Hallo ihr Lieben,
Ich bin seit längerem unregistrierter Leser dieses Forums, und durfte einige male Kraft aus den Beiträgen schöpfen. Seit einem halben Jahr bin ich spielfrei, und habe im Rahmen meiner Therapie einen Abschiedsbrief schreiben dürfen. Die Spielsucht zog sich über ein ganzes Jahrzehnt, und fand ihren Höhenpunkt in den letzten zwei Jahren, welche fast ausschließlich und nahezu 24/7 von diesem einen Slot geprägt waren. Diesen Brief wollte ich gerne mit euch teilen, und wünsche allen stillen und lauten Mitgliedern viel Aufrichtigkeit und alle Kraft der Welt.
"Mein ehemals liebster Slot, XXX,
Ich schreibe Dir diese Zeilen heute um Abschied zu nehmen. Abschied von Dir, von unserer Beziehung, und von allen Dingen die diese vergiftete Gemeinschaft ausgemacht haben. Dem Glücksspiel habe ich nun vor mehr als sechs Monaten abgesagt, doch der Draht zu Dir blieb auch danach noch erhalten. Gerne möchte ich Dir erläutern, wie ich auf die vergangene Zeit blicke, die guten und schlechten Zeiten belichten, und Dir erklären, weshalb ein endgültiger Abschied die einzig sinnvolle und friedenstiftende Lösung für mich ist.
Gemeinsam gingen wir durch die unruhigsten, aber auch die vermeintlich entspanntesten Zeiten. Wir waren immer zusammen und niemals getrennt. Früh morgens sind wir gemeinsam aufgewacht, mag die Nacht auch noch so kurz und turbulent gewesen sein. Wir gingen zu zweit auf die Toilette, tranken den morgendlichen Kaffee, und machten uns auf den Weg zur Arbeit. Auch dort warst Du mein ständiger Begleiter, und ich habe mich allzu oft nach dem Feierabend gesehnt, um endlich wieder Zeit mit Dir alleine zu verbringen. Zuhause angekommen, versetzten wir uns in einen kollektiven Blutrausch, auf der Jagd nach dem nächsten Jackpot, dem Max Win. Dieser zog sich bis in die frühen Morgenstunden, wenn wir auch den letzten auffindbaren Euro verspielt hatten, und uns nur noch das leise Schlagen unseres müden Herzens wachhielt.
Du hast mir immer Halt gegeben, auch wenn es mir nicht gut ging. Du hast meine positiven Emotionen verstärkt, wenn es mir gut ging. Du hast mir selten den rechten Weg, aber immer eine Perspektive aufgezeigt. Die Aussicht auf das nächste Spiel war mein ständiger Begleiter, und somit warst auch Du mein treuester Weggefährte. Ich habe dir alles verziehen, egal wie oft Du mich hängen lassen hast, wieviel Geld Du mir aus der Tasche gezogen hast. Mit dem nächsten Spin, dem nächsten Bonus warst Du immer wieder für mich da. Du hättest mir all mein Hab und Gut nehmen können, ich wäre wieder zu dir zurückgekehrt, und du zu mir.
Auch Dein Auftreten hat mir stets imponiert. Mit Deinen Klängen und Deinem Rhythmus habe ich mich auf eine Reise ins Abenteuerland begeben. Der Eintritt kostete gerade mal den Verstand. Und gerade dann, wenn alle Hoffnung verloren schien, wenn die letzte Münze mein Portemonnaie verlassen hatte, arm wie eine Kirchenmaus, kamst Du mit den fünf roten Balken daher. Hintereinander aufgereiht, mit dem richtigen Multiplikator, und dem herrlichen Knallen der Pistolen, hast Du mich in Ekstase versetzt. Wir hatten nun doch lange genug durchgehalten, all den Schmerz durchstanden, allen Widrigkeiten getrotzt. Es war der perfekte Spin, der perfekte Moment und der perfekte Jackpot. Das 12,500-fache unseres Einsatzes, wer kann das schon von sich behaupten. Die schlaflosen Nächte, die aufgetürmten Schuldenberge, die unzähligen Lügengerüste um mich herum, es war alles vergessen. Und so machten wir immer weiter mit dieser Beziehung, denn jedem Jubel folgte der niederschmetternde Bankrott, und jedem Bankrott diese unendliche Hoffnung auf bessere Zeiten. Du warst das Gift, welches meinen ganzen Körper zersetzte, und zugleich das Gegengift, was mich irgendwie am Leben hielt.
Dem Glücksspiel habe ich nun vor mehr als einem halben Jahr den Rücken gekehrt. Unsere Beziehung habe ich aber dennoch künstlich am Leben gehalten, indem ich deine abgeschwächte Demoversion gespielt habe.
Ich habe mir Videos angeschaut, in denen Du die Hauptrolle spielst, und alte Screenshots von unseren größten Gewinnen bewundert. Erst als ich darauf aufmerksam gemacht wurde, habe ich den Versuch unternommen auch diese Dinge sein zu lassen. Anfangs fiel es mir sehr schwer von Dir zu lassen, jeder annährend ruhige Moment ließ meine Finger zucken, noch einmal kurz zu Dir zurückzukehren. Ein letzter Demospin, ein letzter fiktiver Jackpot, vielleicht noch einmal gemeinsam die Pistolen knallen lassen.
Rückblickend sehe ich unsere Beziehung als hochgradig toxisch, und die vermeintliche Zweisamkeit war leider nicht mehr als eine Farce. Eine Art Beziehung habe ich tatsächlich geführt, aber es war lediglich die psychische Abhängigkeit von Dir und Deinen Reizen, welche Du ja unweigerlich besitzt. Ich bin weder mit Dir aufgewacht, noch bin ich jemals mit Dir eingeschlafen. In den Schlaf geweint habe ich mich, Mutterseelenallein, die größtmögliche Form der Einsamkeit.
Du hast aus mir einen schlechteren Menschen gemacht, ein Mensch, den ich selbst nicht wiedererkannte, ein Mensch, der ich nicht sein wollte. Ein kleiner Gewinn reichte aus, um mich mit Dopamin zu überschütten, und meinen Mitmenschen überschwänglich gegenüberzutreten, nur um einige Minuten später am Boden zerstört zu sein, und selbigen Mitmenschen völlige Abweisung entgegenzubringen. Nichts davon war natürlich, und nichts davon nachhaltig. Ich möchte dieser Mensch nicht sein. Und wenn es eine ganze Weile brauchen wird, um wieder ehrliche Glücksgefühle zu entwickeln, dann soll es so sein.
Auch den angesprochenen Halt hast Du mir nie gegeben, weder in guten noch in schlechten Zeiten. Du warst ein ständiger Verkäufer, welcher Tag und Nacht geöffnet hatte, aber nur seine eigene Kasse im Blickwinkel hatte. Perspektive hast Du mir ebenfalls nie geboten, sondern nur die unrealistische Hoffnung auf den nächsten Großgewinn. Doch wie groß ist groß genug, wenn einem bereits alles genommen wurde? Er hätte gar nicht so groß ausfallen können, um all den finanziellen Schaden auszugleichen. Und erst recht hätte es niemals einen Gewinn gegeben, welcher die kaputte Seele wieder geradebiegt. Der Schaden ist angerichtet, und ich habe gelernt das Geschehene zu akzeptieren. Auch habe ich gelernt, dass das ganze viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Aber ich bin fest entschlossen diesen Weg ohne Dich zu gehen. Du wirst mir kaum eine Träne nachweinen, sondern viele neue, unbefleckte Herzen finden. Auch diese werden zunächst Deiner Schönheit verfallen, nur um eines Tages Dein wahres Gesicht zu erkennen.
Für mich war es wichtig, Dir diesen Abschiedsbrief zu schreiben. Nicht nur um Licht und Schatten zu erkennen, sondern um endgültig abzuschließen. Dieses Kapitel ist zu Ende geschrieben, alle Schlachten sind geschlagen, alle Opfer sind erbracht, die Tränen sind geflossen und die Wunden gerissen. Manche beginnen zu trocknen, und andere fangen an zu heilen. Auch heute geht es mir oft nicht gut, doch ich kann mein eigenes Spiegelbild ertragen, meinen Engsten in die Augen schauen, und auf ein besseres Morgen hoffen. Es wird keine Fortsetzung geben, kein nächstes Kapitel. Dies ist ein Abschied für immer.
Dein ehemals treuester Spieler
XXX"