Hallo ihr,
Eine Erklärung wäre sicher praktisch, und käme sehr gelegen, aber leider ist es nicht so leicht, denn ich kenne die Ursache nicht. Bei mir gibt es dafür überhaupt keinen 'Grund'. Sicher war nicht immer alles rosig, aber das kann glaube ich jeder auf der Welt über sich sagen... und trotzdem trinken die wenigsten, nehmen keine Drogen, oder betäuben sich auf andere Arten, die für diesen Effekt weniger bekannt sind. Was auch immer es also ist, es hat nichts mit äußeren Umständen zu tun. Das Problem liegt irgendwo in mir selbst, ich war schon immer mein größter Feind, stand mir von Klein auf selbst im Weg. Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Die eigenen Unzulänglichkeiten wiegen also deutlich schwerer. Ich sehe meine Familie so gut wie nie. Einen wirklichen Grund dafür gibt es aber nicht. Das war schon immer so, und liegt auch zum größten Teil an mir. Ich bin kein soziales Wesen.
Ich habe aber gestern erst meine Schwester, dann meine Mutter, angerufen. Mut zur Veränderung. Beide waren hörbar überrascht, wenn man das bei der vorherrschenden Reserviertheit mir gegenüber überhaupt so nennen kann. Da wir alle nicht wirklich 'eng' sind, kann ich tatsächlich sagen, ich habe diesmal das Weihnachtsfest organisiert. Ich kümmere mich normal nie um irgendwas. Auch wenn es nur aufgrund ständiger Nachfragen zu Hause passiert ist - ich hab's getan. Ich wollte eigentlich nur, daß das "Hast du schon angerufen?" aufhört. Sonst habe ich es immer einfach ignoriert. "Mach ich morgen.", bis es zu spät war. Ich wollte es im Grunde auch nie, auch jetzt bin ich mir da nicht sicher. Es war etwas komisch, das zu tun.
Als lieb und nett hat mich noch nie jemand bezeichnet, eher als umgänglich, aber sonderbar. Anfangs sind Leute immer etwas irritiert von meiner stillen Art und meinem oft seltsamen und extrem introvertierten Verhalten, gewöhnen sich aber schnell daran, weil es einfach so ist. Zumindest im Job kann man sich auf mich verlassen, auch ohne viele Worte. Ich nicke nur, und tu's. Manchmal kommt dann eben "Warum hast du nicht gesagt, daß es fertig ist."
Wozu? Ich hab doch gesagt, ich mach's. Das kann man zur Not doch auch nachgucken...
Ich plane voraus, um unangenehme Situationen zu vermeiden, auch für andere. Wenn ich sehe, daß etwas so nicht funntionieren wird, kümmere ich mich eher selber drum, als andere darauf hinzuweisen. Die Leute merken das nichtmal... weil dann eben alle glattläuft. In unserer Abteilung kann sowas sehr unangenehm werden. Es fällt sofort auf, wenn's nicht rundläuft.
Ich wirke eigentlich immer sehr planlos. Doch irgendwie habe ich mein eigenes System. Bei sowas funktioniert mein Kopf. Systematische, kalkulierte 'Gefahrenabwehr' im Hintergrund. Was ich nicht kann, lerne ich dann eben, die Infos besorge ich mir schon. Einmal gesehen, weiß ich, wie etwas geht. Habe ich ein Beispiel, brauche ich nichtmal eine Erklärung. Tja, das sitzt nach wie vor. Ich verbringe keine Stunden mit der Klärung von "Darf ich das?", oder "Wer ist zuständig?" - ich mache es einfach, ohne daß es überhaupt jemand merkt.
Ich mag halt nicht auffallen, dafür stecke ich auch ungerechtfertigte Kritik kommentarlos ein. Besser der Depp vom Dienst, als eine Diskussion mit jemandem, der eh nur seine eigene Stimme hört.
Für mich einstehen konnte ich noch nie (auch für andere nicht). Ich habe keine Ambitionen, will einfach nur irgendwie durchs Leben kommen ohne anzuecken. Was ich heute habe, ist mehr, als ich verdiene. Dafür bin ich dankbar. Alles andere ist halt eben so. Natürlich stören mich Ungerechtigkeiten und intrigantes Verhalten, besonders anderen gegenüber, die es nichtmal merken, und für normal halten. Da denke ich dann "Sie ist deine Teamleiterin, das macht dich aber nicht zu ihrem Knappen." Ich sage aber nichts. Wer bin ich schon, über andere zu urteilen, oder sie zu kritisieren?
Nett zu mir selbst zu sein ist nicht so leicht, ich habe da keine wirklich hohe Meinung von mir, aber zumindest verabscheue ich mich nicht mehr. Darüber bin ich sehr froh. Ich freue mich sogar manchmal darüber, daß es mir, und damit automatisch auch anderen, gutgeht, denn das ist nicht selbstverständlich. Ich bin also zufrieden, einen Weg gefunden zu haben, der mit dem Rest der Welt so gut wie eben möglich zusammenpaßt. Darin, soweit es mir möglich ist, und nicht komplett nebenher. Ich tue, was ich kann, auch wenn es manchmal etwas unbeholfen wirkt.
Ja, mir liegt sehr viel an meiner besseren Hälfte, und es ist sehr frustrierend, das nicht angemessen ausdrücken zu können. Ich würde gerne, aber ich weiß nicht, wie, stattdessen fühle ich mich dann irgendwie hilflos, das tut manchmal weh. Ist schwer zu beschreiben. Ich bin schon sehr verschlossen, und reagiere bei einer sich anbahnenden Auseinandersetzung entweder gar nicht, oder trocken-sarkastisch. Das hat auch Einfluß auf mein Umfeld, denn so bekommt ja niemand mit, wenn eine Grenze überschritten wird. Wenn mich etwas verletzt, so wie eben letztens, fresse ich es dann in mich hinein, sobald ich alleine bin, obwohl ich eben noch lachend einen blöden Spruch gebracht habe. Und dann geht das verhaßte Grübeln los.
Naja, das ist kompliziert. Bin wohl wirklich etwas schwierig. Wenn man immer nur raten muß, kann man eben nicht jedes Mal richtig liegen, nur leider komulieren sich die Fehleinschätzungen mit der Zeit, die Interpretationen sind manchmal schon etwas absonderlich. Das Bild, was andere haben, könnte oftmals falscher nicht sein.
Und einiges davon kommt schließlich nicht von ungefähr. Ich bin ein unfähiger Trottel, der zu allem Überfluß noch einen gehässigen Kobold auf der Schulter sitzen hat, der mich mit seinen subtilen selbstzerstörerischen Tendenzen vergnügt in den Wahnsinn getrieben hat, und dem ich immernoch manchmal sagen muß, er soll sich gefälligst zum Teufel scheren. Inzwischen nimmt er das wenigstens zur Kenntnis... zumindest bis zum nächsten Mal.
Naja, wen wundert's? Auf mich hat noch nie irgendjemand gehört. Ist ja im Prinzip auch eine ganz gesunde Einstellung, wenn ich so drüber nachdenke.
Als trocken würde ich mich daher nicht bezeichnen. Abstinent ja, aber wirklich trocken... eher nicht, denn viel hat sich seitdem nicht verändert.
Auch im Umgang mit Geld habe ich manchmal leider noch ein Problem.
Natürlich ist es ein gutes Gefühl, Geld auf der hohen Kante zu haben. Es beruhigt... sehr sogar.
Es ist ganz normal, das, was man übrig hat, zur Seite zu legen, denn man weiß ja nie. Jeder tut das.
Was hingegen nicht normal ist, ist, zu glauben, so tun zu müssen, als ob, um sein Gewissen zu beruhigen und seine Spuren zu verwischen.
Denn wie es finanziell um mich gestellt ist, geht niemanden etwas an. Mehr noch: Es interessiert auch gar keinen. Und für mich selbst ist es wichtig, daß Geld eben nicht wichtig ist... wenn das so Sinn macht. Nicht daran zu denken nimmt den Druck. Zu sehen, daß ich mit dem auskomme, was ich habe, löst die innere Spannung. Und etwas übrig zu haben, beruhigt.
Damit bin ich an einem Punkt, den ich für mich lange für nicht erreichbar hielt.
"Ich konnte immer gut mit Geld umgehen", das liest man oft. Ja, stimmt, ich auch, das sagt man mir heute noch nach. Ob das wirklich so stimmt, wage ich aber inzwischen zu bezweifeln. Denn daß meine finanzielle Kaufkraft dabei jahrelang konstant unter dem monetären Gegenwert einer Portionspackung Hefe lag, wußte ja zum Glück keiner. Offiziell war das kein Problem, mir nahm das auch jeder ab. Geldprobleme? Was ist das? Sorgen? Haben andere. Der Inbegriff des Laissez-Faire. Das zu schaukeln hat mich viel Energie und schlaflose Nächte gekostet, aber der Schein ist wichtig, damit niemand genauer hinsieht. Lebensmittel? Das geht schon irgendwie so. Ich habe unter anderem im Supermarkt gearbeitet und regelmäßig den Bruch und Verderb abgeschrieben und entsorgt. Ich war immer ein Musterbeispiel. Fleißig, effizient, genügsam und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Daß ich heimlich im Innenhof den Müll gegessen habe, wenn ich vor Hunger nicht mehr konnte, hat ja nie jemand gesehen.
Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, mache ich es heute noch genauso. Ich 'verstecke' weit mehr als nur eine Dummheit aus der Vergangenheit.
"In eine Spielhalle oder Wettbude würde ich nie gehen, da halte ich das Geld ja in den Händen."... das ist auch so eine Sache.
So oder so... bei mir waren es Onlinecasinos, die mir immer am Arsch vorbeigingen.
"Was ist denn das für ne Kacke, wo ist da die Atmosphäre an einem bekloppten Bildschirm? Da muß ich ja auch noch ständig aufpassen, daß niemand zu Hause ist, nach Hause kommt oder nachts wach wird. Und die Algorithmen sind doch geschrieben, um mich zu bescheißen - kann ja keiner kontrollieren. Danke nein, ist mir zu blöd!"
So dachte ich zumindest ziemlich lange, bis ich von der Möglichkeit des Chargebacks erfuhr.
"Ahh... natürlich! Warum habe ich eigentlich nie online gespielt? Ich Idiot! Mhhhhh...."
Ich konnte nichts dagegen machen... das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit... ein Gefühl, von dem ich schon lange dachte, es wäre Geschichte... meine Gedanken überschlugen sich... und das ausgerechnet bei dem Gedanken an von mir immer als 'degeneriert' angesehene Onlinecasinos. Ruhmreich war das Kopfkino da nicht, aber es hielt eine Weile an. Das war wie ein immer wiederkehrender Fiebertraum, aus dem ich zum Glück irgendwann verstört und beschämt aufgewacht bin, geschockt von mir selbst. Ich bin mir sehr sicher, daß ich zu einer anderen Zeit und unter anderen äußeren Umständen nicht dazu in der Lage gewesen wäre, den Finger zu heben und das schöne Luftschloß platzen zu lassen. Soviel zu meinem Warten auf den Tag X. Träum weiter, TAL... nicht in diesem Leben!
Es ist nicht wichtig, was meine präferierte Form der Suchtausübung ist, denn wenn es darum geht, mir das Spielen harmlos- oder schönzureden, tut es auch eine Tipico-Butze, der allmonatliche Bingoabend im Seniorenwohnheim nebenan... oder eben ein Onlinecasino, um meine mühsam aufgebaute persönliche Hemmschwelle im Nullkommanix auszuhebeln. Den Bezug zum Geld habe ich auch verloren, obwohl ich es in den Händen hielt. Es spielt keine Rolle, wo oder wie, denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Je sicherer ich mich fühle, desto länger dauert es, bis ich dem Floh im Ohr Einhalt gebiete... und bei einer sowieso schon extrem niedrigen Schwelle, ab der es für mich kein Zurück mehr gibt, schmälert Unachtsamkeit meine Chancen, dabei keine Federn zu lassen, nochmal erheblich.
All das weiß ich, all das ist sonnenklar, ich habe schließlich lange genug gebraucht, es zu lernen. Jetzt, hier und heute habe ich auch keinen Zweifel daran. Ich weiß aber auch, daß ich das morgen auch ganz schnell einfach mal vergessen kann - und diese Erkenntnis ist nochmal um einiges wichtiger. Die Klarheit zu bekommen war ein zermürbender Prozeß, gegen den ich mich lange mit aller Macht gewehrt habe, sie dann konstant im Bewußtsein zu halten ist... nochmal ein ganz anderes Kaliber. Ist ja eigentlich nicht nötig, ich weiß es ja... also kein Problem. Ist es dann aber doch mal nötig, muß ich das auch rechtzeitig merken.
Innere Ausgeglichenheit spielt da eine große Rolle, und ich mag keine Unruhe. Manche Dinge muß ich daher eben hinnehmen, so denke ich jedenfalls.