Hallo, ich hätte vor ein paar Wochen niemals gedacht, dass ich einmal in ein Spielsuchtforum schreiben würde... naja. Ich glaube, es tut mir gut, mir die Sachen von der Seele zu schreiben.
(Achtung, wurde lang...)
Mein Nun-Ex-Freund ist glücksspielsüchtig. Wir waren 4 Jahre zusammen. Er ist mittlerweile 30 und ich 27. Für mich begann das alles vor einem Jahr, für ihn vor 15 Jahren.
Vor einem Jahr wollten wir verreisen und ich hatte seit 10 Jahren eine Box mit Geld. Da war Geburtstagsgeld, Geld aus Weihnachtsgeschenken oder verdientes Babysittergeld drinnen - über 2000€. Zusätzlich zu dem Ersparten auf meinem Konto, kam Bares in die Sparbox. Für mich als Studentin ist das eine enorm hohe Summe und ich sparte das für die lang gewünschte Reise.
Nun vor der Reise machte ich die Box auf und alles war weg. Alles! Jeder verdammte Cent. Mein Freund meinte damals noch, das werde ich vielleicht schon auf die Kreditkarte gezogen haben. Ich bin vergesslich, habe Adhs und verlege wirklich oft Geld und Dinge...aber nicht in der Höhe. Am nächsten Tag durchsuchte ich meine Buchungen - nichts eingegangen und ich durchwühlte meine Wohnung. Auch nichts.
Dann gestand er mir, er hätte alles genommen, um es in 10 Tagen zurück zu zahlen. Sogar die Scheine hat er sich aufgeschrieben. Er hatte keinen geregelten Job mehr, da er Monate zuvor kündigte und sich umorientieren wollte. Er arbeitete bei einem Kumpel, der ihm (angeblich) sporadisch und unregelmäßig den Betrag seiner gearbeiteten Stunden überwies.
So sei er durch monatliche Fondzahlungen und Versicherungszahlungen in einen Engpass gekommen. Aber nächsten Monat bekommt er ja das Geld....
Ich glaubte es. Ich hatte ja keinen Grund das nicht zu tun. Er lebte, bevor er zu mir zog, eigemtlich immer bei seinen Eltern (keine Miete) und sein Erspartes sei auf einem Fond - einem Jahresfestbetrag und den Zugriff bekommt er erst Anfang des Jahres. Naja, dann wurden aus den 10 Tagen halt 2 Monate bis ich mein Geld sah. Er musste ausziehen, weil ich ihm nicht mehr vertraute und er "machte reinen Tisch". Alles Lügen, aber ich ahnte nichts davon. Er tat mir einfach Leid und ich war mir sicher, dass er psychisch fertig sei.
Nach und nach baute sich das Vertrauen wieder auf. Er zahlte mir das Geld zurück und wir gingen reisen. Er "vergaß" seine Kreditkarte und die Debitkarte ging in dem Land kaum wo. Ich dachte mir damals schon, dass er sie absichtlich "vergessen" hat. Aber ich dachte eher an Bequemlichkeit und finanzielle Engpässe aufgrund seiner Kündigung und keinem geregelten Einkommen als an eine Spielsucht. Das wäre mir nie in den Sinn gekommen.
Monate vergingen und ihm ging es psychisch immer schlechter. Ich vermutete Depressionen und vielleicht PTBS? Er machte in seiner Kindheit viel durch. Aber all die Therapievorschläge ging er nicht an. Da ich in keine Co-Abhängigkeit rutschen wollte, versuchte ich nicht, die Verantwortung zu übernehmen. Meine Mutter hat Depressionen und ich wuchs als ihre Therapeutin auf. Sie war eine Zeit lang suizidal und ich wusste wo und wie sie es beenden würde. Jedes Mal wenn sie abends wegfuhr hatte ich Angst, dass sie nicht mehr heimkommen würde.
Das alles bekam er mit, da das noch nicht so lange her war. Also, ich versuchte ihm zwar die Hand zu reichen, aber ihn nicht zu tragen. Er lag Tage im Bett, kam nicht mehr raus. An manchen Tagen dagegen war er aufgedreht, aktiv, lebensfroh und wir unternahmen was Schönes. Auch am Ende der Reise war er Tage lang down und er redete mir damals andauernd Unternehmungen aus (die nur mich betrafen!), weil sie "ja unnötig überteuerte Abzocke wären". ... im Nachhinein hat er in den Zeiten einfach immer hohe Beträge verloren.
Wir zogen vom Land in die Stadt. Das wünschten wir uns lange und er wollte immer schon mal dorthin. Zuvor lebten wir mietfrei in der Wohnung neben meinen Eltern. In der neuen Stadt wollte er neu beginnen und ich dachte mir, naja, dann kann er beruflich endlich mal das machen was er möchte. Er hätte seine neue Ausbildung berufsbegleitend beginnen können. Dann wird alles wieder gut bei ihm. Er kann in Therapie gehen und zwischen uns lief alles super. Wir hatten eine schöne Zeit, ich fühlte mich sicher gebunden und war glücklich.
Ich begann ein neues Studium, das schon lange mein Traum war und hing meinen alten Beruf und die alte Berufsrichtung an den Nagel. Alles schien so perfekt. Zu perfekt.
Bis ich in meine Box sah (ich legte nur noch kleinere Beträge rein) und 150€ fehlten. Ich sah ihn nur an und er unter Tränen meinte "Ich bin komplett pleite". Da fiel ich aus allen Wolken. Wie kann man mich nochmals belügen und bestehlen?! Mir dämmerte noch nichts von der Sucht... Dieser Fond existierte nie, auch da belog er mich. Das Vertrauen nach dem Diebstahl ein Jahr zuvor baute er nur auf Lügen auf. Um mir damals das Geld zurück zu zahlen nahm er einen Kredit bei der Bank auf. Für mich brach eine Welt zusammen. Aber die neue Wohnung war schon gemietet und eine Neue finde ich nicht in 10 Tagen und ich kann mir allein ja auch keine leisten neben dem Studium. Das ist eh schon knapp bemessen, weil ich ja meinen Job aufgab für das neue Studium.
Er kam trotzdem mit nach Wien. Dort wollte er neustarten, einer von beiden muss sich halt was Neues suchen. Jetzt hing ich da mit drinnen und war abhängig von ihm.
Er suchte sich in der ganzen Zeit nichts Neues und wöchentlich kamen neue Lügen ans Licht. Jedes Mal erzählte er mir die "ganze Wahrheit". Fehlinvestitionen, schlecht die Autos wiederverkauft, die Reise(n),... Ich vertraute ihm aber eh nicht und trennte mich.
Er blieb noch in der Whg und wollte sich einen Klinikplatz suchen, weil er suizidale Gedanken hatte. Aber seitdem er ehrlich gewesen sei, wären die weg. Und oh Wunder, neue Lügen kamen ans Licht. Ich war nur noch in der Stadt, wenn ich Anwesenheit in der Uni hatte. Sonst blieb ich in meinem Heimatdorf bei meinen Eltern. Das war auch nicht gerade förderlich für mich, um Anschluss zu finden oder mit dem Lernen mit zu kommen. In Vorlesungen war ich nie, weil ich so selten wie möglich in der neuen Stadt und der Wohnung sein wollte. Ich war richtig fertig und meine erste Prüfung bestand ich nicht, weil ich es kaum schaffte zu lernen. Ich nahm ab, war nur noch am Weinen und versuchte einfach nur noch klar zu kommen.
Eines Tages kam ich in die Wohnung und wollte Geld einzahlen. Mein Vater schenkte mir was zum Jahreszugticket hinzu. Ich versteckte es in einer Tasche voller Kunstmarker. Ganz zwischen den Stiften drinnen. Das hätte nie wer gefunden. Ich glaub im Herzen versteckte ich es und nahm es nicht mit in die Heimat, weil ich sehen wollte, wie weit er geht. Ich kam zurück und sah als erstes nach dem Geld und es war weg.
Er hätte es nicht genommen. Ich hab das sicher mitgenommen. Sogar da dachte ich noch darüber nach, ob das wirklich so sein könnte... Vielleicht irre ich mich ja? Irgendwann gab er es zu.
Als ich in der Heimat war und bevor er mich nun zum 3. Mal bestohlen hat, hat er mir geschrieben und mich um Geld gebeten. Er könne sich nichts zu essen leisten und das Geld, das er zum Essen von seiner Mutter bekam, hätte er schon aufgebraucht.
Ich lieh ihm was, weil er mir Leid tat. Generell lieh ich ihm oft was... während der Reise, als er mir sagte, dass er pleite sei, als er dringend eine Kreditzahlung tilgen musste...
Nach dem 3. Mal stehlen fragte ich ihn, was wirklich los sei. Warum?! "Ich bin spielsüchtig. Sportwetten"
Ich brach komplett zusammen. Sportwetten?! Wann und wo und wie hab ich das nicht mitbekommen? Wie kann das sein?! Deshalb die Lügen, die finanziellen Engpässe, das alles machte plötzlich so viel Sinn... Warum er manchmal so down war, dann wieder so gut drauf. Er hatte Phasen, in denen er voller Liebe nur so sprühte und Phasen, in denen er nicht aufstand. Manchmal war er nur gereizt und platzte bei jeder Kleinigkeit. Er wurde dann verbal richtig verletzend. Ich fand, dass er zwei Seiten hatte. Den Menschen, den ich liebte und immer noch liebe und dann diese ungute, impulsive, aggressive, gehässige Seite. Die dich verbal verletzt und einen stehen lässt. Einmal, da saß ich wegen irgendwas weinend im Bad und er hing nur am Handy. Er hing am Handy als wir auf Dates waren, bei wichtigen Gesprächen, als ich ihn dort im Bad brauchte.
Als meine Katze starb und ich ihn gebraucht hätte, da reagierte er richtig scheiße. Er saß bereits mit seinen Freunden im Auto auf dem Weg zum Pokern und Darten. Im Freundeskreis spielten sie oft um Geld.
An anderen und den meisten Tagen war er liebevoll und ich verliebte mich in ihn, wegen seines goldenen Herzens. Aber das verlor er immer mehr. Die guten Tage wurden immer seltener. Und irgendwie ist der Mensch, den ich liebte, schon lange verschwunden. Ich bekam das nur nicht so mit, weil das so schleichend war. Ich erkenne ihn in seinen "Schüben" nicht wieder. Ich nannte sie immer Schübe, wenn seine dunkle Seite rauskam und überhand nahm.
Naja, ich wusste nicht mehr weiter und sagte, dass er gehen muss. Er wollte in eine Klinik und sich helfen lassen und am nächsten Tag gleich anrufen. Aber er schlief am nächsten Tag nur. Also rief ich rum und er bekam zwar Termine, aber auf die Schnelle keinen Klinikplatz, weil er nicht akut suizidal war. Dann dämmerte mir: Er muss zurück in seine Heimat. Scheiße. In das Elternhaus, woher er vermutlich sein Trauma hat. Das macht er niemals. Dann wird er suizidal. Also rief ich seinen Bruder an und erzählte ihm alles. Ein Vertrauensbruch von mir, aber ich wusste nicht mehr weiter. Ich wusste, wenn ich ihn rauswerfe, dann geht er nicht zurück zu seinen Eltern oder Freunden. Er würde auf der Straße landen und sich vielleicht noch was antun. Natürlich würde er keinem etwas erzählen, aus Scham.
Mein Ex nahm es mie sehr krumm. Ich sah ihn noch nie so wütend. Er trat auf Kisten und beleidigte mich aufs übelste. Dass ich ihn einfach rauswarf und dann noch seinem Bruder alles erzählte. Er wiederholte zig mal in sein Kissen, er würde mich hassen. So einen Vertrauensbruch hätte er ja noch nie erlebt. Ich sei der schlimmste Mensch den er kenne. Er geht nicht.
"Passt, dann hole ich die Polizei", meinte ich.
Aber er stehe ja auch im Mietvertrag, daher hab ich nichts in der Hand.
"Dann wegen Diebstahl"
Auch da hätte ich ja keinen Beweis, laut ihm.
- So hätte ich ihn nie eingeschätzt. So war er nie.
Ich packte mein Zeug und lief weg. Egal wohin, hauptsache weg. In einem Park setzte ich mich dann hin und weinte einfach nur. Was ist aus ihm geworden? Ich erkenn ihn nicht wieder. Ich hatte Angst vor ihm, ich vertrau ihm nicht, ich bin ihm so unendlich wütend und so verletzt, aber gleichzeitig tat er mir auch Leid. Ich habe einen geliebten Menschen langsam an die Sucht verloren. Keine Ahnung, ob er verschüttet bleibt oder wieder zu sich kommt. Aber der Mensch, in den ich mich verliebt habe, den gibt es nicht mehr. Und ich hab es nicht einmal bemerkt...
Er schrieb mir, ich solle zurück kommen, damit wir uns verabschieden können und er sich entschuldigen kann. Er sah mich und war mir wieder bös und beleidigte mich. Nach seiner Wut brach er völlig zusammen. Er hat Angst meinte er und er hat alles verloren. Er liebe mich und ihm tut das alles so Leid, was er mir antat. Er braucht Hilfe und kann nicht mehr.
Dann brachte ich ihn zur UBahn. Ein letztes Mal lieh ich ihm Geld, indem ich ihm ein Zugticket heim buchte.
Ich hoffe, er wird wieder der Mensch, der er mal war.