Ein herzliches Hallo in die Runde,
ich platze hier mal so rein, eine Stimme in meinem Kopf sagt mir während ich diese Zeilen tippe „so schlimm wird das schon alles nicht sein“ aber vermutlich kommt die Tatsache dass ich mich hier angemeldet habe nicht von ungefähr und es ist eben „so schlimm“. Ich bin Mitte 30, männlich, glücklich verheiratet, 1 Kind. Derzeit verdiene ich meine Brötchen als leitender Angestellter, hohes Gehalt. Und wenn man Geld übrig hat, kann man sich ja mit dem Finanzmarkt beschäftigen - das soll auch der Grund sein warum ich mich in eurem Forum angemeldet habe.
Bereits als Schüler damit angefangen habe ich mich immer intensiver für das Thema begeistert. Wobei Begeisterung wirklich untertrieben ist, ich handel exzessiv am Finanzmarkt. Alleine in den letzten drei Jahren waren es mehrere Tausend Transaktionen. Ich habe mindestens 150 Bücher gelesen, nebenbei schon zwei Seminare gegeben, mich mit dem schrägsten Kram beschäftigt (falls hier jemand was zu Zinsswaps, Terminmärkte für Magerschwein und so weiter wissen möchte). Kollegen, Freunde und Familie fragen mich um Rat wenn es um das Thema Geldanlage geht. Nach dem Aufstehen frühmorgens geht der erste Griff zum Handy/Tablet um zu schauen was die asiatischen Märkte machen. Spätabends wird geschaut was die US-Börse zum Handelsschluss macht. Das geht dann jeden Tag so – zuhause, während Geschäftsreisen, selbstverständlich auch im Urlaub. Soweit so gut. Trotz intensiver Beschäftigung habe ich die meisten Zeit in Etwa die Marktrendite abgegriffen, phasenweise mal etwas mehr, mal etwas weniger. Obwohl ich natürlich dabei immer alles besser wusste (meinte zu wissen) und so weiter und so fort.
Jetzt kam die Corona-Krise und obwohl ich durchaus krisenerfahren bin und schon mehrere turbulente Marktphasen gehandelt hab meinte ich diesmal den besonderen Masterplan für mich selbst entdeckt zu haben. Der erwies sich dann als völlig realitätsfremd. Und so kam es dass ich in wenigen Wochen rund 100.000€ verzockt habe, ich wollte mir bis zum Schluss nicht eingestehen dass ich falsch lag und wurde dann, als das Risiko zu groß wurde, zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt zwangsliquidiert (das passiert, wenn man mit einer eingeräumten Kreditlinie spekuliert und Gefahr läuft nicht mehr die nötige Sicherheit stellen zu können). Ich hätte locker 50000-70000 Euro gerettet wenn ich einfach aus der Situation rausgegangen wäre, jahrelang Erspartes Geld. Ich bin völlig schockiert dass mir das passiert ist und obwohl ich mir die vergangenen Jahre nie in mein „Hobby“ reinreden hab lassen kam mir jetzt nach ein paar Tagen Abstand der zugegeben naheliegende Gedanke dass ich einer massiven Kontrollillusion unterlegen bin. Dass es mittlerweile (oder schon sehr lange?) pathologisch ist. Über den Hoeneß seinerzeit noch geschmunzelt, hat mich die Zockerei wohl auch schleichend heimgesucht.
Ich bin schuldenfrei, hab nur das eigene sauer Verdiente riskiert und trotzdem war der Schuss vor den Bug mehr als deutlich für mich. Obwohl sich an meinem täglichen Leben durch den Vorfall nichts geändert hat, schlafe ich schlecht und mache mir selbst Vorwürfe. Zum Wohle meiner Familie und deren finanziellen Zukunft ist es jetzt wohl an der Zeit, etwas zu ändern...