Hallo Freundin,
das Muster ist altbekannt, Du kannst sogar die Süchte austauschen.
Auch stoffliche Süchte laufen nach einem ähnlichen Muster ab.
Dass er nie gedanklich bei Dir ist, ist nachvollziehbar. Es gibt Wichtigeres.
Weißt Du was?
Ich war 10 Jahre tablettenabhängig (gelte mittlerweile als "geheilt"), bin spielsüchtig nach Fussballwetten (auch wenn ich derzeit nicht mehr spiele) und habe reichlich Erfahrung mit diesem ganzen Dreck machen dürfen, obwohl ich ansonsten eigentlich relativ normal lebe.
Für mich ist klar, dass ihr als Paar noch länger damit zu tun haben werdet.
Wenn Dein Freund noch im Modus "Komm halt damit klar!" ist, sind Deine Möglichkeiten zur Intervention nur sehr beschränkt.
Wenn er wirklich so viel Zeit vor dem Kram verbringt und nicht in der Lage ist, sein Handy mal für 2 Stunden wegzulegen, dann sieht es nicht gut aus.
Unangekündigt trennen würde ich mich auf keinen Fall! Das kann (und wird) ihn vermutlich noch tiefer reinreissen.
Aus finanziellen Gründen an der Beziehung festhalten? Ebenfalls auf keinen Fall!
Seine Eltern ungefragt informieren?
Bist Du wahnsinnig?!?!
Das wäre vermutlich ein großer Vertrauensbruch, selbst wenn Du ihn damit evtl helfen würdest.
Ich würde mit ihm offen ein Gespräch suchen.
Ist natürlich schwer, weil es schnell in einer Spirale aus (gegenseitigen) Vorwürfen und Rechtfertigungen enden wird. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Versuchen sollte man es, aber am besten in ruhiger Atmosphäre, also nicht, wenn er grad mal wieder am Zocken ist.
Wenn er Dir diese Daytrading-Geschichten nichtmal selbst erklären kann, hat er es vermutlich selbst nie verstanden.
Ihm wird es sicherlich vorrangig um den Kick gehen, um die Flucht aus der Realität.
Ich weiß nicht, mit welchem Problem Du zu kämpfen hast bzw hattest (SHG?), aber ziemlich sicher wird Dein Freund das als "Schutzschild" benutzen, wenn ihr diskutiert bzw euch streitet. So nach dem Motto: "Kehr Du erstmal vor Deiner eigenen Tür!"
Bleibt also noch ein Brief, den Du ihm schreiben könntest. Stelle ihn noch nicht vor vollendete Tatsachen jetzt, dafür ist es wohl noch zu früh. Sprich mit ihm, sag ihm, dass es Dich stört, was Du dabei empfindest usw...
Auf keinen Fall sollte die Diskussion an dem Punkt enden, an dem er sagt: "Das ist MEIN Geld!" und Du nimmst es hin, weil Du abhängig von ihm bist.
Ich könnte mir vorstellen, dass Du Unbehagen spürst, wenn Du mir ihm streitest, weil Du evtl Angst hast, er könne zu (s.o.!)?
Man sollte es nicht eskalieren lassen, aber man muss eine rote Linie für sich finden.
Der weitere Ablauf wird zu 99% so aussehen:
Wenn er eines Tages einsieht, dass er ein Problem hat und Du ihn ggf verlassen könntest, kommt entweder die Trotzreaktion ("Dann hau doch ab, alle lassen mich allein, wenns drauf ankommt!"). Oder es kommt das große emotionale Versprechen ("Ja, ich habe ein Problem. Ja, ich suche mir Hilfe!").
Ab diesem Punkt wird nochmal einige Zeit vergehen, bis irgendwas passiert. Und vermutlich wird er erstmal so weitermachen wie bisher.
Was er braucht, ist eine Einsicht in die Gründe für die Zockerei!
Ist es Langeweile?
Ist es der Wunsch nach dem vermeintlichen 'easy money'?
Ist es der Kick?
Ist es Frustration im real life?
Darauf kann er dann aufbauen.
Aber selbst wenn er die Ursache kennt und daran arbeitet, bleibt so eine Sucht oft noch als Gewohnheit bestehen, wenn man nicht selber massiv interveniert.
Ich schlage vor, Du sprichst erstmal mit ihm und schaust dann, wie es weitergeht.
Das macht am meisten Sinn, weil es kein Patentrezept gibt.
Und von voreiligen Schlüssen halte ich gar nichts.
Ich habe halt selber Erfahrung damit gemacht. Meine damalige Freundin hat sich von jetzt auf gleich getrennt, als es mir sehr schlecht ging. Sie hatte selbst einige massive Probleme, bei denen ich sie jahrelang unterstützt habe
Als ich dann tablettenabhängig geworden bin und Hilfe gebraucht hätte, hat sie mich nach vielen guten Jahren relativ zügig abserviert, weil sie damit nicht umgehen wollte.
Das war hart für mich und hat dazu geführt, dass ich mich vollends hängen ließ und in ein tiefes Loch gefallen bin, aus dem ich erst nach vielen Jahren wieder rausgekommen bin.
Ich habe mich dann auch auf diesem Gebiet weitergebildet (Beziehungskonflikte, Streit etc.) und nun erkenne ich halt auch meinen eigenen großen Anteil an der Geschichte.
Das war aber lange nicht möglich. Ich wollte es nicht sehen, habe alle Schuld auf die Gesellschaft, meine Kindheit usw geschoben. Also komplett unreif.
Aber das gehört dazu. Man braucht solche Erfahrungen, um zu reifen.
Bleib am Ball und berichte weiter!