Liebe Mitleser,
ich möchte mich gerne vorstellen: ich werde in 5 Tagen 22 Jahre alt, das erste Mal habe ich im Alter von 12-14 Jahren gespielt - damals auf der Fähre nach Schweden.
Dort war es anscheinend legal auch für Minderjährige mit schwedischen Kronen zu daddeln, ich kann mich erinnern das ich lange gespielt habe, mein Vater war auch immer daneben, ich gewann und kaufte mir von dem Gewinn in Deutschland Hotwheel Autos für 20€. Schon dort triggerte mich das Glücksspiel extrem, ich war traurig das es auf der Heimreise keine Automaten gab und freute mich insgeheim auf den nächsten Urlaub mit längerer Fährüberfahrt (immer mit dem Gedanken wieder an den Automaten zu spielen). Dazu kam es auch, ich spielte, gewann, verspielte alles. Nach dem Abi zog ich mit meiner damaligen Freundin zusammen, ich begann ein Studium (bekam kein Bafög aber Geld von meinen Eltern, nicht viel, aber so das ich überleben konnte). Das Studieren an sich gefiel mir überhaupt nicht, ich hasste es in großen Räumen mit vielen Mensch zu sitzen, ich blieb zuhause.
Wie das immer so ist: Ein Kumpel eines Kumpels war zu Besuch: er selber war in der Zeit total angefixt von Spielotheken und wollte unbedingt spielen gehen, ich (dumm wie ich war) kam natürlich aufgeregt mit - das war mein erster und leider nicht letzter Besuch in meiner ersten Spielothek. (das war im Jahre 2017)
Am Anfang waren es natürlich kleine Beträge mit denen man los ging, so kam ich auch schnell auf die ersten OC. Mit der zweiten Einzahlung hatte ich auch meinen ersten ordentlichen "Gewinn": Ich spielte mich auf kleinen Einsätzen auf 1200,-€, zahlte auch aus, bezahlte einen Urlaub für mich und meine Freundin (ohne den Gewinn hätte ich meinen Anteil niemals bezahlen können). Schon dort hatte ich zusätzlich ein leichtes Alkoholproblem, ich spielte auch im Urlaub online, ging mit meiner Freundin in die Spielbank (alles mit Beträgen zwischen 10-40€, meist Live Blackjack). Der Urlaub war zu Ende, das Geld war weg. Ich trat ein, durch die Familie organisiertes, bezahltes Praktikum im Ausland an (2 Monate), mit dem ersten Gehalt ging ich in die Spielbank, 300,-€-Blackjack, verlor schneller als ich gucken konnte. Trank gegen den Frust, zahlte 100€ in OC ein, spielte mich durch Blackjack auf 2250,-€ hoch - Chasing, Auszahlungen abbrechen= 0€.
Was nun folgte könnt Ihr euch bestimmt denken: 1 Woche später, sehr gefrustet, total betrunken immer wieder über Paypal eingezahlt um wieder auf die "verlorenen 2k" zu kommen, Konto natürlich nicht gedeckt: -1200,-€. Durch Eigenrecherche und einen Anwalt wurden die Forderungen seitens Paypal natürlich nicht durchgesetzt.
Ich war gefrustet das es überhaupt so weit kommen konnte, die Schmach es seiner Familie und Freundin zu beichten etc.
Zurück zuhause (MV) trudelte überraschenderweise noch etwas Weihnachtsgeld von der Praktikumsfirma ein - ihr wisst was kommt: "50€ gehen ja..." 500,-€ weg.
Ich wusste immer noch nicht was ich aus meinem Leben machen sollte - trank gegen die Langeweile, spielte abends um mich abzulenken, lieh mir Geld von meiner damaligen Freundin, trank auf WC meiner Stammspielo. Meine Eltern drehten mir irgendwann den Hahn ab, da sie den Kontakt zu mir verloren, nur meine Mutter hielt noch zu mir - Geld bekam ich von ihr mal zugesteckt, mit dem Geld spielte ich und zahlte meine Schulden teilweise ab. Das war alles im Zeitraum 2017-Mitte 2018,in dieser Zeit war mein Onlinebanking bereits gesperrt, Software auf dem Pc -> ich stieg auf Paysafekarten und Handy um.
Um dem Teufelskreis ein Ende zu setzen begann ich den freiwilligen Wehrdienst Mitte 2018, mittlerweile war ich zu der Zeit auch schuldenfrei, nur ich spielte noch weiter (alles mit Kleinstbeträgen), nach knapp einem Monat Grundausbildung schaffte es meine damalige Freundin sich von mir zu trennen: es gab nie ein richtiges Gespräch, ich glaube sie konnte einfach nicht mehr- die Gründe dafür liegen eigentlich auf der Hand. Danach trank ich wieder sehr stark - ging jeden Tag nach Dienstausscheid in die Spielbank. Nach der Grundausbildung fuhr ich 6 Wochen zur See (Nato Übung), davon war 1 Wochenende Hafenliegezeit in Finland - wo ging ich hin: richtig, in die nächste Spielbank. Verzockte meinen gesamten Kontostand (wie jeden Monat eigentlich). Ende 2018 kündigte ich in der Probezeit (ich war nervlich, durch alle Geschehnisse, einfach am Ende und durch meine Aufgaben an Bord, auch überhaupt nicht mehr fit). Ich zog zu meinen Eltern und startete eine Alkoholpause: Anfang 2019 fand ich auch einen Job (Dienstleistungsbereich) - ich pendelte zwischen Arbeitsort und dem Haus meiner Eltern (hatte also keine Kosten außer die Fahrkarte), ich trank zwar nicht, aber spielte dafür fast täglich, die Arbeit war sehr anstrengend und ich war frustriert über mich selber - das nie etwas übrig bleibt (wie auch wenn man alles verzockt....) Ich schaffte es zwar mich in meiner Stammspielo zu sperren, wich dann aber auch wieder auf Paysafecards und OC am Handy aus. Im Juli 2019 kündigte ich dort (unser Team wurde kleiner, die Aufträge mehr und der Ton schärfer). Mit meinem letzten Gehalt von 1.7k machte ich mir den besten Sommer meines Lebens, ich fuhr auf einen Zeltplatz (gelegen auf einer Insel ohne Spielotheken) und lernte so viele neue Leute kennen, ich war so glücklich wie nie zuvor. Leider begleitete mich meine Sucht danach trotzdem weiterhin, ich spielte immer noch, bekam immer etwas Geld von meinen Eltern wenn ich bei neuen Freunden zu Besuch war, verkaufte alte Geburtstagsgeschenke, nahm mehrfach kleine Verbraucherkredite (200€ +40€ Gebühr) auf. Zeitweise holte ich mir auch mit der Kreditkarte meiner Mutter Geld ab um weiterzuspielen wenn mein Geld alle war. Der Selbsthass wurde natürlich nicht weniger, im Oktober 2019 begann ich dann ein anderes Studium, diesmal lief es besser (ich ging zu den Vorlesungen, lernte neue Leute kennen, ich war allgemein selbstbewusster - Geld bekomme ich seitdem von meinen Eltern wöchentlich überwiesen, meiner Mutter konnte ich die ganze Scheiße letztes Jahr bei einem 2h Telefonat beichten. Jedoch hielt mich das auch nicht so richtig davon ab weiter Spielotheken zu besuchen(immer wenn mein Kontostand über 200,- beträgt). Ich wollte gefühlt schon 100x aufhören, aber vermutlich nicht zu 100% - nach spätestens 3 Wochen bekomme ich dermaßen Suchtdruck das ich einfach losziehe.
Mein Studium lief natürlich semi optimal, ich habe keine Prüfung bestanden, zu wenig gelernt, es herrscht keine Perspektive die mich in der Zukunft mit dem Studium erfüllen wird. Ich habe den 01.01.2020 als Neustart betrachtet und war auch bis April ca. abstinent. Dann kam Corona - Hura, Spielos zu.
Steuerrückzahlung erhalten (knapp 1.200,-) - Online Banking war wieder freigeschaltet (bla bla, 50€ gehen ja... 400,-€ weg) Den Rest habe ich für Klamotten ausgegeben damit ich es nicht verzocke (man kennts - funktioniert meistens nur nicht).
Danach ging das gleich Spiel wie immer los: "Wie kann man nur so bescheuert sein... Warum hast du nicht am Anfang direkt ausgezahlt als du im plus warst...."
Habe dann immer mal wieder etwas online eingezahlt bis ich mein Online Banking wieder gesperrt habe. Mittlerweile bin ich auch auf allen nur erdenklich seriösen OC Seiten dauerhaft gesperrt (man findet natürlich immer noch einen Weg.) Es kam wie es kommen musste: Vor 2 Wochen: Genossenschaftsanteilsrückzahlung von 450€ kam unerwartet auf mein Konto: ich bin um 12 Uhr mittags in eine Spielothek: um halb 2 nachts bin ich raus. In dieser Zeit habe ich nahezu das gesamte Geld ein mal verspielt aber zum Schluss doch wieder "gewonnen". Ich war danach so unzufrieden mit mir selbst das ich meine Mutter anrief und ihr wieder von meinen Aussetzern erzählt habe (sie dachte natürlich ich hätte das mittlerweile 'auf die Reihe' gekriegt), ich hab ihr auch das Geld am nächsten Tag zur Verwahrung gegeben. Habe dann auch einen Termin bei der Caritas in meiner Stadt angefragt - diese verwies mich auf die Volkssolidarität (Suchtberatung allg.).
Ich muss ehrlich gestehen, ich war dem Termin nicht sehr positiv gestimmt, ich komme aus Rostock und es gibt hier keine Selbsthilfegruppen oder spezielle Anlaufstellen für Spielsüchtige.
Nun diesen Donnerstag war es soweit: Ich habe meiner Beraterin fast dasselbe erzählt wie hier (mit ein paar mehr Details versteht sich). Und nach genau 55min unterbricht sie mich um mir zu raten: "Herr ... das ist ja alles mal ne Hausnummer, ich rate ihnen nicht mehr zu spielen und auch nichts mehr zu trinken."
Ich solle erst ein mal meine Bewerbungen auf 2 verschiedene Ausbildungsstellen abwarten, meinen Führerschein weiter machen und danach sehen wir weiter. Wenn das alles aber nichts wird, wäre es am besten eine 12 wöchige stationäre Therapie in Erwägung zu ziehen, der Erstbefragungsbogen wurde mir gleich mitgegeben. (Die Klinik ist für Alkoholiker, Adipositas und path. Glücksspiel)
Nach dem Gespräch ging es mir einerseits etwas besser, aber wirklich geholfen hat es nicht. Der nächste Termin ist in 2 Wochen (vorher hat sie keine Zeit)
Eine Ausbildungsstelle hatte sich am selben Tag noch gemeldet, es war der Personaler der mir mitteilen wollte das mein Lebenslauf ja nicht allzu rosig aussieht aber er ihn trotzdem an die zuständigen Kollegen weiterleitet.
Auf Nachfrage meinerseits, wann oder ob man mit einem Erstgespräch rechnen könnte, wurde mir von ihm schon vor 3 Wochen versichert, dass meine Unterlagen längst weitergeleitet wurden. Das hat mich schon wieder so sehr getriggert, dass ich am allerliebsten am selben Tag in die Spielhölle gerannt wäre. Ich blieb jedoch erst ein mal gelassen.
Gestern kam es aber zu einem Rückfall. Ich hatte nichts zu tun, wollte auch nicht raus, hatte einfach wieder Suchtdruck, ärgerte mich wieder, dass ich am selben Punkt wie fast immer in meinem Leben stehe! Zog mir mehrere Gamble Videos auf Youtube rein, lag danach bestimmt 1,5h rum bzw. ging hin und her weil ich wusste: ich darf nicht los gehen. Ich hatte 15 Uhr schon meine Hose an, Geldbörse mit Karte, alles parat - doch ging trotzdem nicht. Aß erst mal was, machte meinen Sport (Liegestütze etc. bis zum auspowern... Hab keine Lust auf einen 1 jährigen Fitnessstudio Vertrag wenn ich nicht weiß wo es mich hin verschlägt)
Und trotzdem: 20:30 Uhr, ich schau wieder auf meinen Kontostand: 250€ - 100€ gehen theoretisch, auch wenn du verlierst... Ich Idiot bin frisch geduscht, zieh mich an, renn durch die Tür und denk mir noch im selben Augenblick: "wie krank das eigentlich ist, jetzt zieh ich doch wieder los"
Ende vom Lied: 170€ verspielt, ich seh die vermehrten Anrufe meiner Mutter während ich da sitze und immer weiter buche, und hoffe das es doch mal wieder knallt (hatte natürlich auch schon hohe "Gewinne" auf niedrigen Einsätzen) bzw. ich wieder auf mein Geld zurückkomme.
Habe mich nun dort auch gesperrt (laut Aufsicht, der erste bei Ihr - schlimm genug).
Und nun sitze ich hier, ich denke mal ihr wisst wie mir zumute ist, ich seh gerade noch die Mail meines Vaters, der sich freut das ich mir Hilfe gesucht habe und fragt ob ich mir was spezielles zum Geburtstag wünsche.
Dienstag habe ich ein Bewerbungsgespräch bei dem 2. Betrieb der dieses Jahr noch meine Wunschausbildung anbietet.
Und wenn das nichts wird, dann weiß ich auch nicht.
Vielen Dank, an jeden der bis hier hin mitgelesen hat.
Doch wie gehts jetzt weiter:
Maßnahmen die bereits getroffen wurden:- Caritas/Volkssolidarität kontaktiert, Erstgespräch erfolgte
- Online Banking gesperrt
- Casinoblocksoftware für PC ist installiert, für Iphone gibt es keine
- wöchentliche Zahlungen von meinen Eltern
- Selbstsperre in beiden Spielos in meiner Heimatstadt
- Selbstsperre in der Spielhalle die am nähsten liegt (in Rostock)
Maßnahmen die noch getroffen werden müssten:- Hilfe bei starken Suchtdruck Gedanken (mehr als Sport)
- einen Geldverwalter vor Ort
- Hobbys
.....
Im Großen und Ganzen wünsche ich mir einfach eine Zukunft, in der ich mir auch endlich etwas eigenes aufbaue, ich will nicht mehr von meinen Eltern abhängig sein, ich weiß auch, dass ich auf meinem jetzigen Stand nicht in der Lage bin zu studieren, ich will meinen geregelten Tagesablauf haben und nicht die Freiheit, ob ich in die Uni gehe oder nicht. Und ich weiß auch, dass mir das Spielen all dies zerstören wird.
Ich werde nun versuchen täglich, oder vermehrt ein paar Updates zu liefern. Ob jemand antwortet oder nicht ist mir nicht allzu wichtig, ich freue mich über jede Hilfe und jeden Rat, aber ich kann auch nicht erwarten das ihr Euch dafür die Zeit nehmt - ich selber hab das ja alles verbockt.
Einen schönen Sonntag wünsch ich Euch, bleibt gesund