Hallo zusammen,
seit einer Weile lese ich hier im Forum anonym mit.
Die Beiträge von anderen Betroffenen und von Ilona und Olli haben wesentlich dazu beigetragen, mir Hilfe zu holen und meine Spielsucht aktiv anzugehen.
Herzlichen Dank dafür und vielen Dank für euer Engagement.
Zu meiner Historie:
Ich bin Mitte 30, männlich. Seit ich 18 bin habe ich viele Jahre Sportwetten betrieben, online gepokert, irgendwann auch mal in den angeschlossenen online casinos Einsätze getätigt.
Meine Einsätze wurden nach dem Studium mit dem Gehalt größer. Aber waren in einem Rahmen, den ich mir ohne spürbare finanzielle Probleme leisten konnte. Auch hatte ich mehrere Wochen und Monate Spielpausen. In den frühen 30ern kamen dann Kontrollverluste (>1000€) dazu, allerdings mit zeitlichem Abstand und mutmaßlich "zur Vernunft kommen".
Natürlich habe ich über die Jahre zusammengerechnet trotzdem viel Zeit und Geld in online casinos verspielt.
Ende 2020 begannen für mich dann persönliche Krisen. Beziehung vorbei nach massiven Streits, ausgezogen, depressive Episode...
In der Zeit habe ich komplett die Kontrolle verloren, erspartes verspielt, Schulden gemacht.
Nachdem meine medikamentöse Therapie der Depression vorbei war, habe ich mir eingestanden, dass ich spielsüchtig bin und etwas machen muss.
Zunächst habe ich seit Ende 2021 versucht, allein Abstinent zu sein. Ich hatte zwei Rückfälle. Im Februar habe ich mich dann bei der Suchtberatung gemeldet, habe eine Spiel Block Software auf allen privaten endgeräten installiert (kann ich übrigens nach ersten Erfahrungen als unterstützende Maßnahme stark empfehlen für online spielsüchtige wie mich) und bin seitdem abstinent.
Der Schritt mir Hilfe zu suchen war enorm schambehaftet. Wie gesagt hat mir das Lesen hier im Forum bei dem Schritt sehr geholfen.
Inzwischen hatte ich mehrere Beratungen. In ein paar Tagen steht mein erster Besuch in der SHG an. Darauf freue ich mich echt sehr. Statt scham empfinde ich hierbei eher Vorfreude. Endlich ein Austausch mit Menschen, die meine eigenen Probleme aus eigener Erfahrung kennen.
Ich kenne ansonsten keine spielsüchtige Person.
Ich habe mich für eine ambulante Therapie entschieden, in der Beratung habe ich mich bei der Suchttherapeutin gut aufgehoben gefühlt. Hierfür muss ich jedoch den Befundbericht für die Rentenversicherung ausfüllen lassen.
Und hier beginnt meine nächste Herausforderung.
Einen Hausarzt habe ich nicht. Bei meiner depressiven Episode war das enorm schambehaftet einem fremden Arzt zu erzählen was mit mir los ist. Zumal das Verhältnis nicht das vertrauenvollste war. Daher würde ich zu einem anderen gehen.
Außerdem habe ich die schlechte Erfahrung gemacht, dass die Diagnose bei dem Arzt nicht gelöscht wurde, selbst nach Ende der Medikamentierung. Da ich Anfang 2021 auch in die private KK gewechselt bin und damals noch wahrheitsgemäß angegeben habe, keine psychischen Erkrankungen zu haben ist das echt problematisch. Habe daher zwei andere Arzt-Rechnungen selbst bezahlt.
Die nächste krankenakte mit spielsucht als Diagnose find ich daher nicht so toll.
Es ist wie eine Wand vor mir wieder zu einem fremden Arzt zu gehen und von dem den Fragebogen ausfüllen zu lassen.
Ich bin familiär / im Freundeskreis gut sozialisiert, habe einen tollen Job, in dem ich erfolgreich bin und mit dem ich noch dieses Jahr sämtliche Schulden begleichen kann. Ich habe meinen Alltag außer der Spielsucht im Griff, habe Hobbies und bin nach der überstandenen depressiven Episode gesund.
Insofern kann ich mich sehr sehr glücklich schätzen. Aber die eher abwertenden Fragen auf dem Formular fördern meine Scham noch mehr und ich habe allein schon Horror davor, einen Termin zu vereinbaren. Zumal ich keine Ahnung habe, wie die / der Arzt damit umgeht.
Meine Hoffnung ist, dass ich hier Erfahrungsberichte von euch anderen erhalten kann oder ihr Tipps für mich habt, meine Angst zu überwinden. Zumal ich sicher bin, dass die Angst nicht ausschließlich rational ist.
Vielen Dank und schön, hier zu sein.