Sorry, aber... Pocasso, der Vergleich hinkt.
Weder Tom, noch Fred's Schwester, noch meine Arbeitskollegin haben je jemandem aktiv geschadet. Sie haben für sich entschieden, sich von den schlechten Entscheidungen anderer weit genug distanzieren zu können, um letztlich ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen. Es ist eine Frage von persönlichen Erfahrungen und Werten. Im Falle meiner Kollegin bin ich mir sogar sicher, daß ihr anfangs nichtmal bewußt war, worauf sie sich einläßt. Sie hat ihren Job in einer Spielhalle dann nach etwas über einem Jahr trotz guter Arbeitsbedingungen und ordentlicher Bezahlung an den Nagel gehängt.
Ich hingegen arbeite in einer Firma, die eng mit der Tabakindustrie zusammenarbeitet.
Ich rauche selbst - es ist meine Entscheidung.
Tom's Job könnte ich nicht machen, denn ich bin vorbelastet, und aufgrund meiner Vergangenheit hätte ich eine tiefe Abneigung dagegen.
Das ist aber nicht bei allen so.
Jedem das Seine.
Biete ich Glücksspiel an, ob nun legal oder nicht, entscheidet der Kunde immernoch selbst über seine Teilnahme. Er schadet sich damit selbst, aber ich tue ihm nicht weh, ich beklaue ihn nicht, und ich bringe ihn auch nicht um.
Er kommt trotzdem immer wieder, denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
...aber währe ein abzulutes Verbot da gewesen würde es mir heute besser gehen.
Denn ganz ehrlich... das wäre mir scheißegal gewesen. Ich habe damals erheblichen Aufwand betrieben, wenn ich glaubte, spielen zu müssen. Ein Verbot hätte mich sicher nicht aufgehalten.
Prinzipiell hat Fred da meiner Meinung nach recht. Mich hat auch nie jemand gezwungen, und mir zu sagen, ohne das entsprechende Angebot wäre das alles gar nicht passiert, also ist die Glücksspielindustrie schuld, lenkt mich davon ab, mal bei mir selbst zu gucken. Stimmt. Unterschreib ich so. Jammern rückt mir den Kopf nicht gerade, Schuldzuweisung und Selbstmitleid auch nicht. Diese Mischung kann aberwitzige Dimensionen annehmen - Kenn ich, ich hab selbst darin gebadet.
Trotzdem stimme ich zumindest in diesem einen Punkt dem Tenor hier zu: Über ein generelles Verbot kann man streiten. Solange es aber keine vernünftige Regulierung gibt, sollte man es auch nicht zulassen.
Denn es geht dabei ja nicht nur um uns, sondern auch um die, die nach uns kommen... und das sind auch jetzt schon viele.
Ich halte mich fern, mit oder ohne Verbot, denn ich kenne die Konsequenzen, die solche Dinge für mich hätten. Meine Nichte sieht aber nur die bunte Werbung...
Ja, ich habe den Umgang lernen müssen, trotzdem muß ich ihn wirklich nicht haben, wenn ich es vermeiden kann.
Es war streckenweise wirklich hart für mich, nicht doch nachzugeben - sehr sogar. Aber zumindest hätte ich erst das Haus verlassen müssen... genaugenommen war ich das ein oder andere Mal schon über diesen Punkt hinaus.
OCs sind für mich genauso tabu wie jede lokale Örtlichkeit. Glücklicherweise bombardiert mich aber niemand mit Mails (mal abgesehen von irgendeinem Verein, der mir in unregelmäßigen Abständen 'gewinnensichere' Rubbellose andrehen will, dabei aber nichtmal in der Lage ist, wenigstens im Betreff einen grammatikalisch korrekten Satz zu bilden), ich bekomme nur sehr selten Kasino- oder Sportwetten-Werbebanner beim Surfen, keiner 'schenkt' mir Gratisboni, und ich habe auch keine Spielerkonten, auf denen ich 'nur mal so gucken' könnte. Wäre ich ein Onlinespieler, der aufhören möchte, wäre das anders.
Wenn es nach mir ginge, so sind OCs etwas, was die Welt nicht braucht. Niemand, absolut keiner, hat irgendeinen Nutzen oder Mehrwert von ihrer Existenz - außer dem Betreiber selbst. Deshalb wird dort fleißig die Werbetrommel gerührt. Der Gesellschaft schaden sie mehr, als daß sie nutzen, trotzdem ist die Ignoranz und Gutgläubigkeit vieler Verantwortlicher in dem Bereich ohne Worte. Selbst wenn einem der Gesundheitsfaktor egal sein sollte, oder man ihn vorsätzlich oder aus Unwissenheit ausblendet, ist auch jede kühle Kosten-Nutzen-Rechnung negativ für den Staat.
Aber was soll's? Es ist ja nur ein harmloser Zeitvertreib... das kann man den Leuten doch nicht verbieten.
Irgendwer sagte hier mal, es gäbe etwa 500.000 problematische Spieler in Deutschland. Mich hat diese Zahl ernsthaft erschrocken und sprachlos gemacht, wundern sollte mich das aber eigentlich nicht. Zählt man noch die Angehörigen dazu, die nie auch nur selbst einen Cent verspielt haben, und trotzdem drunter leiden, so ist das Problem alles andere als ein Kleines. Natürlich sieht das offiziell niemand, man kann ja heutzutage Existenzen vom Sofa oder aus dem Bett heraus zerstören. Daß man dabei nie wirklich Geld in der Hand hält, sich einigeln kann und auf dem Weg nichtmal einem ahnungslosen Passanten unter die Augen treten muß, macht es noch einfacher.
Hauptproblem hierbei ist die extrem starke Lobbyarbeit, die dafür sorgt, daß Entscheidungsträger in der Politik der Glücksspielindustrie ihr maßgeschneidertes Image vom Anbieter eines lustigen Zeitvertreibs für die ganze Familie nur allzu gerne abkaufen, ohne das Ganze zu hinterfragen und über den Tellerrand zu schauen. Das anrüchig-schmuddelige Spelunkenimage ist Geschichte, heutzutage ist das spaßig, weltoffen und absolut fair! Das Bild, was heute gezeichnet wird, unterscheidet sich drastisch von der Realität, die viele erleben. Nur sieht das eben keiner.
Und es ließen sich ja so Steuereinnahmen generieren. Also gut für die Allgemeinheit.
Nur... kein 'normaler' Mensch würde dort spielen, davon bin ich überzeugt. Wer das tut, hat ein Problem, und wenn nicht, ist er auf dem besten Weg, eins zu entwickeln. 'Natürlicher Spieltrieb der Bevölkerung'? Steht das wirklich irgendwo? Wer denkt sich sowas aus?
Beschönigung und Verharmlosung. Klar, die meisten Leute haben sich nie damit beschäftigt, ist also einfach, das Image in Richtung harmloser Zeitvertreib aufzupolieren.
Es ist auch keine Schande, nicht über alles bescheidzuwissen, für mich grenzt es aber an eine Verletzung der Sorgfaltspflicht, wenn ich es versäume, mich umfänglich über etwas zu informieren, über das ich eine nachhaltige Entscheidung treffen soll.
Ich bin für Eigenverantwortung, keine Frage, bei den meisten Punkten, die er in der Vergangenheit angesprochen hat, stimme ich Tom sogar vollumfänglich zu. Oftmals sträuben sich mir die Nackenhaare, wenn ich Diskussionen über Schuld und 'das böse System' lese. Manche machen es sich da sehr einfach. Aber das ist kein Grund, noch mehr und einfachere Möglichkeiten zu schaffen, in diese Abwärtsspirale zu rutschen... und eine andere Daseinsberechtigung, als das Bestreben, ein möglichst großes Stück vom fetten Kuchen abzubekommen, gibt es für OCs halt einfach nicht. Den Milliardenumsatz generieren Menschen wie ich, allein im stillen Kämmerlein, und nicht die quietschvergnügte Familie auf dem heimischen Sofa. In dem Moment, in dem meine Familie dann zum ersten Mal mit deren Existenz konfrontiert würde, stünde Spaß und Freude wohl ganz unten auf der Liste der Empfindungen...
An die Vernunft läßt sich nunmal sehr schlecht appellieren - auf beiden Seiten. Das dicke Kind den Kuchen bewachen zu lassen, wäre genauso sinnlos, wie das Hungrige mit selbigem alleinzulassen mit der Aufforderung, ihn sich für den Rest des Monats vernünftig einzuteilen. Beides kann nicht klappen...
Deshalb bedarf es vernünftiger Regulierungen, wenn man das schon so 'durchwinkt'.
Selbstreflektion hin oder her - das momentane Chaos ist einfach nicht tragbar, und niemand scheint so wirklich gewillt zu sein, bereits bestehende Regulierungen durchzusetzen - wie soll das denn erst nach der Legalisierung von OCs werden, die ja nichtmal in Deutschland sitzen...
Es wird wohl darauf hinauslaufen, daß das Verbot von Onlinecasinos im nächsten GlüStV von vermeintlich freiheitsliebenden Gutmenschen aufgehoben wird, das denke ich auch. Bleibt nur zu hoffen, daß die Reglementierungen diesbezüglich dann weniger lächerlich ausfallen, als es in der Vergangenheit bei solchen Anlässen der Fall war. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt...
Zu deren Verteidigung kann ich aber zumindest sagen, daß ich mir selbst auch immer ganz sicher war, sowas wie Spielsucht gäbe es gar nicht. Ich bin eben nur einfach nicht mehr ganz frisch im Kopf.
Auch ich brauchte einfach nur Leute, die mir sagten: Spielsucht ist real, und es stecken Menschen dahinter.
Über den Sinn und Unsinn einer Legalisierung von OCs kann man geteilter Meinung sein.
Ein Werbeverbot, Spielerschutz und feste Richtlinien zu dessen Umsetzung hingegen sind meiner Meinung nach ein Muß.
Und dazu bedarf es vor allem einer Sache: Aufklärung.