von TAL:
Re: Erster Schritt in die SHG
« Antwort #69 am: 28 Februar 2019, 23:32:01 »
Guten Abend,
'weiter und weiter'... ja, anscheinend schon. Mhhh... Vor dem Schreiben habe ich Zweifel, danach denke ich irgendwann "Autsch... aber ist jetzt zu spät". Mein erster persönlicher Beitrag im Forum kam nur zustande, weil ich den Fehler gemacht hatte, betrunken auf eine Frage zu antworten. Peinlich, was für eine Farce. Gott, war das unangenehm, aber am nächsten Morgen hatten es zuviele gelesen, um es noch unbemerkt zu löschen. Die Mauer ist wohl sehr hoch.
Denn, ja, sie gibt mir ein Gefühl von Komfort und Sicherheit. Es gibt nur keine Tür, dadurch bleiben auf beiden Seiten die Dinge immer gleich, und ich kann nichts vermischen ohne das mühsam errichtete Gleichgewicht zu gefährden, somit ist die Abgeschirmtheit gleichzeitig eine Art von Isolation. Trotzdem besser als die Alternative, denn die Erinnerungen können wehtun, die gefallen mir nicht, ich möchte sie am liebsten lassen, wo sie sind. Für immer. Geht einfach weg. Diese Mauer umzuwerfen ist wirklich nicht leicht. Hat man aber erstmal einen Hebel zum Ansetzen gefunden, geht der Rest von allein, auch wenn man hinterher Blasen an den Händen und schmerzende Arme hat. In dem Moment merkt man das aber seltsamerweise nicht, da geht alles wie von selbst. Anschließend sitzt man dann verwirrt da... 'He... ich lebe ja noch. War doch gar nicht soo schlimm.'
Man muß nur aufpassen, daß sie sich nicht wieder selbst aufbaut, da hat sich im Laufe der Zeit nämlich irgendwie eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Den Status Quo erhalten - um jeden Preis, alles andere ist in diesem Universum einfach nicht drin. Da steht dann der Kobold mit der Maurerkelle obendrauf, stampft mit dem Fuß auf, und kreischt "No. Fucking. Way!!!"...
und am nächsten Morgen ist alles wieder fast wie vorher. Aber die kaputten Steine und der Kitt werden mit jedem Mal instabiler.
Was für ein sinnloser Kraftaufwand, aber Sichtschutz war immer schon sehr wichtig für mich. Das funktioniert nämlich in beide Richtungen, und dafür hätte ich mir zeitweise sogar ein sprichwörtliches Bein ausgerissen - oder halt eben die beleidigte Leberwurst gespielt.
Die Mauer funktioniert aber nicht immer perfekt. Manchmal kommen mit Geräuschen, Situationen oder Orten assoziierte Empfindungen plötzlich hoch, und dann trifft mich das wie ein Schlag. Da fühle ich mich dann schuldig, nervös, beschämt oder muß einfach nur lachen wegen meiner eigenen Dummheit.
Lustigerweise sind die Nähkästchengeschichten meiner Kollegin inzwischen gar nicht mehr weiter schlimm. Das ist halt ihre Welt, ihre Sicht auf die Dinge. Von ihrem Standpunkt aus war das die Realität. Wie sollte es auch anders sein?
Plötzliche 'Rückblenden' irritieren mich da deutlich mehr. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen, auch wenn's selten vorkommt.
Ja, es gibt ein Leben nach dem Nichts, es ist niemals hoffnungslos. Ich habe das auch geglaubt. Habe mich selbst verlacht, sowas Absurdes wie einfach mal bloß in Jogginghose auf dem Sofa in einen stinknormalen Tag hineinzuleben überhaupt auch nur in Betracht zu ziehen. Träum weiter.
Aber letztlich kann ich das genauso unterschreiben: Ich wollte immer Spielen. Hatte ich Geld, war klar, wo es landet. Hatte ich keins, mußte ich welches organisieren. Zeit mußte ich auch freischaufeln, ungestört sein. All das hat mich vollends ausgelastet. Tag für Tag. Warum habe ich mich so gestreßt? Wofür? Ich habe es sooo gehaßt, aber ich glaubte ganz fest, es gäbe gar keinen anderen Weg für mich. Der Gedanke, bis zum Ende meiner Tage ohne auskommen zu müssen, war für mich einfach unvorstellbar. Das muß doch anders gehen... eines Tages würde das sicher schonmal wieder in Ordnung gehen. Ich habe diesen Tag anfangs immer weit nach hinten geschoben. Auf jeden Fall war er bei mir nie heute oder morgen... und auch sonst idealerweise an keine Daten oder Bedingungen geknüpft (das klappte anfangs nicht immer). Vielleicht, vielleicht auch nicht... entscheide ich dann ein andernmal. Irgendwann fragte ich mich dann gar nicht mehr, wann er denn mal kommt. Dafür war ich mir aber umso sicherer... Ich will nicht zurück! Diese Art von Gewißheit ist für mich sehr wertvoll. Ich muß nicht - ich will.
Ich erinnere mich, wie mich hier mal jemand fragte, was ich denn mit 'antrainierter Selbstzerstörungsmechanismus' meine. Ich konnte das nicht wirklich erklären, kann es immernoch nicht so richtig, aber ich bin mir sicher, daß das bei mir eine Rolle spielte. Wie mit den Pawlow'schen Hunden, eine Reaktion auf irgendeonen Auslöser, die dann wie auf Autopilot abläuft. Klick. Irgendwo davor liegt der 'Point of no Return'. Klappe zu, Affe tot, war erstmal eine Grenze überschritten, gab es kein Zurück mehr... die Schwelle war so schon extrem niedrig, und geschicktes subtiles Weichenstellen half, sie noch weiter runterzusetzen. Das geschah weit im Voraus. Ein Aus-Knopf wäre Gold wert gewesen. Im Kopf meine ich. Aber hätte ich ihn tatsächlich benutzt? Wohl kaum.
Ich wollte wohl jeglichen Anflug einer Gefahr, mich mit meinem Innenleben auseinandersetzen zu müssen, im Keim ersticken. So lange, bis es nicht mehr ging. Das hatte nur irgendwie etwas unschöne Nebenwirkungen, aber man kann ja nicht alles haben.
War ziemlich verstörend, das nicht mehr tun zu 'dürfen'. Geradezu lachhaft, mit Freude oder Unbehagen überfordert zu sein. "Reiß dich gefälligst zusammen, was bist du doch für ein armseliger Clown."
Hab mich nie getraut, mal nachzuhorchen, warum das so ist. Warum gestatte ich mir diese Empfindungen nicht? Was macht mir daran solches Unbehagen, selbst heute noch? Ich komme damit inzwischen klar, verwirren tut es mich trotzdem noch ab und an. Ich kann es aber nicht immer kontrollieren, und das muß ich ja auch gar nicht, verdammt nochmal.
Wie konnte ich je ernsthaft daran zweifeln, krank zu sein?
Hehe, Andreas, ich mußte grad schmunzeln... ich hoffe doch sehr, daß mich hier keiner findet. Zumindest keiner, den ich kenne. Das wäre dann doch etwas zuviel des Guten. Wenn ich mich aber recht erinnere, ist der Autor der Geschichte später tatsächlich nach einer Bruchlandung im Meer ertrunken. Das klappt also nicht immer alles so gut.
Wenn es aber um den Brei zwischen meinen Ohren geht, naja, der Koch ist hier nicht gerade Meister seines Fachs. Er übt auch schon länger... Ausgang ungewiß.
Ich sage mir immer gerne, daß es in meinem privaten Umfeld nicht mehr viel Sinn machen würde, die Wand des Schweigens zu brechen, denn die Person, die mir am wichtigsten ist, würde ihre Meinung eh nicht ändern.
Was alle anderen angeht... ohne diesen Stempel komme ich einfacher (und unauffälliger) durchs Leben.
Aber es gibt da ja noch das Recht darauf, zu wissen, worauf man sich einläßt, und auf dieser Grundlage selbst entscheiden zu können.
Tick, tack....
Damit ist das Gras auf der anderen Seite der Mauer dann doch nicht wirklich grüner...
Ich kann dich also gut verstehen, Peter, auch wenn meine Beweggründe weit weniger selbstlos sind. Letztlich geht es mir dabei am Ende doch nur um den vermeintlich komfortabelsten Weg - für mich selbst. Ich mache nämlich generell immer einen großen Bogen um unangenehme Situationen.