Hi Catia!
Ich bin Olaf, 53 Jahre alt, ehemaliger Automatenspieler und seit etlichen Jährchen abstinent,
Den Anfang mache ich mal mit den weit verbreiteten Irrtümern:
Wie kämpft ihr mental dagegen an?
Ich kämpfe gar nicht dagegen an. Bei einem Kampf gibt es immer einen Gewinner und einen Verlierer. Zudem kostet ein Kampf Kraft und es gibt immer Verletzungen.
Wenn Du aber süchtig bist, dann ist die Sucht ein Bestandteil von Dir. Du kämpfst also gegen Dich selbst. Im Grunde gibt es dann gar keinen Gewinner, sondern nur einen Verlierer.
Wie habt ihr DIE ALTERNATIVE gefunden die den gleichen Kick gibt sodass sie es Wert ist nicht zu spielen.
Es gibt keine Alternative zum Glückspiel, außer das "Leben". Das muss ich ein wenig erklären.
Jede Sucht hat eine Gewöhnungsphase. Sie dauert mal länger und mal weniger.
Die Glückspielsucht ist eine reine Verhaltenssucht. Unsere Droge sind die körpereigenen Glücklichmacher, das belohnungssystem.
Während der Gewöhnungsphase gewöhnt sich das Gehirn an die gesteigerte Endorphinausschüttung. Du benötigst also irgenwann mehr Endorphine, um ein gewisses Level des Wohlempfindens zu erreichen. Da werden die einzelnen Spieleinsätze gesteigert, es wird mehr Zeit für das Glückspiel investiert und die Gesamthöhe der Einsätze geht stetig nach oben.
Auf der Strecke bleiben die "normalen" Situationen, die sonst ausreichen, um genug Glücklichmacher ausleben zu können. Dafür ist die Dosis irgendwann zu klein geworden.
Wenn wir abstinent werden, dann müssen wir aber wieder zurück zur Normalität, denn der Körper gewöhnt sich auch wieder an kleinere Dosen Endorphine.
Hättest Du eine Alternative mit Kick, dann bliebe ja die krankhafte Veränderung im Gehirn bestehen.
Daraus folgert aber auch, dass wir in der Abgewöhnungsphase Mangelerscheinungen haben. Die gilt es auszuhalten und ihre Intensität verringert sich permanent.
Am Ende kannst Du die Glücklichmacher, die Dir das "Leben" zuweist, auch wieder genießen.
Das klingt zwar einfach, ist es aber nicht, wie wir beide wissen.
wie haltet ihr ihn aus?
Du siehst ihn ja als Feind an. Wie wäre es aber ihn als Freund anzusehen? Ein Freund labert auch hier und da mal Stuss und nur weil er mich zu etwas auffordert, was ich nicht möchte, heisst das noch lange nicht, dass ich es auch tue. Wie reagiere ich aber auf solch einen Freund? Ich belächele ihn und lasse ihn sich austoben.
Der Suchtdruck, und da komme ich zur nächsten Frage, hat nämlich seltenst Durchhaltevermögen. Er wird schnell müde und gibt dann auf. Soll heißen: Der Suchtdruck vergeht genau so schnell, wie er gekommen ist. Ihn auszuhalten, ist eine Herausforderung. Wir können ihm aber begegnen - z.B: mit Handlungen, die uns gut tun.
In der Natur spazieren gehen. Mit Nachbars Katze schmusen (das setzt ungemein viele Endorphine frei!! Edit: Sehe gerade erst, dass Du auch darüber geschrieben hattest ... scheint ein erfolgreiches Rezept zu sein ...
)). Oder Kochen, wie es VSGecko heute gemacht hat.
Ist der Suchtdruck ganz extrem, dann helfen kurzfristig auch Skills. Dies sind Dinge, bei denen wir über unsere Sinne etwas finden, was den Suchtdruck überlagern kann.
Das kann eiskalt duschen sein Einen Gummiring am Handgelenk schnippen lassen, dass wir dies zwar spüren, aber uns nicht verletzen. Es kann ein Ball mit Noppen sein, den wir in der Hand drücken. Auch in eine scharfe Chilli beissen oder Chilli-Gummibärchen naschen können helfen. Wer in einem mehrgeschossigen Haus wohnt, läuft so lange die Treppen eben rauf und runter. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.
Woher kommt die Motivation zur Abstinenz ... nun, was ist Dir denn wichtig? Was hast Du für Hoffnungen und was für Ziele für Dein Leben, untergliedert in kurz- und langfristig? Suche hier im Forum nach "12 Schritte, aber wie" und lese Dir den ersten Schritt erst einmal durch. Es muss da nicht alles sofort auf Dich passen. Wenn dem so ist, dann formuliere es für Dich um, Als Richtungsweiser finde ich das Skript jedoch super.
Kannst Du Deine Ziele mit Spielen erreichen? Mit "ein wenig spielen" oder doch nur abstinent?
Passen Deine Ziele und auch das Spielen zu Deinen Werten? Was müsstest Du tun, damit es passt? Wird daraus eventuell eines Deiner großen oder kleineren Ziele?
Ich rede hier immer von den Abstinenzentscheidungen, von denen es einige grundsätzliche immer zu finden gibt und dann dann noch kleinere tagtägliche.
Erst in Summe werden sie Dich den Suchtdruck in seine Schrranken weisen lassen.
Wenn ich an einer Spielhalle vorbei muss, dann schaue ich bewusst nicht hin, Ich könnte ja z.B. einen Bekannten entdecken, dem ich dann ungedingt "bei einem Kaffee" aus meinem Leben erzählen möchte
. Es gibt die cleveren, die auch die andere Straßenseite aufsuchen und dann die Hochintelligenten, die sich eine Route aussuchen, die eben nicht an einer Spielhalle vorbei führt.
Alle drei Varianten, die gerne im Alltag auch alle benutzt werden wollen, haben Eines gemeinsam: Ich vermeide mich der Versuchung auszusetzen.
Wenn das gesetzliche Zahlungsmittel zum überwiegenden Teil nur noch Suchtmittel ist, dann ist dies auch eine Versuchung. Sie gehört weggeschlossen.
So liegt es nahe, jemanden seines Vertrauens zu finden, mit dem man ein Geldmanagement vereinbart. Der Umgang mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel muss dann neu gelernt werden. Wenn Du zeitgleich an Deiner Genesung arbeitest in SHG, einer Beratungsstelle, einem Therapeuten oder Psychologen und noch einigen Varianten, dann wirst Du schon bald ein von vornherein immer befristetes Geldmanagement in Deine eigenen Hände und damit Verantwortung legen können.
Das erst mal in aller Kürze ...