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Kribbeln im Bauch

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Kribbeln im Bauch
« am: 23 Dezember 2021, 18:53:17 »
Hey Leute
Einige von euch haben meinen letzten Beitrag vielleicht gelesen. In diesem wollte ich euch mal etwas fragen.
Ich hatte letztens erwähnt das meint Haupt „Rückfall“ Grund das nicht akzeptieren meiner Verluste war. Ich wollte unbedingt wieder Geld zurück holen.
Jetzt sind einige Tage/ Wochen rum ohne spielen. Ich habe versucht zu kapitulieren, weil das Ende ja immer gleich ist.
Momentan merke ich wie es in mir kribbelt. Ich denke an das spielen, an das gewinnen an den kick. Habe förmlich Schmetterlinge im Bauch aber ich konnte es bis jetzt unterdrücken. Das ist aber nicht gut, da ich Angst habe es könnte mich wieder überkommen.
Wie habt ihr oder bzw wie überwindet ihr solche Gefühle?
Ich spiele für mein Leben gerne Videospiele, so kann ich das bis jetzt gut umgehen und habe Spaß daran. Doch aus dem nichts kommen die Gefühle wieder hoch. Das Geld zurück zu holen. „Nur ein kleiner Betrag vom Geld, dann kannst du etwas shoppen gehen und es dir gut gehen lassen, nur 1000€ oder so“ flüstert mir der Zügel auf der Schulter förmlich ein.
Würde mich freuen wenn ihr eure Erfahrungen in solchen Momenten mal wiedergibt.
Wünsche euch schöne freie Tage  :)

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Offline Olli

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Re: Kribbeln im Bauch
« Antwort #1 am: 23 Dezember 2021, 19:39:24 »
Hi!

Zunächst einmal ein Lob ... Du hast dieses Kribbeln im Bauch, die "Diskussionen mit der Sucht" und trotzdem wiederstehst Du ihm und schreibst stattdessen hier ins Forum!
Das Craving - das Verlangen - hat viele Gesichter. Es zeigt Dir aber nicht alle - nur die freundlichen.
Er zeigt Dir nicht auf, wie Du nach dem Spiel Dich verurteilst - Dich nieder machst, wie vorher Dein Bankkonto.
Er verschweigt Dir den Vertrauensverlust bei Deinen Liebsten, weil Du sie auf vielfältige Weise anlügst.

Und ja klar, der Grund für den Rückfall ... der klingt so schlüssig, so rational, so logisch. Man könnte ihn doch einfach abhaken - oder? Was soll denn da noch kommen?

Damals bin ich mit dem Rad durch die Gegend gefahren oder auch mal zu Fuße durch die Ortschaft gezogen.
Zwischen Fahrbahn und Gehweg waren Sperrpfähle angebracht. Ich sah ein Auto auf mich zu kommen und dachte mir: Wenn Du es schaffst, den x. Sperrpfahl zu erreichen, bevor das Auto Dich passiert, dann belohnst Du Dich in der Spielhalle.
Bescheuert - oder? Es gab da aber auch noch andere Gründe: Die Sonne scheint! Mir geht es gut! Mir geht es schlecht! In Afrika ist ein Sack Reis umgefallen. ...
Dein Grund ist kein Grund - er ist ein Symptom der Sucht. Es gibt nämlich keinen Grund für die Suchtausübung außer der Suchtausübing selbst. Das Defizit, welches uns spielen lässt, bleibt da ganz außen vor.

Die Basis für eine Genesung ist die absolute Aufrichtigkeit nach Innen und nach Aussen!
Wenn ich mir also selbst  nichts vormachen möchte, dann muss ich mich auf die Suche begeben.
Klar, die Symptome zu lindern ist auch eine Möglichkeit, doch das liefert keine innere Veränderung. Ich harre ja nur aus und warte ab.
Ein Begriff, der Dir bei der Beantwortung Deiner Frage hilft: Skills.
Das sind Dinge oder Tätigkeiten, die Deine Sinne vom Glücksspiel wegzerren. Also: kalt duschen. Treppen steigen, bis zur Schnappatmung. Das sind Chilli-Kaubonbons, der Biss in eine Zitrone. Es kann aber auch ein Noppenball sein, den Du in einer Hand knetest. Ein Gummiband, welches Du am Handgelenk flitschen lässt, ohne Dich wirklich zu verletzen. Ein Waldspaziergang kann es auch sein. Was könnte Dich ablenken?
Craving ist immer nur temporär, soll heißen ... er kann genau so schnell wieder verschwinden, wie er gekommen ist.
Und wie Du bei Dir selbst bemerkst: Die Welt geht nicht unter, wenn Du ihn aushälst! Und das gelingt Dir ja auch!



Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Kribbeln im Bauch
« Antwort #2 am: 23 Dezember 2021, 20:50:18 »
Da hast du recht Olli, die Welt nicht unter, man ist im Gegensatz sogar stolz durchzuhalten, aber die Angst irgendwann nachzugeben ist immer präsent. Das mit dem „belohnen“ kenne ich 1:1
Habe es genau so erlebt, aber es gibt wirklich keinen Grund zum spielen, man redet es sich selber ein, da hast du recht. Ich dachte wirklich für einen Moment ich gebe nach und da hab ich sofort zum Handy gegriffen und bin ab ins Forum. Es tut auch gut wenn ich ehrlich bin. Ich möchte nach dem Verlust nicht wieder alles bereuen und wieder von 0 starten. Oder beim Gewinn am nächsten Tag alles wieder reinhauen. Ich kapituliere. Ich bleibe stark. Danke für die schnelle Antwort.
Gute 24h  ;)

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Offline Olli

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Re: Kribbeln im Bauch
« Antwort #3 am: 24 Dezember 2021, 07:37:16 »
Guten Morgen!

Ja, mein Freund! Der Stolz ist auch berechtigt! Die Angst, von der Du sprichst, aber auch. Sie macht ihren Job, für den die Natur sie geschaffen hat: sie hält Dich wachsam und beschützt Dich damit!

So unsagbar schwer es auch erscheint: Wir können dem Suchtdruck etwas entgegen setzen und ihn auch aushalten!
Lediglich die Sucht in uns möchte uns suggerieren, dass das unmöglich ist.

Versuche also, wenn der Suchtdruck kommt, Dir etwas Gutes zu tun! Sport setzt auch Endorphine frei. Durch den Wald gehen und auf die natürliche Geräuschkulisse zu achten, die Lungen mit der frischen Luft zu füllen, macht dies auch.

Je länger Du spielfrei bist, desdo mehr achtest Du auf Kleinigkeiten. Vogelgezwitscher oder der Wind, der durch die Bäume streicht.

Das alles ist ... schön und gut. Es bringt aber nichts, wenn die Ursache für die Sucht nicht gesucht und vielleicht nicht gefunden wird.
Da behaupte ich mal, dass der Weg das Ziel ist.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
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Offline Olli

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Re: Kribbeln im Bauch
« Antwort #4 am: 24 Dezember 2021, 08:00:06 »
Hi!

Aus einem anderen Thread von Dir zitiert:

Zitat
Disziplin und Wille ist das A und O.

Nein, das ist absolut falsch! Die absolute Aufrichtigkeit nach Innen und nach Aussen ist das A und das O!
Klar, Disziplin und Wille sind alles Andere als unwichtig. Natürlich braucht es die auch.
Doch schaue Dir mal an, wozu Du sie bisher eingesetzt hattest.
Ein großes Vorurteil von Nichtspielern über Spieler ist, dass sie charakter- oder willensschwach seien.
Das sind sie absolut nicht!
Brösele Dir den Willen einfach mal auf. Was ist das eigentlich? Was braucht es dazu?
Du kommst da irgendwann zur Willensentscheidung. Eine Entscheidung aber ist immer von der Situation und der Gefühlslage abghängig. Wenn dann z.B. Beides gerade alles andere als prickelnd ist, dann wirst Du Deinen Willen einsetzen, um Dir kurzfristig und vermeindlich etwas "Gutes" zu gönnen. Das Suchtteufelchen haucht Dir dann ins Ohr: Reduziere Deine Schulden! Heute gibt es den großen Gewinn! Komm, nur eine halbe Stunde, wenn es nicht klappt, dann hörst Du eben wieder auf! Belohne Dich! - und all so einen Scheiß.
Der Wille kann nicht abwägen für was er eingesetzt wird! Dafür braucht er Dich! Deine Resilienz!
Resilienz ist eine Fähigkeit und ich bin der festen Überzeugung, dass wir sie erlernen können.

Zitat
Man wird durch das Spielen extrem gierig.
Ich sehe das anders! All die Gedanken im Spiel sind doch suchtbedingt. Das Streben nach mehr oder das Chasen erscheinen zwar so, sind aber doch nur Symptome der Sucht. Sich nichts gönnen zu wollen außerhalb der Suchtausübung dient nur dazu das Suchtmittel zu horten. Es dient also der Vorbereitung der Suchtausübung!
Gier ist eine unveränderliche Charaktereigenschaft! Wer den Umgang mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel in der Genesung wieder neu erlernt, der legt aber diese Denk- und Handlungsstrukturen wieder ab. Er verändert etwas ... also kann es keine Gier sein!
Somit ist die empfundene Gier wieder nur ein suchtbedingter Selbstbetrug.
Da sind wir wieder bei dem bereits von mir zitierten A und O - der absoluten Aufrichtigkeit nach Innen und nach Aussen!
Geht den eigenen Gedanken auf den Grund!
Gute 24 h
Olaf


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Re: Kribbeln im Bauch
« Antwort #5 am: 24 Dezember 2021, 12:45:05 »
Wow, so habe ich das mit dem „Willen“ garnicht gesehen, aber klingt alles so logisch was du da sagst. Ich schätze mal wenn man einige Jahre diese sucht ausübt, verbreitet es sich im
Gehirn wie die Pest. Wäre wohl nicht darauf gekommen. Die sucht hat echt einiges beeinflusst- psychisch.

 

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