Hi, meine Lieben,
da ich auch aus Österreich bin und schon länger still im Forum mitlese, habe ich mich nun entschlossen, auch was zu dem Thema zu sagen und Infos für eventuelle Mitleser aus AT hereinzustellen.
Zunächst kurz zu mir und meiner Geschichte:
ich hatte eigentlich noch nie ein Spiel- oder großartiges Suchtproblem, aber im Vorjahr hab ich mich in einer für mich sehr stressigen Zeit aus Neugierde heraus bei einem Onlinecasino registriert. Ich habe mich hauptsächlich von der Werbung ködern lassen. Einerseits im Fernsehen und andererseits aus dem Internet, wo mir ab und zu Artikel untergekommen sind über Glückspilze, die irgendwelche hohen Jackpots mit kleinen Einmalzahlungen bzw. Boni ergattert haben.
Im Nachhinein gesehen bin ich da sehr naiv herangegangen. Natürlich war mir irgendwie klar, dass das nicht so locker flockig fröhlich funktionieren kann, weil wo wird man in dieser Welt schon auf die leichte Art und Weise schnell reich... Aber ich wollte Fortuna halt eine Chance geben.
Tja, aber wie ich schmerzlich herausfinden musste, sind diese Onlinecasinos wirklich gefährlich aufgebaut, denn ehe ich mich versah, hatte ich über Wochen hinweg komplette Kontrollverluste und bin total in ein extremes Suchtverhalten hinein gerutscht.
Getriggert haben mich zunächst hohe Gewinne, ich war nach kurzer Zeit etwa 3k € im Plus. Das war dann auf einmal schnell wieder weg und dann wollte ich stur dieses Geld wieder haben. Wodurch ich rasant ins Minus ratterte und in Panik geriet. Auch die ganze Ausgestaltung der Slots hat mich süchtig gemacht. Der Adrenalinrausch, das Blinken, usw. Irgendwie bin ich neben mir gestanden und habe verwundert mein Verhalten beobachtet... all diese ungewohnten Emotionen und komplett neue Denkweisen, die sich eingestellt haben - und das innerhalb so kurzer Zeit?!?
Wenn ich hier so manche Story durchlese, so kann ich mich in Vielem wiederfinden, gottseidank meistens nur ansatzweise. Aber selbst Beschaffungskriminalität ist mir nicht mehr fremd, weil zu meinem Befremden nach einem großen Verlust mir tatsächlich Gedanken kamen, wie und wo ich an Geld herankommen könnte... Ich habe dem nicht nachgegeben, aber es ist für mich erschreckend, dass ich überhaupt so zu denken begonnen habe.
Mir war im Übrigen auch tatsächlich nicht bewusst, dass es sich um illegales Glücksspiel handelte. Ich finde es wirklich extrem bedenklich, wie Onlinecasinos vorgehen, um über die Rechtslage hinweg zu täuschen.
Kurzer Rede länger Sinn, als ich einen Betrag jenseits der 5k€ Minus erreicht habe, habe ich schließlich in meiner Verzweiflung im Internet nach Infos gesucht und bin darin u.a. auf dieses Forum gestoßen und habe somit mit großem Erstaunen von der eigentlichen Rechtslage erfahren. Ich hatte schon zuvor meinem Mann und meiner Mutter gebeichtet, was für mich, die ich eigentlich eine äußerst vernünftige und vor allem in Geldangelegenheiten sehr vertrauensvolle Person bin, unglaublich peinlich und beschämend war. Sie haben sehr lieb und verständnisvoll reagiert, was für mich eine einfach tolle und vor allem entlastende Erfahrung war. Umso schlimmer, dass ich trotz der Beichte noch ein paar Mal rückfällig geworden bin, weil mich der Gedanke nach Schadensbegrenzung einfach so beherrscht hatte (bzw. die Sucht so stark war? kennt ihr die Erfahrung, dass man das vorhandene Geld einfach wegspülen ‚muss‘ weil erst dann, wenn man auf Null ist, der Druck weg ist und man zwar fertig mit den Nerven ist, aber auch endlich schlafen kann, weil eh nix mehr geht?).
Aufgehört hat es wirklich erst, als ich die Illegalität des Onlinecasinos herausgefunden habe. Damit war für mich klar Schluss und das ist es jetzt seit mehreren Monaten.
Nun zum zweiten Teil bzgl. dem Rechtlichen:
Ich habe ebenfalls Kontakt zu einem Anwalt aufgenommen und auch hier ist die Strategie so, dass das Onlinecasino direkt belangt wird. Es wird vermutlich zu einer dementsprechenden Klage kommen, allerdings vor einem Gericht an meinem Wohnsitz, da es rechtlich so ist, dass der Ort von dem aus man gespielt hat der Erfüllungsort ist.
Zur Rechtslage in AT kann ich allgemein Folgendes erzählen (natürlich ohne Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit, ich schreibe weitgehendst aus dem Gedächtnis und formuliere rechtlich gesehen nicht 100% akkurat - dies ist auch nicht als Rechtsberatung gedacht, sondern rein als Information von einer Betroffenen für andere Betroffene):
1. Onlinecasinos gelten lt. österr. GspG
https://www.jusline.at/gesetz/gspg/paragraf/12aals ‚elektronische Lotterien‘ für deren Betreibung es eine Konzession braucht, die aktuell nur die Plattform win2day besitzt. Bei allen Angeboten von Onlinecasinos handelt es sich also mit Ausnahme von Sportwetten, die in AT ausdrücklich erlaubt sind, um ‚verbotene Glücksspiele‘.
2. Verbotene Spiele erzeugen in AT nach geltender Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes nicht einmal eine Naturalobligation, da es sich bei den Verlusten um ‚Einsätze‘ handelt, die das verbotene Spiel nicht bewirkt haben.
https://www.ris.bka.gv.at/JustizEntscheidung.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_19960313_OGH0002_0050OB00506_9600000_000&IncludeSelf=True3. Einsätze können zurückgefordert werde. Dazu gibt es bereits erfolgreiche höchstrichterliche Urteile gegen Onlinecasinos mit maltesischer Lizenz.
„ Der Rückforderungsanspruch des Klägers resultiere im Hinblick auf die fehlende Konzession der Beklagten aus einem verbotenen Glücksspiel. Was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrags gezahlt worden sei, sei rückforderbar. Eine Rechtsgrundlage biete sowohl das Bereicherungs-, als auch das Schadenersatzrecht, zumal der Eingriff ins Glücksspielmonopol auch eine Schutzgesetzverletzung bewirke.“
https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20170727_OGH0002_0040OB00124_17I0000_0004. Banken zu belangen ist in AT wesentlich schwieriger. Es gibt kein so eindeutig formuliertes Gesetz wie in Deutschland. Verwaltungsstrafen sind im GspG geregelt, wobei dem Finanzdienstleister aber Vorsatz nachgewiesen werden müsste. Im Übrigen macht sich auch der österr. Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Glücksspiel strafbar und kann mit einer Geldstrafe von einigen Tausend € belangt werden.
https://www.jusline.at/gesetz/gspg/paragraf/52Informationen und ev. Hilfe finden sich auf der Webseite Spieler-Info.at. Bzgl. Suchtberatung etc. kenne ich mich nicht aus, ich weiß, dass es diverse Vereine gibt. Selber reicht mir eine Einzeltheraphie, wo ich bereits Einiges über die Hintergründe zu meinem kurzfristigen Suchtverhalten herausgefunden habe. Das Spielen ist für mich wohl eine Art Ventil gewesen, um Druck abzubauen. Das stupide, anspruchslose Betätigen der Slots (am sinnlosesten ist ja wohl der Automatikmodus, wo man nicht mal mehr drückt, sondern nur noch teuer bezahlte wechselnde Bilder anschaut?!) hat mich entspannt, weil nichts von mir erwartet wurde und ich trotzdem das Gefühl hatte, in jedem Moment könnte der geniale große Glückstreffer kommen. Dass aber so ein Geldgewinn nicht wirklich der Grund für das Spielen gewesen sein kann, merkte ich, als ich trotz der relativ hohen Gewinne über 1k € noch immer eine Leere verspürte und das Geld gar nicht wirklich ausgeben wollte. Mir war klar, dass man rein statistisch gesehen auf lange Sicht nur verlieren kann. Trotzdem konnte ich nicht aufhören... Geklickt hat es erst, als ich realisiert habe, dass ich mich strafbar mache.
Ich spüre heute keinen unmittelbaren Spieldruck mehr und vermisse das Spielen auch nicht. Sollte ich meine Verluste zurück bekommen, wäre das natürlich toll. Ich habe selber lange überlegt, ob so eine Rückforderung moralisch richtig ist, da ich ja schließlich im Bewusstsein gespielt habe, sowohl gewinnen als auch verlieren zu können. Allerdings hat sich das krampfhafte Spielen schlussendlich so dreckig und schmutzig und krank angefühlt, dass ich ehrlich sagen kann, dass ich mit Onlinecasinos ganz einfach nichts mehr zu tun haben will. Selbst Gewinne würde ich zurückgeben, weil es sich einfach schäbig anfühlt. Ich habe nichts gegen seriöse Casinos, wo man mal Spaß haben kann. Aber diese Seiten sind nicht reguliert und so designed, dass man die Kontrolle verliert. Ja, es gibt diverse Spielerschutzmöglichkeiten, man kann Limits setzen etc. - allerdings sollten diese voreingestellt sein, denn wer setzt sich solche Limits schon selber, gerade wenn man verzweifelt versucht, Verluste zurückzugewinnen? Spielerschutz muss sehr streng gehalten werden, ohne viel Wahlmöglichkeit und von Anfang an streng. Das ist meine Meinung dazu.
Falls jemand noch mehr und speziellere Infos bzgl. der rechtlichen Lage in AT benötigt - bitte fragt, ich habe noch ein paar Unterlagen/Links, vielleicht kann ich euch helfen. Übrigens: Bevor ich den Anwalt kontaktiert habe, habe ich es bei meinem Kreditkartenanbietern versucht mit der Bitte um Chargeback und Erwähnung des AG München Urteils (mit Hinweis, dass das Vertragsunternehmen, also das Onlinecasino, lt. Gesetz siehe oben keinen Anspruch auf meine Einsätze hat). Aus der Antwort des KKunternehmens war jedoch ersichtlich, dass sie kaum darauf eingehen würden ohne gerichtlicher Maßnahmen. Von der österr. Gesetzeslage aus betrachtet, scheint eine Klage direkt gegen die Onlinecasinos derzeit erfolgversprechender zumal insbesondere das österr. Glücksspielgesetz mehrfach als gegenüber dem EU-Recht konform beurteilt wurde und damit die Illegalität der Onlinecasinos bestätigt wurde.
Sorry für Typos bzw. schlechte Formulierung, schreibe vom Handy aus
Lg euch allen!