiben mit Bitte zur Aufhebung auf, Gleichzeitig füllst Du dieses Formular aus:
https://rp-darmstadt.hessen.de/sites/rp-darmstadt.hessen.de/files/2022-03/musterantrag_auf_selbstsperre.pdf
Wähle hier die befristete Sperre und 99 Jahre.

Ilona wird es sicherlich interessieren, welcher Anbieter die befristete Sperre nicht anbietet. Schicke ihr bitte mal die Daten per PN.

Edit: aus unbefristet befristet gemacht ... unbefristet war ja das, was Du dort einstellen konntest ... dann gilt nämlich 1 Jahr bis zur Aufhebemöglichkeit
« Letzte Änderung: 19 Juni 2024, 09:32:21 von Olli »
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
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Offline Ilona

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Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #8 am: 19 Juni 2024, 09:01:45 »
Ja, Olli kann inzwischen schon meine Gedanken lesen. Wie bei einem alten Ehepaar 😊
Es wäre super, wenn du mir den Anbieter mitteilst, der nur Sperren für ein Jahr anbietet.
Möglicherweise handelt es sich auch gar nicht um eine OASIS Sperre? Hatten wir letztens schon einmal. Da hat eine große bekannte Kette eine eigene Sperre angeboten. Auch das ist ein Verstoß.
LG Ilona
« Letzte Änderung: 19 Juni 2024, 13:05:28 von Ilona »

Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #9 am: 29 Juni 2024, 00:58:56 »
Guten Abend!
Der Anbieter bei dem ich mich sperren lassen habe sollte jedem ein Begriff sein, einer der größten in DE - eventuell habe ich nicht richtig geschaut, naja in einem Jahr würde ich definitiv die 99 Jahre sperre in Anspruch nehmen.
Ich bin nun seit 12 tagen mehr oder weniger Spielfrei, wobei ich zu meiner Schande mir eingestehen muss, dass ich heute aus langeweile meinen Rakeback auszahlen lassen wollte, jedoch musste ich diesen vorher einmal verdoppeln um ihn auszahlen zu lassen. Ich habe mein Rakeback natürlich verloren (wenige €) und danach auch nichts mehr eingezahlt, was meint ihr, soll ich meinen Timer der seit 12 Tagen meine spielfreie Zeit trackt zurücksetzen?
Oder sehe ich das zu streng? Ich meine klar, reguliert gamblen kann ich als abhängiger wohl nie wieder, ich hätte jederzeit die Möglichkeit Geld einzuzahlen, mache es aber nicht, ich fühle mich trotz der Aktion (die auch nicht länger als 5 Sekunden ging)
ziemlich schlecht..
Ich bleibe selbstverständlich weiter Standhaft und habe die letzten Tage bereits einen Entwöhnungsprozess feststellen können. Plötzlich habe ich mehr Zeit, mehr Kapazitäten, meine Zündschnur ist nicht mehr so kurz und meine Psyche fühlt sich stabiler an - da fragt man sich wie es wohl nach 365 Abstinenz wäre.

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Offline Ilona

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Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #10 am: 29 Juni 2024, 10:55:05 »
Hallo Kweyzi,  hallo alle,
Falls wir Verstöße verfolgen (sollen), brauchen wir sehr konkrete und gerichtsfeste Angaben  (wann, was, wo, bei wem). Und zwar zügig. Zwischen dem Vorfall und z. B. einer Abmahnung dürfen nicht mehr als vier Wochen vergangen sein.
LG Ilona 

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Offline Olli

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Re: Die Geschichte eines pathologischen Spielers
« Antwort #11 am: 29 Juni 2024, 11:59:32 »
Es ist schon ein paar Jahre her, da wurde die Wildnis hinter dem Haus meiner Eltern urbar gemacht. Ich ging damals auf der Baustraße mit unserem Hund spazieren. Da gab es einen riesigen Knall. Ich drehte mich um und erblickte den Neubau. Der Keller war schon vor Wochen gebaut worden. Darauf hatte man eine Betonplatte gegossen und darauf wieder Wände gemauert. Wieder stabilisierte das Ganze eine Betonplatte. Im OG nun waren die Giebelwände tags zuvor gemauert worden. Aber ... die Windlast an diesem Tage war einfach zu viel für eine Giebelwand. Sie war umgefallen auf die Betonplatte ... das war der Knall, den ich gehört hatte.

Was denkst Du, Kweyzi? Ob sie das ganze Haus abgerissen und dann neu gebaut haben?
Oder haben sie den Müllberg einfach entfernt und eine neue Giebelwand erstellt?

Ich erinnere mich an Letzteres und auch, dass die Maurer nun mit Bauholz eine Art Versteifung gebaut hatten, damit sich das nicht wiederholte.

Du bist denen auf den Leim gegangen und hast deren Seite aufgerufen, um Deinen Rakeback auszahlen zu lassen. Tatsächlich geht es bei dem System aber darum, dass Du wiederkommst und zockst. Wenn Du z.B. diese "Kleinigkeit" annehmen kannst und dadurch Veränderungen in Deinem Verhalten einleitest, dann hat Dich die Erkenntnis/Erfahrung einen Schritt weiter gebracht. Wieso solltest Du also das gesamte Gebäude einreißen?
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
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