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Suchtdruck - was´n das?

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Offline Olli

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Suchtdruck - was´n das?
« am: 22 September 2020, 16:45:26 »
Ich als ehemaliger Spieler kenne ihn natürlich. Dabei habe ich festgestellt, dass er, in meiner individuellen Ausprägung, eigentlich seit dem Übergang vom Hobby zum problematischen Spielverhalten, immer existierte. Er äußerte sich als permanente gedankliche Beschäftigung mit der Suchtmittelbeschaffung und der Suchtausübung. Begleitet wurde er mit steter Nervosität und Anspannung. Und natürlich wurde das abgerundet mit einem unbändigen Verlangen den Suchtdruck zu stillen. Verlangen ist ein Erregungszustand, der auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist. Der Anreiz oder die Erwartung ist bereits im Vorfeld mit positiven Emotionen auf das eigentliche Ziel gerichtet. Zu meinen aktiven Zeiten war es also nicht verwunderlich, wenn ich Vorfreude auf das nächste Spiel verspürte.
Schon irgendwie komisch – die Phasen, wo ich nicht spielen konnte und Frustration sich breit machte, sind mir gar nicht so in Erinnerung geblieben. Dies liegt wohl daran, dass unser Gehirn viel lieber positive Erinnerungen speichert, als negative.
Während meiner Spielerzeit nahm ich also diese negativen Emotionen und Gedanken als Solche aber gar nicht wahr. Im Grunde waren sie die Frühform des Spielens. Sie gehörten zum gesamten Prozess einfach dazu. Abgerundet wurden sie ja durch die Suchtausübung und den überwiegend positiven Gefühlen dabei. Diese überlagerten schließlich die Negativen, worauf jene von mir verdrängt wurden.
Als ich noch spielte, wusste ich irgendwann natürlich auch, dass das Glückspiel mir schadete. Doch gerade die negativen Auswirkungen des Suchtdruckes, hinderten mich daran, das Spielen aufzugeben. Meine Angst war viel zu groß bei dem Gedanken: Was kommt nach dem Spielen? Wenn ich mir das Spielen wegnehme, dann wird ja die Ouvertüre, das Craving, zum permanenten Ohrwurm!?
Ich bezog damals ja auch meine Bestätigung aus dem Glückspiel und dem damit zusammenhängenden sozialen Umfeld. Was, wenn das nun wegbräche durch Abstinenz?
Auch belohnte ich mich mit dem Spielen z.B. nach arbeitsreichen Tagen. „Ich gönnte mir ja sonst nix!“ Was blieb mir also? Hörte sich das alles nicht trist an? Wie sollte ich damit umgehen? Sollte so mein künftiges Leben aussehen?
Ich hatte damals keine Idee, wie es weitergehen sollte. Was war da einfacher als dort zu verweilen, wo ich war? Das weiter zu leben, was ich bereits kannte?
Ich hatte Glück, dass sich bei mir der Suchtdruck „nur“ wie oben beschrieben geäußert hatte. Das, mein Eindruck, ist die häufigste Ausprägung bei Spielern. Es gibt jedoch auch Fälle, wo tatsächlich psychosomatische Beschwerden in verschiedensten Ausprägungen auftreten.
Da gab es Herzrasen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Panikattacken, übermäßige Erschöpfung und Müdigkeit, die mir just in den Sinn kommen.

Wie begegnen wir also am Besten dem Suchtdruck, wenn wir abstinent werden wollen?
Die Kurzantwort lautet: Lernen ihn auszuhalten! Das klingt im ersten Moment, als würde uns jemand, der keine Ahnung von Sucht hat, sagen, wir sollten „einfach“ aufhören mit Spielen um die Sucht zu stoppen.
So „einfach“ ist es bei Weitem nicht, und doch ist es möglich, wenn wir uns einiger kleiner Werkzeuge bedienen.
Zunächst sollten wir unsere negative Sichtweise auf den Suchtdruck ändern. Suchtdruck kommt schnell und unverhofft – er geht aber auch schnell und unverhofft wieder, wenn er nicht bedient wird. Die Momente der Not gehen IMMER vorbei.
Suchtdruck wird gefährlich, wenn wir uns erlauben, seinen Gedanken zu folgen. Dann steigert er sich immer mehr und das schon unbändige Verlangen steigert sich mehr und mehr.
Viele schämen sich ihrer Sucht und wollen auch am Liebsten nichts mit dem Suchtdruck zu tun haben.
Ob problematisch oder pathologisch – die Spielsucht gehört aber nun mal zu uns. Sie ist ein fester Bestandteil nicht nur in unserem Leben, sondern auch in unserer Persönlichkeit geworden. Es hilft mir also nicht, wenn ich diesen Teil in mir verleugne.
Oben sprach ich von einer anderen Sichtweise. Hier mache ich mir nun den Suchtdruck zu meinem „Freund“.
Wenn er sich meldet, dann lasse ich ihn reden und gebe ihm gleichzeitig kein neues Futter.
Ich brauche nicht mit ihm „kämpfen“. Im Gegenteil – ich belächele ihn – schaffe Abstand zwischen uns. Ja, ich kann mich sogar daran erinnern, dass ich ihn lauthals ausgelacht habe, als ich zu Fuß nach dem Darten nach Hause ging und er sich meldete, als ich an meiner einstigen Stammspielhalle vorbei ging. Schlagartig wurde er ruhig. Gott sei Dank war ich alleine, man hätte mich wohl für übergeschnappt gehalten.
Der Suchtdruck erinnert mich an mein Ziel – die Abstinenz. Er macht mir bewusst, dass ich dieses Ziel nicht aus den Augen lassen möchte. Ja, er zeigt mir auch auf, worauf ich stolz sein kann – nämlich auf meine Abstinenz.
Ein weiteres Mittel dem Suchtdruck zu begegnen sind die Skills. Es gibt hier unzählige Varianten und der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Es geht dabei darum eine körperliche Erfahrung zu machen, die stärker als der Suchtduck ist, um ihn überlagern zu können und der uns gleichzeitig aber auch nicht verletzt.
Also z.B. ein Gummiband am Handgelenk flitschen lassen. Treppen steigen, als würdet Ihr ein Workout machen wollen. Es gibt Gummibärchen mit Chilianteil darin, die man dann essen kann. Ein Biss in eine saure Zitrone. Knetbälle mit Spitzen daran in einer Hand zusammendrücken. Wasser trinken, bis ein starkes Sättigungsgefühl eintritt.
Es gibt bei der DHS z.B. eine Spielerkarte zum Download. Darauf kann ich mir vermerken, welche Ziele ich mit meiner Abstinenz verfolge. Hole ich sie raus, wenn ich Suchtdruck habe, mache ich mir diese Ziele wieder bewusst.
Anstelle der Karte kann es aber auch ein anderes Objekt sein, welches ich stark mit der Abstinenz assoziiere. Ein Zettel mit „Nein“ im Portemonnaie könnte da schon reichen. Ein Blick auf einen Kalender, an dem ich mir die spielfreien Tage markiert haben, kann mich motivieren weitere spielfreie Tage – weitere Erfolge im Sinne der „24 h“ erleben zu wollen.
Ganz wichtig aber sind Gespräche. Gespräche mit dem Lebenspartner, sofern er bereit ist uns hier zu unterstützen. Gespräche mit Freunden aus der SHG, die das Problem des Suchtdruckes ja von sich selbst kennen und ihre Erfahrungen teilen möchten.
Oftmals werden Telefonlisten in den SHGs geführt. Wenn jemand Suchtdruck hat, dann kann er jederzeit eine dieser Nummern anrufen und den Druck so ablassen.
Alle bisher genannten Maßnahmen haben den Zweck uns abzulenken und uns mit etwas Anderem zu beschäftigen, damit für den Suchtdruck kein Platz mehr ist.
Dies ist aber nicht gleichzusetzen mit der Verleugnung oder Verdrängung der Sucht.
Es geht nur darum den Moment des Suchtdruckes zu überwinden.
Im Anschluss sollte aber dann dieser Moment aufgearbeitet werden, damit wir nicht nur rational lernen was da in uns vorgeht, sondern auch bewusst lernen mit der Situation umzugehen. Dies sollte natürlich wieder in Gesprächen erfolgen.
Die Suchtdruckattacken werden im Laufe der Zeit immer weniger werden. Ich selbst habe jetzt seit etlichen Jahren keinen mehr verspürt.
Sollte der Suchdruck aber denn doch einmal nach einiger Zeit wieder auftauchen, dann ist es an der Zeit eine Inventur des Inneren vorzunehmen. Irgendetwas liegt nämlich dann im Argen. Streit mit der Freundin, Stress auf der Arbeit, Einsamkeit, Langeweile – was auch immer – sucht einen Weg kompensiert zu werden.



Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Wolke

Re: Suchtdruck - was´n das?
« Antwort #1 am: 22 September 2020, 18:09:01 »
Suchtdruck aushalten,ohne Skills,ging gar bei mir.
Der Suchtdruck kam schnell und unverhofft,ja,aber er ging bei mir nicht wieder schnell. Manchmal musste ich 6-8 h damit kämpfen,deswegen war ich so verzweifelt und dachte,ich schaff das nie. Habe meine Wut und meinen Frust in Kissen geschrien.
Scharfe Dinge gegessen,kalt geduscht oder gebadet,Treppen gelaufen,geredet,getanzt,laut Musik gehört,Rad gefahren,auch mal Alkohol getrunken,damit ich nicht mehr Autofahren kann und zur Spielhalle fahre. (Ist keine gute Idee,aber es hat mir ein paar mal geholfen)

Der Suchtdruck ist ein extrem negatives Gefühl. Dir wird was verboten(ich habe es mir selbst verboten) ,was du unbedingt machen möchtest. Wut,Trauer,Frust,Zorn alles kommt zusammen,man platzt fast......es ist,als müsste man bei einem Tornado spazieren gehen.
Aber das Gefühl,wenn man dem Suchtdruck nachgegeben hat,war schlimmer. Nach dem Zocken konnte ich nie schlafen,Herzrasen,Schmerzen in der Brust (als wenn ein Elefant drauf steht) Atemnot,Existenzangst,Wut auf mich selber,Verachtung mir gegenüber,......



Jetzt,gehts mir sehr viel besser mit dem Suchtdruck. Er ist deutlich niedriger,ist nur kurz da,kommt seltener und auch ohne extreme Skills aushaltbar. Trotzdem habe ich immer scharfe Gummibärchen und getrocknete Chilis zuhause und im Auto.

LG Wolke





Re: Suchtdruck - was´n das?
« Antwort #2 am: 20 November 2020, 16:42:58 »
Suchtdruck ist ein ganz interessantes Thema mit dem ich mich schon sehr lange beschäftige.

Zitat
Ein Zettel mit „Nein“ im Portemonnaie könnte da schon reichen

Tatsächlich habe ich damals so ein Zettel mit mir rumgetragen. Das war lange vor meinem Rückfall.
Der Suchtdruck hat mich überwältigt und in eine Spielothek gelockt.
Ich wusste damals, dass ich es nicht "darf", jedoch war ich innerlich sehr schwach.
Da stand ich nun, am Automaten und wollte Geld aus meinem Portmonnaie holen.
Mir flog der Zettel entgegen und ein Schalter legte sich um.
Ich verließ die Spielhalle ohne zu spielen. Es fühlte sich sehr seltsam und unangenehm an.
Immerhin war das Hirn ja schon auf den Gedanken programmiert, ----gleich "Freispiele"----

Nach langer Zeit hab ich gelernt, dass Spielhallen/Spielbanken der totale Abfall sind.
Sie zerstören so viele Familien und ich möchte nicht, dass es mir genau so ergeht.

Mein letzten Spielhallen - Besuch hatte ich c.a Anfang 2016. Seit dem zieht es mich einfach nicht mehr an den Automaten.
Problematischer sieht es aus mit Sportwetten, aber auch dieses Kapitel konnte ich erfolgreich lange Zeit aus mein leben halten.
Bis zu mein Rückfall, der vor 10 Tagen beendet war. ( https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,4709.0.html )

Nun versuche ich mehr über effiziente Impulskontrolle und den Suchtdruck lernen.
Der Beitrag von Olli der zwar schon 2 Monate zurück liegt hat mich echt ermuntert mich mehr mit dem Thema Suchtdruck zu beschäftigen.

Schade, dass kaum einer hier zu den Beitrag sagt. Jemand noch gute Tipps um Impulse besser zu verstehen und den Suchtdruck zu mindern?
Grüsse


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Offline Olli

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Re: Suchtdruck - was´n das?
« Antwort #3 am: 20 November 2020, 17:17:26 »
Hi Andre!

Vielen Dank für Deine Rückmeldung!
Gerade heute, Du wirst lachen, habe ich mit Verena von der LK Glück gechattet. Wir sprachen über Rollen im Forum, da ich fragte, vorrangig um meine.
Dazu habe ich ja zwei Threads eröffnet (Es ist eine Schulungshausaufgabe über die eigene Rolle in der SHG/im SHF nachzudenken).
Ich bin hier, weil ich u.a. Denkanstöße liefern möchte. Nur leider kommt als Antwort immer nur wenig bis gar keine Resonanz.
Schön, dass Du diese Resonanz lieferst, zeigt es doch auch, dass Du auf einem guten Weg bist!

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Auskuriert1

Re: Suchtdruck - was´n das?
« Antwort #4 am: 20 November 2020, 18:52:52 »
Suchtdruck ist ein ganz interessantes Thema mit dem ich mich schon sehr lange beschäftige.
Schade, dass kaum einer hier zu den Beitrag sagt. Jemand noch gute Tipps um Impulse besser zu verstehen und den Suchtdruck zu mindern?

Nach ungefähr zwei Monate Spielfrei (über dreißig Jahre Automatenspieler) -und den Vorsatz "nie wieder" - da überkam es mir auch.
Richtig perverser Suchtdruck, kaum auszuhalten, und mein "nie wieder" schmolz wie Schnee in der Sonne.

Was ging in mir vor, woher kam der Suchtdruck bzw. was geht da in mein Gehirn ab?
Des Rätzels Lösung... MEIN Limbisches System!

Aha...ich habe mich da mal eine weile mit beschäftigt und mir wurde jetzt klar was da in mein Oberstübchen ablief/abging.
Kurzgefasst -es galt weiterhin die Zähne zusammenzubeißen -aber jetzt wusste ich warum...

Nein -und es es ist NIE zu einem Rückfall gekommen, auch wenn ich ganz am Anfang kurz davor gestanden habe.

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Wolke

Re: Suchtdruck - was´n das?
« Antwort #5 am: 21 November 2020, 07:27:24 »
Zitat
Jemand noch gute Tipps um Impulse besser zu verstehen und den Suchtdruck zu mindern?

Hallo Andre,

ich bin 3 Jahre spielfrei,hatte sehr lange mit starkem Suchtdruck zu tun,der sich manchmal über Stunden hinzog.
Jetzt dauert er meistens nur noch einige Minuten.
 Trotzdem habe ich manchmal auch noch Schwierigkeiten ,z. B. hab ich gestern “trocken.gespielt“ in dem ich auf YT Zockerfilme gesehen habe. Warum,weiß ich diesem Fall nicht. Danach war viel los in meinem Kopf,jetzt ist alles ok.

Um dem Suchtdruck zu mindern,habe ich mich breit aufgestellt mit Hobbys. Es gibt nicht DAS HOBBY,was denselben Kick wie das Zocken bringt,aber viele kleine Hobbys,mit vielen kleinen Glücksmomenten.

Es gibt Freunde zum Reden,wenn ich merke,die Gedanken kreisen mehr ums Zocken und sich 3-4 mal draußen zu bewegen,in der Natur zu laufen ,spazieren zu gehen oder Rad zu fahren,strengt den Körper an und entspannt den Kopf. Wenn die Gedanken zu sehr abschweifen,dann wende ich unterwegs Skills an. Zähle alle Hunde,achte darauf,welcher Vogel gerade singt usw.....

Die harte Tour ,um Suchtdruck zu mindern,musste ich anfangs öfters anwenden.

Kalt duschen oder baden,Chili essen,sofort 20 mal die Treppe rauf und runter rennen,bin auch mal in den Wald gelaufen und hab geschrien.......

Das sind so ein paar kurze Eindrücke von dem,was mir geholfen hat. Aber auch Reden in der SHG gehörte dazu und die Verhaltenstherapie.

LG Wolke

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Lakota

Re: Suchtdruck - was´n das?
« Antwort #6 am: 21 November 2020, 08:58:15 »
Suchtdruck ist halt ein Gefühl , und dass unglückliche an Gefühlen ist das Gefühl , dass Gefühle sich irgendwie verselbstständigen und schnell sind , leider schneller als wir Denken . Da hilft nur der Verstand ... und nach Möglichkeit ein Zeitfenster ... und der Versuch , sich mit seinem Verstand seiner Gefühlswelt irgendwie entgegenzustellen . 

Ja irgendwie so ... und ein Versuch ist es wert
« Letzte Änderung: 21 November 2020, 09:08:08 von Lakota »

 

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