Hallo Blow Up
Herzlichen Dank für deinen Beitrag.
Als ich deine Geschichte gelesen habe, hat mir das auch Trost gespendet...es ist schön, wenn man nicht alleine ist.
Freut mich sehr dass ich etwas beitragen konnte, man hat ja die Weisheit nicht gepachtet aber in diesem Feld durfte ich einiges an Erfahrung sammeln :-) Alleine dass du wie ich damals hier her gefunden hast zeigt doch dass du die notwendige Einstiegshürde an Selbstreflexion mitbringst. Der Blick auf das knallgelbe Banner "Glückspielsucht" erdet einen, auch wenn die Trading- bzw. Börsen-Beiträge hier ein wenig deplatziert wirken. Nichtsdestotrotz werden sie geduldet und ich denke die Dichte an Erfahrungsträgern mit Suchtproblemen und Psychologen ist hier höher als wenn man die Diskussion in einem Trading-Forum starten würde. Ich behaupte dass sehr viele an diesem Punkt stehen an dem sich du gerade befindest oder vor geraumer Zeit auch margin_call und ich. Die Dunkelziffer dürfte sehr hoch sein, trotzdem würde es wahrscheinlich wenig bringen die Diskussion in einschlägigen Trading Boards zu starten. Hinter den Retail Produkten wie CFDs, Knockouts etc. steht letztendlich auch da eine Industrie dahinter die genährt werden möchte; im Endeffekt würde es in die selbe Richtung gehen wie wenn du versuchen würdest auf dem Schützenfest die Gefahren von Alkohol oder in der Spielothek die Problematik der Spielsucht zu erörtern. Gerade hat der Aktienmarkt wieder einen leichten Schluckauf, die Zahl der Besorgten dürfte sich in nächster Zeit wohl erhöhen
Und du hast natürlich völlig recht, ich habe mich informiert, bevor ich das CFD-Konto eröffnet habe und viel gelesen und recherchiert. Trotzdem dachte ich: ich bin sicher schlauer als die anderen...CFD ist schon eher eine Abzocke, ich bin mir sicher, dass der Broker teilweise die SLs holt und die Kurse ein wenig mehr ausschlagen lässt, als diese es an der Börse in Wirklichkeit tun. Auch würde es mich interessieren, ob die Charts auf der Handelsplattform alle identisch sind oder für jeden Kunde ein wenig anders aussehen (je nachdem wo ihr SL gelegen hat).
Es gibt auch da genügend schwarze Schafe, sicherlich. Am fairsten ist immer der echte Markt, sprich die Underlyings direkt oder eben die börsengehandelten Derivate (Futures, Optionen). Am Ende des Tages wird man immer dazu verleitet durch den Hebel zu hohe Positionsgrößen zu fahren und dann ist es statistisch nur eine Frage der Zeit bis es schief geht. Viele Hobbytrader machen dann den Fehler und skalieren im Verlust (an alle mitlesenden Nicht-Trader: das ist nichts anderes als die Martingale Strategie) oder handeln schlicht gegen den Trend. Oder ignorieren Marktevents. Oder handeln ohne Stops (nennen es dann "mentale Stops" die bei Bedarf weggezogen oder gelöscht werden). Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Und das sind alles Fehler die man auch nach 15 Jahren Erfahrung noch ab und zu macht, Fehler sind menschlich und man kann nicht permanent zu 100% fokussiert sein
Ich könnte mir durchaus vorstellen, seriöses Trading zu betreiben, aber dafür müsste man ja eigentlich den ganzen Tag dafür opfern und eiserne Disziplin haben. Da bin ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt der Typ dazu bin. Ich kenne mich zwar in Finanz-Angelegenheiten sehr gut aus mit der Funktionsweise von Börse und Anlageinstrumenten, aber bin wohl emotional zu wenig stark, um roboterhaft mit klaren Stopps und Limits zu traden - denn das ist nötig um erfolgreich zu sein.
Ev. werde ich es mal versuchen, aber momentan sollte ich meine privaten Angelegenheiten in den Griff bekommen und während der Arbeit nicht zu abgelenkt sein und alle 10 Minuten auf die Kurse zu schauen.
Auch war ich irgendwie zu faul, mir eine vernünftige Strategie zu erarbeiten und die Charts sauber zu analysieren und die wichtigen Unterstützungsmarken etc. einzuhalten und zu traden. Stattdessen find ich an, aus dem Bauch heraus zu handeln und das kommt an der Börse eben meistens nicht gut. Und ich hatte am Schluss komplett die Geduld verloren und wollte meine Verluste so schnell wie möglich mit hohem Risiko zurück holen....nur schon wenn ich das schreibe tönt es bescheuert, weil ich genau weiss, dass das gar nicht funktionieren kann....
es ist die Kontrollillusion. Wenn immer man denkt "das muss korrigieren", "das muss jetzt wieder steigen", "unterbewertet" / "überbewertet"... Löse dich davon, sonst kommst du auf keinen grünen Zweig.
Absolut korrekt - da muss ich dir zu 100% recht geben. Das wollte mir nicht in den Kopf, ich dachte immer wieder: zuerst hole ich meinen Verlust wieder rein und danach fange ich an, seriös zu traden mit Konzept und Excel-Listen etc.. Das ist natürlich total unrealistisch :-).
Glaub mir ich kenne diese Gedankengänge wirklich gut. Man schaut auf sein überfrachtetes Depot das im Minus ist und denkt sich jetzt eine Marktkonsolidierung dann bin ich raus aus diesem Schlamassel. Weil es nie schadet es sich selbst ins Gedächtnis zu rufen will ich nochmal kurz auf meine Handelsposition von vor 2 Jahren eingehen (mittlerweile kann ich darüber echt schmunzeln). Genau wie du hab ich der Hausse am Aktienmarkt nichts mehr abgewinnen können und dachte das Top muss jetzt erreicht sein. Diese Meinung hatte ich über 2 Jahre lang (warum sind Privatanleger eigentlich immer so negativ?!). Bis auf ein paar Dividendenwerte war ich mit Mann und Maus short über S&P Futures mit irgendwelchen wilden Optionskonstrukten drumherum. Dann kam der Covid Crash, der breite Markt crashte um -20%. Mein Depot hat dementsprechend zugelegt, über 90 Tsd Euro in wenigen Tagen (von ca. 130 auf 220 Tsd). Ein rationaler Trader wäre nie mit so einer Allokation unterwegs gewesen aber wenn aus irgendwelchen Gründen doch hätte er spästens zu diesem Zeitpunkt gesagt "Was kann mir bitte besseres passieren?" und hätte alle Positionen glatt gestellt. Habe ich aber nicht. Aus welchen Gründen auch immer hatte ich im Eifer des Gefechts entschieden dass der Einbruch übertrieben ist, dass der VIX Höhen erreicht hat welche die Finanzkrise in 2008 in den Schatten stellten. Also habe ich alle Absicherungen (die Futures) geschlossen und bin long gegangen und weil ich mir so sicher war habe ich gleich noch auf eine fallende Volatilität im VIX gewettet. Der kleine Teufel auf meiner Schulter hat gesagt eine Viertel Mio ist zwar toll aber eine halbe wäre noch viel besser.
Es war dann eine Sache von wenigen Tagen, der Markt brach weiter ein, ich bin ich Schockstarre verfallen und wollte es nicht einsehen dass ich komplett falsch lag. Wollte das aussitzen. Der Margin Desk meines Brokers hat sich dann um mein Depot gekümmert da ich die geforderten Sicherheiten längst nicht mehr stellen konnte (Margin Call ist mehrfach erfolgt wenn auch nur elektronisch und nicht wie früher mal telefonisch. Die wären auch komplett überlastet gewesen in der Phase). Aus der erhofften halben Million waren dann noch rund 5000€ übrig, also ziemlich genau 1% :-) Ich hatte mich erst im Nachgang mit den Regularien der Futures auseinandergesetzt (also diese 90-seitigen englischen Dokumente die man einfach als genehmigt weg geklickt hat), rückblickend bin ich meinem Broker sehr dankbar für deren professionelles Vorgehen weil sie mich da auch noch viel schlimmer hätten rausholen können. Dann wären auch noch Nachschussforderungen im Raum gestanden die ich zu der Zeit nicht hätte aufbringen können.
Zur selben Zeit hatten mich Kollegen und Kumpels angerufen oder bei Whatsapp geschrieben und mir gratuliert weil sie wussten dass ich immer davon geredet habe dass ich den Markt shorten werde. Beim Abendbrot lief die Tagesschau und die Panik an den Börsen wurde thematisiert, meine Frau hat mich voller Vorfreude gefragt wieviel Geld ich denn jetzt verdient hätte. Die Antwort die mich geschockt hatte, hatte sie dann auch geschockt ;-) Damals kam ich mir wie der dümmste, ärmste und auch unglücklichste Tropf der Welt vor. War natürlich auch in der damaligen Situation eine schwachsinnige Denke wenn man überlegt wie privilegiert wir in unserem Land leben ggü. vielen anderen.
Irgendwann war das Selbstmitleid vorbei, ich hab mich wieder aufgerappelt - alles hinterfragt, alles geändert. Regeln festgelegt. Rückblickend war diese Erfahrung für mein Trading die beste überhaupt. Die Medizin war sehr bitter aber der Patient hat sie dringend benötigt. Finanziell geht es mir und meiner jungen Familie heute auch besser als zuvor.
Übrigens, kurzer Exkurs: ich meinte dass wohl die Kontrollillusion der Fahrschein in Richtung Spielsucht ist. Dieses Muster das du beschrieben hast und dem auch ich unterlegen bin (nur noch ein Gewinner Trade und ich bringe das alles in geordnete Bahnen), das ist auch ein markantes Merkmal das etwas aus den Fugen geraten ist. Das könnte man sogar 1:1 mit einem Casino vergleichen: einmal den Jackpot abräumen, dann spiele ich nicht mehr. Die meisten gewinnen den nie. Und die wenigen die es schaffen verzocken die Kohle dann wieder. Lies meine Zeilen von oben, ich hatte einen Jackpot in den "dunklen" Tagen. Und wurde dann gierig und hab alles verzockt.
Zurück traden kann man hier gar nix. Du kannst entweder frische Gewinne machen oder frische Verluste. Und bisher hast du unterm Strich mit deinem Vorgehen Verluste erzeugt. Warum sollte dieser Weg also irgendwie zielführend sein? Entweder du ziehst jetzt einen Schlussstrich, sagst der Börse Auf Nimmerwiedersehen oder du versuchst in einen profitablen Handel zu gelangen...
Ich habe einfach Mühe zu akzeptieren, dass ich das verlorene Geld definitiv abschreiben muss....und es nervt mich immer wieder, dass ich solche Verluste erlitten habe, obwohl ich eigentlich ein ziemlicher Fachmann wäre, denn ich habe wirklich viel Know-How. Aber ich hatte die Grundregeln welche in jedem Trading-Buch stehen leider nur am Anfang eingehalten und danach mehr und mehr nicht mehr ernst genommen (zu hohe Einsätze etc.). Ich muss einfach eingestehen, dass ich entweder nicht geeignet bin fürs Trden oder zu ungeduldig....
Unabhängig von dieser Entscheidung die dir niemand abnehmen kann und sollte, ich empfehle dir dringend eine Auszeit von dem gesamten Thema zu nehmen. Mache es plakativ, kündige deiner CFD Bude und hole dir das verbliebene Geld auf dein Girokonto. Wenn du einen Neuanfang beschließt: nimm dir die Zeit eine Strategie zu formulieren die zu dir passt. Suche einen seriösen Broker. Kleine Positionsgrößen (um nicht das Wort Einsätze zu wiederholen, denn wenn du es dann richtig machst wettest du nicht mehr). Ich respektiere die Meinung von margin_call dass eine komplette Abstinenz ein guter und vielleicht der richtige Weg für dich sein kann. Als kleinen Einwand möchte ich anfügen dass nur du dich wirklich um dein Geld kümmern kannst, ohne Sparen steht man im Alter arm da und wenn man die Rendite den Banken überlässt.. du weißt als Bankberater selbst wie "fürsorglich" die mit deinem hart Ersparten umgehen. Die Aktienkultur sollte im deutschsprachigen Raum gestärkt werden, stattdessen wird das Thema stigmatisiert und man erlaubt Produkte wie CFDs und Hebelzertifikate. Das sind Produkte die übrigens in den USA verboten sind -aus gutem Grund wie ich finde weil man viel zu schnell zur Spekulation verleitet wird. Aber jetzt genug geschimpft!
Gratuliere, dass du dein Handeln im Griff hast - aber kannst du denn deine Arbeit und das Trading so verbinden, dass du für beides genügend Zeit hast?
Klappt mittlerweile gut, ich fokussiere mich auf den amerikanischen Markt und handle überwiegend Stillhaltergeschäfte mit klar definierten Regeln. Da braucht es am Abend ne Stunde Zeit wenn der Junior im Bett ist, mehr nicht. Natürlich schaue ich mir tagsüber auch die Märkte an, passenderweise ist mein Job da nah dran. Und alles was viel Aufwand oder Stress und Nervenkitzel verursacht lasse ich konsequent weg - schließlich soll einem der Markt zu mehr Freiheit sprich weniger Arbeit verhelfen und man sollte sich nicht abhängig davon machen. Vor allem letzteres, im wahrsten Sinne des Wortes :-)
Letztes Jahr war der Gegenentwurf zu 2020: ich habe eine gute Ernte eingefahren und die Erträge lagen gleichauf mit den Einkünften aus meinem Job. Trotzdem denke ich zumindest heute gar nicht daran den Job an den Nagel zu hängen - Trading in Vollzeit würde mir wahrscheinlich auch wieder Trades gegen die Langeweile bescheren - ihr wisst was dann passiert.