Ich bin Olaf, süchtiger Automatenspieler und Gott sei Dank seit vielen Jahren abstinent. Da ich aber nun mal süchtig bin, versucht mein Gehirn mir Szenarien vorzugaukeln, die mich die Sucht ausüben lassen wollen.
So gab es Momente in meiner aktiven Zeit, wo ich mir wünschte eine eigene Spielhalle zu besitzen. Wäre das nicht grandios? MEINEN Lebensunterhalt würden die anderen Spielsüchtigen bestreiten, während ich den Automatenschlüssel der Macht in Händen hielte. Klappe auf ... Klack, klack, klack ... Geld aufgebucht und losgezockt ...
Auch heute noch habe ich solche Gedanken, Erst kürzlich schoß mir durch den Kopf, dass in einem Kellerraum Platz an den Wänden wäre, um dort alte Automaten aufzuhängen, solche, die ich noch bespielt hatte.
Ich nehme diese Gedanken durchaus erst, doch belächele ich sie auch. Sie sind meiner Sucht geschuldet ... und mal ehrlich, wenn ich sie nicht verhindern kann, dann nehme ich sie doch am liebsten als suchtgesteuert an und lenke sie dann an mein verständnisvolles aber ablehnendes Lächeln weiter.
Ich wusste damals gar nicht, was ich beruflichen machen wollte. Ich lief zum Arbeitsamt und bekam allen möglichen Mist, wo ich mich bewerben sollte. Meine Tante war Immobilienmaklerin und sie arbeitete schon mal mit einem Vermessungsbüro zusammen. Dort wurde ein Auszubildender gesucht. Ich bewarb mich ... einen Tag vor dem Einstellungsgespräch fuhr ich ins BIZ, um wenigstens mal ein wenig von dem Beruf zu erfahren, und ich setzte mich gegen zwei Abiturienten durch.
Die Ausbildung war unter aller Sau und doch bekam ich bei der Kommune, wo ich auch heute noch arbeite, erst 3 Zeitverträge und dann die Festeinstellung. Der Job entsprach nie dem, was mich besonders interessiert hatte, doch das war egal. Ich machte ihn dazu. Erst bestand er nur aus Handwerk ... ich musste Pläne zeichnen ... per Hand, Tuschestiften, Zeichendreiecken, Beschriftungsschablonen etc. Da ich mich da engagiert anstellte, durfte ich auf eine besser bezahlte Stelle aufrücken. Als das Angebot gemacht wurde, da gab ich sofort zu, dass ich in meiner Lehre absolut gar nix gelernt hatte von den Tätigkeiten, die ich nun übernehmen sollte. Kein Problem für meinen Vorgesetzten, er brachte mich dazu. Er half mir, die Wissenslücken zu schließen.
Die Technik schritt voran und die EDV nahm Einzug in das Berufsbild. Die Tuschestifte trockenten ein und landeten irgendwann im Müll. Ich befasste mich mit CAD und immer mehr Dokumente erzeugten wir damit. Ich befasste mich mit Access und programmierte mir kleine Tools, die mir beim CAD massiv halfen, Mein Vorgesetzter hatte erst etwas dagegen, doch ich überzeugte ihn und durfte im Anschluss etliche Datenbanken programmieren zu verschiedensten Aufgaben, Da war eine Auftragsverwaltung inkl. Abrechnungswesen und einem DMS im Kleinen. Eine Datenbank für Ladungen und Benachrichtigungen für Grenzniederschriften, eine Vorkaufsrechtsdatenbank, eine Baulastendatenbank und und und ... in jedes Thema musste ich mich einarbeiten und es machte ... Spaß! Heute mache ich Ausgleichungen ... wofür ich eigentlich studiert haben müsste. Ein ehemaliger Kollege hat mich dorthin geführt und ich habe mich da gerne führen lassen.
Ich habe derzeit die Ausarbeitung einer Punktwolke auf dem Tisch, die wir per Laserscanning gemacht haben.
Wenn ich also auf all die Jahre zurückschaue, so stellte mich mein Job immer wieder vor Herausforderungen, die niemals langweilig wurden. Heute betreue ich 3 Softwareprodukte für unsere Abteilung und konfiguriere sie für unsere Anforderungen. Stelle Workflows auf und setze so Standarts.
Meine Lehre sollte 2,5 Jahre dauern, doch eigentlich hält sie immer noch an ... ich brauche bloß keine Prüfungen mehr schreiben und die Bezahlung ist auch deutlich besser ...
Wir Glücksspieler dürfen nicht den Fehler machen, uns nur die Rosinen aus dem Kuchen zu picken. Wenn doch nur x wären, dann wäre alles in Ordnung. Wenn y zuträfe, dann könnte ich meine Träume realisieren. Beim Pokern mache ich plus, wenn da nicht die Automaten wären ...
Während man früher, so ca. ab 1900 bis in die heutige Zeit hinein, gerne von Suchtverlagerung gesprochen hat, so geht man heute weg von diesem Modell. Bei der Suchtverlagerung bediente sich der Klient unterschiedlicher Suchtmittel. Je nach Suchtmittel wurde nun behandelt. Heute steht der Klient mit seiner Sucht im Fokus, der lediglich das Suchtmittel wechselt. Es wird nun "die Sucht" behandelt.
Da Du aber Deine Sucht nicht im Griff halten kannst, ist es Dir eigentlich unmöglich Deine "Träume" in die Realität umzusetzen. Ja, es sind Träume ... es ist ein Wunschschloss, welches Du da konstruiert hast. Und hey ... nicht ich bin es, der Dir diese Träume zerstört ... es ist Deine Sucht.
Ich weiß ... und das habe ich mir oft genug bewiesen, sodass ich keinerlei weitere Beweise benötige, dass ich über kurz oder lang die Kontrolle verlieren würde, sollte ich heute wieder mit dem Spielen anfangen. Ein paar Automaten im Keller würden mich nur verleiten, es dort draussen doch wieder zu versuchen. Die wären das Benzin in meinem Suchtfeuer.
Daher lasse ich es ...
Wenn ich die Kontrolle verlieren würde, würde ich mir alles zerstören, was ich mir in all den Jahren der Abstinenz nun aufgebaut habe.
Jahre? Denkst Du bereits in Jahren? Oder denkst Du nur an das Heute? Du bist mitte 30 ... prima ... Wie stellst Du Dir Deine finanzielle Zukunft vor? Jetzt hast Du wieder Schulden an der Backe und wirst diese wohl ein paar Jährchen mit Dir rumschleppen. Und dann? Wie sieht Deine Rente einmal aus? Du musst bis 67 arbeiten ... vielleicht wird das Renteneintrittsalter ja noch mal erhöht? Doch nehmen wir an, dass es so bleibt, wie es ist. Kommst Du auf 45 Jahre? Kannst Du dann vielleicht doch mit 65 ohne Abschläge in Rente? Wie hoch wird Deine Rente sein? Kommst Du damit klar, wenn Du dann noch zur Miete wohnst?
Bist Du Dir Deiner Verantwortung bewusst, die Du da FÜR DICH hast?
Ich denke, dass Du Dir selbst Dein bestes Pokerface zeigst und Dich damit selbst nur hinters Licht führst.
Jetzt erst hatte ich wieder eine Angehöige im Webmeeting. Es ist grauenhaft, was Glücksspieler ihren Angehörigen für seelische Qualen bereiten können. Es ist sadistisch, wie sie manipuliert werden und selbst nach einer Trennung eine Schuld immer noch in sich selbst suchen.
Lese doch mal hier im Angehörigenbereich. Und dann erzähle noch mal so locker frei (und ehrlich!), dass bei einer Scheidung der Weg für Dich frei ist ...
Werde erwachsen!
Ahhhh ... Nachtrag ... Pokern ist also kein Glücksspiel ... Zum Einen ist dies bereits höchstrichterlich geurteilt worden, DASS es sich bei Poker um ein Glücksspiel handelt. Zum Zweiten zeugt dieser Satz davon, dass Du Deinen Selbstwert aus den Kompetenzen ziehst, die Du fürs Pokern benötigst. Es ist aber nicht das Pokern, was sie erst hat entstehen lassen und sie weiter bestehen lässt. Diese Kompetenzen richtig eingesetzt können Dir auch zu einem sorgenfreiem Leben verhelfen. Das willst Du als Dopaminjunkie aber gar nicht ...
Hatte ich es schon gesagt? Werde erwachsen!