Hallo Leute,
ich bin sehr dankbar für diese Foren und immer wieder überrascht was für exzellente Beiträge man hier findet, so viele so gut geschriebene Einblicke ins Innenleben anderer, die man sonst niemals hätte erfahren können. Sich hier immer wieder in anderen Beiträgen wiederzufinden ist für mich die größte Hilfe.
Zu mir: Ich habe mich die letzten Wochen endlich mal wieder um meinen Körper und meinen Geist kümmern können, endlich mal wieder einfach Dinge sortiert die liegen geblieben sind und mal wieder Sachen aus Muse getan und Lust gehabt mich um Freundschaften zu kümmern. Kurz: ich habe mich vor ein paar Wochen von meinem suchtkranken Partner getrennt. Neben dem riesigen Trennungsschmerz und großer Zukunftsangst ist aber buchstäblich in mir wieder das Leben aufgeblüht. Ich rieche wieder die Herbstluft, ich sehe wieder Dinge die um mich herum passieren. Kurzum, ich habe meinen taumelnden realitätsfernen Beziehungsrausch durch diese Trennung beendet. Und das ist der Teil über den ich gerne meine Gedanken mitteilen würde.
Es wurde ja schon zu Vielem Vieles geschrieben, aber was mir im Rahmen der Trennung so bewusst geworden ist, lässt sich am besten in einem Bild ausdrücken:
Der Suchkranke rennt in einer Abwärtsspirale seinem Suchtmittel hinterher und der Angehörige rennt in der selben Abwärtsspirale dem Suchtkranken hinterher.
Man ist als Angehöriger selbst süchtig geworden. Und dabei gleichen sich die Erkrankungen so sehr. Mindestens so schwierig und langwierig wie es für die Angehörigen ist sich zu lösen ist es auch für den Suchtkranken. Und ich muss mir eingestehen, auch ich habe die Realität in gleichem Maße verloren wie mein Partner. Wenn ich mir die Angstzustände ansehe, die mich täglich plagten, die Bauchschmerzen, das Unwohlsein, der andauernde Stress, der sich immer tiefer in mein Gesicht geschrieben hat müsste ich bei Lichte betrachtet ganz genau wissen, was zu tun ist. Weggehen. Aber so wie der Spieler dem verlorenen Geld noch mehr Geld hinterherwirft habe ich meiner Enttäuschung noch mehr Hoffnung hinterhergeworfen. Die Währung war schon lange ohne Deckung. Und auch ich habe ein verzerrtes Weltbild entwickelt. Meine Handlungen werden schon lange nicht mehr an dem orientiert, was ist sondern an dem, was ich mir gewünscht hätte, das doch eigentlich sein sollte und ich in meiner Verbitterung nach wie vor doch zumindest als Trostpflaster noch bekommen möchte. Nur wenn ich den Entzug selbst schaffe kann ich mir im Ansatz darüber klar werden, wie schwer das Unterfangen für meinen ehemaligen Partner sein wird. Und ich bin es ihm und mir selbst schuldig wieder in die Realität zurückzukehren.
Ich will noch kurz ein paar Worte darüber verlieren, was hier bei uns so abgegangen ist, wie ich die Situation vollkommen unterschätzt habe und welche Gedanken mir gerade dabei helfen zu gehen. Also mein Partner war in vielerlei Hinsicht süchtig. Am Anfang habe ich vor allem den Alkohol mitbekommen. Da habe ich dann irgendwie auch die Reißleine ziehen können (Alkoholgeruch macht mich so fertig, dass mir das leichter fiel) und er hat daraufhin nach einem zähen, ermüdenden und schädigenden Prozess in dem ich viel zu oft zur Projektionsfläche von Agressionen wurde mit dem Trinken aufgehört. Ich dachte, wow ein Erfolg auf voller Linie. Nur, dass die ganze Sucht nun ins Spielen verlegt wurde, von dem ich damals noch gar keine Ahnung hatte. Die Ausmaße sind einfach nur krass. Aber ich will mehr darüber erzählen wie das Leben dann aussah. Namentlich haben sich immer tageweise unterschiedliche Phasen bei ihm abgelöst. Was im Hintergrund gezockt wurde oder nicht habe ich irgendwann gar nicht mehr gewusst, weil ich meine Energie nicht länger in Überwachungstätigkeit stecken wollte. Aber was bei mir ankam war:
ein Wechsel aus Euphorie (die sich aber immer zu gut angefühlt hat, um wahr zu sein), dann wieder Gönntertum mir gegenüber (wohl meistens, wenn es grad gut lief, dann ist auch immer Geld zu mir geflossen, vielleicht auch aus schlechtem Gewissen, neben den vielen Einsätzen auch mir mal was zuzustecken, da war immer ein Geschmäckle dabei) danach gabs manchmal Phasen der Initiative, mal wieder was mit mir zu unternehmen (wir haben kaum schöne Dinge mit anderen Menschen gemacht, weil er wohl auch aufgrund seines Doppellebens massive Angstzustände hatte in Gesellschaft, unsere Unternehmungen waren aber auch immer an der aller untersten Aufwandsgrenze, mal Schwimmbad mal wandern, nie wirklich viel Energieeinsatz oder persönliche Einbringung..das kam immer von meiner Seite) und danach folgte die Distanzphase (mein Partner war abwesend auf Nachfragen wurde er aggressiv und unterstellte mir meine Nachfragen wären für sein Befinden verantwortlich) meistens kam dann irgendwann der Breakdown, weil aufgrund der Lügen schon noch kaum Nähe zwischen uns möglich war musste er irgendwann damit rausrücken, dass er wieder sein ganzes Gehalt verzockt hatte, dann kam meistens eine kurze Erleuchtungs- und Bekenntnisphase (Beteuerung, sich Hilfe zu suchen, Entschuldigung etc.) nach dieser Phase war dann kurz mal einfach alles normal...wow. Ruhe nach dem Sturm. Dann hat aber meist eine Agressive Phase eingesetzt. Wahrscheinlich wegen der ganzen negativen Gefühle, für die war ich dann verantwortlich, denn ohne mich könnte er sich ja einfach wohl fühlen in seiner Haut. Man hat sich dann wieder irgendwie arrangiert. Aber wegen der aus seiner Sicht berechtigten Verärgerung über mich hat er sich dann wieder ausbedungen spielen zu dürfen und der ganze Zirkus ging von vorne los. Insgesamt ein Wechselbad der Gefühle ohne sonder gleichen.
Jetzt nach der Trennung ist jeder Tag irgendwie ruhig und gleich wie ein klarer Gebirgssee.
Aber ich muss sagen das Verlangen/Craving kommt auch bei mir immer wieder. Wenn ich ein schönes Schmuckstück sehe, das mir von ihm geschenkt wurde oder schon allein und sehr oft beim Gedanken an die vielen schönen Ideen die wir hatten und von denen ich geträumt habe, dass wir sie umsetzen. Und auch einfach wegen der Charakterzüge, die ich an ihm mag. Die Kleinigkeiten. Aber unterm Strich habe ich mich mit Kleinigkeiten und einer riesigen Hoffnungs-illusionsblase in meinem Kopf in einem Teich aus Müll über Wasser gehalten. Und leider hat mein Hirn scheinbar keinen Unterschied gemacht zwischen den nicht realen schönen Vorstellungen und Hoffnungen und der hässlichen Realität. Sodass krankerweise alles wie ein Nullsummenspiel aussah obwohl es der letzte Raubbau an meinen Ressourcen war und ich eigentlich nur selten fröhlich war. Mit andern Leuten war ich viel fröhlicher...ich war ja auch nicht in ständigem Stress, dass eine unnormale Verhaltensänderung kommt, die Leute haben sich gleichbleibend verhalten. Ich hatte keinen ständigen Anpassungsdruck und Duldungsdruck (okay, was ist jetzt schon wieder passiert, wie kann ich mich jetzt verhalten, soll ich meine Meinung dazu sagen oder um des lieben Frieden willens einfach alles inakzeptable über mich ergehen lassen).
Daher versuche ich so wenig wie möglich in die Ambivalenz einzutauchen, zwischen dem was gut war und was schlecht war mit ihm. Denn diese Rechnung kriegt mein Kopf nie richtig hin. Ich habe nach 3 Jahren mit so viel Traurigkeit, Runterschlucken, Beleidigtwerden, Vergessenwerden und so vielen Powerplays, nach Jahren der Lügen in denen er sein Geld aber viel wichtiger auch seine ganze Lebensenergie (!) immer in eine Parallelwelt gesteckt hat an dem Tag, an dem er wieder nicht zum Blauen Kreuz gegangen ist beschlossen, dass ich nicht mehr will und auch nicht mehr kann. Ich habe wirklich meine Hände vor ihm in die Luft gehoben und gesagt ich kann nicht mehr... ich gebe auf ich gehe den Weg nicht weiter. Und zwar ohne Bedingungen einfach nur für mich. Denn wenn er irgendwann ernsthaft gesund werden wollen würde und könnte würde ichs mitbekommen. Dann kann man an meiner Tür klingeln. Und ich würde nicht mehr die Verantwortung übernehmen müssen und ich würds gleich spüren, dass die Sache sauber ist. Denn wenn man ehrlich in sich reinhört spürt mans.
Und dieser Entschluss aufzuhören (aus dem Spiel auszusteigen, das es ja ist) ist für einen Angehörigen genauso hart wie für jeden anderen Junckie. Und man muss wirklich ertragen, dass man dann einen geliebten Menschen verliert und auch verliert geliebt zu werden (denn das tun die Süchtigen ja auch tatsächlich). Und dabei hilft mir als Fels in der Brandung nur dieses Blaue Kreuz vor mir zu sehen und zu sagen "ich will nicht mehr und ich kann auch nicht mehr". Es ist keine Frage von Liebe sondern eine Frage in welches Spiel ich mich investieren will und solange der andere krank ist geht die meiste eigene Energie ja gar nicht in Ihn sondern wird von seiner Sucht verschluckt, die wie ein Parasit an ihm dranhängt. Sobald ich in andere Überlegungen einsteige, von "ja vielleicht macht ers ja jetzt", "ja aber das war doch schön oder dieses so besonders" reißt es mich wieder rein. Wahrscheinlich wie jeden anderen Süchtigen, der über die positiven Seiten der Sucht oder den großen Gewinn nachdenkt. Und da schließt sich der Kreis, nur wenn mans dann selbst schafft zu gehen, kann man abschätzen, durch welche Mauer der Suchtkranke da eigentlich rennen muss wenn er loskommen will. Und das alles habe ich die ganze Zeit total unterschätzt.
Was ich noch erwähnen wollte. Ich selbst war auch oft bei CoDA und habe viele Bücher gelesen... "Women who love to much", "Verstrickt in die Probleme anderer" und "Sex and Love addicts anonoymous". Richtig gut fand ich auch : anne wilson schaef "im zeitalter der sucht" und alle anderen Bücher der Autorin. Es tut echt weh da rauszukommen. Weil man leider nicht weiterkommt mit Schuldzuweisungen und solchen Dingen sondern leider sich dem ganzen Schicksalhaften am Leben einfach stellen muss und auch der eigenen Geschichte, wie man da hinkam wo man jetzt steht, und ob man sich eigentlich selbst genug liebt oder immer andere braucht und und und....
Und ich wollte noch allen zurufen, die noch in so einer Lage sind, dass alles für mich leichter geworden ist, als ich erstmal nur für mich in der Beziehung meine Verhaltensmuster zu ändern begonnen habe...keine Rettungsversuche mehr, keine Standpauken mehr, keine Überwachungsmaßnahmen, durchhalten im Powerplay, bei Fehlverhalten auf Distanz bleiben etc. Ich habe dann so schon stückweise meinen Raum zurückerobert ...bei mir war die Trennung dann nichts so extremes mehr weil ich auch stückweise mein Interesse am Partner verloren habe. In dem Bild von oben gedacht: ich bin nicht mehr so wild hinter ihm her gerannt, sondern einfach mal langsam gelaufen...er ist dann mehr und mehr aus meinem Blickfeld rausgerannt. Und ich hab mehr drüber nachdenken können, ob ich die Spirale nicht lieber wieder rauflaufen mag, zum Tageslicht.
Naja ich wünsch Euch und mir weiterhin viel Glück.
Danke Euch