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Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen

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Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« am: 14 Dezember 2019, 02:47:11 »
Hallo Liebe Community,
Ich habe erst vor kurzem das Forum gefunden und mir einige Leidensgeschichten von euch durchgelesen, dabei habe ich mich natürlich oft wiedergefunden.  :-\

Nachdem ich heute schon wieder mein letztes Geld verzockt habe möchte ich diesen Thread nutzen um mich zu offenbaren und endgültig den Weg aus dieser Scheiße zu finden.

Ich fange einfach mal mit meiner Situation an.
Ich war schon als kleines Kind sehr an Glücksspiel interessiert und wollte dies immer mal selbst ausprobieren.
Irgendwann fing es dann mit ca. 17 Jahren mit einem Konto bei einem Sportwetten Anbieter an. Damals noch mit dem Ausweis von meinem Vater.  :-X
Ich habe regelmäßig um Kleinbeträge gespielt, aber es diente lediglich der Unterhaltung und von Sucht war noch garnicht zu sprechen.
Irgendwann entdeckte ich dann die Online Casinos in welchen ich regelmäßig zockte.
Auch hier ging es jedoch auch immer nur um kleine Beträge und auch wenn ich mal von 10€ auf 400€ hochgekommen ist veränderte sich mein Spielverhalten nicht sehr. Habe auch ne Zeit lang mal ein halbes Jahr garnicht gezockt, weil ich es schlichtweg vergessen habe.
Irgendwann dann mit Anfang 19 packte es mich jedoch.
Ich habe aus Langeweile Bonus Buys in der Slot Extra Chilli getätigt und aus einem 10€ Bonus Buy 1450€ gemacht...
Das war für mich ein Gefühl, was ich noch nie erlebt hatte. Damit fing dann aber auch die Sucht an.
Ich packte das Geld erst bei Seite, jedoch verzockte ich dies dann doch innerhalb von einer Woche. Ich fing an meine Einzahlungen schlagartig zu erhöhen, da mich die Einsätze von damals einfach nicht mehr gereizt haben.
Es gab Abende da habe ich BJ Hände im Wert von 850€ gespielt, während ich nur 70€ Taschengeld im Monat zur Verfügung hatte. Solche Einsätze konnte ich natürlich nur dann spielen, wenn ich mal wieder ne Glücksträhne hatte. Einmal habe ich zum Beispiel aus einer 100€ Einzahlung 4500€ gemacht und alles wieder innerhalb von zwei Tagen verzockt. Ich konnte das Geld einfach nicht mehr  auszahlen und wollte einfach immer mehr.
Und wenn eine Einzahlung weg war, habe ich dem Verlust immer solange hinterher gejagt, bis das Geld einfach leer war.
Ich habe  meine Sparkonten geplündert (ca. 3000€) und alle meine Wertsachen verkauft. Das ganze ging sogar soweit, dass ich meinem Vater regelmäßig Geld über sein PayPal zum Zocken entwendet habe. Habe dann aber immer ganz schnell versucht irgendwie Geld aufzutreiben um ihm das zurückzuschicken.
Da das aber irgendwann einfach nicht mehr machbar war habe ich das Konto meines Vaters in den Dispo gezogen. Er hat dann irgendwann beim checken der Finanzen herausgefunden, welche Summen ich auf seinem Konto hin und her transferiert habe. Das hat ihn so fertig gemacht, dass er vor mir geheult hat.  :'(
Ich habe mir dann irgendeine Ausrede einfallen lassen, welche er mir abkaufte. Die Situation hat mich jedoch verdammt mitgenommen, da mein Vater ein herzensguter Mensch ist und ich Ihn so belogen habe.
Ich habe Ihn dann schnell seinen Zahlungszugang ändern lassen und ich habe es über die Zeit geschafft meine Schulden bei Ihm abzubauen.
Nunja jetzt habe ich seit 3 Monaten eine Ausbildung in der ich sehr gutes Geld verdiene ca. 1000€ und nur am Wochenende zu Hause bin. Am Arbeitsort schaffe ich es komischerweise immer spielfrei zu bleiben.
Wenn ich jedoch dann am Wochenende zu Hause bin fängt es meist mit 10€ an und endet mit dem kompletten leeren des Kontos. Egal welche Beträge erreicht werden, es wird einfach immer weiter gespielt bis die Uhr auf 0 steht.  :-X Danach immer das gleiche leblose, depressive Gefühl und das Vorrechnen um zu schauen wie ich den Monat finanziell überstehe.
Letzte Woche habe ich rund 3/4 meines Gehaltes verzockt konnte die letzten 300€ aber noch für Weihnachtsgeschenke retten.
Leider bin ich dann eben gerade wieder der Sucht verfallen und habe die letzten 300€ verzockt....
Jetzt habe ich kein Geld mehr für den Rest des Monats und Weihnachten. Werde dann morgen mit einer schlechten Ausrede meinen Vater um Geld bitten, welches ich dann auch schnell zurückzahlen will (Ich habe tatsächlich noch 500€ auf dem Sparbuch, da ich da ja am Wochenende nicht ran kann und somit nichts verzockt werden kann.)
Ich habe bisher noch niemandem von meinen Problem erzählt und es scheint auch niemand zu ahnen, da ich mich immer wieder raus reden kann oder irgendwie Geld reinbekomme. Ich habe einfach zu sehr Angst, dass mein Umfeld nicht versteht, wie man so kontrolllos sein kann und von mir sehr enttäuscht ist.
Die ganze Situation macht mich einfach extrem traurig und fertig. Habe leider auch schon damit angefangen nach den Zocker Sessions massiv Alkohol zu trinken, um das Taubheitsgefühl nach dem Verlust zu überdecken.
Insgesamt kann man sagen, dass ich keinerlei Schulden habe, sondern einfach immer nur komplett mittellos bin  :-\
Ich weiß, dass es einigen hier im Forum wesentlich schlimmer ergeht und hoffe, dass wir alle aus der Scheiße rauskommen.

Ich erkenne einfach, dass es so nicht weitergehen kann und will das ganze bekämpfen bevor es mir meine Zukunft verbaut.
Mit meiner kleinen Offenbarung mache ich jetzt den ersten Schritt und habe eben bereits meinen TAN Generator zerstört, falls das nicht reicht werde ich wohl mein Online Banking sperren lassen.

Wenn es jemand geschafft hat meinen Roman durchzulesen, würde ich mich über Rat & Tipps freuen.
Ansonsten werde ich hier einfach jedes Wochenende einen kleinen Statusbericht verfassen, um mich auch selbst zu kontrollieren.

Ich bin nach dem Schreiben des Textes jetzt sehr motiviert und hoffe, dass es anders ist als bei den letzten malen...


« Letzte Änderung: 14 Dezember 2019, 02:50:41 von changestartsnow1 »

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Wolke

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #1 am: 14 Dezember 2019, 06:28:32 »
Guten Morgen Changestarts,

wenn Du Dich deiner Familie outest, werden sie erstmal das geschockt sein, da wirst du nicht drumrum kommen. Aber sie werden sich automatisch auch  im Internet belesen und dann auch sehen, dass die Spielsucht eine Krankheit ist und das die Krankheit den Kontrollverlust auslöst. Da kann man mit der stärksten Willenskraft nix tun.
Ich würde dir raten, dass Online Banking ganz abzumelden, also dass du nur noch Bargeld abholen kannst. Ebenso würde ich dir raten eine Suchtberatung aufzusuchen und anschließend eine SHG zu besuchen. Du bist nämlich schon ganz gut dabei eine Suchtverlagerung zu machen,da du viel Alkohol trinkst,um das leere Gefühl der Spielsucht zu betäuben. 

Was ist denn anders, wenn du wochentags weg bist und deine Ausbildung machst? Bist du abgelenkter, mit Freunden unterwegs oder was ist anders,was machst du anders als zuhause?

Ja,andere haben viele,viele Schulden,deswegen ist die Krankheit bei dir aber nicht weniger schlimm. Du musst jetzt genauso dagegen was tun und an dir arbeiten,wie alle anderen.
Kopf hoch,du schaffst das. Den ersten Schritt hast du schon gemacht. Du hast dich hier angemeldet,dir eingestanden,dass du ein Problem hast.Jetzt geh die weiteren Schritte auch und tritt der Spielsucht in der A.......

LG Wolke


Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #2 am: 14 Dezember 2019, 09:47:15 »
Hallo Wolke,
Vielen Dank für deine netten Worte.
Mich im Bekanntenkreis outen werde ich erst machen, wenn nichts mehr geht und ich es einfach nicht so schaffe. Habe mir dafür jetzt diesen letzten Versuch eingeräumt. Wenn es dieses Mal nicht klappen sollte, werde ich das Ganze zumindest meinem Vater erzählen, da ich zu ihm einfach die beste Bindung habe.
Habe jedoch jetzt auch schonmal online Angebote angeschaut, die mir vielleicht ganz anonym helfen könnten, wie zu einen dieses Forum und zum anderen die ,,check dein Spiel"-Webseite.

An meinem Ausbildungsplatz habe ich immer Leute um mich rum und bin sogut wie gelangweilt.
Am Wochenende habe ich einfach verdammt viel Zeit und komme so oft auf den Gedanken zu zocken.
Gerade weil das Thema Glücksspiel immer präsenter wird. Im Fernsehen ist jede zweite Werbung mittlerweile für ein Casino...
Genau deswegen werde ich jetzt auch versuchen mich besser zu beschäftigen und alte Hobbys wie Gaming und Sport wieder aufleben zu lassen.
In Sachen online banking werde ich mich mal zur Sperrung informieren, hoffentlich geht das auch online, da ich ja Wochenetags keine Bank erreichen kann.

Ich hoffe einfach, dass dieser Abbruchversuch erfolgreicher wird. Es fühlt sich anders an, als die letzten Male, jedoch kann das auch täuschen, weil ich schlichtweg kein Geld habe was ich gerade verspielen kann.  :-\

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Lexlander

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #3 am: 14 Dezember 2019, 10:09:30 »
Hallo Change,

du sagst du hast eine tolle Bindung zu deinem Vater . Aber warum lässt du dir noch ein Hintertütchen offen ?

Du sagst wenn das dieses mal nicht klappt... Sprich mit deinem Vater ! JETZT ! Du hast ihn eh schon jahrelang belogen . Er hat es verdient die Wahrheit zu wissen . Gerade eben, weil er ein herzensguter Mensch ist .

Der Gedanke alte Hobbys wieder aufleben zu lassen ist gut. Mach das , aber scheue dich bitte nicht Hilfe zuzulassen .

Alleine diese Sucht zu bewältigen erscheint mir fast unmöglich .

Bleib stark und such dir Hilfe

Gruß Alex

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Offline Ilona

  • *****
  • 3.889
    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #4 am: 14 Dezember 2019, 10:12:47 »
Hallo Changestarternow,
Nomen est Omen! Willkommen im Forum. Wir sprechen oft darüber, dass es viele Wege aus der Sucht gibt. Wichtig ist, dass man sich auf den Weg macht   Und natürlich, dass die Richtung stimmt. Falls du es zunächst online versuchen willst, ist das eine der vielen Möglichkeiten. Du hast dich darüber ja auch schon informiert und schreiben scheint Dir zu liegen. Hier noch die Adresse der Onlineberatung NRW https://www.gluecksspielsucht-nrw.de/onlineberatung/index.html.
Alles Gute und halte uns doch auf dem Laufenden
Ilona

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Wolke

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #5 am: 14 Dezember 2019, 10:13:19 »
Ich hatte immer Spieldruck,egal ob ich Geld hatte oder nicht. Spieldruck habe ich jetzt auch noch,aber mit erlerntem anderem Verhalten und im Notfall auch skills ,komme ich eigentlich zurecht. Sowas lernst du in SHGs oder beim Verhaltenstherapeuten.
Das Forum hier und Check dein Spiel  sind ein guter Anfang,sollten aber nicht deine letzten Schritte sein. Das persönliche Gespräch mit einer Beratungsstelle oder anderen Betroffenen,ist durch nichts zu ersetzen und diese Hilfe solltest du annehmen.

LG Wolke

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Lexlander

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #6 am: 14 Dezember 2019, 10:16:20 »
Die Online Beratung die Ilona hier mitteilt kann ich nur empfehlen . Check dein Spiel finde ich etwas unpersönlich.. Hier schreibst du täglich Tagebucheinträge und bekommst nach einer Woche eine Rückmeldung.

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #7 am: 14 Dezember 2019, 11:05:00 »
Vielen Dank für die zahlreichen Antworten!
Alex ich stimme dir zu. Eigentlich wäre es der richtige Schritt mich meinem Vater zu offenbaren.
Aber wie gesagt würde ich das erst beim nächsten Kontrollverlust machen.
Zum einen hat das natürlich mit meiner Scharm zu tun, aber wesentlich ausschlaggebender ist die derzeitige Situation meines Vaters. Meine Mutter hat sich vor kurzem von ihm getrennt und sein Bruder ist vor 3 Monaten von uns gegangen, welcher unserer Familie sehr nah stand. Wenn ich mich jetzt noch offenbaren würde wäre das noch härter für ihn.
Nichtsdestotrotz werde ich mich an Ihn wenden, wenn mein Alleingang durch die Sucht wiedereinmal unerfolgreich bleibt.

Vielen Dank auch für die NRW Beratungswebseite, kannte ich noch nicht und werde ich mich nachher mal mit auseinandersetzen.

Ich denke auch, dass eine SHG einiges mehr vermitteln kann als die Online Beratung. Dennoch will ich erstmal hiermit meinen Start setzen und beobachten wie sich das Ganze entwickelt. Wenn diese dann nicht die erhofften Erfolge mit sich bringt, werde ich wohl mal eine SHG besuchen.

Habe jetzt noch meine letzten Sportwetten storniert und bin so noch an 50€ gekommen. Ich bin auch zuverlässig, dass ich diese nicht anrühre, da ich ja meinen TAN-Generator zerstört habe und so schnell an keinen neuen komme. Desweiteren werde ich gleich mein Zimmer aufräumen und zum Sport gehen bis dann Abends meine Freundin kommt. Dadurch sollte ich erstmal beschäftigt sein.

Eine Frage noch: Wie geht ihr damit um, wenn der Glückspielgedanke aufkommt? Habt ihr da irgendwelche Techniken?

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und danke euch für die ganzen Antworten.
Werde immer mal wieder Status Updates posten, jedoch vorwiegend am Wochenende.

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Wolke

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #8 am: 14 Dezember 2019, 11:14:12 »
Im günstigsten Fall hast du jemanden zum Reden,wenn der Spieldruck kommt.

Schreib dir auf,warum du mit dem Spielen aufhören möchtest und lies es dir immer wieder durch,wenn der Druck kommt.

Skills,die mir im Notfall helfen: Musik auf die Ohren und laufen oder spazieren gehen,kalt duschen,Treppe rauf und runter rennen,Chili essen (glaub mir,da denkst du nicht mehr ans Spielen)

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Wolke

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #9 am: 14 Dezember 2019, 11:16:30 »
Zum Sport gehen,so wie du es gleich machst hilft auch. Freundin,Freunde treffen,was unternehmen,alte Hobbys aufleben lassen,neue Hobbys finden.

Wünsche dir ein schönes Wochenende

LG Wolke

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Lexlander

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #10 am: 14 Dezember 2019, 12:07:43 »
Wie Wolke schon geschrieben hat, ist es gut wenn du wen zum Reden hast . Deine Freundin wird dich sicher auch davon ablenken :-) ich persönlich gehe raus in den Garten und drehe im T-Shirt meine Runden . Im Sommer muss ich umdenken ;-) oder ich fahr mit dem Auto ne Runde und Gib mir auf die Ohren :-) Du wirst sicher was finden ...

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Offline Olli

  • *****
  • 7.338
Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #11 am: 14 Dezember 2019, 12:27:16 »
Moin!

Ehrlich gesagt verstehe ich mich heute immer noch nicht.
Damals habe ich mal gesagt: Mir kann keiner helfen ...
Doch das war es nicht wirklich.
Mein ganzes Leben lang fühlte ich mich unverstanden.
Egal wie sehr ich mich anstrengte, für meine Familie war es nicht genug.
Also habe ich versucht ihre Erwartungen zu leben.
Jedoch war ich das nicht.
Wie also sollte ein Wildfremder, der mich ja noch nicht einmal im Ansatz kennt, mir bei meinem Problem helfen können?

Natürlich weiss ich heute, dass ich mich geirrt habe - gewaltig sogar.
Das habe ich erlebt, als ich das erste Mal mit einer Abstinenzentscheidung in die SHG ging.
(6 Jahre vorher hatte ich sie schon mal für mich als Alibi genutzt)
Ich war freudig überrascht, dass ich nun auf einmal die Gedankengänge der Gruppenmitglieder nachvollziehen konnte.
Sie boten mir Stoff sie mit meiner Person und meinen eigenen Gedankengängen zu vergleichen.
Ich fing an zu assoziieren.
Viele, die SHGs nicht kennen, denken ja häufig, dass hier sektenartig das Oberstübchen umgekrempelt wird - man sich selbst aufgeben muss, um neu geboren zu werden.
Blödsinn ...
Ich bin immer noch der Selbe - mit all meinen Stärken und auch meinen Schwächen.
Beide machen mich aus und so haben beide ihre Berechtigung.
Was ich verändert habe, ist meine Sichtweise auf meine Person.
Dies hilft mir mich so zu akzeptieren, wie ich nun mal bin.
Es erschließ mir aber auch Möglichkeiten an mir zu arbeiten.
Dabei geht es nicht um Perfektion - ich möchte mich selbst mögen können.
Ich kann mir meine Werte überdenken.
Weiterhin kann ich mir Ziele setzen und schauen, wie ich diese erreiche.

Alleine zuhause im stillen Kämmerlein zu sitzen hat mich 20 Jahre lang nicht weiter gebracht.
Wie auch, wenn meine anerzogenen Scheuklappen immer noch an der selben Stelle sitzen.
Da hilft es ungemein, wenn mir jemand durch seine Erfahrungen meine Scheuklappen abnimmt oder zumindest lockert.

Ja, Scham ist ein wichtiges Thema.
Aber eigentlich hat mich meine Scham ausschließlich blockiert.
Scham sorgt für Zurückgezogenheit in sich selbst  - also zur Isolation.
Auch heute noch gibt es Situationen in meinem Leben, die mit Scham verbunden sind.
Diese sind fast ausschließlich verknüpft mit meiner Sucht und dem, was ich für die Suchtausübung getan habe.
Doch eine Sucht ist kein Grund sich zu schämen. Die Glückspielsucht ist eine Krankheit.
Ist es nicht eher so, dass wir uns schämen sollten nichts dagegen aktiv zu unternehmen?

Wenn ich Scham verspüre, dann weiss ich, dass ich etwas falsch gemacht habe.
Es betrifft immer Situationen mit einer Außenwirkung.
Sie tritt auf bei der Verletzung von Normen und Werten.

Es ist gut, dass es dieses Gefühl gibt. Denn ohne es gäbe es kein Miteinander.
Ich glaube, dass niemand gerne wirklich Scham verspüren möchte. Also bietet uns die Scham die Möglichkeit an uns zu arbeiten. Etwas besser zu machen.

Das geht aber eben nur, wenn wir die Scham offen legen, damit unsere Bezugspersonen uns auch Resonanz geben können.

Seit einigen Jahren informiere ich mich regelmäßig zu diversen psychologischen Themen rund um die Glückspielsucht.
Unterm Strich gibt es überall Parallelen. Nicht nur unter Spielern, sondern auch bei Nichtsüchtigen und Spielern.
Das zeigt mir, dass wir Menschen innerhalb unserer Gesellschaftsform doch alle ziemlich gleich ticken.
Das nimmt uns nicht unsere Individualität, es hilft aber den Gegenüber zu verstehen.

Es ist schon einmal prima, dass Du die Online-Hilfsangebote in Anspruch nimmst.
Es wird Dir helfen ein wenig Vertrauen in das Hilfesystem zu bekommen.
Wer vertraut, der öffnet sich auch - und schon ist die Basis für Veränderungen gelegt - s.o.

Dann werden die Ausreden, die Du hier ablieferst, in Schall und Rauch verpuffen.
Genau wie bei mir und wie bei vielen vielen Anderen.

Zitat
Aber wie gesagt würde ich das erst beim nächsten Kontrollverlust machen.
Ich falle mal mit der Tür ins Haus: Das ist zocken!
Und ja, wenn man diesen Satz etwas zerpflückt, dann ist es sogar die Planung zum nächsten Spiel.
Muss es denn wirklich erst soweit kommen?

Eine mögliche Zukunft schildere ich Dir mal in Kürze:
Im Moment bist Du motiviert das Gamblen sein zu lassen.
Dein inneres Versprechen Dich bei Deinem nächsten Rückfall - oder besser Spielunterbrechung - zu offenbaren, wird Dich zusätzlich motivieren.
Es wird ein Bollwerk sein, dem Du eine hohe Wichtigkeit und Bedeutung zuweist.
Du wirst aus Deinen Erfahrungen Deinen Selbstwert füttern.
Doch Sucht ist trügerisch. Sie zieht sich zurück, wenn sie merkt dass sie keine Chance hat. Doch sie lauert dort im Dunkel, bis sie ihre Chance sieht.
Einsamkeit - Langeweile - Unachtsamkeit - Überheblichkeit - negative Gefühle - und noch mehr wirken für sie wie eine Startpistole bei der Leichtathletik.
Dann kann sie wie eine Schnecke angekrochen kommen oder wie ein Pfeil, der die gespannte Sehne verlässt.
Nun ist es also geschehen - der Rückfall.
Du machst Dir Vorwürfe, weil Du nun wieder finanziell bei oder unter 0 angekommen bist.
Du machst Dir Vorwürfe, weil Du Deinen Vorsatz der Abstinenz über den Haufen geworfen hast. Du hast Dein Ziel aufgegeben und fragst Dich: Wofür?
Dann erinnerst Du Dich an Dein Versprechen Dich zu offenbaren. All die Scham kommt mit aller Gewalt zurück.
Dein Selbstwert ist im Keller, weil Du Dich als willensschwachen Menschen betrachtest, der Andere nur immer wieder enttäuscht.
Das Bild Deines Vaters, als er weinte und Du ihn weiter angelogen hast, wirkt wie ein permanenter Bildschirmschoner vor Deinem geistigen Auge.
Doch noch ein klein wenig stärker wird das Gefühl sein, wenn Du die Offenbarung bei Deinem Vater wieder in eine unbestimmte Zeit in die Zukunft verschiebst.

Mein Freund: Es gibt nur einen Zeitpunkt, der der Richtige für eine Offenbarung ist - und der ist immer JETZT!

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline taro

  • *****
  • 726
Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #12 am: 14 Dezember 2019, 13:41:55 »
Moinmoin,

Bis zum phylosophieren über Deine Zukunft kann ich Ollis Beitrag nur unterstreichen.

Dein Vater mag viele Sorgen haben, die bei weitem größte Sorge ist jedoch zu spüren das beim Sohn etwas nicht stimmt und den Grund dafür nicht zu kennen. Wenn es raus ist fällt Deinem Vater sicher eine Last von den Schultern. Ich bin selber Vater von 3 Kindern. Bei meinem größten läuft nicht alles rund, und doch bin ich ziemlich gut informiert, auch über die Dinge die mir grosse Sorgen machen. Etwas in der Hand zu haben ist aber für die Angehörigen einfacher als diese Ungewissheit. So kann ich für Ihn fast unmerklich Termine so schieben, daß er zu gewissen Dingen als 15 jähriger einfach keine Gelegenheit mehr hat. Ob es was bringt, keine Ahnung aber ich kann etwas tun. Ich kann Ihm von meinen Erfahrungen berichten, darüber ihm das Gefühl geben das ich Ihn verstehe. Ich kann ihn berichten wie ich hart aufgeschlagen bin. Ob es was bringt? Auch hier, keine Ahnung, aber ich tue etwas. Ich kann mit Ihm gemeinsam überlegen, ob ich Volljährige Straftäter in seinem Umfeld Anzeige, ob ich es mache? Keine Ahnung, aber mein Sohn hat Angst davor. Ob das gut oder schlecht ist wird sich zeigen, dass ich nicht unwissend zuschauen muss, dafür bin ich schon sehr Dankbar.
Die SHG ist der Ort wo Du in Deinem Tempo an Dir arbeiten kannst. Ein Forum taugt dafür nichts. Da kannst Du ein paar Informationen erhalten, arbeiten musst Du in der SHG.

Taro

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #13 am: 14 Dezember 2019, 17:55:04 »
Vielen Dank für eure ausführlichen Beiträge.
Ich weiß eure Tipps und Anregungen zu schätzen, jedoch bleibe ich bei der Entscheidung meinem Vater erstmal nichts zu sagen.
Vielleicht gehe ich aber mal auf meine Freundin zu, wobei ich mir dabei noch nicht ganz sicher bin, da wir erst zwei Monate zusammen sind.

Heute habe ich den Tag sehr gut rum gekommen und habe den Gedanken mit dem Spielen aufzuhören immer wieder gedanklich gefestigt.
Ich denke das wird auch morgen so weiter gehen.
Richtig spannend und herausfordernd wird es wenn ich nächstes Wochenende wieder nach Hause fahre und wieder etwas Geld auf dem Konto habe.
Aber ich bin hochmotiviert und diesbezüglich positiv eingestellt.

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Wolke

Re: Mein Weg in die Sucht, ich will die Kurve kriegen
« Antwort #14 am: 14 Dezember 2019, 18:57:00 »
Wow,vertraust und kennst du deine Freundin nach 2 Monaten schon so,dass du ihr das erzählen möchtest? Was ist,wenn sie es weiter erzählt? Deinen Freunden,deiner Familie?
Ich vertraue jemandem nach 2 Monaten nicht so was wichtiges an. Das wär mir zu riskant.

Vertraue dich deinem Vater ,deiner Mutter an,Geschwistern.... Die lieben dich,du vertraust ihnen,sie wollen nur gutes für dich.

 

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