von TAL:
Re: Erster Schritt in die SHG
« Antwort #113 am: 27 April 2019, 20:03:58 »
Hallo Taro,
das würde bei mir nicht klappen, denn, wem auch immer ich das berichten würde, die Antwort wäre wohl immer sowas wie "Ja, dann mach doch.", eventuell vielleicht noch begleitet von einem irritierten Stirnrunzeln.
Schon allein deshalb wäre es Selbstbetrug, die Verantwortung abzugeben - denn es würde ja nichtmal als eine solche aufgefaßt werden.
"Nun halt mich auf."
"Ähhh... was??"
Mal ganz davon abgesehen ist das ganz allein mein Problem.
Zitat
Ich will nicht mehr kein Geld haben.
Ja, absolut. Ich habe ein gutes Polster, trotzdem kann ich mit wenig auskommen, ich tue es sogar irgendwie ganz unbewußt automatisch. Was mich aber echt ängstigen würde, wäre der Gedanke, es tatsächlich wieder zu "müssen".
Das ist nämlich etwas, was ich nie wieder erleben will. Diesen Zustand zu beenden hat mich viel Kraft gekostet, weit über meine aktive Zeit hinaus.
Heute muß ich mir nichts kaufen, ich weiß aber, daß ich es könnte, das gibt tatsächlich sowas wie ein Gefühl von Sicherheit.
Auch in knappen Zeiten kann man gut auskommen und schöne Dinge erleben, dazu braucht es nicht viel Geld. Seit ich nicht mehr spiele, habe ich immer lieber verzichtet, als 'über meine Verhältnisse' zu leben - oder halt eine Alternative gesucht. Meine bessere Hälfte ist da eher "Ach, was soll's? Was kostet die Welt?!", und hat das nie verstanden.
Wenn ich mit anderen was Essen gehe, oder ins Kino oder so, denke ich nie darüber nach, was das kostet - ich mache es einfach. Andere haben mir da quasi die Entscheidung abgenommen.
Ich führe auch kein Buch oder so.
Für mich selbst allerdings, naja... die Wahl zwischen zwei Extremen ist immer angenehm einfach - was mir hier fehlt, ist, wie so oft, der gesunde Mittelweg - Was brauch ich, und was brauch ich nicht? "Brauchen"... mhhh...
Was Ausgaben für mich selbst angeht, ist es also der Komfort, eine Wahl zu haben, selbst wenn mir die andere Option nichtmal zusagt. - Auch das scheint mit dem positiven Gefühl persönlicher Selbstbestimmung zusammenzuhängen, selbst wenn mein Verständnis davon etwas seltsam ist.
Ich will nicht mehr als nötig mit Geld zu tun haben, es ist mir egal, und wenn jemand etwas braucht, kein Problem.
Ich muß nur wissen, daß genug da ist, da interessiert mich die genaue Summe nichtmal.
Ansonsten laßt mich einfach damit in Ruhe.
Tja, und das merke ich gerade... wir sind nämlich am Überlegen, umzuziehen.
Meine bessere Hälfte ist immer schon sorglos mit Geld gewesen, was da ist, wird ausgegeben... und die Wohnungsidee hat sich offenbar manifestiert.
Erst dachte ich... "Ajo... mir egal", dann hab ich drüber geschlafen... oder eher gesagt 'gebrütet' und gerechnet, an sich schon eine schlechte Idee. Das Ergebnis war dann auch: Ich will nicht!
Denn es ist ein ungünstiger Zeitpunkt.
Die neue Wohnung steht momentan leer, wir müßtens uns, wenn wir sie bekommen, also schnell entscheiden, und haben hier drei Monate Kündigungsfrist. Das wären drei doppelte Mietzahlungen. Außerdem müßten wir 4.000€ Mietkaution stellen, fahren im Juli in den Urlaub, der bisher nur mit 100€ angezahlt ist, im Juni auf ein Festival in Nürnberg, im Mai ist der TÜV bei meiner 20 Jahre alten Karre fällig (plus Reparaturen), und die Renovierung des Flures hier müßten wir zum Teil auch machen lassen, da es eine Maisonettewohnung ist, da komme ich im Treppenaufgang nicht ran. Wir bräuchten auch neue Schlafzimmermöbel, weil das hier angepaßt ist an die Dachschrägen.
Das zusätzlich zu den Kosten, die dabei sowieso anfallen würden.
Kurz gesagt: Da sträubt sich etwas, und zwar gewaltig.
Ich hab also getan, was ich bei sowas immer mache; ich habe angefangen, gegenanzureden, Gründe dagegen zu finden, um nicht sagen zu müssen, was für mich das eigentliche Problem ist, denn das bekomme ich erfahrungsgemäß nicht vermittelt - es endet dann in einer sinnlosen Diskussion über meine seltsame Einstellung, Grünpflanzen und Gott und die Welt an sich, aus der ich mich dann recht schnell wortlos ausklinken würde. Nicht gut. Lassen wir lieber.
Dann kam "Laß uns doch mal ne Exceltabelle machen, um zu sehen, ob es geht. Was hast du eigentlich überhaupt an Einkommen und Rücklagen?"
Weia... scheiße... mhhh... okay, die Frage machte ja schon irgendwie Sinn. Also hab ich nachgesehen. Das war mir sehr unangenehm. Warum eigentlich? Weil jetzt jemand meinen Kontostand kennt?
"Oh..."
"Ja. Der Autokauf letztes Jahr hat das etwas reduziert."
"Ernsthaft... Au Mann... das ist dann doch wirklich kein Problem. Packste zur Not etwas davon als Reserve aufs Konto und nimmst diese bescheuerte Sperre raus, dann paßt das. Das ist eh total hirnrissig."
"Naja..."
Fakt ist: Wir könnten uns das locker leisten. Trotzdem gefällt mir die Idee absolut nicht. Ein mehr als ausreichendes Polster ist da, aber wir hätten bei Einnahmen und Ausgaben auf die drei Monate gerechnet eine Bilanz von etwa +/-0, bei moderater Lebenshaltung. Aber... diese sinnlose Sparsamkeit in der Lebensführung existiert nur in meinem Fall. Also ist da ein weiterer 'Risikofaktor', und alles, was über 'moderat' hinausginge, müßte ich tragen. Mein Problem ist da nicht die Sache an sich, sondern, daß ich das irgendwie händeln müßte, und dazu bräuchte ich ein offenes Scheunentor.
Ich konnte die letzten Nächte nicht gut schlafen, da mein Kopf mir in einer Tour einflüsterte, was alles dagegenspricht. Das hat sich überschlagen. Immer wieder. Ich bin erschrocken, daß mich das echt so aus der Bahn wirft, denn ich weiß ja letztlich genau, was mich daran wirklich verunsichert...
Es sind die drei Monate Verpflichtungen, drei Monate Verantwortung, drei Monate, in denen ich auf's Geld achten müßte... denn das Polster liegt ja bei mir und die Summe ist jetzt bekannt.
Dafür bräuchte ich schnelleren Zugriff.
Das macht mich nervös. Ich will das nicht!
Das wäre das erste Mal seit langem, daß ich einen (wenn auch diesmal nur gefühlten) finanziellen Engpaß in meinen Einkünften hätte, und dann soll ich den komfortablen Schutzmechanismus abstellen?
Es wäre logisch, es so zu machen, aber alles in mir schreit "Halt! Du kannst das nicht tun."
Seitdem bete ich, daß wir den Zuschlag nicht bekommen. Bisher mit Erfolg.
Tja, so ist das bei mir. Irgendwas ist immer im Aufruhr da oben. Ist wohl ein generelles Problem. Aber du hast es gut getroffen. Sobald ich mir meine Unzulänglichkeiten ins Bewußtsein rufe, entwickelt mein Selbstschutzinstinkt eine Eigendynamik. Ich habe es nie herausgefordert, und im Zweifelsfall bringt es eh nichts, aber ich halte irgendwie daran fest, daß es für meinen Seelenfrieden erforderlich ist.
Das mit dem Rauchen kenne ich genauso auch. Da ist viel Wahrheit dran. Ich war anderthalb Jahre rauchfrei, meine bessere Hälfte hatte aufgehört. Erst hielt ich es für eine Phase, aber als es anhielt, hörte ich auch auf. Das war nichtmal schwer. Ab und an, wenn ich auf den Bus wartete oder so, war es komisch ohne, aber sonst...
Dann flogen wir letztes Jahr in den Urlaub. Am Flughafen war ich so nervös, daß ich mir eine Schachtel gekauft habe. Es hat sich langsam gesteigert, mal ein paar Tage gar nicht... inzwischen bin ich fast auf demselben Level wie vorher. Wieder aufzuhören allerdings versuche ich gar nicht erst, es würde momentan eh nicht funktionieren.
Denn ja, verdammt. Genau das ist es.
Lese ich, daß jemand einen Rückfall hatte, denke ich "Steh auf, scheiß auf den Rest."
Bloß nicht aufgeben... bitte!
Wenn man das schafft, ist es gar nicht so schlimm.
Wenn...
Ich verstehe, warum jemand sagen würde "In einem Monat sage ich es meiner Freundin", oder "Ich versuche das erstmal so". Sehr gut sogar.
Ich weiß aber auch genau, aus welcher Ecke solche Gedanken kommen, also warum ich sie habe, und zu welchem Zweck.
Genau wie bei deinem Freund sorgt aber auch bei mir das Wissen nicht automatisch dafür, auch entsprechend zu handeln.
Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Die erste prsönliche Geschichte, die ich je las, war der Spieler aus Birmingham. Zwischenzeitlich war er in einer seiner trockenen Phasen auch als Suchtberater für eine gemeinnützige Organisation tätig. Für diesen Job mußte er ein Formular unterschreiben, um zu bestätigen, daß man, falls man ein Suchtproblem hatte, zu Vertragsbeginn mindestens anderthalb Jahre suchtfrei (außer Rauchen) war. Das war er auch, also kein Problem.
Dann hatte er einen Rückfall (das war von außen betrachtet mehr als abzusehen), er erzählte es seiner Chefin, und die sagte ihm "Ist in Ordnung, keine Panik, das bekommen wir irgendwie hin. Wichtig ist erstmal, daß du dich darum kümmerst, dann ist es nur eine einmalige Sache."
Er hatte es nicht hinbekommen, obwohl er im Prinzip an der Quelle saß.
Seine Familie wohnt am anderen Ende des Landes, wenn sie länger nichts von ihm hört, schickt seine Schwester ihm einen Lebensmittelgutschein für den Supermarkt.
All sein Wissen nützt ihm nichts, er spielt heute noch.
Er hat resigniert, Hilfe kommt für ihn nicht in Frage, das ist 'nicht so sein Ding', und außerdem schämt er sich vielzu sehr.
Normal bin ich eher nicht so wirklich empathisch veranlagt, aber während des Lesens hatte ich immer wieder das Bedürfnis, hinzufahren und ihn mal ordentlich zu schütteln. Das rührte wohl aus dem ohnmächtigen Bewußtsein heraus, nichts tun zu können...
Kürzlich hat er wieder einen Versuch gestartet, das hinter sich zu lassen. Ich würd's ihm so sehr wünschen...
Auch er hatte es für Außenstehende 'gepackt'. Drei Jahre spielfrei. Herzlichen Glückwunsch.
Lese ich seine Tagebucheinträge aus der Zeit, weiß ich aber sofort, daß dem nie so war, es war nur eine Frage der Zeit.
Ich hätte sie selbst geschrieben haben können.
Für mich hat es noch nie ein 'Einfach-Wieder-Aufstehen' gegeben. Das wurde jedes Mal schwerer, selbst wenn meine Pause nur drei Tage gedauert hatte. Ich konnte das noch nie wegstecken. Nach so langer Zeit wäre es der Supergau.
Ich weiß ja nichtmal, wie ich es überhaupt geschafft habe, daß ich heute hier sitze.
Mein Fenster wäre zu. Das weiß ich. Darum habe ich so eine Angst davor.
Ich würde es nicht packen... nicht nochmal.
Es wäre kein Zwischenfall, es wäre ein Neustart.
Und ich hätte nicht die Eier, das einzugestehen, nichtmal vor mir selbst.
Diese Angst in meinem Hinterkopf ist nicht neu. Sie ist aber auch nicht immer da. Oft geht es monatelang ohne.
Aber bei sowas wie der Sache mit der Wohnung kommt sie wieder, was unsinnig ist, denn ich hatte schon so oft Gelegenheiten, die meist gar nicht in meinem Ermessen lagen, an denen ich aber nichtmal dran gedacht habe, absolut gar nicht.
Ich denke auch jetzt nicht dran, nur daran, was wäre, wenn ich es einer solchen Situation dann plötzlich doch täte...
... und ich könnte den Hahn nichtmal wieder zudrehen, weil keiner verstehen würde, warum.
Mal abgesehen davon, daß ich das dann auch gar nicht mehr schaffen würde.
Das wird sich wohl auch nie ändern. Ich habe nur diese eine Chance.