Moin!
Ehrlich gesagt verstehe ich mich heute immer noch nicht.
Damals habe ich mal gesagt: Mir kann keiner helfen ...
Doch das war es nicht wirklich.
Mein ganzes Leben lang fühlte ich mich unverstanden.
Egal wie sehr ich mich anstrengte, für meine Familie war es nicht genug.
Also habe ich versucht ihre Erwartungen zu leben.
Jedoch war ich das nicht.
Wie also sollte ein Wildfremder, der mich ja noch nicht einmal im Ansatz kennt, mir bei meinem Problem helfen können?
Natürlich weiss ich heute, dass ich mich geirrt habe - gewaltig sogar.
Das habe ich erlebt, als ich das erste Mal mit einer Abstinenzentscheidung in die SHG ging.
(6 Jahre vorher hatte ich sie schon mal für mich als Alibi genutzt)
Ich war freudig überrascht, dass ich nun auf einmal die Gedankengänge der Gruppenmitglieder nachvollziehen konnte.
Sie boten mir Stoff sie mit meiner Person und meinen eigenen Gedankengängen zu vergleichen.
Ich fing an zu assoziieren.
Viele, die SHGs nicht kennen, denken ja häufig, dass hier sektenartig das Oberstübchen umgekrempelt wird - man sich selbst aufgeben muss, um neu geboren zu werden.
Blödsinn ...
Ich bin immer noch der Selbe - mit all meinen Stärken und auch meinen Schwächen.
Beide machen mich aus und so haben beide ihre Berechtigung.
Was ich verändert habe, ist meine Sichtweise auf meine Person.
Dies hilft mir mich so zu akzeptieren, wie ich nun mal bin.
Es erschließ mir aber auch Möglichkeiten an mir zu arbeiten.
Dabei geht es nicht um Perfektion - ich möchte mich selbst mögen können.
Ich kann mir meine Werte überdenken.
Weiterhin kann ich mir Ziele setzen und schauen, wie ich diese erreiche.
Alleine zuhause im stillen Kämmerlein zu sitzen hat mich 20 Jahre lang nicht weiter gebracht.
Wie auch, wenn meine anerzogenen Scheuklappen immer noch an der selben Stelle sitzen.
Da hilft es ungemein, wenn mir jemand durch seine Erfahrungen meine Scheuklappen abnimmt oder zumindest lockert.
Ja, Scham ist ein wichtiges Thema.
Aber eigentlich hat mich meine Scham ausschließlich blockiert.
Scham sorgt für Zurückgezogenheit in sich selbst - also zur Isolation.
Auch heute noch gibt es Situationen in meinem Leben, die mit Scham verbunden sind.
Diese sind fast ausschließlich verknüpft mit meiner Sucht und dem, was ich für die Suchtausübung getan habe.
Doch eine Sucht ist kein Grund sich zu schämen. Die Glückspielsucht ist eine Krankheit.
Ist es nicht eher so, dass wir uns schämen sollten nichts dagegen aktiv zu unternehmen?
Wenn ich Scham verspüre, dann weiss ich, dass ich etwas falsch gemacht habe.
Es betrifft immer Situationen mit einer Außenwirkung.
Sie tritt auf bei der Verletzung von Normen und Werten.
Es ist gut, dass es dieses Gefühl gibt. Denn ohne es gäbe es kein Miteinander.
Ich glaube, dass niemand gerne wirklich Scham verspüren möchte. Also bietet uns die Scham die Möglichkeit an uns zu arbeiten. Etwas besser zu machen.
Das geht aber eben nur, wenn wir die Scham offen legen, damit unsere Bezugspersonen uns auch Resonanz geben können.
Seit einigen Jahren informiere ich mich regelmäßig zu diversen psychologischen Themen rund um die Glückspielsucht.
Unterm Strich gibt es überall Parallelen. Nicht nur unter Spielern, sondern auch bei Nichtsüchtigen und Spielern.
Das zeigt mir, dass wir Menschen innerhalb unserer Gesellschaftsform doch alle ziemlich gleich ticken.
Das nimmt uns nicht unsere Individualität, es hilft aber den Gegenüber zu verstehen.
Es ist schon einmal prima, dass Du die Online-Hilfsangebote in Anspruch nimmst.
Es wird Dir helfen ein wenig Vertrauen in das Hilfesystem zu bekommen.
Wer vertraut, der öffnet sich auch - und schon ist die Basis für Veränderungen gelegt - s.o.
Dann werden die Ausreden, die Du hier ablieferst, in Schall und Rauch verpuffen.
Genau wie bei mir und wie bei vielen vielen Anderen.
Aber wie gesagt würde ich das erst beim nächsten Kontrollverlust machen.
Ich falle mal mit der Tür ins Haus: Das ist zocken!
Und ja, wenn man diesen Satz etwas zerpflückt, dann ist es sogar die Planung zum nächsten Spiel.
Muss es denn wirklich erst soweit kommen?
Eine mögliche Zukunft schildere ich Dir mal in Kürze:
Im Moment bist Du motiviert das Gamblen sein zu lassen.
Dein inneres Versprechen Dich bei Deinem nächsten Rückfall - oder besser Spielunterbrechung - zu offenbaren, wird Dich zusätzlich motivieren.
Es wird ein Bollwerk sein, dem Du eine hohe Wichtigkeit und Bedeutung zuweist.
Du wirst aus Deinen Erfahrungen Deinen Selbstwert füttern.
Doch Sucht ist trügerisch. Sie zieht sich zurück, wenn sie merkt dass sie keine Chance hat. Doch sie lauert dort im Dunkel, bis sie ihre Chance sieht.
Einsamkeit - Langeweile - Unachtsamkeit - Überheblichkeit - negative Gefühle - und noch mehr wirken für sie wie eine Startpistole bei der Leichtathletik.
Dann kann sie wie eine Schnecke angekrochen kommen oder wie ein Pfeil, der die gespannte Sehne verlässt.
Nun ist es also geschehen - der Rückfall.
Du machst Dir Vorwürfe, weil Du nun wieder finanziell bei oder unter 0 angekommen bist.
Du machst Dir Vorwürfe, weil Du Deinen Vorsatz der Abstinenz über den Haufen geworfen hast. Du hast Dein Ziel aufgegeben und fragst Dich: Wofür?
Dann erinnerst Du Dich an Dein Versprechen Dich zu offenbaren. All die Scham kommt mit aller Gewalt zurück.
Dein Selbstwert ist im Keller, weil Du Dich als willensschwachen Menschen betrachtest, der Andere nur immer wieder enttäuscht.
Das Bild Deines Vaters, als er weinte und Du ihn weiter angelogen hast, wirkt wie ein permanenter Bildschirmschoner vor Deinem geistigen Auge.
Doch noch ein klein wenig stärker wird das Gefühl sein, wenn Du die Offenbarung bei Deinem Vater wieder in eine unbestimmte Zeit in die Zukunft verschiebst.
Mein Freund: Es gibt nur einen Zeitpunkt, der der Richtige für eine Offenbarung ist - und der ist immer JETZT!