Guten Morgen und herzlich willkommen!
Ich bin Olaf, 54 Jahre alt, habe 20 Jahre am Automaten gespielt und bin nun im 16. Jahr meiner Glücksspielfreiheit.
Was ich hinbekommen habe, das bekommst Du auch hin. Dazu musst Du einige Werkzeuge beachten und anwenden, die Du bisher ignoriert hast. Gesagt worden sind sie Dir bestimmt schon. Genesung ist aber nun mal kein Fingerschnippen, es ist ein Prozess.
Fangen wir an mit der absoluten Aufrichtigkeit nach Innen und nach Aussen. Jede Lüge, die wir nach aussen tragen, will von uns selbst geglaubt werden, damit wir sie auch als glaubhaft verkaufen. So irrwitzig das dann auch ist, irgendwann glauben wir tatsächlich daran. Also ... informiere Deine Freunde, Deinen Vater und Bruder. Sei ehrlich zu ihnen. Du verspürst Scham? Das ist doch ein gutes Zeichen! Dann weisst Du, dass Du gerade etwas machst, was nicht in Ordnung ist. Wenn es sich falsch anfühlt, dann ist es das wahrscheinlich auch - also ändere es.
Zur Diakonie ... Du hattest 2 Sitzungen und dann bist Du nicht mehr hin gegangen. Du behauptest aber, dass sie Dir nicht geholfen haben. Nun ja, wie konnten sie denn auch? Auch hier verkaufst Du Dir selbst gegenüber ein Lüge. Der Beweis ... Du möchtest wieder hin gehen!
Es war etwas vollkommen Neues für Dich und sicherlich war da ein Teil in Dir, der gerne der Sucht weiter gefrönt hat. Das ist vollkommen normal. Die Leute von der Diakonie kennen das. Gehe also gerne wieder hin und lerne mehr über Dich selbst.
Du hast schon viele Normen gebrochen - unter Anderem das Gesetz. Ich habe das auch einmal gemacht. In Grund und Boden habe ich mich geschämt und genau das hat mich davon abgehalten, es nie wieder zu tun. Allerdings habe ich mich dann mit meiner Sucht arrangiert und habe ab da an nur noch meinen Dispo malträtiert. Ich kam ja trotzdem an genug Suchtmittel durch Nebenjobs.
Du hast die Chance es besser zu machen als ich. Also ja - gehe wieder hin.
Solltest Du dort mit einem Berater oder Therapeuten keine vertrauensvolle Beziehung aufbauen können, die ist wichtig, damit Du Dich auf die Therapie einlassen kannst, dann sage es ganz ehrlich. Niemand wird es Dir übel nehmen. Ganz im Gegenteil. Es wird gerne gesehen, denn die Menschen, die solch einen Job machen, möchten helfen. Wenn sie es bei einer Person nicht können, dann aber bestimmt ein Kollege.
Den Job hinschmeißen und zur stationären therapie ?
Mich wundert, dass Du die Therapie (ist es überhaupt schon eine?) ambulant machst. Mein Gedanke wäre es eher, Dich aus Deiner Umgebung heraus zu reissen in einen geschützten Rahmen hinein. Dort kannst Du Dich dann voll und ganz auf Deine Therapie konzentrieren und einlassen. Du brauchst den Job aber nicht zu kündigen - Du wirst krank geschrieben. Es erfährt auch keiner wieso Du evtl. 12 Wochen krank bist.
Die Stationäre wäre hier für Dich auch besser, da dann gleichzeitig und konzentriert Deine Depressionen mitbehandelt werden können.
mein bruder und meine eltern leiden sehr dran da sie mir immer aus den finanziellen Krisen raushelfen wenn ich mir von jemanden geld leihe um zu spielen …
Das muss aufhören mit den finanziellen Zuwendungen. Das musst Du ihnen unbedingt sagen. Damit unterstützen sie Deine Sucht.
Das ist ihnen sicher nicht klar - daher ist es Deine Aufgabe es ihnen zu sagen.
Wie soll sich denn in Dir etwas ändern, wenn Du keine Konsequenzen erfährst? Im Bewusstsein, dass sie Dir helfen werden, ist es doch leichter sich Geld zu leihen - oder?
Ungewollt verhelfen sie Dir so zu Deinem Suchtmittel - Geld! Schau, was Du fühlst, wenn Du Geld in der Tasche hast. Das ist momentan ein gewaltiger Druck, dem Du noch nicht stand halten kannst. Was ist da also die logische Konsequenz? Du musst Dir den Zugang zu Deinem Suchtmittel verschließen! Frage sie also, oder Deine Freundin, ob sie mit Dir ein Geldmanagement machen.
D.h. Du bekommst Taschengeld und Du belegst Deine Ausgaben lückenlos. Es wird ein Haushaltsbuch gemeinsam geführt und es werden Ausgaben geplant. Es wird geschaut, wo Du Einsparungen machen kannst und wie viel Du für Deine Schuldentilgung zahlen kannst. Nicht zu vergessen ... auch für Dich müssen Belohnungen drin sein in der Planung. Also ... ein Kinobesuch mit Freunden - eine längst gewünschte Lederjacke - ein Fahrrad für den Sport.
Solch ein Geldmanagement sollte immer nur temporär sein. Daher nutze die Zeit um zur Ruhe zu kommen und an Dir zu arbeiten.
Du möchtest Deine Sucht besiegen, sagst Du. Wenn das im Sinne von kämpfen gemeint ist, dann vergiss es ... Bei Kämpfen gibt es immer einen Gewinner und einen Verlierer. Beide tragen Blessuren davon. Deine Sucht ist aber ein Teil von Dir.
Hartmut, unser Selbsthilfereferent, hat letzte Woche in einem Meeting einen schönen Vergleich gebracht. Die Sucht ist wie ein Fluss. Sie schafft sich im Laufe der Zeit ein immer größeres Flussbett. Wenn wir die Sucht zum Stillstand bringen - das sollte Dein Ziel sein - dann trocknet das Flussbett aus. Es bleibt aber immer dort bestehen, bereit neues Wasser aufzunehmen. Je mehr Zeit vergeht, in dem das Flussbett trocken bleibt, desdo mehr wird es von der Natur neu geformt. An Plätzen mit Windschatten wird sich Saharasand fangen - es werden Pflanzen das Aussehen des Bettes komplett verändern. Aber das Flussbett bleibt vorhanden.
Waren Deine Depressionen schon vor dem Glücksspiel vorhanden? Oder sind sie dadurch erst bei Dir entstanden?
Bei mir ist jetzt 6 Uhr 54 ... es wird Zeit fürs Frühstück ... ich hoffe, wir lesen uns ...
PS: Kleiner Nachtrag ... ich habe Deinen doppelten Post gelöscht. Ein Thread reicht ja auch, oder nicht?