Ich denke ich kann ein wenig was zu dem Thema sagen, da ich selbst seit über 2 Jahren Poker spiele.
Man muss natürlich erstmal das Online Pokern und das Live Pokern unterscheiden. Beim Online Pokern ists natürlich ziemlich egal, ob man sich jetzt über eine gute Hand offensichtlich freut oder nicht.
Beim Live Pokern sollte man natürlich auch nicht vor Glück aufschreien, doch im allgemeinen wird das "Pokerface" überschätzt. Das kommt wohl eher aus alten Cowboy Filmen.
Wenn man sich mal eine Übertragung im Fernseh anschaut, dann wird man sehen, dass die Leute an den Tischen einfach versuchen "normal" zu sein. Die einen reden am Tisch gerne übers Wetter, die anderen halten einfach die Klappe und wieder andere hören einfach nur Musik. Wichtiger beim Live Pokern sind eher die "Betting Patterns", spielt jemand eine starke Hand sofort an oder lässt er sich Zeit. So Dinge.
Beim Online Poker bekommt man da dann noch Unterstützung von (übrigens absolut legalen und erlaubten) Zusatzprogrammen. Diese speichern alle möglichen Daten anderer Spieler und zeigen wichtige sofort am Tisch an: Wieviele Hände spielt er, erhöht er oft, wirft er oft weg... usw...
Ist Poker "Betrug" wie du es sagst? Ja, ganz klar.
Man möchte eigentlich immer das Gegenteil von dem zeigen, was man hat. Habe ich eine sehr starke Hand, dann möchte ich natürlich, dass mein Gegner denkt, dass seine Hand stärker ist und er viel dafür zahlt um das herauszufinden.
Bluffen ist übrigens auch eine Sache, die sehr überschätzt wird. Den Großteil des Gewinns macht man nicht mit Bluffs, sondern mit guten Karten. Große Pots kommen eigentlich nur zustande, wenn jeder der Mitspieler von seiner Hand überzeugt ist und dementsprechend hilft den Pot aufzubauen. Anfänger fallen damit gerne auf die Nase wenn sie denken, dass sie jeden Pot mit einem "All In" Bluff gewinnen können. Das funktioner einmal, zweimal oder dreimal. Aber die anderen Mitspieler sind nicht blöd und so wird es irgendwann auffliegen.
Zum Glücksspielthema: Pokern hat viel mit Glück zu tun. Das ist auch gut fürs Spiel. Jeder Amateur könnte sich einen Abend lang an den Tisch mit einem Profi setzen und der Amateur könnte trotzdem gewinnen. Das wichtige beim Poker ist der "Longrun", wie es also über einen langen Zeitraum läuft. Da kommt es dann einfach auf die Wahrscheinlichkeit an. Ganz simples Beispiel. Ein Amateur denkt, dass Ass und Bube von einer Farbe auf der Hand eine gute Hand ist und weil er es im Fernseh so oft sieht, geht der gleich damit AllIn (er setzt also all sein Geld, bevor irgendwelche Gemeinschaftskarten aufgedeckt werden). Der gute Spieler hingegen hat zwei Damen auf der Hand und entschliest sich zu zahlen. In diesem simplen Beispiel steht die Chance bei etwa 70:30 für den Spieler mit den Damen. Es ist also durchaus möglich, dass er Spieler mit Ass Bube Glück hat und gewinnt. Zu 70% wird allerdings der Spieler mit den Damen gewinnen.
Jetzt weiß natürlich auch der beste Spieler der Welt nicht, dass der Amateur hier Ass Bube auf der Hand hält. Deswegen setzt man einen Spieler auf eine "Range", also auf eine Reihe von Karten mit denen er so etwas macht. Das kann man an den Daten einschätzen, die man über den Spieler gesammelt hat. Hab ich z.B. einen Spieler, der nur 10% der Hände spielt und alles andere gleich wegwirft, dann kann man ihn hier einfach auf zwei Asse oder zwei Könige setzen (womit der andere Spieler mit zwei Damen natürlich wegwirft, da seine Gewinnchancen gegen diese Range bei unter 20% liegt). Spielt der Gegner jetzt über 70% der Hände und macht solche Moves öfter, dann kann man ihn schon auf eine andere Range setzen, bei der es profitabel ist mit zwei Damen das zu zahlen. So liegt die Gewinnchance für zwei Damen gegen eine Range von Ass Bube und allem was besser ist immer noch bei 60%.
Kann man nach Poker süchtig werden? Natürlich, man kann nach allem süchtig werden: Schokolade, Joggen, Online-Rollenspiele und natürlich auch Poker. Ein wichtiger Punkt beim Poker (wenn man es als Glücksspiel um Geld sieht) ist, dass man es anständig spielen kann. Dafür gibt es ein "Bankroll Management", das schreibt einem vor, mit welchen Einsätzen man spielen sollte um den "Risk of Ruin" zu vermindern. Habe ich z.B. $1500 zur Verfügung, dann wäre es ziemlich blöd alles an einen Tisch zu nehmen. Denn wie das Beispiel oben zeigt, kann man auch mit der besseren Hand verlieren.
Eine Faustregel ist, dass man 25 BuyIns für ein Limit haben sollte. Habe ich als $1500 zur Verfügung, dann kann man damit gemütlich NL50 spielen. NL50 heißt, dass man an einen Tisch geht an den man maximal $50 nehmen kann. Verliere ich dort den maximalen Einsatz, dann ist das nicht so schlimm, da man noch genug in der Hinterhand hat. Verliere ich (auf Grund von massiven Pech oder einfach wegen Überschätzung meiner Fähigkeiten) öfters, dann muss man natürlich irgendwann im Limit absteigen.
Bei anderen Arten des Glücksspiels um Geld (Automaten, Roulette, etc.) kann das nicht funktionieren, da sie darauf ausgelegt sind der Bank Geld einzubringen. Anders als beim Poker spielt man nämlich nicht gegen andere Spieler, sondern gegen die Bank. Alle Chancen sind also so ausgelegt, dass die Bank gewinnt. Klassisches Beispiel wäre da Roulette. Die einfachste Art zu setzen ist wohl Schwarz oder Rot. Bei 36 Zahlen sind 18 rot und 18 schwarz, die Chance zu gewinnen ist also 50:50. Wenn da nicht die grüne 0 wäre, dort verlieren damit natürlich schwarz und rot und die Chance zu gewinnen fällt unter 50%. Das hat dann einen negativen Erwartungswert. Würde man also unendlich viele Spiele spielen, dann hätte man am Ende garantiert nichts mehr.
Beim Poker hingegen kann man seine Geld aber dann setzen, wenn die Chancen für einen Spieler stehen, deshalb können gute Spieler auch langfristig Gewinne machen.
Bei Spielsüchtigen verhält es sich aber leider so (von dem was ich gehört habe), dass sie die Disziplin die so ein Bankroll Management erfordert, nicht durchhalten können und eher auf den schnellen Gewinn aussind (bis sie verlieren).
So, ich hoffe das war nicht zu lange und diejenigen, die Poker bisher nur aus dem Western kennen, können jetzt etwas mehr damit anfangen.