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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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ICH bin doch nicht süchtig...

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ICH bin doch nicht süchtig...
« am: 01 Februar 2022, 13:13:41 »
Moin ihr Lieben,

Vorab: ich lese seit einigen Tagen hier mit und
Allein wie ihr hier miteinander kommuniziert und euch mitteilt ist schon ein kleiner Lichtstreif am Horizont!

Zu mir:

Nach 5 Monaten exzessiven Spielen sah es folgendermaßen aus:

"Fühlen Sie sich verloren und verzweifelt, wenn Ihnen das Geld zum Spielen ausgeht?"

Check!

"Versuchen Sie oft, Verluste zurückzugewinnen?"

Check!

"Haben Sie jemals versucht, zu vertuschen, wie viel Geld oder Zeit Sie für Glücksspiele ausgeben?"

Check!

"Spielen Sie so lange, bis Ihr Geld zum Glücksspiel aufgebraucht ist, und geben Sie dann Geld aus, das ursprünglich nicht zum Glücksspiel gedacht war?"

Check!

"Widerstrebt es Ihnen, Ihr ‘Spielgeld’ für etwas anderes als Glücksspiel zu verwenden?"

Check!

Aber ICH bin nicht süchtig!!!

Naja, einen Monat später hatte ich viel zu viel verspielt. Sowohl Geld als auch Zeit. (Bei Onlineslots)
Ich konnte all das nicht mehr ertragen und habe mich einem Freund(gleichzeitig auch mein Steuerberater) und meiner Partnerin offenbart. Beide haben super Verständnisvoll reagiert.
"Du sagst ja noch rechtzeitig Bescheid, du bist doch clever genug, das passt gar nicht zu dir. Jetzt schaffst du das ja."

Weitere 2 Monate später wieder dasselbe.
Ich bin doch gar nicht so süchtig. Einmal kurz ein bisschen Spielen.

1 Monat später wieder 6000€ weg.
Wieder die Vorwürfe wie selten dämlich man denn sein kann. Wieder alle informiert und noch einen weiteren Freund eingeweiht.
Alle wieder super hilfreich und Verständnisvoll.

Danach sah es eigentlich wieder ganz gut aus. Ich bin selbstständiger Gastronom. (Macht das nie. Unser Gewerbe taugt nicht für Pandemien.) Aber der Sommer 2021 lief dafür trotzdem wirklich gut.

Dann kann ich doch nochmal schnell ausprobieren ob ich mein durch die pandemie verlorenes und selbst verzocktes Kapital nicht doch wieder einspielen kann.

Von August bis September dann also nur ganz wenig und Maßvoll gespielt. 11000€ verzockt! In einem Monat! Natürlich Geld das ich nie hätte anrühren dürfen.

Diesmal also wieder meine Partnerin eingeweiht und meine Schwester. Nicht aber die beiden Freunde. Wollte die nicht auch noch schon wieder enttäuschen.

Alle onlinebanking Zugänge abgegeben und die Tageseinnahmen vom Café abends von meiner Partnerin kontrollieren lassen.
Therapie beim Psychiater begonnen und natürlich voll (also noch mehr als sonst schon) in die Arbeit gestürzt. Ich musste ja mein selbstverzapfte Grütze irgendwie kompensieren.

Die Therapie hat mir ehrlich gesagt gar nicht gefallen. Habe offen und alles mit dem Therapeuten besprochen. Ging ja darum mir zu helfen. Das sehe ich schon ein. Aber wirklich gut hat sich das zu keinem Zeitpunkt angefühlt. Die anschließende Verhaltenstherapie habe ich erstmal nicht wahrgenommen. Und shg und anderen Hilfen habe ich auch erstmal außen vor gelassen. Habe ja den ganzen schei...schließlich selbst verzapft.

Irgendwann habe ich dann festgestellt das paypal ja Immer noch für mich zugänglich war. Dachte mir, naja gut, ich muss ja auch zwischendurch was bezahlen und immer dieses nachfragen nervt ja nur.

Ging auch eine Weile gut. Dann vor einem Monat wieder der Rückfall. 5000€, die ich inzwischen sowas von gar nicht mehr habe, verzockt.

Ich habe mich die 3 Monate die ich "abstinent" war durchgehend getriggert. Nicht täglich, aber regelmäßig habe ich geschaut ob ich "Boni" habe und die verspielt.
"Gutes Heilmittel", dachte ich. Da sieht man ja das es einfach nichts bringt. (War mir nach einem Jahr spielsucht ja eh nicht schon voll klar.)

Dann natürlich mit "nur 10€" angefangen.

Und jetzt stehe ich hier nach ca. Eineinhalb Jahren Spielsucht und schäme mich und frage mich wie oft ich wohl rückfällig werden muss bis ich es endlich merke.

Klar ist es diesmal anders. Ich habe etwas früher (Sowohl zeitlich als auch finanziell) aufgehört als die letzten Male. Und ich habe bereits Termine bei Beratungsstellen und der Verhaltenstherapie gemacht. Habe schon versucht Termine bei shg zu bekommen und bin nun auch bei euch gelandet.

Zudem traue ich mich schon seit Tagen nicht schon wieder meine Partnerin zu enttäuschen. Habe vor einer Woche wieder aufgehört zu spielen.

Dennoch macht das mitlesen hier mir Mut!

Danke fürs mittlesen und mittlesen lassen!

Achso: ich bin mitte 30, männlich und habe 2 Kinder die ich über alles liebe.
« Letzte Änderung: 01 Februar 2022, 13:18:09 von Impetous »

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Offline Olli

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  • 7.342
Re: ICH bin doch nicht süchtig...
« Antwort #1 am: 01 Februar 2022, 15:59:04 »
Oh schön ... ein Neuer!

"Herzlich willkommen!" - Check!

"Du solltest Dich offenbaren!" - Check!

"Hintertürchen müssen geschlossen werden!" - Check!

"Vielleicht warst Du beim Psychologen noch nicht so weit, mache einfach an der Stelle weiter, wo Du aufgehört hast!" - Check!

...

:)

Jetzt mal im Ernst ... herzlich willkommen!

Hier sind mal die 20 Fragen der GA in Gänze:

Zitat
1. Haben Sie jemals Arbeits- oder Schulzeit durch Spielen versäumt?
2. Hat Ihnen das Spielen zu Hause schon Ärger eingebracht?
3. Hat Ihr guter Ruf durch das Spielen gelitten?
4. Haben Sie schon einmal Gewissensbisse nach dem Spielen verspürt?
5. Haben Sie schon einmal gespielt in der Erwartung, mit dem Spielgewinn Schulden zu bezahlen oder andere finanzielle Probleme zu lösen?
6. Haben  Ihre Zukunfstpläne und Ihre Leistungsfähigkeit durch das Spielen Einschränkungen erfahren?
7. Wollen Sie einen Spielverlust so schnell wie möglich zurückgewinnen?
8. Haben Sie nach einem Spielgewinn den starken Drang weiterzuspielen, um noch mehr zu gewinnen?
9. Haben Sie schon oft Ihren letzten Cent verspielt?
10. Haben Sie sich schon einmal Geld geliehen, um spielen zu können?
11. Haben Sie schon einmal etwas verkauft, um spielen zu können?
12. Haben Sie nur widerstrebend „Spielgeld“ für alltägliche Ausgaben verwendet?
13. Haben Sie Ihr eigenes Wohlergehen und das Ihrer Familie durch Glas Spielen vernachlässigt?
14. Haben Sie schon einmal länger gespielt, als Sie eigentlich wollten?
15. Haben Sie im Spiel schon einmal Sorgen und Ärger vergessen wollen?
16. Haben Sie Ihr Spiel schon einmal auf ungesetzliche Weise oder schon einmal an eine solche Möglichkeit gedacht?
17. Hat Ihnen das Spielen Schlafstörungen verursacht?
18. Haben Sie nach Auseinandersetzungen, Streit, Enttäuschungen und Frustrationen  den starken Wunsch, spielen zu gehen?
19. Haben Sie schon einmal das Verlangen gehabt, anlässlich glücklicher Ereignisse in Ihrem Leben – zur „Feier des Tages“ – ein paar Stunden spielen zu gehen?
20. Ist Ihnen schon einmal bewußt geworden, daß Sie sich mit dem Spielen selbst zerstören?

7 Male mit Ja zu antworten dürfte reichen für eine ernst zu nehmende Problematik.

Impetous ... es ist nun mal so, dass niemand so nahe am Glücksspiel gerne zugibt, dass er da ein Problem hat. Wenn da jemand blinde Kuh spielt und die Kuh watschelt auf einen Steilhang zu, dann greift jeder sofort ein und hält die Person fest, damit sie eben nicht abstürzt.
Die Glücksspielsucht ist aber vorurteilbehaftet - auch bei uns selbst. Also wird diese Kuh nicht festgehalten, sondern sie bekommt einen Schubser, die sie so eben noch vom Steilhang fern hält. Wer dieses Spiel selbst einmal gespielt hat, der weiss aber auch, dass es hier kein stetes Geradeaus gibt. Und so vertreten wir uns auf der Kante erst mal den Fuß, bevor uns wieder ein Schubser vor´m Absturz bewahrt. Beim nächsten Mal bekommt das Knie was ab und die Handballen und die Ärmel bekommen Kratzer hoch drei. Aber wen stört das schon, so lange das Spiel weiter läuft? Erst wenn die nächste Kuh an der Reihe ist, fallen die ganzen Blessuren auf ... und tun so richtig weh.
Mist aber auch ... ein wenig Spucke auf die Wunde und hoffen, dass ich schnell wieder dran bin mit Kuh sein.

Das kann sich über Jahre hinziehen, dieses Spiel. Zwischendurch kommt immer wieder mal die "absolute" Einsicht ... nach außen und vielleicht sogar nach Innen. Doch was nutzt es, wenn das Defizit noch nicht gefunden ist und das Glücksspiel seine Funktion erfüllen "muss"?
Damit komme ich zu den Hintertürchen, die es zu verschließen gilt. Wie kamst Du an das ganze Geld? Verschließe alle Hintertürchen, die Dir einfallen. Es werden sich Neue auftun, die es wieder zu verschließen gilt. Das bewahrt Dich dor gefährlichen Triggern.
Beschaffe Dir einen neuen EMail-Account und lösche den Alten, wenn Du Boni-SPAM bekommst.
Mache die Verhaltenstherapie ... was hat sich denn nicht gut angefühlt? Lag es am Psychiater? Oder lag es an zu hohen Erwartungen an Dich selbst?

Enden möchte ich meinen Beitrag mit: Habe Geduld mit Dir selbst!
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Wolke 7

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Re: ICH bin doch nicht süchtig...
« Antwort #2 am: 01 Februar 2022, 19:16:08 »
Hallo Impetous,

warst du bei einem Psychiater ,Psychologen oder Therapeuten ? Da gibt es auch Behandlungsunterschiede.....ist nicht immer einfach da durchzublicken und den richtigen zu finden. Wenn die Chemie nicht stimmt,darfst du auch den Therapeuten oder wo auch immer du warst ,wechseln.
Stimmt die Chemie, hast du Vertrauen, dann gelingt auch die Zusammenarbeit.

LG Wolke

Re: ICH bin doch nicht süchtig...
« Antwort #3 am: 02 Februar 2022, 10:28:06 »
Lieber Olli,

Vielen Dank. Ich versuche mein bestes.
Und Geduld ist definitiv eine Tugend die ich noch optimieren muss :-)

Re: ICH bin doch nicht süchtig...
« Antwort #4 am: 02 Februar 2022, 10:30:30 »
Liebe Wolke,

Es war ein Psychiater. Und ja ich habe auch gehört das man das abbrechen und wechseln kann. Ich jedoch, das ist ja ein Profi und er will mir helfen. Da muss ich mich ja nicht unbedingt wohl fühlen. Scheint aber wohl doch eher so zu sein.

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Offline Olli

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Re: ICH bin doch nicht süchtig...
« Antwort #5 am: 02 Februar 2022, 13:05:32 »
He, he ... :)

Wen kümmert es denn, wenn ich mich unwohl fühle ... :)

Es ist egal, von welcher Stelle wir in der Suchthilfe reden ... überall ist die Beziehung zwischen mir und dem Gegenüber elementar!
Ich brauche mich nicht zurück nehmen. Im Gegenteil ist es mir selbst gegenüber meine Pflicht zu sagen, wenn ich mich unwohl fühle. Dann kann der Andere nachfragen und dem Übel auf den Grund gehen. Liebt das Unwohlsein im Gegenüber begründet, dann kann der Andere helfen jemanden zu finden, bei dem die Chemie zu mir wieder passt.

Tja ... wenn man sowas nur immer mal früher gewusst hätte ... ;)

Ohne gute Beziehung gibt es auch kein Vertrauen ... oder nicht genug ...

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: ICH bin doch nicht süchtig...
« Antwort #6 am: 04 Februar 2022, 10:48:15 »
Hey,

Habe jetzt für Dienstag einen Termin in einer shg. Mein erstes Mal. (Euch natürlich ausgenommen) bin wirklich gespannt wie das wird. Noch schwebt mir dieses Bild aus den ganzen Hollywood Serien vor. :-)

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Offline Ilona

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    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Re: ICH bin doch nicht süchtig...
« Antwort #7 am: 04 Februar 2022, 11:12:13 »
Falls du was über Selbsthilfegruppen wissen willst, könntest du diesen Film angucken https://www.youtube.com/watch?v=U3mhLxLdNek
und mal im Blog vorbei schauen: https://gluecksspielsucht-selbsthilfe.de/

LG Ilona

 

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