Protokoll einer Vorstandssitzung in der ‚Bar der Erkenntnisse‘, Klammstraße 77, 12345 Bad Zockenau (Schriftführer: alle):
- Mitschnitt des Gesprächs durch den Aushilfskellner Leonhard G. aus O.: - Vereinstreffen –
(Neuer Verhandlungstermin am 2. Mai 2024 um 11.30 Uhr in Sachen I ZR 88/23 (Erstattung von Verlusten bei unerlaubten Sportwetten)
Grundsätzlich: Die Revisionsklägerin hat ihren Sitz in Österreich und nicht in Gibraltar oder Malta.
'Eine Runde Bier, bitte, Leo!' - sagt der große, breitschultrige Mann aus dem Club der großen Verfechter. Es sind sechs Freunde, die Platz nehmen.
Leo nickt und weiß: Er muss sich beeilen.
Am Stammtisch:
‚Das hört sich gut an, das sind knapp 6 Wochen dahin. Ich glaube, dass der Anbieter den Schwanz nicht einziehen wird und es hoffentlich tatsächlich zu einer Verhandlung kommen wird. 'Jawoll!', nicken alle, 'give me five' - und alle klatschen die Handflächen aneinander.
Frage:
Weißt du, warum man die Seite Entscheidungssammlung Sportwetten von Herrn Dr. Michaelsen nicht mehr abrufen kann?‘
Antwort:
‚Vielen Dank für die Info; allerdings wird sicherlich auch dieser sehr sehr wahrscheinlich nicht stattfinden. Der Termin und das Urteil liegt unmittelbar vor einem Großereignis. Es wird nur zu einer Verhandlung kommen, wenn der Kläger vorher verloren hat.‘
6 Humpen Bier werden auf den Stammtisch gestellt. Leo hört:
‚Diesmal hat der Anbieter Revision eingelegt. Das heißt, die können jederzeit die Revision zurückziehen, so dass es nicht zu einem Urteil kommt.‘
‚Ich glaube auch, das wird wieder kurz vor knapp zurückgezogen. Aber selbst wenn nicht, ist es ein sehr guter Fall. Dass dieser so zeitnah kommt, hätte ich nicht gedacht …‘
Der Aushilfskellner läuft verwirrt zurück, hinter den Tresen, und bedient die Gäste am Tresen: 2 Pärchen, sie trinken Rotwein.
‚Ist ja wieder eine Klage mit geringem Betrag. Mal etwas mit sechsstelliger Summe wäre nett, dass die zumindest bluten, wenn sie zurückziehen.‘ –
Die Gäste am Tresen schauen sich aufmerksam um: So viel Geld? Blutgeld??
‚Ich finde das ist ein gutes Zeichen, dass es so zeitnah kommt. Anscheinend ist für Richter wie bei OLG der Fall eindeutig. So interpretiere ich den Fall - wobei ich mich natürlich auch irren kann.‘
‚Leo? Eine Runde Doppelkorn, bitte!‘
Die Pärchen, aufmerksam, prosten sich zu – und eine Frau wagt, leise zu sagen: ‚Vielleicht hat der BGH Bock drauf, hier mal eine Entscheidung zu treffen und die Kollegen auszubremsen. Wenn die genauso genervt sind wie wir bezüglich dem Hickhack, verstehe ich das.' Ihr Mann runzelt die Stirn. Nach 2 Gläsern Wein spricht sie schon wieder komplett konfus?? Es ist ihm leicht peinlich.
Die Kukucksuhr schlägt 11, und alle Gäste sind gut angeschäkert. Leo bringt die Schapsgläser an den Stammtisch.
‚War das nicht beim Diesel-Skandal ähnlich?‘, fragt der muskulöse Mann mit der roten Schirmmütze … und weiter:
‚Hier hatte der BGH auch irgendwann genug davon, dass Fälle immer wieder - kurz bevor diese vom BGH behandelt wurden - zurückgezogen wurden. Hat mir meine RechtsAnwältin erzählt.‘
... Endlich einmal ein fachlich fundierter Hinweis, denkt, Leo, ergänzt die Rechnung und geht zur Toilette. So hört er das folgende nicht mehr:
‚Ja das spricht alles dafür, dass wir im Recht sind. Sonst würden die Anbieter sowas niemals machen. Die Anbieter und deren Anwälte sind die größten Gauner.‘
Er kommt zurück hinter den Tresen – die beiden Pärchen zahlen. Sie wirken ganz offensichtlich konsterniert.
‚Bei dem Fall wird der Anbieter zu 100 Prozent zurückziehen!! Man darf auch nicht die Strategie der Anbieter vergessen. So lange sie das Spiel immer wieder aufs Neue durchziehen, müssen sie erst mal nicht zahlen und Jahre vergehen. Nur irgendwann kommen sie nicht mehr raus.‘
Die Männer vom Tresen helfen ihren weiblichen Begleitungen in die Mäntel und verlassen eilig das Lokal mit ihnen. Fragezeichen auf jeder Stirn.
'Der Anbieter aus Österreich mit 'O' hinten im Namen wird die Klage zurückziehen, da bin ich mir sehr sicher.'
‚Ein Anbieter aus Österreich??? Wer soll das denn sein?? Ist die Verjährungsfrist in Deutschland nur 3 Jahre? Man lernt nie aus!, lacht der kleinere blonde Mann.
‚Findet man bei Google und durfte allen bekannt sein, da es der erste positive Fall eines OLG in Dresden war. Es ist kein Big Player, aber global Sponsor der UEFA. Prost, Jungs!‘
Einer anderer der Stammtischler erhebt seine Stimme:
‚Die Frage ist, welche Frist die Gerichte ansetzen - 3 oder 10 Jahre. Bei 3 Jahren wären die Sportwetten nicht mehr erfolgreich, da die Lizenz ja im Oktober 2020 erteilt wurde.‘
‚Muss man alles mehrmals diskutieren? Bei einer 3-jährigen Verjährungsfrist würden Klagen kein‘ Sinn machen, wie gesagt wurde! …lallt der mit dem grünen Sweatshirt.'
‚Warum hat sich der Anbieter bei dem Fall vor dem BGH geeinigt? Weil ganz klar die 10-jährige Verjährungsfrist gilt!‘ erwidert Hans, der vorher eher still geblieben war.
‚Der Dresdener Fall war der erste. Selbstverständlich gehen die in Revision, um zu schauen wie sich die Lage entwickelt. In Österreich gilt die 30-jährige Frist! Die Anbieter haben auch parallele Verfahren sicherlich ausgezahlt! Die können nicht jeden Tag Geld auszahlen! Es gibt auch Leute, die aktuell so Geld gewinnen! Die Steuern, selbst die Auszahlungen. Das haben wir doch schon hier mehrmals gesagt.‘ brummt Karl.
Leo, der Aushilfskellner, der gerade Gläser putzt, überlegt, ob er den Studiengang von Sportwissenschaften wechseln soll … vielleicht doch auf Lehramt studieren … Rechtskunde - Gesamtschule?
‚Wie in dem Artikel geschrieben: Der BGH wird sich nur auf das Verfahren beziehen. Deshalb wird es wahrscheinlich nichts zur 10-jährigen Verjährung nicht äußern! Der einzige Anbieter, den es in Ö gibt, ist w2d. Also ist diese Aussage mehr als fragwürdig.‘ hört er.
‚Leo? Bring‘ uns mal nen Absacker, bevor wir uns hier streiten! Noch mal Wodka!
…gute Idee, denkt Leo … ne Schlägerei will er hier nicht, kapieren tut er eh nix, und sein Chef kommt erst in einer Stunde!
‚Also wenn selbst deren Impressum Hohenzell als Firmensitz angibt, wird es wohl stimmen. Also ist eher deine Aussage fragwürdig, Günther.‘ – fangen sie sich schon zu streiten an, und Leo stellt zitternd das Tablett auf dem Holztisch. Das sieht Kurt, der durchtrainierte Mittvierziger, schaut Leo an, grinst, tippt sich an die Stirn und sagt lachend:
‚Piep, piep, piep ... wir alle ha´m uns lieb ...‘
Leo denkt: ‚ja, piep-piep-piep …’
‚Bin nicht böse‘, sagt der mit dem grünen Sweatshirt nun, ‚ich finde es nur seltsam, da es in Ö nur ein Monopol gibt,.....wenn dem so ist, .....net schlecht. Nun … wen würde es aber wundern, zahlen ja auch die illegalen Unternehmen hier Steuern.‘ Er zückt und verteilt Zettel - aus einer Plastiktüte ‚Anbei ein Artikel um welchen Anbieter es geht. Deshalb gibt es für diesen Anbieter auch plötzlich einen PKF.‘
Alle staunen, auch wenn die wenigsten den Text noch erfassen können, es tut doch der Alkohol seine Wirkung …
‚Gab es wirklich gegen diesen Anbieter kein‘ PKF??? Würde mich sehr wundern und überraschen. Der Anbieter hat doch sogar sein‘ Sitz beim Nachbarn.‘ gluckst Peter, der Lange. 'Glaube, das hat eher mit der Entwicklung der letzten OLG-Entscheidungen etc. zu tun und weniger anhand des Anbieters.'
Die Tür geht auf, der Chef betritt die Kneipe, was Leo sichtlich erleichtert.
‚'Sooo, meine Herren, es ist schon spät, wir müssen jetzt kassieren leider.‘ - sagt sein Chef.
‚Na schau‘, sagt Dieter, der Hüne, ‚habe ich wieder was dazu gelernt. Mir war nie bewusst, dass Sportwetten in Ö ein Geschicklichkeitsspiel sind. Aber ja jetzt verstehe ich.'
Leo rechnet ab – jeder hatte 3 Bier und 2 Wodka. Wankend stehen die Männer auf und ziehen sich ihre Jacken an. Es ist spät – und es ist kalt draußen. Leo ist völlig durcheinander, will nur noch ins Bett. So öffnet er ihnen pflichtbewusst die Tür. Er sorgt sich ein wenig, weil gleich rechts eine Litfaßsäule steht, und ruft hinterher:
‚Achtung! Werbung auf der Seite!‘ Die Männer singen lallend - eingehakt, sie hören ihn nicht. Fahler Mondschein quetscht sich zwischen Wolkenfetzen hindurch.
