Hallo Holger,
was suche ich? Was ich gesucht habe, dass habe ich gefunden: mich! Und noch einiges mehr:
gefunden habe ich einen Erzeuger, der leider nicht mehr lebt.
Eine ältere Schwester, von der ich immer dachte, dass sie ein älterer Bruder wäre, die ich im letzten Jahr kennen- und lieben lernte und die ich nie wieder missen möchte -und sie mich auch nicht, wie sie sagt.
Loslassen dafür mußte ich eine Mutter - und damit meine Familie, die ich bis dato kannte. Eine Mutter, die meine Suche nie verstanden und immer unterbunden hat und gleichzeitig loslassen durfte ich meine Sucht. Als ich nach vielen vielen Jahren im letzten Jahr gleichzeitig mich mit Beendigung eben dieser Sucht auf die Suche nach meiner Herkunft machte und fündig wurde, verurteilte mich meine Mutter und nahm mir meinen Vater und meine anderen Geschwister. Meine Mutter lebt seitdem ich mich outete in der festen Überzeugung, dass ich meinen Papa (den, bei dem ich aufgewachsen bin) und meine 3 jüngeren Geschwister (mit denen ich aufgewachsen bin) mit Füssen trete und die alleinige Schuld daran trage, dass diese 4 Menschen nichts mehr mit mir zu tun haben wollen (sie setzt alles daran). Außerdem gebe ich ihr die Schuld, das ich spielsüchtig bin - sagt sie!!
Mittlerweile bin ich - auch mit Hilfe meines Psychologen - zu der Erkenntnis gelangt, dass meine Mutter immer die komplette Kontrolle über mich hatte. Mit meinem festen Willen, endlich mich selbst kennenlernen zu wollen, hat sie diese Kontrolle über mich verloren.
Natürlich gebe ich ihr keine Schuld! Es waren die Lebensumstände die sie zwangen, mit mir und ihrem eigenen Leben auf ihre Weise klarzukommen. Aber das will sie nicht hören. Wortwörtlich sagt sie, "sie hat ihren Rucksack wieder aufgesetzt und nun ist er noch ein wenig schwerer geworden, aber sie trägt ihn tapfer, hat ihn schon immer tapfer getragen." Ich gäbe Ihr die Schuld an meinem verkorksten Leben. Mein Papa (Stiefvater) hat schon immer gesagt: "Süchtigen gehört der Kopf ab!". Von mir behauptet er, dass ich es sowieso nie schaffen würde, davon loszukommen, weil Süchtige sind nicht liebens- und lebenswert.
Ich für mich mußte entscheiden, was mir wichtiger ist. In Untreue mit meiner wirklich Herkunft zu leben oder in Treue. Ich habe mich für die Treue entschieden und damit den Spieldruck ablegen können. Dafür mußte ich meine Familie loslassen, die ich bis dato als die einzige kannte. Das ist mir sehr schwergefallen und es klingt immer noch bitter, wenn ich diese Zeilen jetzt lese.
Nur, inzwischen habe ich erkannt, dass ich ein Mensch bin, mit Gefühlen und Gedanken, mit Worten und Taten. Nicht nur eine Marionette! Ich lebe seither ohne Spieldruck, ohne Rückfall und ich stehe zu mir. Es ist ein spannendes Leben, sich selbst immer näher kennenzulernen, sich zu begreifen und sich Schwächen und Fehler zuzugestehen, aber trotzdem aufrecht und mit Stolz durchs Leben zu gehen.
Traurig und auch zornig bin ich, weil mir nicht einmal meine Geschwister, mit denen ich aufwuchs, auch nur andeutungsweise die Gelegenheit gaben, die Dinge ein einziges Mal aus meiner Sicht darzustellen. Verstehen allerdings tue ich sie, Sie würden ebenfalls plötzlich ohne Eltern dastehen, wenn sie es wagen würden. Ein Zitat meiner Mutter: "Ich habe allen meinen Kinder das Gehen gelehrt, Laufen müssen sie alleine." Ein Zitat meines Therapeuten: "nur das alle humpeln, dass übersieht Deine Mutter leider dabei."
Es tut weh - immer noch! Aber der Schmerz ist nichts im Vergleich dazu, sollte ich jemals wieder anfangen zu spielen, dass weiß ich mit Sicherheit.
Gruß
Marlies